Sonntagsangler

Benn

Mitglied

»Kein normaler Mensch angelt am Neckar. Die Brühe ist doch Mause tot«, brüllte eine Männerstimme in den Rücken des Anglers.
»Mensch, habe ich mich erschrocken«, japste Peter kreidebleich geworden und drehte sich zu dem Störenfried um.
»Mal wieder gepennt, was? Wie früher in der Schule, oder haben sich deine Nerven schon in Bier aufgelöst?«, lachte Karle und schritt neugierig näher.
»Ach nee«, entgegnete Peter kopfschüttelnd, »der Glatzen-Karle natürlich. Wer könnte es auch sonst sein! Sag mal, musst du dich so anschleichen?«
»Und, beißen die Fische?«
»Keine Ahnung. Mich hat noch keiner gebissen. Dich vielleicht?«
»Jetzt stell dich doch nicht dümmer, als du bist. Ich will doch nur wissen, ob du schon etwas gefangen hast.«
»Wann?«
»Was soll das heißen WANN ? Wie lange hockst du denn schon da und stierst auf deine Angelrute?«
»Seit fünf...«
»Was? Seit fünf Uhr schon? Da hat dich deine Frau aber schon zeitig aus den Federn geschmissen, oder habt ihr Krieg?«
»Lass mich doch ausreden. Seit fünfmal pinkeln.«
»Willst du mich veräppeln?«
»Nee.«
»Also? Sag schon!«
»Auskunft gibts nur auf Gegenleistung. Eine kleine Gebühr. Kapiert?«
»Was willst du denn haben?«
»Rauschmittel. Suchtstäbchen. Ich bin blank. Mein Nikotinspiegel ist in den Keller gerutscht.«
»Mein Gott. Du bist ein armes Schwein. Warum ziehst du nicht unter die Brücke?«, kicherte Karle schadenfroh und fügte hinzu, »Mehr als drei Stück kann ich dir nicht gebe.«
Karle reichte ihm die Zigaretten und Peter steckte sich auch gleich eine an.
»Ich höre.«
»Seit acht Uhr.«
»Und? Etwas gefangen?«
»Nee«, sagte Peter und sog den Rauch tief in die Lunge.
»Ha«, sagte er triumphierend, »habe ich’s doch gewusst.«
»Was fragst du denn dann noch so dämlich?«
»Mensch Peter. Jetzt sei doch nicht so empfindlich. Ich kann doch nichts dafür, dass du nichts fängst«, sagte er und fügte altklug noch hinzu,» ist Todes Wasser, sag ich dir. Voll mit Schwermetallen und Mikroplastik. Antibiotika und Hormone schwimmen auch noch in der Brühe herum. Pfui Teifel.«
»Musst du nicht nachhause zu Mutti und den Sonntagsbraten umdrehen oder so etwas Ähnliches?«, fragte Peter sichtlich gereizt.
»Willst du mich etwa los sein?«
»Bekanntlich muss man beim Angeln das Maul halten, sonst geht da nix. Hat sich bei dir noch nicht rumgesprochen. Oder, was?«, kam es mürrisch aus Peter und er setzte sich zur Abkühlung seines Gemütes die Bierflasche an die Lippen.
»Sag mal, was kostet eigentlich so nee schöne rote Kork Pose?«, wollte Karle wissen.
»Wieso? Willst du dir eine kaufen?«
»Nee, wozu den. Sowas brauche ich nicht.«
»Warum willst du es dann überhaupt wissen?«
»Na, du brauchst eine Neue.«
»Eine Neue? Warum?«
»Na, deine ist eben abgesoffen.«
»Das ist ein Anbiss, du Hasenhirn«, schrie Peter erregt und flitzte zu seiner Angelrute.
»Schau dir, dass mal an! Der nimmt verdammt viel Schnur von der Rolle«, sagte Peter und erklärte weiter, mit der Rute in der Hand,» wenn er stehen bleibt, dann schluckt er den Köderfisch und ich verpass ihm eine, damit der Haken sitzt. Verstehst du?«
Der Fisch zog in die Strömung und blieb dann, wie vorausgesagt stehen. Jetzt schlug Peter kräftig an und die Spitze der Angelrute bog sich dramatisch durch. Die Spitze berührte beinahe die Wasseroberfläche und die gespannte Angelschnur dröhnte in den Führungsringen wie der Draht einer Hochspannungsleitung.
»Das ist ein Brocken, sage ich dir. Du musst mir unbedingt helfen, sonst krieg ich den Burschen nie heraus.«
»Klar. Was soll ich machen?«, rief Karle erregt mit funkelndem Jagdfieber in den Augen.
»Siehst du dort drüben im Gras das grüne Netz liegen?«
Karle lief aufgeregt zu Peters Angelutensilien hinüber.
»Meinst du, das da?«, rief er mit rotem Kopf und hob dabei ein Netz in die Höhe.
»Nein, das ist die Senke. Ich brauche den Kescher. Das Netz mit dem Stiel.«
»Das da?«
»Genau. Du musst es auseinanderklappen und den Teleskop Griff herausziehen.«
»Erledigt. Und jetzt?«
»Komm her und stell dich vor mich hin und senke das Netz in’s Wasser. Ich führe den Fisch dann darüber und du brauchst das Netz nur noch anzuheben. Dann haben wir ihn. Kapiert?«
Beide zitterten vor Aufregung. Der Fisch kämpfte und kam nur zögernd Stück für Stück näher an das Ufer.
Als er die Oberfläche durchstieß, fiel der Schatten, der beiden Angler auf ihn und er zog noch einmal mit letzter Kraft in die Tiefe, um zu entkommen.
»Siehst Karle, das muss ein Weibchen sein.«
»Woher willst du denn das wissen? Wir haben den Fisch noch gar nicht.«
»Die hat dein hässliches Gesicht gesehen und ist gleich wieder abgetaucht«, spottete Peter und kicherte.
Nach dem letzten Fluchtversuch gab der Fisch endgültig auf. Er kam erschöpft an die Oberfläche, legte sich auf die Seite und zeigte seinen hell schimmernden Bauch.
Peter zog ihn über das Netz und Karle hob ihn mit beiden Händen aus dem Wasser.
»Wou. Ist das ein Ding. Der hat bestimmt zwanzig Pfund. Was ist denn das überhaupt für einer? So einen habe ich noch nie gesehen«, japste Karle völlig außer Fassung.
»Waller«, kam es trocken von Peter.
»Waller? Kenn ich nicht. Wo kommt der eigentlich her.«
»Donau.«
»Donau? Aber die fließt doch ins Schwarze Meer.«
»Rhein-Main-Donaukanal. Schon mal davon gehört?«
»Siehst. Hab ich doch immer schon gesagt, dass der Neckar ein Super Angelwasser ist. Haste noch ein Bierchen, dann können wir unseren Fang gemeinsam begießen.«
 
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