Smiley

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Barleycorn

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Lächeln ist eine Botschaft, sagt die Frau im Frühstücks-Radio. Gute Idee, denke ich, das mache ich. Heute will ich meinen Mitmenschen, mehr als sonst, freundlich begegnen.

Ferdinand, bitte lächeln, sage ich – und - schreibe es auf. Schreibe vom Aufbruch in den Tag des Lächelns. Versuche, den Tag mit einem Lächeln zu beginnen.

Okay, ein Probelächeln in den Spiegel muss sein. Geht so, denke ich. Jetzt hinaus in den Sonntag. Fragen tun sich auf, ich trainiere mich im Selbstgespräch:

Kann ein Sonntagslächeln anders sein als ein Lächeln am Freitag?

Ist es zu vertraulich? Nein, ist es nicht. Nicht wenn es von Innen kommt. Freundlichkeit muss von innen kommen, darf nicht aufgesetzt sein.

Ich versuche es: „Lächle!”, sage ich.

„Einfach so?”

„Nein, nicht so! Nicht grinsen – lächeln!” Ich bin streng zu mir.

„Nur lächeln? Leute anlächeln?”

Ja, genau so! Und jetzt ab mit dir.

Ein letzter Check im Spiegel der Liftkabine. Nachdenklichkeit kommt auf. Ich resümiere: Freunde anlächeln ist leicht, aber Fremde anlächeln – kann ich das? Darf ich das? Wie werden die Menschen reagieren? Werden sie mich für verrückt halten?

Die Generalprobe geht schief. Vor dem Haus zieht gerade jemand die Sonntags-Krone aus der Verkaufstasche; es ist Julia, die Tochter meines Nachbarn. Ich lächle sie unschuldig an, man weiß ja nie – #meetoo ist überall – was zurückkommt, ist ein verunglücktes Lächeln, kein freudiges. Sie wendet den Blick zum Boden und huscht an mir vorbei. Ist sie so schüchtern oder fühlt sie sich ertappt, weil sie die Zeitung nicht bezahlt hat?

Ich überquere die Straße. Eine Frau mit einem zerrenden Hund an der Leine, kommt mir entgegen. Ich lächle sie freundlich an und sage: „Guten Morgen“. Die Frau antwortet nicht, von einem Lächeln keine Spur, sie schimpft nur mit dem Hund. Dieser aber schaut mich freundlich an, als wollte er sagen: Mach dir nichts draus, die ist immer so.

Als Nächstes betrete ich die Bäckerei. Eine, trotz Sonntagsdienst aufgeweckte Verkäuferin, begrüßt mich mit freundlichem Lächeln. Ich lächle befreit zurück. Endlich, denke ich, endlich hat es geklappt, das mit dem freundlichen Lächeln – und es ist mir egal, ob das jetzt ein eingelerntes Berufslächeln ist oder ob sie einfach nur froh ist, einen freundlichen Menschen wie mich zu treffen. Gut gelaunt trinke ich meinen kleinen Schwarzen am Stehtisch und begebe mich mit unserem Frühstücksgebäck auf den Heimweg. Na also, denke ich, geht doch!

Kaffeeduft zieht in meine Nase, ich lächle in freudiger Erwartung eines sonntäglichen Frühstücks zu zweit. Meine Frau schaut mich ungläubig von der Seite an und fragt: „Hast du etwas angestellt. Oder führst Du eine heimliche Spitzbüberei im Schilde?, du lächelst so kryptisch.“

Sie weiß nichts von meinem Tagesvorhaben. Ich werde es ihr beim Nachmittagsspaziergang erklären. Unter der Devise: Lächeln macht Spaß.

Oder noch besser: Lächeln macht schön.
 



 
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