Sieben Jahre

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ENachtigall

Mitglied
Sieben Jahre



reinen Duft koche ich in Vorgesterns Laken
in der Waschküche
wo frischer die Luft mich strömt
und flinker die Finger fliegen
übers Waschbrett fliegt auch der Puls
aus den Stimmritzen schrillt eine Ode
an den Todstellreflex:
alle sieben Jahre, sagt man
häutet sich der Mensch



naseweis dirigiert das Handpaddel
durch den Nebel der Nüstern
ist Lust eine Fährte
ein Hauch von Haut auf verblühtem Gras
lasst es nur liegen
ich bin flüchtig danach
mir ein Schlupfloch zu suchen
alle sieben Jahre
sagt man
häutet sich der Mensch



verblichen im Gewäsch
schleudern Träume Schaumkronen
Halluzinationen
an Land wie falbfarbene Berber
in Steppen getrieben
wieder und wieder evolutioniert
zum Staunen jener fraglosen Weite
deren Leinen Übermorgen
mit Flachs ich bestücke
prasseln noch Trümmer
auf Olfaktor, den an der Nase
herumgeführten Bären
den ich tanze alle sieben Jahre
sagt man
häutet sich der Mensch?



heiß ist das Eisen mit dem ich gedenke
dieser Hartnäckigkeit
diesen Zweifelsfalten
auf der Stirnseite des Leibchens
schief das verschämte Lächeln zu plätten
und dann in den Regen gehen
den Klammerbeutel voll Rache
an den nächsten Nagel gehängt
geteert und gefedert habt ihr mich
lange bevor ihr mich richtetet
alle
sieben Jahre, sagt man
häutet sich der Mensch



behütet tragen die Waschhäuser
statt Schmutzabweisern auf ihren Dächern
Geduld mit der Fallsucht des Fühlens
selbst das Wünschen verfällt dort
beiläufig
im Sturz einer Wimper mit ihm sein Fluch



mir bricht kein Himmel mehr
unter den Füßen zusammen
sagt man alle sieben Jahre
wenn ein Mensch sich häutet



© Elke Nachtigall
September 2006
 
B

bonanza

Gast
etwas viel wäsche in der trommel.
bunt durcheinander.
wieviel esoterikkurse muß man besuchen, um dein gedicht
halbwegs zu verstehen?
und warum steht es unter "tagebuch"?

bon.
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo bonanza,

danke für Dein Lesen und die Resonanz.

Mit Esoterik habe ich nichts am Hut und es ist einfach ein persönliches Resümee. Dass es Dir nichts sagt - naja, so ist das manchmal.

Ich finde auch, dass der schmutzigen Wäsche genug im Bottich ist und es passt auch kein Taschentuch mehr rein. Deshalb ist es wohl so lang geworden. Diese Freiheit wollte ich mir nehmen. Deshalb steht es hier und genau so.

Gruß

Elke
 

namaqool

Mitglied
hallo elke,

ich habe diesen text schon mehrmals gelesen und ich finde immer wieder neues faszinierendes in ihm. wie machst du das? kannst du mir das mal erklären?

"mir bricht kein Himmel mehr
unter den Füßen zusammen
sagt man alle sieben Jahre
wenn ein Mensch sich häutet"

ist das gut oder schlecht?

grüsse, namaqool.
 

ENachtigall

Mitglied
der Himmel

danke, namaqool, für Deine schöne Antwort.

Wie eine Schutzhülle betrachte ich "den Himmel" hier, schützend rundum das Individuum. Wenn er bricht - zudem unter den Füßen - folgt, wie beim Teppichwegziehen, ein k.o.

Die zitierte Stelle birgt zwei (oder mehr) Auslegungen oder Wege. Ich versuche mal zwei Extreme aufzuzeigen.

- die Erneuerung (hier Häutung genannt) verleiht Stärke und Vitalität, die zum Eigenschutz bemächtigt. Der Himmel kann sich ausweiten und mehr Raum geben ...

- die Veränderung führt zur Verhärtung und Verleugnung: wofür brauche ich einen Himmel (wenn der eh nichts taugt)?

Der dabei anklingende Größenwahn ist typisch für ein Gefühl von Pioniersgeist, das solche Umwälzungen begleitet und dient der Überspielung der zeitgleich auftretenden Unsicherheit.

Schön, nochmal zum Nachdenken angeregt zu werden.

Liebe Grüße

Elke
 
hallo elkeschatz,

ich habe so meine erfahrung mit dir und deinen werken...
mein tipp...
man liest sie einfach, lässt sie auf sich wirken... ganz ohne kopfzerbrechen und manchmal... da leuchtet ein sternchen des verstehens auf,,,
an anderer stelle fällt der groschen,
man bückt sich... hebt ihn auf und knallt sich an anderer stelle den kopf...

man lässt es wieder nur wirken... liest noch mal und nochmal. freut sich am besten über so viele bilder und phantasie der autorin...
wenn auch das nichst bringt, schreibt man an elke einen schönen onlinegruß und blättert schleunigst weiter.
bei elke hats immer etwas besonders in der abstellkammer zu finden.
nahe zu nichts kommt an diesen stil ran.
wieder einwildspannendes werk deiner phantasie.
gn9 heike
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo liebe Heike,

Dein Wohlwollen beim Lesen ist schon grenzüberschreitend - im positiven Sinne, versteht sich!
Es ehrt mich besonders, dass Du die Prellungen nicht scheust, und trotzdem meine Gedichte liest. Ich lese aber auch die ganz fein versteckte Kritik in Deinen Worten und - das trifft sich an dieser Stelle - habe mir unlängst vorgenommen, mich zukünftig auch an ganz einfachen Formulierungen zu orientieren. So zur Abwechselung, und um noch was Neues zu lernen. Bin gespannt ob es klappt...

Meine ganz lieben Grüße

Elke
 
hallo elke, ja es ist eine ganz feine kritik,

die ich aber bei dir inzwischen ncht mehr wirklich aufs trapez bringen muss.
wir haben uns unsere meinungen schongesagt ..es ist also kein gehimnis.

nur ebenoft schwer...bei den sehr kreativen texten für mich denrotenfaden oder deine urspünglichen anlässe zum titel zu erkennen. große bewunderung empfinde ich für daswas du dann in sprühender phantasie verpackst.
ansonsten,,,lach... übe ich mich gerade in verspielteren formulierungen und verpackungen, ansatzweise in deiner dir eigenen art texte zu verfassen.
das ist ein neugebiet für mich..es muß tief aus deminneren kommen ... bei dir und auch bei mir, denke ich damit ein werk authentisch rüber kommt.
also las die kritik kritik sein und nimm bitte meine bewunderung an.
liebengruß heike...
 

Magic

Mitglied
Das ist ein gewaltiges Werk, liebe Elke!

Stationen des Lebens... ein Laken, das gewendeter nicht sein kann...
Ich bin beeindruckt!

Alles Liebe und einen standhaften Himmel (innen und außen)
Karin
 



 
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