So eine Schande

4,00 Stern(e) 1 Stimme

onivido

Mitglied
Wir sassen in der S-Bahn. Wir, ich selbst, ein alter weisser Mann und die junge dunkelhäutige Fatima. Sie hielt meine Hand. Wir hatten uns fast zwei Jahre lang nicht gesehen. Uns gegenüber sass ein älteres Paar, Ehepaar wahrscheinlich. Die Dame war offensichtlich entrüstet über den Anblick, der sich ihr bot und gab ihrem Missfallen verbalen Ausdruck, zwar leise, aber immerhin laut genug, um verstehen zu können, was ihren Unmut verursachte.

“Der alte Lustmolch! Schämt sie sich denn der nicht? Das Flittchen könnte seine Enkelin sein. Er macht sich lächerlich. Sie zieht ihm das Geld aus der Tasche und lacht sich schief. So sind diese schwarzen Weiber eben. Der Dummkopf glaubt vermutlich sogar, dass sie in ihn verliebt ist.”
Ich setze zu einer Erwiderung an: “Gute Frau”, hatte ich auf der Zunge, “sehen Sie nicht, wie ihr Gatte mich beneidet”, aber Fatima verstärkte den Händedruck.
“No digas nada - sag nichts. Es macht doch Spass zu hören, was sie noch alles zu geifern hat.”
“Was der alte Knacker wohl für Viagra ausgibt. Davon könnte man bestimmt eine Familie ernähren”, meinte ihr Begleiter, offenbar erfahren in diesen Angelegenheiten.
“Neidhammel”, wollte ich sagen, aber Fatima gab mir einen Stoss in die Rippen und legte den Kopf an meine Schulter. Ich holte tief Luft.
“Sieh dir das an. Wie sich diese schamlose Person benimmt, und der alte Trottel scheint das zu geniessen. Ihr Männer verliert den Verstand, wenn so ein Weib mit dem Arsch wedelt.”
Offenbar schloss sie ihren Begleiter nicht aus. Der sagte nichts. Fühlte er sich entlarvt?
“Wir Männer haben eben zwei Köpfe, aber nur Blut für einen. Da ist eben der untere im Vorteil, wegen der Schwerkraft”, wollte ich die Frau belehren, aber ich durfte vor Fatima nicht mit solchen Sprüchen glänzen.

Unsere freundlichen Sitznachbarn machten Anstalten sich zu erheben, um auszusteigen.
“Ich wünsche noch einen schönen Sonntag. Ich muss sagen, ich bewundere ihre Menschenkenntnis. Die junge Dame an meiner Seite könnte meine Enkelin sein, da haben Sie recht. Sie ist es sogar.”
 
Zuletzt bearbeitet:



 
Oben Unten