Soldaten an die Schule, Schüler zu Soldaten (Vorsicht, Glosse)

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Weil es uns an Lehrkräften mangelt, sollen in Österreich künftig Soldaten für den Lehrerberuf angeworben werden.
Ernsthaft.
Bildungs- und Verteidigungsministerium verschmelzen zu einem Projekt, einer Aufgabe.
Gezielt angesprochen werden Milizsoldaten, Militärmusiker und Heeressportler (und sicher auch ein paar „–innen“, wenngleich vermutlich nicht viele), um sie für den Lehrerberuf zu begeistern.
Der Bildungsminister spricht mit Blick auf die originär Tötungsberufenen von „spannenden Zielgruppen“, die er schon auf die Kleinsten loslassen will.
Die Verteidigungsministerin zeigte sich „begeistert“ ob der Kooperation im Bildungsbereich. Dieser sei ein Nutzen für beide Ressorts und auch für die gesamte Gesellschaft, ist sie überzeugt.
Auch inhaltlich sollen soldatische Substanzen einfließen, ganz gewollt.
Das Konzept der „umfassenden Landesverteidigung“ wird voll verankert in den Lehrplänen der Volksschulen, Mittelschulen und AHS-Unterstufen.
„Das Thema war lange Zeit ausgeklammert, weil es keinen Bedarf gab, über diese Dinge zu sprechen“, sagte der Bildungsminister.
Das war einmal. Mit dem jüngsten Ukraine-Krieg haben sich die Zeiten brüsk gewendet, auch hier, schon für die kleinsten Kadetten mit Schultüte in der Hand.
In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesheer werden militärische Themen in den Schulbüchern und auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer behandelt. Offiziere wurden in die Schulbuchkommission eingebunden.
Die Aufgaben des Bundesheers werden den Kindern künftig nicht nur in einschlägigen Fächern wie politischer Bildung nahegebracht werden, sondern beispielsweise auch in mathematischen Textaufgaben. Die sachliche Richtigkeit wird von Offizieren geprüft.

Ist doch klasse, wenn das jetzt Schule macht.
Wer Soldaten fürs Schulische begeistert, begeistert schließlich auch die Schüler fürs Soldatische.
Soldaten an die Schule, macht Schüler zu Soldaten und immer so weiter. Das ist doch mal ein durchdachtes Konzept mit Mehrwert.
Muss ja was getan werden, ehe die nächste verweichlichte Generation lumpiger Pazifisten heranwächst, die vom Strammstehen, Einfügen und Funktionieren keine Ahnung haben, weil es ihnen mit diesen Friede-Freude-Freiheit-Phantastereien die Hirne verkleistert hat.
Pustekuchen!
Die Heeressportler werden ihnen schon beibringen, was voller Körpereinsatz bedeutet! Es bedeutet, dass man den eingesetzten Körper mitunter nicht unbeschädigt zurückbekommt, mitunter auch gar nicht, aber so ist die Pflicht. So geht das nun mal, wenn’s ernst wird auf dem großen Spielfeld des Krieges, wo „Völkerball“ meint, dass die Völker tatsächlich aufeinander ballern, scharf. Darauf kann man gar nicht früh genug vorbereitet werden.
Neben Völkerball gibt es dann wohl auch Paint-Ball-Sessions in den Turnsälen der Republik. Die fliegenden Farbbomben imitieren Krieg doch immer noch am besten.
Kampfsport in sämtlichen Ausführungen, harte Überlebenstrainings in der nächsten Wildnis, bäuchlings am Schulhof durch den Schlamm kriechen: Das wird auf die Zukunft nicht nur vorbereiten, derart Gedrillte werden die Zukunft ihrerseits ganz neu mitgestalten!
„Wehrhaft sein“ ist das Gebot der Stunde. Kampfbereit, angriffslustig, streitkräftig und Streitkraft sein: Alles andere ist nur noch schwach.
Zu feierlichen Anlässen, etwa zur Ordensverleihung für besonders wackere Soldatenschüler, spielt die Schulkapelle dann unter der Leitung eines Majors zünftige Marschmusik. Und links, zwo, drei, vier, jetzt aber alle! Einreihen bitte.
Mathematische Textaufgaben, geprüft von Offizieren, lesen sich demnächst vermutlich so:
„Wenn Oberst Meier 500 Soldaten an die Front schickt und es kommen nur 312 zurück, wieviel Prozent seiner Einheit haben ihren Körper eingesetzt und nicht wieder zurückbekommen?“
Oder:
„Eine Sprengladung ist konzipiert, bis zu 50 weiche Ziele (Menschen) in die Luft zu sprengen. Wie viele Ladungen braucht es mindestens für den Sieg, wenn die feindlichen Truppen auf 875 Mann geschätzt werden?“
Im Bildnerischen Unterricht werden schließlich Schlachtpläne gezeichnet, fächerübergreifend fließen chemische oder physikalische Inhalte ein. Raketenflugbahn berechnen, Sprengsätze bauen, welche Waffengattungen gibt es überhaupt…?
So viele spannende Inhalte, die das Heereswesen bereithält! Geradezu prädestiniert dafür, in Schulen gelehrt zu werden und in junge, aufnahmebereite Hirne hinein zu tröpfeln.
Geschichte: Eine einzige Aneinanderreihung militärischer Großereignisse. Glorreiche Siege, tapfere Helden, Stoff für tausend Geschichten.
Nächste Stunde Geographie: Wo lauert der nächste Feind? Man muss sich ja orientieren können am Reißbrett der Kriegsstrategen.
Fremdsprachen werden bald schon als „Feindsprachen“ im Lehrplan geführt.
Auch ganz wichtig: Psychologie. Wie tickt der Widersacher, wie kann man den Gegner mental brechen, austricksen, ummodeln?
„Biologie“ wird zu „Biologische Waffenkunde“ oder man unterrichtet was Medizinisches: Wie man kriegsbeschädigte Körper wieder halbwegs funktional und tauglich bekommt, zum Beispiel.
Digitales Lernen heißt, ganz modern, wir lernen Sachen wie: „Drohnen steuern und 1000 km weiter weg jemandem (einem verdächtigen Ziel) eine Bombe auf den Kopf schmeißen“.
Es wird alles ganz großartig.
Der Tag beginnt mit dem Fahneneid in strammer Habachtstellung. „Guten Morgen, Herr (oder Frau) General!“ schallt es unisono im Chor.
Endlich wieder ganz obenauf: Gehorsam, Ordnung, Disziplin.
Schluss mit diesem leidigen Freidenken und der Querköpfigkeit!
Nach vorn geschaut, jawoll gesagt und gefolgt wird, egal, wohin.
In Deutsch, also muttersprachlich, dechiffrieren wir hiesige Feindpropaganda und brandgefährliche Fake News, die vielleicht einem Ministerium noch widersprechen wollen.
Nur mit der Erkennung von nicht gekennzeichneter Satire tun wir uns schwer, weswegen wohl so manche Lästerschrift, welche sich selbst nicht freiwillig als Glosse und dergleichen ausweist, leider, leider, trotz aller aufrechter Mühe - für alle sichtbar - stehen bleiben wird.



Quellen:
Ziemlich wortgleicher Artikel auf


sowie auf


(Beim Kurier haben sich allerdings mindestens zwei schwere Rechtschreibfehler eingeschlichen:

…“infolge des russischen Angriffskrieg…“
statt:
„Angriffskriegs

und:

„…Offiziere überprüfen die sachliche Richtigkeit in den Schulbücher…“
statt:
„Schulbüchern

-> Peinliche Fehler in einem Artikel zum Bildungsthema)
 
Liebe Kollegin,

die Bewertung habe ich gleich nach Lektüre deines Textes abgegeben. Erst danach las ich die verlinkten Sachen. Mit Erschrecken stellte ich da fest, dass einiges, das ich für einsetzende Satire in deinem Text hielt (Ende des 1. Absatzes) tatsächlich angedacht ist. Das ändert nichts an der Qualität deiner Satire, zeigt nur, wie alles im Fluss zu sein scheint.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Dichter Erdling,

erst, wenn man die von Dir angefügten Texte liest, blickt man durch, dass Du nicht etwa eine harmlose Meldung überspitzt hast, sondern genau das von Dir als Glosse "getarnte" Vorgehen geplant ist.

Es scheint ja auf den ersten Blick nicht schlecht, wenn man überlegt, Menschen nach 15 Jahren Höchstdauer im Militär Alternativen anzubieten - wenn diese denn fehlen. Also, was ist der Aufreger? Aber dann: Tatsächlich - da geht es um Wechselwirkung, Einfluss auf Lehrpläne: "Umfassende Landesverteidigung ab Herbst im Lehrplan" ... und es ist kein Aprilscherz, die Meldung stammt vom 05.08.23 7:54h. Und das alles wegen des Krieges in der Ukraine, den sie einfach nicht beenden wollen ... damit nicht der falsche gewinnt oder noch Aufmucken kann, oder noch Geld verdient, sein böses Gas verkaufen kann, dafür - das muss uns Bürgern doch klar sein - muss man sich rüsten - aufrüsten - nicht nur mit Maschinen!

Was soll man da noch satirisch erhöhen? Eigentlich formulierst Du da nur etwas aus.
Man fasst es nicht!
Ein Tollhaus!

Danke für die Info - und was sag' ich nun zum Text?
Der ist natürlich gut geschrieben, aber gegen die Hammerbotschaft kann man nicht einfach 'gut geschrieben' sagen.
Also, fünf Sterne ist er mit wert!

Liebe Sonntagsgrüße
Petra
 

fee_reloaded

Mitglied
Einfach nur gruselig. Immer, wenn man denkt, jetzt gibt's aber wirklich nichts mehr, das die Regierung noch (im negativen Sinne) toppen kann, kommt wieder etwas nach, das noch gruseliger ist.

Fallfehler übrigens, wie die in den Artikeln entdeckte, lassen sich inzwischen sogar regelmäßig in den Nachrichten des ORF hören. Auch die in der Online Mediathek des ORF zu lesenden Kurzbeschreibungen zu den einzelnen Spots strotzen nur so vor Grammatikfehlern....

Mir ging's wie Arno, liebe(r) Erdling.
Das Grinsen blieb mir im Halse stecken. Hervorragende Glosse!

LG,
fee
 

petrasmiles

Mitglied
Da scheinen aber noch mehr so drauf zu sein ... Muamer Becirovic durfte in der Berliner Zeitung (Print am 17.07.2023, online 10.07.) einen unsäglichen Text mit dem Titel 'Verfall der Moral. Eine Nation, für die keiner kämpfen will, ist zum Scheitern verurteilt. Ein Essay" veröffentlichen.
Wer den nur ausgesucht hat ... hat den Artikel keiner gelesen, oder schuldete der Redakteur jemandem einen Gefallen?

Zunächst schwärmt er von dem jungen Mann, der sein Leben dafür gab, Napoleon zu töten; das Attentat misslang zwar, aber er hat natürlich trotzdem sein Leben gelassen. Was für ein Vorbild!
Und dann kommt er mit harten Fakten. Der Absatz titelt: "Deutsche Führung ohne Ziele" und offenbart, dass "jeder dritte bis vierte Deutsche im Falle eines Krieges" flüchten würde - und nur jeder Zehnte bereit sei, zu kämpfen. Ja, wo kommen wir denn dahin? Und er einnert an den prächtigen Aderlass des britischen Hochadels, der im Ersten Weltkrieg 10% der Kriegstoten ausmacht, obwohl sie nur 1 % der Gesellschaft darstellten. So geht das!
Er zitiert große Historiker, meint, wir Deutschen hätten es uns nach 1989 zu gemütlich gemacht. "Was ist mit der deutschen Gesellschaft passiert, dass sie heute die großen Dinge aus den Augen verloren hat? Es kam eine Generation an die Macht, die keine Katastrophen kennt".

Wir sehen, da haben wir Nachholbedarf: Her mit den Katastrophen!

LG Petra

Vita auf der Forbes Seite:
Studium der Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Wien. Währenddessen freier Publizist für Zeitungen, Magazine und Think-Tanks. Im September 2020 zu Forbes nach Wien gekommen.
Themenschwerpunkte: Geoökonomie, Außen-, Wirtschafts- und Finanzpolitik wie auch über spannende Unternehmer in der deutschsprachigen Region.

Zur Ergänzung: Geboren ist er 1996 in München und im Januar erscheint seine Biographie zu Metternich.

 
Kaum zu glauben, was alles abgeht in der Welt, nicht wahr?
Den Text zu schreiben schien mir die einzig mögliche Ab- und Gegenwehr angesichts solcher Nachrichten.

Grüße an alle und lieben Dank fürs Lesen, Bewerten und für eure Zeit,

Erdling
 



 
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