Skyline

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Max Neumann

Mitglied
Als Kind war ich mein eigener Vater
Als Kind war ich meine eigene Mutter
Wachte nachts allein im großen Bett auf
Unter den hohen Decken eines Altbaus

Strömte als Jugendlicher in den Park
Zu allen in den Park geströmten
Ein Haufen wütender junger Männer
Selten verirrte ein Mädchen sich zu uns

Tagein tagaus hockten wir auf Bänken
Bauten Spuckschlösser auf Kopfstein
Umgeben von vereinsamten Villen
Bei Dunkel schien kein Licht in ihnen

Dort schnitt die Skyline in den Himmel Risse
Alle bewunderten diese glitzernden Paläste
Um im selben Atemzug zu fluchen
Über die Reichen und Schönen und Bösen

Das Leben trieb so seinen wilden Lauf
Das Älterwerden zeichnete mir Wünsche
Derweil geschah Gewalt um mich herum
So versteckte ich den Feinfühlenden in mir

Meine Klugheit tarnte sich in Slangwörtern
Damit ich irgendwie dazugehörte
Mit der Zeit aber zerfiel unsere Identität
Gefängnis und Abscheu und Frauen kamen

Da packte ich meine Hoffnungen ein
Verschloss sie weit hinter den Lippen
Kehrte der Skyline den Rücken zu
Ein Dutzend Neugeburten zu suchen
 

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Mitglied
Einer deiner stärksten Texte, wie ich finde, lieber Max.

Du schaffst es darin, mich mit einer Welt in Berührung zu bringen, die von meiner vermeintlich weit entfernt liegt...und dann stelle ich fest: beim Lesen fühle ich mich mittendrin. Und zwar nicht im Klischee, sondern höchst authentisch nachfühlbar mittendrin. Das muss ein Text erst einmal leisten. Hut ab!

Gernst gelesen!

Liebe Grüße,
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Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ach ja, Max .... du weißt ja, dass ich deine Lyrik sehr mag und ich mag daran, dass ich zu der Welt über die du schreibst einen gewissen Bezug habe. Es erinnert mich an mein Leben, dass ich vor inzwischen knapp über einem Jahrzehnt geführt habe. An eine Zeit, in der ich jeden Tag in Parks und am Hauptbahnhof mit den Punks der Stadt unterwegs war und wir jeden Tag besoffen und bekifft waren. Wir alle, schlecht weggekommen, haben jeden Tag unseren Untergang gefeiert und wenn wir kein Bier mehr hatten, dann sind wir einfach in den Rewe gegangen und haben es direkt aus dem Regal getrunken, die leere Dose wieder reingestellt, nur um dann zu gehen. :D

Es war eine schreckliche Zeit und viele meiner alten Freunde sind abgestürzt, aber es war auch eine schöne Zeit, eine schön schreckliche, schrecklich schöne Zeit, von der ich mich aber auch irgendwann abnabeln musste um die Neugeburten zu suchen, jene vor allem, die ich selbst in die Welt setzen musste. Was von all dem bleibt? Verschenkte Jahre vielleicht ... aber auch eine neue Feinfühligkeit und das Verständnis für Emil Ciorans Aphorismus: "Lieber in einer Gosse, als auf einem Podest"

LG
Patrick
 

Max Neumann

Mitglied
Hallo Patrick,

danke fürs Feedback und deine Ehrlichkeit. Erfahrung ist, was bleibt. Gerne gelesen.
Viele Grüße
Max
 
G

Gelöschtes Mitglied 26106

Gast
Als Kind war ich mein eigener Vater
Als Kind war ich meine eigene Mutter
Wachte nachts allein im großen Bett auf
Unter den hohen Decken eines Altbaus

Strömte als Jugendlicher in den Park
Zu allen in den Park geströmten
Ein Haufen wütender junger Männer
Selten verirrte ein Mädchen sich zu uns

Tagein tagaus hockten wir auf Bänken
Bauten Spuckschlösser auf Kopfstein
Umgeben von vereinsamten Villen
Bei Dunkel schien kein Licht in ihnen

Dort schnitt die Skyline in den Himmel Risse
Alle bewunderten diese glitzernden Paläste
Um im selben Atemzug zu fluchen
Über die Reichen und Schönen und Bösen

Das Leben trieb so seinen wilden Lauf
Das Älterwerden zeichnete mir Wünsche
Derweil geschah Gewalt um mich herum
So versteckte ich den Feinfühlenden in mir

Meine Klugheit tarnte sich in Slangwörtern
Damit ich irgendwie dazugehörte
Mit der Zeit aber zerfiel unsere Identität
Gefängnis und Abscheu und Frauen kamen

Da packte ich meine Hoffnungen ein
Verschloss sie weit hinter den Lippen
Kehrte der Skyline den Rücken zu
Ein Dutzend Neugeburten zu suchen
das ist fiktion, kann nicht versteckt werden, zu viel ich entkommen
 



 
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