sirenen nester corona virorum - sonettinen des ersten terzetts (9., 10., 11.)

3,70 Stern(e) 3 Bewertungen
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
9.


irgendwas im schilde? liegt in deinem arm sie
schläft so vor sich hin – ob sie versuchte dich
traumgetränkt (wo liderschatten der in sich
wach verschränkten alt neuronen wälder war n die

irgendwas im schilde führten) – ob sie ward als
räubertochter seelen stund vermieterin
dir dem untermieter gast mit kinder mien
poker face so ehrlich frech geoffen bart als

deiner letzten stunde letzte lust
deiner letzten lust gewinn: verlust
doch verlust schlägt um in winngewinn

alles wird wien säugling an der brust
süsz gestillt – zu mutters opferlust
doppel winngewinn wie sinne sinn



10.


in der kehre schwenke – götz erbarm sie
halt sie warm mit deinem kühlen charme
schmieg dich dicht an ihren reim: umarm
sie die dich umarmt so biet den arm sie

dir vom sanften schlager herz noch warm
und mit leisem spott ganz ohne harm sie
wenn nur du dir selber nicht erbarm – tzziiieh!
packt sie dich am löffel (instant karm …)

affen äffen nach doch spiegel spiegeln
dichter schlagen die zu bruch die psycho
anna lyte doktrix auf zu wiegeln

die symbolik kennt doch jeder wächter!
schüttelte die sich und brach ins griecho
barbarum tür kis s aus: ins gelächter



11.


ganz von innen frier für diese zwischen
nesterglut glutnester eingeniste tes tes
nur zum spasz aus deiner nase ein – verstehst es?
ganz von innen frier für diese zwischennester nischen

in die tiefkühl truhen wand wo ausge
steuert wurde deren schätzwert unlängst stürzte
zum jo hanntick rist geburts nacht weihland würzte
ein verbrannter merker den hans sachs – da rannten raus ge

standene bekenner dieses alten
ja: symbolisch tief erhöht in einer deutung
hohlgespiegelt glänzt da etwas auf aus feuer spalten

doch die schatten nischen dieser falten
schluckten ob dem klangwert der erläutung
glocken dehnung: leute ihr – vergaszet nicht des alten?
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Ja, Karl Kraus trifft immer ins Schwarze, wenn er meint:

"Es genügt nicht, keine Gedanken
zu haben; man muss auch unfähig sein,
sie auszudrücken."

Nun hat Karl Kraus nicht auf Mondnein gezielt, aber trotzdem ins Schwarze getroffen, sozusagen postum.

Gruß, blackout
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Gedanken kann man so wenig wegdenken wie den Raum und das Jetzt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 21263

Gast
Ich kann nicht erkennen, dass der Autor Mondnein gedankenfrei an sein Werk gegangen sei. Und warum Karl Kraus hierbei ins Schwarze trifft, erschließt sich mir nicht. Der simple Schluss lautet: Textkritik war's nicht, dafür persönlicher Angriff!

(Man kann sogar das Wegdenken nicht wegdenken)

Gleichwohl ist die Schlagzahl täglich hier eingestellter Texte viel zu hoch, man kommt einfach nicht nach ...

F.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Nein, Mondnein, du hast nicht recht, "so heißt es" nicht, sondern "postum" ist die richtige Schreibung, aber da die neue Rechtschreibung eine Schlechtschreibung ist, erlaubt sie auch das "posthum".

Gruß, blackout
 
G

Gelöschtes Mitglied 21263

Gast
Beide Schreibungen sind richtig - und älteren Datums. Die neue deutsche Rechtschreibung hat damit gar nichts zu tun. Die wohl ältere Schreibung wäre posthum, für mich die bessere. Zum einen verweist sie deutlicher auf Mensch und Begräbnis (human, humus, humare), zum anderen - ganz wichtig! - ist sie in ihrer Betonung gefälliger und sach/menschbezogener: jambisch = xX. Die modernere Schreibung neigt zum Trochäus: Xx, und klänge irgendwie albern.
Am Ende ist es dann doch wieder nur eine Geschmackssache ...

F.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Ja, habe ich doch geschrieben, dass beide Formen gültig sind in Deutschland, in Österreich immer ohne h. Ob nun mit h oder ohne h - der Mensch, der sein Werk hinterlassen hat, ist tot. Wieso soll die Schreibung ohne h zum Trochäus neigen? Gesprochen ist es mit oder ohne h gehüpft wie gesprungen = xX

Ich habe noch mal in der richtigen Rechtschreibung nachgesehen, und dort wird gesagt, das h ist durch eine irrige Etymologie ins Wort geraten.
Da stellt sich dann eben heraus, dass die neue Rechtschreibung einen Fehler salonfähig gemacht hat. Leider nicht der einzige, es wimmelt da nur so von Fehlern. Also nichts mit deiner Annahme, die Schreibung mit h sei die ursprüngliche, alte Form.

Gruß, blackout
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Tula

Mitglied
Hallo Hans

Zurück zum Werk. Ein Sonettkranz ist immer ein harter Brocken für die Leser, also nicht grämen, wenn der Applaus dürftig ausfällt.

Ich picke mal einen part heraus, um zu unterstreichen, dass auch hier einige Perlen zu finden sind. Man muss natürlich auch eintauchen wollen.

deiner letzten stunde letzte lust
deiner letzten lust gewinn: verlust
doch verlust schlägt um in winngewinn

alles wird wien säugling an der brust
süsz gestillt – zu mutters opferlust
doppel winngewinn wie sinne sinn


Das ist fast schon rap :)

Ganz in diesem Sinne-win

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 21114

Gast
Abschreiben will gelernt sein

Es genügt nicht, irgendwo abzuschreiben, man muss auch eine verlässliche Quelle haben. Karl Kraus, der oben von einem LL-Mitglied Zitierte, hat folgendes gesagt:

Das Berufsgeheimnis: „Viele würden in Redaktionen rennen, bedürfte es nicht die spezialste der Gaben. Es genügt nicht keinen Gedanken zu haben: man muß ihn auch ausdrücken können.“ (Fackel 697, Seite 60)

Das Zitat oben – irgendwo als Kokolores in die Welt gesetzt – sagt genau das Gegenteil dessen, was Karl Kraus ausdrücken wollte. JF
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Ja, Tula, das mit dem Gewinn aus dem Verlust ist nicht sein eigener Gedanke, den hat er von mir. Da wollte er mir klarmachen, dass mir das sozusagen von meinem Lehrer, dem zu Ehren ich das Gedicht geschrieben hatte, eingeprügelt wurde - eine lächerliche Dummheit sondergleichen. Aber ich erhebe keinen Anspruch auf die Dialektik, ich freue mich, dass Mondnein begriffen hat, dass diese dialektische Erkenntnis doch ganz brauchbar ist.

Gruß, blackout
 

Tula

Mitglied
Das mit dem Gewinn aus Verlust ist doch recht weit verbreitet und weder Mondnein, noch dir zuzuschreiben. Finden wir in vielen Varianten, sogar von Persönlichkeiten wie Nelson Mandela - I never lose. I either win or learn.

Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Na, siehst du, Tula, das ist der Sieg der Dialektik, ich selbst lehne jedes Patent darauf ab. Aber Mondnein hatte nichts verstanden, absolut nichts, der gefiel sich in seinem eingetrimmten Vorurteil, blind wie ein Grottenmolch. Und du selbst hältst das für Mondneins "Perle". Wohin doch Klatsch und Tratsch führen kann.

Gruß, blackout
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Zu postum :

blackout hat recht,
ich habe es vielfach nachgeprüft (vor allem im Georges).

Daß "posthum" sich aber schon längst durchgesetzt hat, merkt man daran, daß es iambisch betont wird, weil es als Kompositum aus "post" (nach) und "humus" ("Acker", metonymisch für "Grab") volksetymologisiert wurde.

Das lateinische "postumus" hat das mittlere u nur als Murmelvokal, immer unbetont. Der Agrippa Postumus (letzter Enkel des Augustus) z.B. müßte "Agríppa Póstumus" gerufen werden. Posthum. Rip. Der Arme.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Also den alten Kalauer mit dem Lustverlust habe ich schon oft, allzuoft, mißbraucht. Das hat damit zu tun, daß ich von der elitären Sprache sonetterer Sonettester nicht viel halte, siehe meine "Dreck"-Widmung an Ror.

Innerhalb des gesamten Sonettinenkranzes finden sich autologische Kalauerselbstbezichtigungen. Da braucht man nicht lange zu suchen.

Und hier oben steht der Kalauer von (mit? über? unter?) den Neuronen-Wäldern. Neu-Rosen fände ich allerdings zu blöd, jeder selbstmitleidige Dichter rühmt sich solcher Klauer.

Ich bin der Meinung, daß die einzige Rettung für die elitär verzopfte Dichtungssprache darin besteht, großzügig Perlen vor die Säue zu werfen. Und das meine ich Ernst, das sollte man ernst nehmen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Tula

Mitglied
Blackout, ich bin an den Fehden und Gehässigkeiten hier nicht sonderlich interessiert. Zeitverschwendung.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
"mutters opferlust" - ja woher habe ich den? mmmh. Wartet mal, komme gleich drauf - ...
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Tula:

Zurück zum Werk. Ein Sonettkranz ist immer ein harter Brocken für die Leser, also nicht grämen, wenn der Applaus dürftig ausfällt.

Ja, ich weiß. Eine wichtige Anmerkung, dankeschön, Tula!

Deshalb ist so ein Ungetüm in der Leselupe selten.
Und wirkt trotz der Seltenheit nicht "kostbar", sondern wie ein großer Teppich, auf dem jeder rumtrampeln kann, und dessen Knüpfarbeit ohnehin kaum mit Aufmerksamkeit gewürdigt wird (von der Entlohnung der persischen Arbeiterinnen an der Umsetzung des meistens vorgegebenen Plans ganz zu schweigen).

und wenn sonst keiner sich deiner erinnert
du rammst den einschlag durch drahtige ketten
grusz, hansz

P.S.: Ich krame mal den Sonettenkranz von Patrick Schuler hervor, das alte Gesellenstück.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
blackout:
"Ja, Tula, das mit dem Gewinn aus dem Verlust ist nicht sein eigener Gedanke, den hat er von mir."

Klar doch, habe ich vor fünf Jahren bei Dir gehamstert, siehe das Kaspar-Hauser-Lied im Gereimten, an das ich mich gerade eräußert, - (pardon) erinnert habe.

grusz, hansz
 



 
Oben Unten