So reich an schatten

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HerbertH

Mitglied
So reich an schatten ist der morgen
Und auch das sonnenlicht ist schwärzlich
Noch kann ich von gedanken borgen
Und seien sie auch noch so schmerzlich

Doch bilder sind es nur und sorgen
Verzicht ist meine sache nicht
Die silben bleiben mir verborgen
Wo lider zucken lockt noch licht

Wie lange noch kann ich erkennen
Bis schwärze helle überdeckt
Bis blasse bilder mich verbrennen
Von keinem Photon neu erweckt
 

Label

Mitglied
Lieber Herbert

Dein Gedicht erinnert mich sehr daran, wie ich mich mit dem grauen Star gefühlt habe. Damals habe ich diese Zeilen dazu geschrieben:

leuchtende Blüten drängen sich
durchs zähe Grau
und durch den Zaun
klettern die Nachbarsgrüße
viele hundert Sonnenfinger
massieren spröde Glieder
was da im Grase glänzt
ist wohl ein Junikäfer

heute ist ein guter Tag

Wahrscheinlich meinst du mit deinem Gedicht anderes, aber das was ich herauslese gefällt mir gut.

Lieber Gruß
Label
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Label, danke für Deinen Text, der auf andere Weise beschreibt, was ich ausdrücken wollte. Es geht um das Umgehen mit dem Verlust des Sehens. Mein LyrI hadert damit, und das sei Ihm oder Ihr auch zugestanden, denn einfach ist solch ein Schicksalsschlag ja beileibe nicht. Nicht jede(r) ist stoisch veranlagt, wenn klar ist, dass die Tage mit Augenlicht schon abzählbar sind, und 'austherapiert' das Urteil ist.

Gerade im Alter passiert das häufig genug, leider.

Es freut mich, dass Dir das Gedicht gefallen hat, hab Dank dafür.

Liebe Grüße

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
So reich an schatten ist der morgen
Und auch das sonnenlicht ist schwärzlich
Noch kann ich von gedanken borgen
Und seien sie auch noch so schmerzlich

Doch bilder sind es nur und sorgen
Verzicht ist meine sache nicht
Die silben bleiben mir verborgen
Wo lider zucken lockt noch licht

Wie lange noch kann ich erkennen
Bis schwärze helle überdeckt
Bis blasse bilder mich verbrennen
Von keinem Photon neu erweckt







Rezitation: mp3/137223_soreichanschatten.mp3
 

Tula

Mitglied
Hallo Herbert

Ich habe es ganz ehrlich nicht sofort Augenlicht-bezogen gelesen, sondern weiterreichend mit Bezug auf den Verlust an Lebensfreude, Angst vor dem Vergehen ohne wirklich erinnert zu werden usw.

LG
Tula
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Tula, ein Gedicht entsteht bei jedem(r) Lesen(den) neu. Danke dafür und die freundliche Bewertung.

LG
Herbert
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Der Transfer ins Allgemeinere, den Tula an-merkt, ist ein sinvoller Sinn-Erweiterer. Das gefällt mir: das Schöpferische liegt dann auf der Leserseite.

Es ist ja schon älter, seit Längerem zu lesen. Damals fiel mir schon der Vers mit den "Silben" auf. Ich kriegs nicht richtig unter; mit "Silber" kann mans nicht verteekesseln bzw. ambibalent halten. Der Wahrnehmungskanal springt vom Optischen ins Sprachliche.

Schöne abschließende Verse: "Wo Lider zucken ..." und vor allem das mit dem "Photon" zum Schluß der dritten Strophe.

grusz, hansz
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Hansz,

die Silben - das ist tatsächlich eine thematische Erweiterung. Man kann sie als "beim Lesen" gedanklich an das Optische knüpfen, Dies wäre bei den möglichen Alternativen "wörter" odet "lettern" etwas näherliegender. Die Erweiterung ist der Gedanke, dass die verschiedenen Sinne sich gegenseitig unterstützen, sodass der Ausfall des einen auch den anderen beeinträchtigen kann. Die Furcht des LyrI wäre dann die, dass ohne optische Auffrischung auch die Erinnerung an die Sprache verblassen kann, vielleicht insbesondere dann, wenn es nicht mehr soviel unter Leute kommt.

Diese Interpretationsmöglichkeit wird durch die "Verzicht" Zeile unterstützt.

Ob man sich beim Lesen auf diese Fährte begeben mag, ist natürlich jedem Leser überlassen.


Herzliche Grüsse

Herbert
 



 
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