Sommer, Sonne und noch mehr

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Anna Marie

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Das Zurückschlagen der Bettdecke frühmorgens verursacht den ersten Schweißausbruch des Tages und wenn ich das gekippte Fenster ganz öffne, vermischt sich die warme, stickige Nachtluft des Schlafzimmers mit schwülem, heißem Gebräu von draußen. Aaaaaaaaaaaah, Sommer ist’s. Wir alle lieben ihn. Jetzt ein Morgenkaffee, und ich schmelze ganz dahin vor Entzücken. Rasch, bevor das Thermometer die 40 Grad Marke endgültig erreicht, erledige ich ein kleines bißchen Hausarbeit – Handtücher vom Wäscheständer in die Badetasche stopfen.
Und los geht’s – die Kinder sind begeistert und maulen strahlend Bemerkungen wie – Schon wieder, da war’n wir doch schon gestern und vorgestern und fad, fad, fad – ab an den See.
Dort treffen wir, und dabei tun wir nicht überrascht – die Bagage, mit der wir schon die letzten zwei Wochen in trauter Plansch-, Kartenspiel-, Lass uns doch mal Grillen-Gemeinsamkeit verbracht haben. Die Sonne ist mittlerweile ein kleines bißchen höher gestiegen, wir schälen uns gegenseitig die fest an der Haut klebenden, ohnehin spärlichen Kleider vom Körper – wunderbar – die Nachbarin trägt heute Bikini – mittlerweile wäre ein Badeanzug aber wirklich sowas von overdressed – und wir alle klatschen verzückt in die Hände ob ihrer endlich zur Geltung kommenden Rundungen. Ich bin auch gar nicht neidisch, warum auch, davon habe ich selbst mehr, als man auf einen Blick übersehen kann. Sie hakt sich auch gleich bei mir ein, und wir schreiten stolz die zehn Meter vor zum lauwarm bereiteten Bade. Meine Bikinihose rutscht während dieses langen, natürlich wieder schweißtreibenden Ganges auch nur ungefähr vierzehnmal über die Pobacken. Aber das ist normal für Bikinihosen. Das tun sie immer. Deshalb gehe ich ja schwimmen. Bikinihosen müssen nass sein, um ihre gewollte Passform zu entwickeln.
Oberteile übrigens trocken. Meiner zumindest. Warum? Ich weiß es nicht mehr, diesen Gedanken hat mir die höhnisch strahlende Sonne soeben aus den Gehirnwindungen gebrannt. Vielleicht mag ich keinen kalten Busen.
„Uh uh, nicht anspritzen, nicht anspritzen, hihihi, niiiicht!“ Kleine spitze Schreie machen darauf aufmerksam, dass auch Gerlinde, meine Schwägerin die gar nicht zahlreichen, nicht pieksenden Steine im Seebett betritt. Natürlich macht sie nur Show und wir anderen, besonders die Männer genießen es. Roland, ihr Göttergatte und mein Schätzchen erklären sich spontan bereit, sie auf Händen rein zu tragen und dienstbeflissen zeige ich ihnen die für einen angenehmen Gang ins Wasser extra ausgelegten Platten, die auch nur ein klein wenig von Seetangglitschigkeit befallen sind. Aber das ist sicher nicht der Grund, warum den herkuleschen Prachtexemplaren jetzt die Gute aus den Armen gleitet und Platsch! Sie schwimmt und tauscht wahrlich wie eine lahme Seejungfrau. Derweilen ihre fünf Kinder den zwanzigsten Streit des eben begonnenen Vormittags anzetteln. Diesmal geht es um die Luftmatratze mit den Haltegriffen. Sie haben leider nur eine davon. Die Badeinsel, gestern so begehrt und umstritten, lässt die Palmblätter hängen und ist der Grund, warum ich gestern spontan beschloss, mit dem Rauchen aufzuhören oder wenigstens nicht mehr so wild mit dem Glimmstäbchen herumzufuchteln. Irgendwo müssen ja diese ganzen aufblasbaren Dinger, die Kinder anscheinend zum Baden immer brauchen, abgelegt werden. Warum also nicht auf meinem angestammten Liegeplatz links Mitte. Auf Hermanns Platz neben mir liegen schließlich die Bälle. Und auf Gerlindes die Trinkbecher.
Ordentlich sind sie ja. Die Kinder.
Sie werden auch nie gleichzeitig von einer der zahlreich auf Kleeblüten niedergelassenen fleißigen Bienchen gestochen. Immer nur hintereinander. Das freut unsere Apothekerin, auch wenn sie Bedauern heuchelt, wenn sie uns wieder mal ein neues Salbenprodukt, gegen alles, aber besonders gegen von Bienen, Wespen, Gelsen, Zecken, Quallen verursachten Schmerz bzw. Juckreiz empfehlen darf. Wir freuen uns mit über die Unzahl von Wundermitteln, die zwar allesamt für die Katz sind, aber die haben wir zu Hause gelassen und deshalb streicheln wir heute mal die Kinder. Diverse Sonnencremes und Sonnensprays machen unsere Hände geschmeidig, da flutscht einem schon mal so ein Zappelphilipp durch die Finger. Dabei wollte man ihn nur von der echt geilen, fehlkonstruierten, weil unten zu steilen Rutsche abfangen. Na, macht nichts, Schreien kräftigt die Lungen, meint Oma. Ja, die ist auch mit. Thront auf einem weißen Liegestuhl und sieht alles. Auch meinen Nachbarn und was der gerade bei Gerlinde versucht. Gernots bierselige Geständnisse, von wegen, seine geizige Lisafrau ließe ihn nur dreimal im Monat, sind ohnehin Gesprächsthema Nummer eins unter uns Erwachsenen. Hochgeistiges nehmen wir aus der Flasche zu uns und wenn wir Glück haben, erfahren wir auch noch, wie Gernot vorgeht bei seiner Lustspenderei. Gernot ist ein 68er, da braucht man sich für nichts zu schämen. Lisafrau auch nicht. Deshalb nimmt sie beim Sonnenbade das Bikinioberteil immer ab. Ohnehin verblassen ihre Hängekugeln neben der strotzenden Gewalt von Gernots über der Badehose selbstbewußt rotleuchtendem Bäuchlein. Erschreckt dellt sich die Haut meiner Oberschenkel und ich drehe mich wieder auf den Rücken.
Hermann schnarcht dezent und ich seufze. Erleichtert, weil mein vor Wochen angelesenes Buch auch heute wieder keine dramatische Wendung bietet.
Hinter mir raschelt es verheißungsvoll. Oma packt die Kühltasche aus. Weil wir abends ja grillen, hat sie nur Kleinigkeiten vorbereitet. Gut, daß wir hier keinen Tisch haben. Obwohl, letztes Jahr hatten wir einen. Der hielt aber nicht recht lange. Das Tischbrett war ein nicht sehr biegungsfähiges. Egal. Ohnehin wurde das Holz wahrscheinlich gebraucht, um daraus diese appetitlichen, wiederum recyclingfähigen Papiertellerchen herzustellen, die der kleine Pauli hilfsbereit im Frisbeestil verteilt.
„Vor dem Essen Händewaschen!“ schreit Hermann.. Wozu, weiß ich auch nicht, werden ohnehin gleich wieder dreckig, denn wir haben das Besteck vergessen. Gernot hat früher mal einen Schnitzkurs besucht und deshalb immer ein Taschenmesser bei sich. Daraus fertigt er in Windeseile aus kleinen Ästchen der schattenspendenden Birke kleine Gäbelchen – also Steckerl, vorne angespitzt. Für Baby Mario wäre wohl ein Löffelchen angebrachter gewesen, der pickst immer daneben, beim Versuch, sein Kartoffelsalat-mais-gurken-wurst-käse-zermanschte Semmel-Ketchup- und Mayo-Gemisch aufzuspießen. Und daneben, da sitze ich.
„Halloooo!“ Onkel Helmut samt Gattin Ilse tauchen schwerstbepackt und – welch Zufall - rechtzeitig zum Essen auf und versprühen ihren Charme samt lieblichst duftender Schweißtröpfchen. Die Klimaanlage ihres Autos gab während des Herstauens den Geist auf! Schade um sie. Meine letzte Hoffnung auf eine intellektuelle Unterhaltung!
Aaaaah, Sommer! Ich liebe ihn!
 

ENachtigall

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Liebe Anna Marie,

die Geschichte hat mich beim Lesen herrlich begeistert! Nur eine kleine Ungereimtheit habe ich doch gefunden:

Natürlich macht sie nur Show und wir anderen, besonders die Männer genießen es.
Die Protagonistin scheint mir eindeutig weiblich zu sein.

Liebe Grüße

Elke
 

Anna Marie

Mitglied
Sommer, Sonne ..

Liebe Elke!

Vielen Dank für Deinen Kommentar. Schön, dass Du Spaß beim Lesen hattest.
Was die Ungereimtheit angeht: Hm, warum ist das ungereimt? Eine weibliche Protagonistin kann das Spektakel doch auch genießen? Ich steh' grad auf der Seife, was Du meinst :)

Lieben Gruß von Marie
 

ENachtigall

Mitglied
spät aber dennoch,...

mir schien, bei der Formulierung

"wir anderen, besonders die Männer"

bedeutete der Zusammenhang, dass das Lyrich ebenfalls männlich sein müßte. Ich bin mir dessen aber jetzt nicht mehr so sicher.

Liebe Grüße

Elke
 

Höldereden

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Hi Anna Marie,

ich finde deine sommergeschichte fängt schön lustig locker flockig an, aber gegen mitte und ende wird es irgendwie immer verkrampfter, finde ich (als mann ;-).
Ich konnte irgendwie nicht wirklich lachen weil irgendwas fehlt, so eine gewisse unberechenbarkeit und trockenheit in dem humor. So wirkt es irgendwie nur geschwätzig oder lästernd.
Ansonsten ist die idee mit dem "normalverbraucher-sommer" gut!
Hoffe ich hab dir nicht zu dolle "rumgenölt"
Was ich mir zum beispiel für eine art von humor vorstellen könnte ist die in richtung papyrus schau mal bei seinen letzten werken unter lyrik-->experimentelles nach!

Liebe Grüße,
Höldereden
 
Hallo Anna Marie,
habe mich sehr über die witzige Erzählung eines Badetages im Freundes-und Familienclan amüsiert.Obwohl nichts Wesentliches passiert, hätte es für mich noch ewig so weitergehen können :), weil gut erzählt!
Herzlichen Gruß von Amaretta
 

Anna Marie

Mitglied
Sommer, Sonne ...

Hallo Höldereden!
Danke für Deine Kritik. Nein, Du hast überhaupt nicht zu sehr "rumgenölt", im Gegenteil, ich schätze es, wenn die Kommentare ehrlich sind :)
Ich habe auch gleich bei papyrus gelesen - nun ja, ich schätze, ich bin ein ganz anderer Typ von Schreiberling.
Trotzdem, machte Spaß, auch der Vergleich!

Liebe Grüße, Marie
 

Anna Marie

Mitglied
Sommer, Sonne ..

Hallo AmarettazuBlaue!

Herzlichen Dank, dass Du mir Deine Freude an meinem Text mitgeteilt hast. Motiviert schon sehr!

Liebe Grüße, Marie
 



 
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