spinner

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ja, früher
da hätt‘s mich noch gepackt und geschüttelt
bevor ich gewohnt erstarrt mit wirklichkeiten spielte
wahrheiten und gottessammelbilder ins tagebuch klebte
da ich mich weder mit kurzsichtig- noch
vergesslichkeiten herausreden konnte

heute
halte ich mich vorausblickend für einfallslos
glaube nicht an weltuntergänge
nehme viagra und lese begeistert todesanzeigen
während ich trotzig eine zukunftsmelodie pfeife

zum Glück
bin ich nur ein alter spinner
 
ja, früher
da hätt‘s mich noch gepackt und geschüttelt
bevor ich gewohnt erstarrt mit wirklichkeiten spielte
wahrheiten und gottessammelbilder ins tagebuch klebte
da ich mich weder mit kurzsichtig- noch
vergesslichkeiten herausreden konnte

heute
halte ich mich vorausblickend für einfallslos
glaube nicht an weltuntergänge
nehme viagra und lese begeistert todesanzeigen
während ich trotzig
eine zukunftsmelodie pfeife
 

wüstenrose

Mitglied
Lieber Karl,

ja, früher
da hätt‘s mich noch gepackt und geschüttelt
bevor ich gewohnt erstarrt mit wirklichkeiten spielte
wahrheiten und gottessammelbilder ins tagebuch klebte
da ich mich weder mit kurzsichtig- noch
vergesslichkeiten herausreden konnte

heute
halte ich mich vorausblickend für einfallslos
glaube nicht an weltuntergänge
nehme viagra und lese begeistert todesanzeigen
während ich [blue]ungeniert[/blue]
eine zukunftsmelodie pfeife
ich habe mal probehalber in der vorletzten Zeile trotzig durch ungeniert ersetzt.
Nach mehrmaligem Lesen empfand ich es so: das trotzig besagt: trotz aller Altersschwäche und Endlichkeit (die hierauf Bezug nehmende Passage finde ich köstlich selbstironisch!) bin ich irgendwo immer noch der alte Haudegen und Kämpfer; ich bin mir - dieses Fazit sei mir erlaubt - selber treu geblieben.
...vielleicht wolltest du genau das sagen - dann sollte es so stehen bleiben.
Andrerseits: trotzig wirkt vielleicht eine Spur zu demonstrativ, wohingegen ungeniert stärker das Moment der Reife herausstellt: jeder Lebensabschnitt hat seine eigene Qualität, entwickelt eine ganz eigene Sicht auf das Leben und das Selbst und nie war dieses Dings da, dieses heitere Darüberstehn greifbarer als jetzt...

lg wüstenrose
 
ja, früher
da hätt‘s mich noch gepackt und geschüttelt
bevor ich gewohnt erstarrt mit wirklichkeiten spielte
wahrheiten und gottessammelbilder ins tagebuch klebte
da ich mich weder mit kurzsichtig- noch
vergesslichkeiten herausreden konnte

heute
halte ich mich vorausblickend für einfallslos
glaube nicht an weltuntergänge
nehme viagra und lese begeistert todesanzeigen
während ich ungeniert
eine zukunftsmelodie pfeife
 

MarenS

Mitglied
Lieber Karl,

gut, dass du die beiden von Otto monierten Zeilen weggenommen hast. Der Leser macht sich schon seine Gedanken zu dem Text ;-)
und resümieren kann er ja selber.

Auch das ungeniert kommt bei mir besser an.

Ich mag das Gedicht, wenn auch widerwillig.

Es grüßt dich die Maren
 



 
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