So nah am Tod vorbei

Fredy Daxboeck

Mitglied
hallo leute, ich hab hier mal eine story begonnen. dies ist zwar die fortsetzung davon, aber auch allein ganz nett zu lesen ... hoffe ich doch :)
ich wünsche euch gute unterhaltung und einen schönen tag


"Komm mit, ich will schwimmen", rief Susan und lief, nackt wie Gott sie schuf mit weiten Sprüngen über die Wiese zum Wasser, verharrte kurz am Ufer, und stieg dann vorsichtig in das türkisgrüne eiskalte Element. Für einen langen Augenblick raubte ihr die Kälte den Atem, als sie bis zur Brust in die leichte Strömung rutschte und sie riss erschrocken den Mund zu einem lautlosen Schrei auf. Dann holte sie zweimal tief Luft und tauchte unter. Der Fluss nahm sie drei Schritte mit sich und als sie wieder hochkam, ließ sie einen entsetzten Aufschrei hören, der sowohl Qual als auch Lust war.
"Hey warte!" Kyle krabbelte auf allen vieren aus dem Zelt und lief ohne zu überlegen hinter ihr zum Ufer und sprang ins Wasser, schnappte nach Luft ... und ging unter. Die eisige Kälte griff wie eine riesige Faust nach seinem Körper, quetschte ihm die Luft aus seinen Lungen und ließ ihn erstarren. Er war nicht vorbereitet auf dieses Gefühl der unbarmherzigen Kälte, die seinen erhitzten Körper traf.
Instinktiv griff Susan nach seinen Haaren und riss seinen Kopf hoch. Prustend und schnaufend schlug Kyle um sich, bevor er wieder Boden unter die Füße bekam.
"Oh verdammt, oh verdammt! Ist das kalt. Wow! Das reißt einem das Herz aus dem Leib. Ich muss raus!" schrie er mit weit aufgerissenen Augen und kämpfte sich mit rudernden Armen ans Ufer. Susan, deren Lippen in der kurzen Zeit blau angelaufen waren, lachte, während ihre Zähne vor Kälte klapperten wie spanische Kastagnetten. Lachte noch lauter, aus purer Erleichterung. Für einen wilden Moment hatte sie um Kyles Leben gefürchtet. Hatte ihn mit violett angelaufenem Gesicht und verzweifelt toten Augen im Wasser schwimmend gesehen und lachte, als er ungelenk, mit bizarren Bewegungen am Ufer hochkletterte. Sie lachte bis sie ihren Körper, der sich vor Kältekrämpfen schüttelte, beinahe nicht mehr unter Kontrolle hatte. Dann stieg sie so schnell es ihre tauben Muskeln zuließen aus dem Wasser und schrie noch einmal hell auf. Diesmal vor absoluter Begeisterung, über diesen wahnsinnigen Morgen und den Gefühlen die sie noch immer, Welle für Welle überrollten.
Sie lief zu Kyle, der zitternd vor seinem Zelt stand und sich mit einer Decke abrieb, nahm seine Hand und zerrte ihn mit sich.
"Du musst laufen. Dein Blut muss in Bewegung kommen. Du musst laufen, damit deine Muskeln sich erwärmen, sonst wirst du den ganzen Tag frieren."
Sie liefen über die große Wiese neben dem Fluss, hüpften und sprangen und fanden ihren Übermut wieder. Schließlich stoppte Kyle, zog Susan eng an sich und legte seine Arme fest um sie. So standen sie eine lange Weile bewegungslos in der Sonne. Außer Atem. Aneinandergepresst. Mit wild klopfendem Herzen. Eine sanfte Brise umspielte sie zart und trocknete die letzten Tropfen Wasser, die auf ihrer Haut glänzten.
"Wir sollten uns besser auf den Weg machen", flüsterte Susan. "Sonst kommen wir hier nicht wieder weg." Ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen und ihre Augen glänzten im wortlosen Versprechen.
"Hmmh", stimmte Kyle zu und küsste sie mit zitternden Lippen auf den Mund.
Sanft schaukelnd zerrte das laubgrüne Kanu, das tief im Wasser lag, an der Leine, die mit einem festen Knoten an der breiten Weide befestigt war. Jeder freie Platz in dem Boot war mit Ausrüstung vollgepackt. Nur die Paddel, die Spritzdecke, die ihre Ausrüstung vor Nässe schützen sollte, und ein kleiner Beutel mit Proviant lagen noch am Ufer.
"Okay, ich denke der Trip kann beginnen", erleichtert streckte sich Susan durch, beide Arme ins Kreuz gedrückt. Das Verstauen ihrer Sachen ins Boot hatte mehr Zeit und Kraft beansprucht, als sie gedacht hatte. Sie schob ein letztes Mal den Gedanken an ihren Wagen, den sie hier zurücklassen würde beiseite. Sie musste später zurückkommen. Das sollte heißen, wenn sie den Weg wieder fand, und ihn holen. Bis dahin hoffte sie, dass er niemanden stören oder besonders ins Auge fallen würde. Ein Zettel hinter der Windschutzscheibe besagte ohnehin, dass sie bald zurück sei. Außerdem verirrte sich sicher niemand so schnell in diese abgeschiedene Gegend.
Ihr Blick wanderte zum wiederholten Mal über das aufgelassene Lager. Die Erinnerung an diesen Morgen würde sie noch lange begleiten. Streifte die grüngefleckte Spritzdecke, die sie noch über das Kanu spannen mussten. Den Rucksack in den sie den Rest ihres Frühstücks verstaut hatten. Und die Paddel. Strich ein letztes Mal über den Platz. Neben der kalten Feuerstelle glänzte zwischen zwei großen rußgeschwärzten Steinen ein silbernes Stück Folie. Mit langen Schritten ging sie zurück, um dieses aufzuheben. Sie wollte keinen Abfall hinterlassen.
"Alles klar Schiff", rief Kyle vom Ufer herauf, winkte mit einer Hand und löste den Knoten der das Kanu an die Weide band. "Es kann losgehen."
"Ich komme!" Susan bückte sich, griff nach dem glänzenden Stück Folie in dem sich die Sonne hell widerspiegelte ... und erstarrte in der Bewegung.
Ein Paar unheimlicher Augen starrten sie an. Schwarze, stecknadelkopfgroße Pupillen unter schläfrig wirkenden, schweren Augenlidern. Glänzend wie zwei Tropfen getrocknetes, schwarzes Blut. Susan wich erschrocken zurück und konnte nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken.
Eine Schlange hatte es sich unter dem silberglänzendem Stück bequem gemacht. Wahrscheinlich hatte die Morgensonne die Folie erwärmt und dadurch das Tier angelockt.
Die Schlange zuckte nervös mit dem Schwanz und ließ ihre schmale, gespaltene Zunge vorschnellen. Den starren Blick auf die bewegungslose Susan geheftet, richtete sie sich auf.
Ihr Oberkörper schwankte wie junges Schilf im leichten Septemberwind. Sie zuckte blitzschnell nach vor, ohne allerdings zuzubeißen, stieß ein wütendes Zischen aus und nahm wieder ihre aufrechte, drohende Haltung ein.
"Kyle, eine Schlange!" flüsterte Susan und alles Blut wich aus ihren Wangen. Sie wagte es nicht laut zu schreien, aus Angst das Tier noch mehr zu erzürnen.
"He, Susan! Kommst du?" rief Kyle lachend. "Ich kann das Boot nicht mehr lange halten. Es will endlich los."
"Kyle bitte hilf mir, ich habe Angst." wisperte Susan wieder. Sie fürchtete ihre Beine würden unter ihr nachgeben und sie würde fallen, direkt auf die Schlange, die unmerklich näher gekommen war, böse fauchend, immer wieder ihre Zunge aus dem leicht geöffneten Maul schnellend, um den Geruch der Angst, der von Susan ausging, aufzunehmen. Ihr Schwanz peitschte nervös. Ihr Kopf zuckte wieder nach vor.
Susan sah ihr in die Augen und stand eine nie gekannte Todesangst aus, während die Sekunden sich zu Minuten dehnen zu schienen. Das Tier war aus irgend einem Grund aggressiv und gereizt. Immer wieder und wieder ließ es den schmalen Kopf nach vor schnellen, öffnete das Maul und zeigte Susan ihre spitzen Zähne, an der winzige bernsteinfarbene Tropfen zu hängen schienen.
Susan konnte schon spüren, wie das Gift heiß durch ihre Adern floss.
"Nicht bewegen. Um der Götter willen, bewege dich nicht", flüsterte Kyle, der so schnell wie es ihm möglich war, das Boot noch einmal festgebunden hatte, nachdem ihm Susans seltsame Haltung aufgefallen war. Drei sichere Schritte entfernt, zur Salzsäule erstarrt. "Sie ist genauso erschrocken wie du. Ich muss mir etwas einfallen lassen um sie abzulenken. Ich brauche einen Ast oder etwas ähnliches." Fieberhaft sah er sich um. Suchte nach einem Ausweg. Die Schlange war eine Sandviper, klein, gelb-braun und böse, konnte sie jeden Moment zustoßen und ihr tödliches Gift in Susans Körper jagen. Sie brauchte dazu keinen besonderen Grund. Diese Sandviper war wirklich mehr als nur aggressiv. Sie war böse. Sehr böse.
Ohne sich allzu schnell zu bewegen, glitt Kyle geschmeidig zum Ufer zurück, begleitet von den misstrauischen Augen der Schlange, die ihn aus ihren Augenwinkeln taxierte.
Er durfte sie nicht allzu sehr erschrecken. Durfte sie nur vorsichtig ablenken, von Susan weglocken. Fieberhaft jagten seine Gedanken und suchten nach einem Ausweg.
Die Paddel! Die Paddel lagen noch am Ufer. Mit ein paar Schritten müsste er sich erreichen. Die Arme ausgebreitet, um ein gut sichtbares Angriffsziel abzugeben, glitt er mit weiten, flüssigen Schritten an die Stelle wo er die Paddel im hohen Gras vermutete. Wenn nur jetzt Susan nicht die Nerven verlor und eine falsche Bewegung machte.
"Halt aus Susan, bitte halt aus!" Die Worte zischten zwischen seine fest zusammengepressten Lippen hervor, ohne dass er sich dessen bewusst wurde. Jede seiner Bewegungen waren reinste Konzentration. Ein Fehler von ihm würde hier draußen, so weit weg von der nächsten Stadt, Susans sicheren Tod bedeuten.
Er fasste das Paddel nahe am Blatt und hastete zurück, geduckt, um das Tier nicht zu einer voreiligen Reaktion zu veranlassen.
Zornig, mit glitzernden Augen, zuckte die Schlange mit ihrem Kopf hin und her, schien sich nicht zwischen ihren beiden Zielen entscheiden zu können und stieß nun doch mit aufgerissenem Maul nach vor.
In diesem Moment verließ Susan die Kraft und sie stürzte nach hinten. Die Schlange verbiss sich sofort in dem dicken Jeansstoff von Susans Hose und jagte einen Teil des Gifts durch ihre Zähne. Blitzartig schnellte sie herum, um sich dem anderen Angreifer zu stellen, aber Kyle war schneller. Der lange Schaft des Paddels erwischte das Tier genau hinter dem Nacken und drückte seinen Kopf zu Boden. Ohne zu überlegen stieß er mit der anderen Hand nach und packte die Schlange, die sich sofort wütend und mit erstaunlicher Kraft um seinen Unterarm wand. Erschrocken hätte Kyle das Tier beinahe losgelassen. Nur Susan, die bestürzt aufschrie, ließ ihn noch fester zupacken.
"Ich hab sie, ich hab sie", stammelte er, und hielt die Schlange, die sich mit weit geöffnetem Maul, böse fauchend wand und wild um sich starrte, weit von sich.
"Nicht!" keuchte Susan und ihr Blick hing wie festgefroren an dem kleinen feuchten Fleck, wo die Schlange ihre Zähne in die Jeans gegraben hatte. "Tu ihr nichts. Lass sie am Leben."
Ihre Mundwinkel zitterten unkontrolliert.
Mit einer schwungvollen Armbewegung schleuderte Kyle das Tier weit von sich und sah ihm nach wie es sekundenlang durch die Luft wirbelte, gelbbraun glänzend, den unabdingbaren Tod im Körper, im Gras landete und sofort verschwand.
 
R

Rote Socke

Gast
Lieber fredy,

schön wieder von Dir zu lesen oder besser gesagt von den beiden, mir noch guten Bekannten.
Immer wieder fasziniert mich dieser lockere, seichte Schreibstil. Und langweilig wird es nie. Jeder Satz bringt Neues, und kleine Abenteuer warten auch.

Das wird ein sehr gutes Buch werden.

Beste Grüße und viel Glück in 2002

Volkmar
 



 
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