Spaziergang in der Heiligen Nacht (Trochäus)

Hannelore

Mitglied
Um die Hohe Nacht zu spüren
außerhalb von Stub' und Haus,
meine Sinne zu entführen,
ging ich in die Stadt hinaus.
.
Hoch vom Himmel waren Sterne
eingereist in unser Land,
nach der Freiheit in der Ferne
klemmten sie nun fest am Band,
.
zogen sich als Lichtgirlanden
über Straßen durch die Nacht,
hatten das Gebot verstanden,
hielten ehrenvoll die Wacht.
.
Eine Katz kam, leis im Tritte,
Eleganz und gute Sitt'!,
meine eignen schweren Schritte
hielten nur in Mühe mit,
.
heilig war mir hier der Wille.
Nacht in Zauber eingetaucht!
Träumend hab ich ihrer Stille
meinen Atem eingehaucht.
 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Hättest du in Gereimtes posten sollen, Hannelore, denn der Trochäus oder Jambus oder Daktylus usw. zählen nicht zu den festen Formen, sondern dein Gedicht ist nur im Metrum Trochäus geschrieben. Aber sei es drum. Lediglich die Frage, warum hast du dieses Gedicht, das ja eine gewisse Portion Melancholie enthält, im doch etwas harten Trochäus geschrieben? Der weiche Jambus mit Auftakt wäre vielleicht doch angebrachter.

Ich verstehe, wenn das Gedicht einen großen Anteil Selbsterlebtes hat, dass dich die Nacht verzaubert hat, fern vom Konsumentengeschwätz und all dem weihnachtlichen Budenzauber. Trotzdem, so richtig spricht mich das Gedicht nicht an. Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht, aber ich spüre noch Unsicherheit beim Reimen, der Zwang zum Reimwort verführt dich zu Formulierungen, die meiner Ansicht nach nicht allzuviel poetischen Gehalt haben. "Katz" und "Sitt" sind vielleicht regional üblich, in der Sprache der Lyrik aber wirken sie auf mich etwas unbeholfen, auch dann, wenn es metrisch bedingt ist.

Meine Erfahrung ist, dass es immer besser ist, will ich als Autorin ein starkes Gefühl ausdrücken, ungereimt zu schreiben. Weil ich da die Möglichkeit habe, das eine, allein richtige Wort an der richtigen Stelle einzusetzen.

Metrisch ist es sauber geschrieben, von daher gibt es nichts zu meckern. Gut in der romantisierenden Aussage, wenn man das Romantische liebt, die Conclusio, hier spüre ich das erste Mal in diesem Gedicht den unbehinderten, freien Ausdruck: "Träumend hab ich ihrer Stille/meinen Atem eingehaucht", auch dann, wenn man der Ansicht ist, dass die Nacht - umgekehrt - dem Ich den Atem eingehaucht haben könnte.

Gruß, blackout
 

Hannelore

Mitglied
Hallo blackout,
für jede Kritik dankbar, hilft sie doch beim nächsten Werk (Gedicht). Und selbst ist man, was eigene Schöpfung betrift, immer betriebsblind.
Lieben Gruß
Hannelore
 

James Blond

Mitglied
Vielleicht ist es der Verbesserung des betrieblichen Sehvermögens dienlich, wenn ich darauf hinweise, dass der Begriff "Hohe Nacht" für mich unweigerlich mit dem Nazi-Lied "Hohe Nacht der klaren Sterne" konnotiert ist. Siehe Wikipedia

Ich frage mich, ob dieser Bezug hier gesucht oder ironisch gebrochen werden sollte, sehe für beides aber kaum Anhaltspunkte. Also nur ein Versehen?
Allerdings macht mich auch die "Ehrenvolle Wacht", hier verstanden als ein "Gebot der Sterne" misstrauisch. Leider keine Ironie, auch hier wird mehr als nur Pathos versprüht, wenn die "in unser Land eingereisten Sterne" nun "fest am Band" "klemmen".

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das Weihnachtsfest muss nicht ständig aus einer kritischen Sicht heraus bedichtet werden, ein lyrisch verdichteter Rückgriff auf seine Wurzeln wäre gerade heute sehr zu begrüßen. Doch der findet hier auch nicht statt. Zu den seltsamen, bereits schon erwähnten Wortkürzeln wie "Stub" & "Sitt" gesellt sich im vorletzten Vers auch noch eine "Katz [ ], leis im Tritte"; da spürt man nur sehr wenig von der "Eleganz". Sprachgewalt meint ja nicht die Vergewaltigung der Sprache, um sie in ein Metrum zu pressen.

Hannelore schrieb:
heilig war mir hier der Wille.
Nacht in Zauber eingetaucht!
Träumend hab ich ihrer Stille
meinen Atem eingehaucht.
Beim "Heiligen Willen" sträuben sich mir erneut die zur hohen Nacht, ehrenvollen Wacht aufgerichteten Nackenhaare. Was ist hier gemeint?

"Nacht in Zauber eingetaucht"? Der Trochäus zeigt seine Tücken: Wo der Wegfall des Artikels zum Telegrammstil beschleunigt, schwingt sich die Sprache in die Höhen unfreiwilliger Komik. Hierzu sei die Lektüre des ""Schlesischen Schwans" Friederike Kemper empfohlen, die meisterlich mit Trochäen umzugehen verstand:
Pseudo-Kempneriana schrieb:
Im Gebüsch gestreckt / Ruhet Hindu faul, /Gift’ge Schlange leckt /Gierig sich das Maul.
Nimmt erst Anlauf dann / Springt auf Hindu ein, / Schlägt dem armen Mann / Giftzahn ins Gebein.
Hindu fliehen will – / Glieder sind verkrampft –/ Bet’t zu Buddha still / Und verscheidet sanft.
Doch führt uns dein Weihnachtsspaziergang nicht in die Täler der Ironie, oder? Ich frage mich nur, wie man der Stille seinen Atem einhaucht. Umgekehrt würd' ein Schuh draus: Träumend hat mir dort die Stille / ihren Atem eingehaucht, was bedeutet, dass die Stille die menschliche Seele eingenommen hat.

Ich grüble immer noch, was die Katz' hier zu suchen hat. Nun ja, das Internet ist voller Katzen, habe ich mir sagen lassen. Vielleicht war es eine schwarze Katze?

Nun ja, man muss auch nicht alles verstehen.

Grüße
JB
 

Hannelore

Mitglied
Lieber JB;
ob die Stille mir den Atem einhaucht oder ich ihr: Beides sind lyrische Bilder, die sich in diesem Fall nicht viel unterscheiden.

Geh mal abends spazieren. Im ländlichen Raum ist es wahrscheinlich, dass dir 'ne Katze über den Weg läuft. Das Gedicht erzählt ja eine kleine Geschichte. Sie gefällt dem einen, dem andern nicht. So geht es wohl jedem kleinen und oft auch dem großen Dichter.
Lieben Gruß
Hannelore
 

James Blond

Mitglied
Liebe Hannelore,

ich denke nicht, dass es meiner Kritik am Verständnis eines nächtlichen Spazierganges mit seinen Begegnungen mangelt oder dass sie lediglich persönliche Geschmacksfragen abhandelt.

Lieben Gruß
JB
 

Walther

Mitglied
Lieber JB;
ob die Stille mir den Atem einhaucht oder ich ihr: Beides sind lyrische Bilder, die sich in diesem Fall nicht viel unterscheiden.

Geh mal abends spazieren. Im ländlichen Raum ist es wahrscheinlich, dass dir 'ne Katze über den Weg läuft. Das Gedicht erzählt ja eine kleine Geschichte. Sie gefällt dem einen, dem andern nicht. So geht es wohl jedem kleinen und oft auch dem großen Dichter.
Lieben Gruß
Hannelore
Hi, willkommen,
muß JB in vielem recht geben. So
Träumend hab ich ihrer Stille
meinen Atem zugehaucht.
würde da ein schuh draus.
nee, das ist schröcklich göstrig. das geht, selbst in dieser stimmung, besser, auch wenn, mit hilfe teilweise quälender elisionen, der trochäus ganz gut dahintrottet.
das wird - wenn du die kritik aufnehmen magst. wenn nicht, wird's nichts und bleibt, wie es ist.
lg W.
 



 
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