Sollst Dich erinnern

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lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Aus Schutt und Asche
an hässliche Stellen
lasst uns Stelen stellen.

In den geschenkten Grund
senkt unsere Leichen.

Dort am Mischer steht
chemisch korrekt
die Prominenz.

Was den Mördern immer nachfolgt
sind die Grabbeilagen.

Sollst Dich erinnern!

In die Ruinen der lachenden Stadt
gräbt der Bagger "Roter Senat"
in kleinen Parzellen
den Parkplatz des Reiches.

Holt die Fahnen,
die roten,
hervor!
Es ist der Tag der Devolution!
 

andromeda

Mitglied
tja da haben wir`s wieder

Hallo lapismont,

alsoooo ist echt nicht böse gemeint, aber ich versteh es nicht.....was ist die Botschaft? Gibt es eine? Was hat Devolution mit roten Fahnen zu tun. Ich habs extra nachgeschlagen. Naja vielleicht muss ich auch nicht alles verstehe, würde es aber gerne. :)

vlg von einer grübelnden andromeda
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo andromeda,

ja, ich bin manchmal recht verschlossen.
:)

Ein Zeichen für eine gesellschaftliche Rückentwicklung wäre das Hissen roter Fahnen.
Devolution meint hier eine rückwärtslaufende Evolution.

cu
lap
 
L

Lonelysoul

Gast
hello lapsi

mir gefällt dein text,
überhaupt deine sprache.
vielleicht gerade weil
sie verschlossen ist. gg

lg

seelchen
 

Vera-Lena

Mitglied
Prognosen

Hallo Lapsi,

was aus diesem Platz einmal werden wird, da kann man viele Prognosen stellen. Er eignet sich natürlich auch prima zum Verstecken spielen und das wäre vielleicht noch das beste, wenn die Kinder ihn für sich in Anspruch nähmen. Aber wegen seiner Unübersichtlichkeit kann ich ihn mir auch schon als Kulisse in einem Krimi vorstellen. Ja, und so war es schließlich nicht gemeint. Jeder Erbauer eines solchen Geländes, muss aber damit rechnen, dass die Leute damit umgehen, wie es ihnen paßt. Und eines sind die Berliner immer schon gewesen, respektlos.

Rückblicke, Erinnerungen, damit sich die Dinge nicht wiederholen sind gewiß notwendig und bedeuten nicht zwangsläufig einen Rückschritt, wie Du es vielleicht aussagen wolltest, oder verstehe ich Dich da falsch?

Liebe Grüsse Vera-Lena
 

Jongleur

Mitglied
Holocaust Mahnmal?

Hallo Lapis,
sprachlich fließt das ja nur so!
Ansonsten, Nicht-Berliner, tagespolitisch am Rande informiert, bin ich auch am Grübeln ...
Es wird, so schließe ich aus Details wie Titel, "Senat" und aktuelle Anspielungen, ja wohl um Berlin und die Errichtung und Diskussion des Holocaust-Denkmals gehen?

Erste und letzte Strophe des Gedichts haben Aufrufcharakter, wie alle Bewegungen oder auch Parteien jeglicher Couleurs immer gern benutzt haben, um Stimmen zu sammeln, Interessierte zu bündeln, auch: um Revolutionen zu "machen".

Die erste Strophe spielt mit den nah klingenden Wörtern Stelen und Stellen. Die Stelen sollen - so steht es hier - aus Schutt und Asche bestehen. Mmh. Ja, nicht "auf" Schutt und Asche, also den leeren hässlichen Bauplatz, sollen die Stelen gestellt werden, sondern *aus* diesem Material. Was nur im übertragenen und fürchterlichen Sinn gemeint sein kann, Asche, Rückstände von Verbrennungen?
Gänsehaut.

Es folgt der "geschenkte Grund", lokalpolitisch weiß ich nichts über die zu bebauende Fläche - aber sprachlich kommt sofort die Parallele zum geschenkten Gaul ... , weshalb ich hier eine Kritik am Ort des Mahnmals herauslesen möchte.

"unsere Leichen" - als erstes denke ich an den eigenen Körper, wir und unsere Zeitgenossen. Aber wir leben doch noch. Ein Aufruf an die Zukunft.

Die Vermutung, es könne sich hier um ein kritisches Gedicht handen, das mit den Mitteln der Ironie arbeitet ...

Es gäbe noch eine zweite Sichtebene: "unsere Leichen" als die Toten benannt, die "unsere Sache" sind.
Seltsam, bei dieser Interpretation kommt mir die nächste ironische Assoziation des "Leichen im Keller habens".

Mit der nächsten Strophe wird die Ironie nun offensichtlich, fein ausgedrückt: am Mischer (die Hebel der Macht klingen mit) steht "chemisch korrekt" die Prominenz, der Bogen von der Degussa-Diskussion zu den Showleuten geschlagen, die sich ja nun gern alles Spektakuläre auf die Fahnen schreiben.

Mit der nächsten Strophe gehen wir aus einer Zukunft oder Gegenwart - zurück in die Vergangenheit. Denn dort - sind ja "die Mörder". Oder? Sollte mit dem ins-Heute-Holen der "Mörder" auf die Wiederholungsgefahr verwiesen werden?
Ich rätsle.
Und noch mehr über die "Grabbeilagen". Aus frühen Kulturen kennen wir die Grab"beigaben". Nun aber "Beilagen", auch hier Ironie?
Ernsthaft nach dem Sinn fraend, weiß ich nicht, welche Grabbeigaben nicht den Toten, sondern den Überlebenden oder Mördern folgen sollen.
Mmh? Nein. Diese Strophe kann ich nicht verstehen.

Dann der Aufruf: Sollst dich erinnern!
Was nun sehr ernst gemeint sein kann - oder aber, gekoppelt an die vorhergehenden überzeichneten (?) Strophen und die mir sich nicht erschließende Grabbeigaben vielleicht doch auch ein ironischer Unterton? Weil es ein Befehl ist?
Und ein Erinnern des Holocausts ein freiwilliges "Anliegen" an uns selbst sein sollte?

In der Folgestrophe (wieder fehlt mir die lokale Kenntnis) graben Bagger (muss denn der "rote Senat" sein?) in die "lachende Stadt" - die lebendige Stadt (?), oder ist sie zu übermütig? - den "Parkplatz des Reiches". Ist hier nicht eher ein "Friedhof" des dritten Reiches gemeint?
Oder doch wieder Ironie? Parkplatz, ein Ort, wo etwas abgestellt wird, was man für den Moment eigentlich nicht braucht, aus den Füßen haben möchte?

Nun das Ende mit dem Fahnenaufruf, rote Fahne, Symbol für Sozialismus, Kommunismus, Revolution.
Diese Strophe bleibt mir verschlossen, mitsamt dieser "Devolution" - ich hab es auch nachgeschlagen, andromeda -, zu der ich keinen Zusammenhang ausmachen kann.

Meine vorsichtige Annäherung sieht also so aus: mit einem erneuten und ironisierten Aufruf für ein Stelendenkmal wird hier kritisch angemerkt und in Frage gestellt, zum Nachdenken aufgerufen.

Ob ich hier wirklich etwas verstanden habe, ob Du es so gemeint hast?
Und hilfst Du uns bei den "verschlossenen" Stellen ein wenig nach, Lapis?

Jongleur
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Jongleur,

Dankeschön für Deine intensive Beschäftigung mit meinem Text und der sehr ausführlichen Interpretation.

Um die Rätsel ansatzweise zu lösen:
Was den Mördern immer nachfolgt
sind die Grabbeilagen.

Von Verurteilung, Bestrafung, Reue, Wiedergutmachung bis hin zum Vergessen reichen die Beilagen der geschichtlichen Beerdigung. Die Notwendigkeit eines Denkmals impliziert für mich, das Verarbeitung gewünscht sei.
Allerdings gehört auch eine scheinbetroffene Prominenz dazu, die die Sache der Opfer zu der ihren macht, um Machtgelüsten nachkommen zu können.
So wird ein Mahnmal nicht einfach gebaut, sondern zur Show umfunktionalisiert. Das Denkmal hat jetzt schon den Makel seiner Skandale.
So wird auch der Denkanlass zu Grabe getragen, deutsche Erinnerungstradition.

Sollst Dich erinnern, woran es zu erinnern gilt.

"muss denn der "rote Senat" sein?"
Habe ich auch lange überlegt. Aber die Berliner Politik ist so schwarz, das man sich immer wieder vor Augen halten muss, welche Parteien hier regieren.
Zudem schlage ich hier eine kleine interne Brücke.

in die "lachende Stadt" - die lebendige Stadt (?), oder ist sie zu übermütig?
Berliner sind an Bauskandale zu gewöhnt, um entsetzt zu sein. Der Sumpf gehört zu Berlin wie das Meckern der Berliner.
Und letztendlich ist es der Stadt egal. Das ist Berlin.

Parkplatz
kann auch ein Platz mit einem Park sein.
Oder ein Ort, an dem das Erinnern abgestellt wird, um es der Welt zeigen und an anderen Orten vergessen zu können.

Es gibt rote Fahnen mit und ohne Symbol.
Das Heute arbeitet für die Vergangenheit. Wer nicht aus ihr lernt, wiederholt sie.

cu
lap
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Du sollst...

Hallo Lapism.,

schön, daß Du Dich an das Thema herangewagt hast. Es ist eigentlich eines der zentralen unserer Gegenwart und - Vergangenheit. (Insofern ist das weitgehende "Drumherumschreiben", das sich nicht nur in einem Forum wie der LL beobachten läßt, schwer zu verstehen. Aber vielleicht ist das Thema auch zu komplex und vielschichtig. Ich empfinde das jedenfalls so.)

Wie auch immer: Einigen Deiner Gedanken kann ich sehr gut zustimmen: Große Bauwerke sind seit je Mittel der Mächtigen zur Befestigung ihrer Macht. Das begann mit dem Turmbau zu Babel und wird nicht enden... Ob der viele Beton aber auch Basis und Gewähr für den beabsichtigten Zweck liefert, bleibt abzuwarten. Vorsichtig möchte ich in diesem Zusammenhang auf einen Artikel von R. Seligmann im Stern, veröffentlicht am 28.10.2003, verweisen.

Liebe Grüße

Pen.
 
H

Holger

Gast
1 Aus Schutt und Asche
2 an hässliche Stellen
3 lasst uns Stelen stellen.

4 In den geschenkten Grund
5 senkt unsere Leichen.

6 Dort am Mischer steht
7 chemisch korrekt
8 die Prominenz.

9 Was den Mördern immer nachfolgt
10 sind die Grabbeilagen.

11 Sollst Dich erinnern!

12 In die Ruinen der lachenden Stadt
13 gräbt der Bagger "Roter Senat"
14 in kleinen Parzellen
15 den Parkplatz des Reiches.

16 Holt die Fahnen,
17 die roten,
18 hervor!
19 Es ist der Tag der Devolution!
..................................
Hallo lap,
André Brie, ist Dir vielleicht aus dem politischen (PDS-)Tagesgeschäft heraus bekannt, hatte ich vor 15 Jahren mal als Dozent zum Schweriner Poetenseminar. Nach dem Lesen einer 10 Seiten umfassenden Geschichte durch einen jungen Autor, meinte er nachdenklich: Mach ein Gedicht mit 10 Zeilen daraus!

Bei aller ehrlichen Wertschätzung möchte ich den Tipp in die andere Richtung geben. Mach eine Geschichte draus. Oder mehrere Texte. In 19 Zeilen ist das Thema nicht behandelbar. Besser gesagt die Themen:

1. Das Holocaust-Denkmal und der Wirbel darum
2. Die lokalpolitische Problematik Berlins
3. Die geschichtlichen Schatten Deutschlands
4. Und die historische Moral der jetzigen Generationen.

Diese thematische Vielfalt zerrüttet den Text. Ich merke ihm an, dass Du Dich in der Verknappung der Aussage auch poetisch vergaloppierst. Mit diesem, Deinen Anspruch werden die Kompromisse am Text im schwieriger und gehen, auch angesichts der Kommentare, zu Lasten der Verständlichkeit.
Ich spüre darin auch die (durchaus berechtigte) Wut an unserer Allgemeinsituation. Diese fließt aber eben nach allen Seiten auseinander. Es will nicht gelingen, sie zu kanalisieren.

Nun haben politisch-gesellschaftlich motivierte Texte andere Eigenheiten als die hier so oft erzeugte Liebespoesie. Die Bilder dürfen und müssen anders aussehen. Das Pathos und die Klischees nehmen andere Formen an. Über eine grundlegende politische Korrektheit denke ich hier und jetzt nicht nach.
Aber die Vergleichbarkeit der Verse lässt mich fragen:

Die Zeilen 1 bis 3 hören sich an wie „Auferstanden aus Ruinen....“ (Welches Lied war das doch gleich?) Geschichte ist ein Labyrinth, in dem man unweigerlich aneckt oder gegen Wände läuft.
Zeilen 4 und 5 zeigen ein weiteres Problem: Die poetische Perspektive. Die Betrachtungsperson geht mir in Deinem Rundumschlag gegen alles und jeden, der mit dem Thema zu tun, verloren.
Du erteilst ein Aufforderung an Zukünftiges, Dein lyrisches Uns mit zu beerdigen. Das betrifft mich also auch. Dem stimme ich aber nicht zu. Meine „Leiche“ hat dort nichts zu suchen.
Unter Umständen wirst Du von Widersprüchlern in eine Ecke gestellt, in die Du nicht willst.

Eine andere Frage: Wie fundiert sind Deine Kenntnisse über die sachliche Entscheidung nach dem Standort des Mahnmals? Du läufst Gefahr, Dich immer eines besseren belehren lassen zu müssen.
Ich weiß davon wenig. Ich kann es kaum kommentieren. Eines ist nur sicher: Dieser „geschenkte Grund“ ist da, wo diese Stadt noch immer eine Wunde hat, wo sich Ost und West aneinander reiben, wo eine Vergangenheit aufhört und eine Zukunft anfängt. Einen symbolträchtigeren Standort für die Erinnerung gibt es vielleicht gar nicht.

Zeilen 6 bis 8: Ich möchte bezweifeln, dass diesbezüglich in der (politischen) Prominenz diese Chemie stimmt. Im Gerangel zwischen der Stiftung, die das Mahnmal errichtet und den Gremien von Bund und Land Berlin ist wahrscheinlich nur der Zweck des Mahnmals nicht umstritten. Dieser pauschalierte Vers allerdings spricht jedoch den ehrlich Nachdenklichen ihr Gefühl ab. Und ich nehme an, das hast Du nicht bezweckt. Eigentlich ist dieser klaffender Riss zwischen ehrlicher Betroffenheit und politischer Anbiederung Stoff genug für einen eigenen Text.

Zeilen 9 und 10 hören sich erst einmal gut an. Ich stimme in der Fragestellung Jongleur zu. Dein Kommentar kann mich nicht recht überzeugen. Hier bist Du nicht präzise genug.
Die „Beilage“ stellt sich mir als etwas passives dar. Du sprichst aber in Deinem Kommentar von, Verarbeitung, Reue, Wiedergutmachung. Die kippt man aber nicht zu den Toten. Die lässt man den Lebenden angedeihen. Das hat eine intensive aktive Note. Deshalb trifft das Wort „Beilage“ hier nicht zu.

Zeilen 12 bis 15: Heute lacht die Stadt. Heute ist sie irgendwie und irgendwo und manchmal unangemessen die Hauptstadt der Spaßgesellschaft. Die Ruinen aber am Brandenburger Tor sind aus einer Zeit, in der die Stadt nichts zu lachen hatte. Hier gehst Du am Thema vorbei. Sicherlich nimmt Wowereit hier und da eine Party zu viel mit. Aber dieser Seitenhieb ist mir zuviel im Text.
Oder Du hättest den Text strukturell mit Gegensätzen als Stilmittel aufbauen sollen.

Geschichtlich gesehen habe ich auch mit dem Parkplatz des Reiches ein Problem. Was geparkt ist, kann man wieder benutzen. Dieses Reich, das Du meinst, will ich nicht haben. Schlimmer noch ist das abgewandelte Angebot zu diesem Bild in Deinem Kommentar. Es könnte ja auch nur ein Park sein.
Ein Park des Reiches? Hier sieht man eigentlich, dass Sprache dazu da ist, Missverständnisse zu erzeugen.

Zeile 19. Die Devolution, obwohl ich vielleicht Deine Absicht ahne, irritiert mich genauso, wie sie Jongleur irritierte.

Lieber lap, Du vergesellschaftest Dein Anliegen. Du rollst es weit aus und schaffst es nicht mehr, den Radius zu schlagen. Du bist gar nicht bei Dir geblieben. Ich sage Dir ehrlich, ich hätte mich an die Komplexität der Sache gar nicht herangetraut. Ich hätte mich vielleicht an den Bauzaun gestellt und auf das gehört, was ich diesem Augenblick fühle und wahrnehme.


Wie der Verkehr die Gegenwart vorbeizieht,
dass in diesem Loch die Geschichte eingegraben wird,
als ob man Geschichte vergraben kann
soweit, dass sie noch ein Stück herausschaut,
dass sie kalt ist, leichenkalt und grau und mir nachsieht,
mit einem tausendfachen Blick, der mir auf
meiner Unschuldshaut brennt.
Diese alten Ereignisse sind angetreten in ihrer
Geometrie, die Gassen erzeugt, als könne
man Jahre noch einmal durchschreiten,
dass ich mich fühle, als wäre ich vor eine Barrikade
geraten, das Vergessen mit Steinen verstellt, die mich
anschweigen werden mit dem betonierten Vorwurf,
den ihnen niemand mehr ausredet.

Beste Grüße
Holger
 

Inu

Mitglied
Hallo lapismont

Dein Text ist "raunend", der Gedanke an "Holocaust" steht fest zwischen den Zeilen, der Titel: "Du sollst Dich erinnern", lässt uns noch immer, 60 Jahre danach, stumm oder Phrasen wiederkäuend die Köpfe senken und wir sind vorsichtig, vorsichtig, nur ja kein unüberlegtes Wort zu schreiben.

"Sollst Dich erinnen", diese Zeile trifft wie ein Hammer! Da werde z.b. ich sofort klein und demütig.

Sowohl Du als Autor als auch die Kommentatoren vollführen Eiertänze, niemand weiß, wo Du gedanklich stehst, ebensowenig geben die anderen ganz genau Preis, was sie sich denken. Ein interessantes Schauspiel. Das nehme ich jetzt einfach einmal so zur Kenntnis.

Ich werde das Gedicht nicht bewerten. Die es in die Bestenliste gewählt haben, wissen sicher, warum.

Gruß
Inu
 

Jongleur

Mitglied
Eventmanagement

Es ging mir noch nach, Lapis.

Allerdings gehört auch eine scheinbetroffene Prominenz dazu, die die Sache der Opfer zu der ihren macht, um Machtgelüsten nachkommen zu können.
So wird ein Mahnmal nicht einfach gebaut, sondern zur Show umfunktionalisiert. Das Denkmal hat jetzt schon den Makel seiner Skandale.

So wird auch der Denkanlass zu Grabe getragen, deutsche Erinnerungstradition.

Das eben glaube ich nicht, dass dem Denkmal die Skandale und die Profilierungssucht einzelner anhängen bleiben werden. Hier wird die Zeit wirken und mit dem stählernen Besen über die Show-folks und die Eventpolitik gehen.
   Ich denke, dass schon einige Jahre nach Fertigstellung niemand mehr - schon gar nicht unter den Besuchern, Ferntouristen Berlins - nach den Begleitumständen der Entscheidung, der Erstellung fragen wird.
Und dass dies Mahnmal dann ganz für sich stehen und sprechen wird.

Eher wird sich immer wieder die Frage stellen, wie Erinnern wach gehalten werden kann, welches Monument, Kunstwerk, Art von Gebäude oder Denkmal oder Historisches Museum oder ... am sinnvollsten dem Zweck des Erinnerns, des Mahnens gerecht wird. Worin Erinnern am besten seinen Ausdruck findet. Am eindringlichsten Menschen erreicht.
Literatur. Lyrik (Entgegen dem bekannten Adorno Statement sind nach Auschwitz wieder Gedichte entstanden.), Dokumentationen, Filme - erreichen Menschen, "Nachgeborene".
Meiner Meinung nach liegt in einem solch großen und frei zugänglichen Mahnmal die Chance der Begegnung mit möglichst vielen Menschen.

Jongleur
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Holger,

Dankeschön für Deinen interessanten Kommentar.
Das Problem ist, das mein Text ein Hauptthema hat, das vieles beinhaltet.
Hauptsächlich geht es um meine persönliche Befindlichkeit zum „Sollst Dich erinnern!“

Erinnerung. Woran soll ich mich erinnern?
Ich war nicht dabei. Weder als Opfer, noch als Täter. Bin kein Zeitzeuge.
Aber ich bin dabei, wenn in meiner Stadt Geschichte gebaut wird.
Und lieber Jongleur, ich werde immer an die Peinlichkeit des Erbauens dieses Mahnmals denken.

An den Stellen, an denen der Text unverständlich oder ungenau zu sein scheint, sind meine Meinungen auch indifferent. Die Verdichtung zwingt ja nicht zur Konzentration. Sie akzentuiert einen oder mehrere Gedanken.
Je mehr man dazu schreiben wollte, um so weiter entfernt man sich von der direkten Widersprüchlichkeit.
Und um so bewertbar werden Aussagen. Ich stelle mich nicht auf den Podest Gerichtsbarkeit und fälle ein Urteil. Ich bringe meine Meinung zum Schimmern.

Das die DDR-Hymne anklingt, ist Absicht.
Die Grabbeilagen sind eher die Dinge, die nicht beerdigt werden, also dabei sind.
In erster Linie bezieht sich das Wort auf „Prominenz“, es ist die Garnitur.

Wowereit ist Administration, nicht lachende Stadt.

Du hast recht, der Parkplatz meint einen anderen Ort, der nun nach Abriss zum Park umgestaltet werden soll. Allerdings ist hier der Park auch nur geparkt. Ich fand es befremdlich und erstaunlich, wie nah sich die Geschichten so verschiedener Stadtplätze sind.
Das Wortspiel ist für mich auch so vielschichtig, das es mir an dieser Stelle des Textes sehr wichtig ist.

Devolution ist wahrscheinlich im SF-Bereich gebräuchlicher. Wenn das Wort wenigstens irritiert, sind die roten Fahnen in den richtigen Blickwinkel gesetzt.

“Lieber lap, Du vergesellschaftest Dein Anliegen.“
Nix da. Hätte ich ein zu benennendes Anliegen würde ich in die Politik gehen. Ich bin ein gesellschaftliches Wesen, mein Blick auf die Gesellschaft ist Innensicht. Hier bin ich auch Stimme Deutschlands.
Und das ist ein Teil von mir, bin ich.
Ein politisches Gedicht ist eine Liebeserklärung an die Heimat.
Deutschland hat keine Bauzäune mehr. Die Mauern sind hoch starr und abgetrocknet. Ein Blick von Aussen streift nur glatte Flächen.

@Inu

Danke für Deinen Kommentar.
Wer einmal vor einem Haufen Kinderschuhe in einem Vernichtungslager gestanden hat, vergisst nicht.

cu
lap
 
H

Holger

Gast
Tut mir leid, lap,
was Du willst, kommt bei mir nicht an.
Auch habe ich das Gefühl, dass Dir die Verständnislücken
zur Ausflucht dienen. Ein überforderter Anspruch.
So muss ich auch Inu Recht geben.
Was wissen wir von dem, was Du gesehen hast.
Aus diesem Text erklärt es sich nicht.

Mir wäre sogar lieb, auch für mein eigenes Urteilsvermögen,
denn ich kann ja durchaus falsch liegen, weitere kompetente Meinungen zu hören.

Beste Grüße
Holger
 

Ingwer

Mitglied
Hallo Lapis,

ich habe Deinen Text gelesen und zuerst die sprachliche Umsetzung bewundert:

"In den geschenkten Grund
senkt unsere Leichen."

"Was den Mördern immer nachfolgt
sind die Grabbeilagen."

Diese beiden Stellen haben mir besonders gut gefallen, genau wie die "Devolution" mit roten Fahnen. Total interessant, wie Du hier mit Sprache umgehst.
Inhaltlich hatte ich jedoch auch Probleme, da sich deutlich einerseits eher abstrakte Vielschichtigkeit und andererseits konkrete Bezüge zum politischen Tagesgeschehen abzeichnen und ich beides irgendwie nicht auseinanderklamüsern und infolge dessen wohl auch nicht richtig folgen konnte. Dein Gedicht "schwebt" irgendwie zwischen zwei Ebenen und hinterließ deshalb Fragezeichen in meinem Kopf; ein wenig auch das Gefühl, es einfach nicht verstanden zu haben.
Aber es bleib im Kopf und ich glaube, ich würde es nach ein paar mal mehr Lesen auswendig aufsagen, weil die Worte im Kopf bleiben. Ich weiß nicht, ob ich etwas ändern würde: Das "verstörte" Gefühl nach dem Lesen ist vielleicht das beste, was man bei dieser Thematik erreichen kann.

Liebe Grüße
Ingwer
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo ingwer,

Danke für Deinen Kommentar.
Es scheint wirklich ein Problem von mir zu sein, mit den Bildern so umzugehen, das sie konkrete Assoziationen hervorrufen.
Ganz schön knifflig, das Dichten.

cu
lap
 



 
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