Söhne und Väter

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Da lese ich heute ein Gedicht und fühle mich gleich stark berührt. Es ist von einem Vater die Rede und es zeigt sich ein miserables Vater-Sohn-Verhältnis - ich kenne das, nur zu gut. Wie mein eigener war auch jener Vater im Krieg in Russland, eine beide prägende Zeit. Der andere Vater liegt im Sterben und das Lyrische Ich rechnet mit ihm ab. Ich wollte nie abrechnen, nur meinen Weg gehen und später dann: verstehen … Der andere Vater schlug den Sohn, meiner tat das niemals. Es wäre gegen seine Natur gewesen.

Auch wir kämpften miteinander, als ich sehr jung war. Ich hasste ihn vorübergehend, solange er mir Grenzen setzen, mich führen wollte. Es misslang ihm, wie so vieles in seinem Leben. Ich behielt die Oberhand, setzte meinen Willen auf Dauer durch. Wenn ich mich erforsche, so warf ich ihm damals insgeheim vor, zu schwach zu sein für die übernommene traditionelle Rolle. Er war ohne Neigung in sie geschlüpft, nur aus Pflichtgefühl; es wurde allzu deutlich.

Sobald ich mein eigenes Leben führte, begann er mich erst recht zu beunruhigen. Wenn ich, selten genug, wieder daheim war, sah ich ihn entblößt vor mir: schwach, erschöpft, resigniert. Er hätte mich dauern können, aber ich erschrak immer wieder darüber, dass ich uns ähnlich fand in unseren Reaktionen, Verhaltensweisen. Ich fühlte Mitleid, doch zugleich fürchtete ich Selbstmitleid. Ihn länger anzusehen, wurde mir unerträglich. Was war ich selbst? Nur eine Variante?

Er ist schon lange tot. Heute bin ich ihm näher als zu seinen Lebzeiten. In mir ist nur noch Erbarmen - zu spät.
 

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Mitglied
Er hätte mich dauern können, aber ich erschrak immer wieder darüber, dass ich uns ähnlich fand in unseren Reaktionen, Verhaltensweisen.
Etwas, das ich - wenn auch im Mutter-Tochter-Setting - nur zu gut nachvollziehen kann, lieber Arno.

Das fährt tief in die Knochen, wenn man sich so ertappt und erkennt, dass man zu einem Teil (egal, wie klein der auch sein mag) ein Vorbild lebt, das man zeitlebens in den meisten Aspekten abgelehnt hat. Manches gelingt - genau dieses Erschreckens wegen - für immer aus dem eigenen Verhaltens- oder Reaktionskatalog zu streichen. Manches wirkt in einem weiter - vielleicht, wie man zugeben muss - weil es etwas Gutes war.

Sehr gerne gelesen und die Dynamik mitgefühlt!
LG,
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petrasmiles

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Und das sind die Konstellationen im Sinne von Rollenbildern wie wir sie kennen und seit Generationen gültig sind. Aber heute werden Männer anders erzogen - vor allem im universitären Umfeld. Bei uns wird gekämpft für eine feministische Universität. Und ich fragte, was denn aus der Gleichberechtigung geworden sei, und wie sich denn die Männer dabei fühlen würden? Die Antwort lautete, die Männer seine ja mitgemeint. Kommt einem bekannt vor.
Mit welchem Männerbild wachsen diese Jungen auf? Wann werde sie wissen, was ein Mann ist und was werden sie weitergeben?
Vielleicht werden ihre Söhne Machos und nennen ihre Väter Schwächlinge.

Gerade bei Vätern und Söhnen scheint mir besonders die Kraft der Jugend den vom Leben 'geschundenen' Menschen Vater zu verachten. Das muss man sich verzeihen können, es ist ein Naturgesetz. Wenn dann noch ein Krieg mit im Spiel ist, ist nichts normal.
Darüber hinaus denke ich, Familien sind die schlimmsten und besten Schulen fürs Leben.

Gute Nacht!
Petra
 



 
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