Smartphone, Anruf, Darling Pretty, Schokoosterhasen

RoToll

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Johann Webers Tag hätte eigentlich ganz anders verlaufen sollen. Er wollte am frühen Nachmittag in die Stadt fahren, in Ruhe durch die Buchhandlungen der Innenstadt schlendern, um zu schauen, ob er nicht was Interessantes zum Lesen fand. Nach der Rückkehr in die heimischen vier Wände war angedacht, zu versuchen, ob er es zum ersten Mal schaffte, die Schach-KI auf Level Elo 2000 zu besiegen. Weil er den virtuellen Gegner kannte, hatte er dafür am Abend zuvor sich gar intensiv mit der Sizilianischen Verteidigung befasst. Er würde Schwarz sein und diese eine KI eröffnete stets mit e4.

Doch die Mutter rief ihren Sohn Johann an und bat ihn, doch zu ihr in die gemütliche Wohnung vor den Toren der Stadt zu kommen. Als Grund nannte sie Probleme mit ihrem Smartphone, welches er ihr kürzlich geschenkt hatte, da es ganz ohne in den heutigen Zeiten nicht mehr ging. So fuhr Johann in seinem kleinen Seat hinaus. Schnell stellte sich heraus, dass das Problem mit einem Passwort zusammenhing, welches dafür verantwortlich zeichnete, dass die Mutter eine bestimmte APP nicht nutzen konnte. Johann kostete es fünf Minuten, dieses Problem zu lösen und es dauerte zwei weitere Stunden, bis der Endvierziger endlich aufbrach. Die Mutter hatte viel zu erzählen, wovon das Meiste nicht wirklich von Bedeutung war. Seit dem Tod ihres Ehemannes und seines Vaters vor zwei Jahren war sie irgendwie einsam geworden. Johann fühlte sich auf eine komische Art und Weise, die man schwer zu erklären vermochte, schuldig, als er in seinen PKW stieg, um die Rückfahrt anzutreten. Er nahm sich fest vor, die Mutter von nun an häufiger zu besuchen.

Als er sich gerade auf der Schnellstraße, die von den Vororten in den eigentlichen Bereich der Stadt führte, befand, rief ein alter Freund aus den Zeiten der Oberstufe an. Johann nahm den Anruf über die Freisprechanlage entgegen. Der Bekannte erklärte, er beabsichtige heute Abend in seinem heimischen Garten zu grillen und fragte, ob Johann dabei sein wolle. Genug Grillfleisch habe er, aber Johann, das wäre cool, könne die Getränke mitbringen. Das Schachspiel hatte sich so oder so erledigt. Johanns Zeit der fähigsten Konzentration im Laufe des Tages lief gleich ab. Also sagte er zu und versprach, einen Kasten Bier zu besorgen. Er wusste, dass es hier in der Nähe einen Supermarkt gab und steuerte diesen direkt an. Bevor er ausstieg, wartete er noch einen Moment. Im Radio lief Darling Pretty von Mark Knopfler. Dieses Lied gefiel ihm sehr, so dass sich ein Hören bis zum Ende lohnte.

Auf dem Parkplatz kamen ihm zwei Jungs und ein rothaariges Mädel entgegen, die zwischen neun und elf Jahren alt sein mochten. Sie trugen eine übervolle Papiertüte mit sich herum, welche selbstverständlich riss. Sofort verteilten sich jede Menge Schokoladenosterhasen von Milka auf dem Asphalt. So hilflos sahen die drei Kids aus, dass Johann rasch zum Auto zurücklief und einen Müllbeutel aus Plastik dem Kofferraum entnahm. Er half den Kindern, die Süßigkeiten in eben jenen Plastikbeutel zu packen. Diese berichteten, die Osterhasen seien nach den Feiertagen ein Supersonderangebot gewesen. Dankbar zogen sie darauf von dannen und nahmen den Müllbeutel voller Süßem mit sich.

In der Abteilung für Getränke stieß Johann mit einer Frau zusammen. Sie war nicht besonders groß, mollig, dafür aber unbeschreiblich niedlich. Ihre braunen Augen funkelten wie Sterne und sie strich sich eine Strähne dunklen Haares aus dem Gesicht. Sie sahen sich an und es geschah tatsächlich jenes, welches sich nur in einem von einer Millionen Fälle ereignet. Ihre Blicke ruhten weiterhin aufeinander. Sowohl Johann als auch sie wussten vom ersten Moment an, dass sie füreinander bestimmt waren.

Dem Smartphone, dem Anruf, Darling Pretty und den Schokoosterhasen sei Dank! Ich sollte doch heute eigentlich gar nicht hier sein!

Dann fingen seine Traumfrau und er vor den gestapelten Bierkästen herzlich und klar zu lachen an.
 



 
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