Sieben Fragmente

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>>Informationen in eigener Sache:

Alle meine Texte sind im Grunde vorrangig für eine Poetry-Slam Bühnenperformance geschrieben und konzipiert und wurden bereits von mir auf diesem Weg erfolgreich öffentlich präsentiert.<<



Sieben Fragmente aus den Annalen
"Lose Blätter"
der Heilanstalt
Albrechtshausen-Süd
Abt. Suizidale Schattenexistenzen
Leitung: Wolfgang Watzl
Red./Hrsg: Jonas-Benedikt


Fragment # 01

Das alternde Fräulein legte sich bar aller Kleidung auf ihr Bett und beschloss, endlich an ihrer Einsamkeit zu erfrieren. Tags darauf erwachte sie zwar leicht fröstelnd aber ansonsten als wäre nichts geschehen.
Sie war die klirrende Kälte in ihrem Herzen wohl schon viel zu sehr gewöhnt.


Fragment # 02

Die Frührentnerin Ottilie S. wurde von herbeigerufenen Sicherheitsbeamten inflagranti dabei ertappt, als sie rasend wiederholt mit einem Brotmesser auf den in ihrem Bett liegenden, inzwischen bereits stark mumifizierten, seit längerem spurlos abgängigen Postboten Ludwig F. einstach.
Sie konnte laut ihren späteren Aussagen zufolge, das konsequent kalte, beharrlich abweisende Schweigen ihres angeblichen Liebhabers einfach nicht mehr ertragen.


Fragment # 03

Ein Mann klettert auf eine Leiter, um sich selbst von oben zu betrachten. Zu seinem Erstaunen konnte er sich aber partout nicht mehr an diesem Platz wiederfinden, auf dem er kurz zuvor noch gestanden hatte, so als hätte ihn die Erde verschluckt. Enttäuscht stieg er wieder auf die Erde herab und begegnete sich kurz darauf wieder an der zuvor leeren Stelle.
Seltsam, dachte er sich, war aber insgeheim doch froh, sich so rasch wieder gefunden zu haben.


Fragment # 04

Eine Frau klagte ihr entsetzliches Ungemach mangels anderer Alternativen einer überlebensgrossen Marmorstatue inmitten der Stadt. Bald kugelten riesige, schwere Tränen wie Lawinen aus den Augen des mächtigen Titanen. Und just eine davon erschlug die Frau und erlöste sie von ihrem Leid.
Welch wundersame Poesie eines einsamen Todes!


Fragment # 05

Eine beinamputierte Gärtnerin erschlug ihre Schwester und pfopfte deren noch warmes, vom leblosen Körper abgeschnittene Bein fachgerecht an ihren Stumpf. Und siehe da, es wuchs klaglos an und alsbald konnte niemand mehr ihren Trick erkennen.
Es sind immer wieder die kleinen, nahezu unbedeutend scheinenden Dinge des Lebens, die es so wunderbar lebenswert machen.


Fragment # 06

Ein Mann trennte sich im Streit von seinem Schatten, der sodann seine eigene Wege ging, dabei aber leider auf die schiefe Bahn geriet. Über kurz oder lang wurde er zum Tode verurteilt. Und, wie vom Pöbel gefordert, der schuldlose Mann mit ihm.
Der Schatten entkam unbemerkt im Dunkel der Nacht und so wurde der Delinquent nun schattenlos gehängt.
So findet das Dunkle immer einen Ausweg, so ganz ohne störende Moral.


Fragment # 07

Ich sagte blau zu rot und wurde dafür öffentlich gehängt. Der nächste Proband hielt das dottergelb für ein sattes grün und bekam dafür das Königreich wie auch die bildschöne Prinzessin obendrauf.
Was soll man dazu sagen?
Ich jedenfalls habe beschlossen, das nächste Mal mehr Glück zu haben.
 

hein

Mitglied
Von Fragment # 7 fühlte ich mich persönlich angesprochen:
ich habe eine sogenannte Rot/Grün-Schwäche, was manchmal zu Irritationen führt.

Ich wurde deswegen zwar bisher nicht gehängt, aber doch öfter mal belächelt.
 



 
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