Sprache als Grundlage

jon

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Teammitglied
Mit der Sprache fängt es an. Meiner laienhaften Meinung nach basiert alles, was Kultur ist, was den Menschen vom Tier unterscheidet, auf der Sprache. Das meint: Wofür man keine Worte hat, das kann man nicht denken. Das meint aber auch: Man kann nur so exakt, effektiv und vielfältig denken, wie man Sprache exakt, effektiv und vielfältig benutzt. Wer beim Sprechen und Schreiben schlampt (d.h. schlampig mit Sprache umgeht) – und zwar nicht nur beim Flaxen im Alltag, sondern grundsätzlich – der verschlampt auch die Möglichkeit, zu denken. Krass ausgedrückt.

Dass dies nicht nur so eine Vermutung ist, scheint mir durch folgende Meldung belegt:

"Warum unsere Kindertage im Dunkeln liegen

Die von Kindern zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits erlernten Worte bestimmen auch ihr Erinnerungsvermögen, behaupten Gabrielle Simcock und Harlene Hayne von der neuseeländischen Universität Otago in Dunedin. … Die Forscherinnen präsentierten zwei bis dreijährigen Kindern, die gerade zu sprechen begonnen hatten, eine "Wundermaschine": Spielzeug, das oben in die Maschine eingeworfen wurde, ließ das Gerät scheinbar schrumpfen und gab es dann in der verkleinerten Version durch eine Klappe zurück. Ein Jahr später befragten die Psychologinnen die Kinder zu den Erinnerungen an die Maschine. Zur Überraschung der Forscher berichteten die Kinder ausschließlich mit solchen Worten über das merkwürdige Gerät, die sie bereits ein Jahr zuvor beherrscht hatten. Inzwischen konnten sie eigentlich schon viel besser sprechen, aber offenbar war es ihnen nicht möglich, die neu gewonnenen sprachlichen Fähigkeiten zur Wiedergabe der alten Erinnerungen zu nutzen. " (http://www.wissenschaft.de/sixcms/detail.php?id=122233)

Trägt also jeder, der Text (oder gesprochene Sprache) öffentlich macht, Verantwortung für unsere Kultur – unabhängig vom Inhalt des Mitgeteilten? Ich sage kategorisch: Ja, unbedingt und uneingeschränkt.
 
Differenzierung

Generell stimme ich dir zu.

Jedoch gebe ich zu bedenken:
Ausdrucksweise ist vielfältig. Sich exakt an eine sprachliche Vorlage zu halten entspricht nicht direkt dem Denkvermögen.
Vergleiche doch mal :"ungebildete" Leute, also Personen ohne die entsprechende Ausbildung können trotzdem ein hohes Denkvermögen haben, intelligente Lösungen erarbeiten usw., während manche gut mit der Sprache umgehen, kein kreatives Denken verwenden und nur reproduzieren (sich sozusagen "gut verkaufen" )

Also, ich denke, Sprache ( ob geschrieben, gesprochen oder als Bild) ist für die Entwicklung sehr wichtig, aber die Qualität, mit der man damit umgehen kann läßt nicht unbedingt auf die Qualität des Denkvermögens schließen.
 

anemone

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hallo Schmittchen Schlampig, hallo jon

Sprache, in welcher Form auch immer, muss nichts mit dem Wahrheitsgehalt des Inhaltes zu tun haben, nur das ist ausschlaggebend. Es gibt Menschen, die reden lieber gar nicht, bevor sie lügen, andere wiederum glauben alles, was sie lesen und nehmen es viel zu ernst. Ob bei beiden die Wahrheit in der Mitte liegt?
 

itsme

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Sprache als Flaschenhals

*nickt zu jon*

In meinem Gedächtnis befindet sich meine Vergangenheit großenteils in Form von Bildern. Will ich sie mir oder anderen zugänglich machen, muß ich sie interpretieren. Das geschieht jedes mal neu, mit anderen Worten, mit anderen Gewichtungen und Betonungen. Ohne Worte könnte ich den Bildern nur Gefühle zuordnen ... nur mir zugänglich.

Erst wenn es mir gelingt über die Bezeichnung der "Dinge" in den Bildern hinaus, auch die Gefühle in Sprache zu fassen, werden meine Bilder vermittelbar. Die Sprache ist der Flaschenhals für mein eigenes Reflektieren und für meine Fähigkeit zu kommunizieren. Aufschreiben, ihn konkret in Worte fassen, ist manchmal für mich der einzige Weg einen diffusen Gedanken dingfest zu machen.

Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.
(L. Wittgenstein)


itsme
 

jon

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@ Michael:

*****Ausdrucksweise ist vielfältig. Sich exakt an eine sprachliche Vorlage zu halten entspricht nicht direkt dem Denkvermögen.
* Natürlich ist Sprache vielfältig – generell gesehen. Im Einzelfall ist aber entscheidend, welcher Ausschnitt aus dieser Vielfalt dem Betreffenden zur Verfügung steht. Sich exakt an eine sprachliche Vorlage zu halten ist wichtig, um exakt verstanden zu werden. Dazu ist nötig, diese Sprachvorlage exakt zu kennen. (Paradebeispiel: Fachsprache). Um erfinderisch/kreativ zu sein, muss man zudem diese Exaktheit beliebig verlassen und wieder betreten können. Und man muss wissen, auf welchem Abstraktiongrad man sich gerade befindet.
Übrigens sagt dein Satz „Sich exakt an eine sprachliche Vorlage zu halten entspricht nicht direkt dem Denkvermögen.“ eigentlich aus: "Wer denkt, verletzt jede sprachliche Vorlage." – (Um es deutlich zu machen hier ein analoger Satz: "Sich in aller Öffentlichkeit ausgiebig in der Nase zu bohren entspricht nicht direkt einer guten Erziehung.") Manchmal ahnt (oder weiß) der Leser/Zuhörer, was der Schreiber/Redner meint, obwohl er etwas anderes schreibt/sagt. Manchmal aber auch nicht. Um dieses Risiko zu umgehen, ist es eben doch praktisch, sich exakt an sprachliche Vorlagen zu halten. :)

*****Vergleiche doch mal :"ungebildete" Leute, also Personen ohne die entsprechende Ausbildung können trotzdem ein hohes Denkvermögen haben, intelligente Lösungen erarbeiten usw., während manche gut mit der Sprache umgehen, kein kreatives Denken verwenden und nur reproduzieren (sich sozusagen "gut verkaufen" )
* Generell "ungebildete" Leute werden NIE intelligente Lösungen erarbeiten. Es sind höchstens Laien auf dem betreffenden Gebiet, die sowas schaffen. Sie stellen (fachlich manchmal sogar unzulässige) Verbindungen her – und zwar, weil sie von all dem Fachballast abstrahieren, was nur – NUR! – über Worte/Sprache funktioniert. Um aus der (Querdenker-)Idee dann aber eine wirklich intelligente Lösung zu machen, müsen sie sich dann eben doch Wissen des entsprechenden Gebietes aneignen (und damit zumindest einen Teil des Fachballastes wieder aufnehmen. Auch begrifflich).
* Gut mit Sprache umzugehen ist durchaus kreativ, denn bloßes Wiederkäuen ist eben nicht "gut mit Sprache umgehen". Und: Denken ist immer kreativ. Und: "Sich per Sprache gut zu verkaufen" ist durchaus eine (kulturelle) Leistung (und hat mit "nur reproduzieren" {was?} nichts zu tun – was du mit dieser Kopplung sagen willst, entzieht sich meinem Verständnis, ich kann also auch nicht darauf antworten).

******Also, ich denke, Sprache (ob geschrieben, gesprochen oder als Bild) ist für die Entwicklung sehr wichtig, aber die Qualität, mit der man damit umgehen kann läßt nicht unbedingt auf die Qualität des Denkvermögens schließen.
*Sprache als Bild? Versteh ich nicht… Meinst du Kalligrafie? Das ist nicht "Sprache ALS Bild" sondern „Sprache UND Bild“. Meinst du gebärden? Das ist auchkein Bild sondern eine Art "ungeschriebene" Schrift (Wort-Zeichen {wie in der chinesischen Schriftsprache} und Buchstaben-Zeichen zum Zusammensetzen von Worten).
* Nicht jeder Kluge kann klug reden/schreiben, stimmt. Ein Dummer allerdings kann garantiert nicht klug reden/schreiben.

Doch all das ist nicht der Punkt meines Diskussionsbeitrages: Es geht nicht darum, wie der Leser/Hörer sich ausdrückt, sondern darum, wie der ÖFFENTLICH auftretende Schreiber/Redner sich ausdrückt. De facto sind sie (wir) es doch, die Sprache zur Verfügung stellen, die bestimmen, nach welchen Regeln in einer Gesellschaft gesprochen/geschrieben wird. Was sie/wir aus dem Alltag und Umgangston nicht in die öffentliche Sprache übernehmen, wird in dieser Sprache (auf Dauer) nicht überleben. Was sie/wir aus der öffentlichen Sprache ausblenden (weil „niemand so spricht"), wird verloren gehen. (Selbst Mundart bedarf einer gewissen öffentlichen Pflege – wenn auch in regional engerem Rahmen.) Sie/wir stellen – neben den Geschichten und/oder dem Wissen – Sprache zur Verfügung. Und das sollte in guter Qualität geschehen. Wie sie der Leser/Hörer dann benutzt, ist seine Sache. (Ob man im gekauften Bett wirklich nur schläft oder ganz andere tollen Sachen macht – wenn das Mistding bei jeder Bewegung auseinanderfällt, ist man sauer. Zu Recht.)

@ anemone und itsme

Ich meine tatsächlich nicht, WAS gesagt wird, sondern WIE. Sprache als Handwerkszeug. Zum sich mitteilen und sich mit sich selbst verständigen.
 

Haget

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MoinMoin Jon,
Angaben einer Uni zu bezweifeln ist gewagt - ich weiß. ABER: Mit meiner Enkelin (die 700 km entfernt von mir lebt) hatte ich ein für sie wichtiges Erlebnis. Sie war 2 Jahre 7 Monate alt. Mit über 4 Jahren erzählte sie mir wieder von dieser Sache. Keineswegs in ihrer damaligen "Baby-Sprache", sondern mit dem aktuellen Wortschatz. Und zwischendurch war das Erlebnis nie zur Sprache gekommen.

Gut, nur ein Fall. Aber...

Gruß
 
Talent kontra Fleiß

Bildern sind eine Art der Ausdrucksform, egal ob es ein Bildnis oder ein Film ist. Manche „sprechen“ doch damit, indem sie ihre Gefühle, Ansichten oder Anschauungen zum Ausdruck bringen. Ebenso die Musik.
Die Sprache an sich ist nie exakt, ein Grund, warum in der Technik / Naturwissenschaft mit Formeln und bildlichen Darstellungen gearbeitet wird. Nicht umsonst werden Texte in hohem Maße diskutiert.
Aber eigentlich war doch deine Grundaussage diese (berichtige mich, wenn ich daneben liege) :
Die Entwicklung des Menschen gegenüber dem Tier wurde mittels des Werkzeuges Sprache vollzogen.
Da habe ich dir Recht gegeben.
Die Exaktheit der Sprache als treibende Kraft bei der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft zu sehen, ist meiner Meinung nach ungerechtfertigt.
Die Kreativität der Menschen hat dies möglich gemacht.
Meine These:
Die „nichtverstandenen Genies“ hatten auch nicht genug „Sprache“, um ihrer Umwelt ihre Ideen klar zu machen. Aber sie hatten die Idee, durch die eine revolutionäre Entwicklung entstand.

Zu Bildung :
Ein Mensch hat eine gute Auffassungsgabe oder er hat sie nicht. Bildung kann diese Auffassungsgabe verbessern, aber entscheidend ist die Veranlagung.
Ein Mensch ohne Phantasie und Talent wird trotz allem „handwerklichem Geschick“ ( Bildung, Erfahrung, etc. ) nie besonders weit kommen, zumindest in Relation zu jemanden, der ein wesentlich größeres Maß an Talent hat.
 
L

loona

Gast
Ich werf jetzt nochmal in die Runde, daß die linke (hoffentlich werf ich jetzt nichts durcheinander ;o) ) Gehirnhälfte unsere Expressionen steuert. Sei es die Sprache, die Hand, die den Pinsel oder die Gitarre hält oder unsere Gesichtsmuskeln, die Mimik... Und in der rechteen Gehirnhälfte leben die Emotionen. Verkürzt ausgedrückt. Und alles, was sich von dort einen Weg nach draußen sucht, muß durch die andere Gehirnhäfte, wird also quasi gefiltert. Kein Gefühlsausdruck ohne "Verstand" im weiteren Sinne. Insofern wird es zwar immer Gefühle geben, die wir nicht in Worte, Töne oder Gesten fassen können, die aber trotzdem in uns existieren. Ich glaube, das sind Momente zum Verzweifeln...

Mal wieder ein interessanter Ansatz...

Gruß

loona
 

itsme

Mitglied
.......

Das Thema ist: SPRACHE ALS GRUNDLAGE. Wir schweifen ab! Sprache und Intelligenz haben sich im Gleichschritt entwickelt. Soweit sind sich Sprachwissenschaftler und Antropologen einig. Schon der Neandertaler verfügte offenbar über die Fähigkeit sich differenziert über Laute zu verständigen.

Sprache ist ein Verschlüsselungssystem, und ihre Entstehung als solche eine Kulturleistung. Der Wortschatz einer Sprache liefert einen Anhaltspunkt zur Beurteilung des kulturellen, sozialen und wissenschaftlichen Zustandes einer Gesellschaft. Latein als einstige Hochsprache hat genauso wenig ein Wort für "Genmanipulation" wie die Sprache der Aborigines. Die englische Sprache hat zwar einen deutlich größeren Wortschatz, offiziell, als die deutsche, aber auch nur, weil längst ungebräuchliche Worte mitgezählt werden.

Der individuelle aktive Wortschatz ist grundsätzlich auch ein Ausdruck von Intelligenz, weil es mit Merkfähigkeit zu tun hat, variiert aber sehr stark mit den Bedingungen unter denen ein Mensch aufwächst (soziale Herkunft, schulische Bildung, Umgang) und seinen Neigungen. Ein geförderter und interessierter IQ - 100 - Mensch kann über einen größeren Wortschatz verfügen, als ein solcher mit IQ 130. Goethe wird ein aktiver Wortschatz von 60.000 Worten nachgesagt. Der durchschnitts deutsche Akademiker benutzt angeblich 25.000 Worte. Ein "moderner" deutscher Hauptschüler aus einem sozialen Brennpunkt benötigt kaum mehr als 1.500 Worte.

Sprache ist im täglichen Gebrauch vor allem ein Werkzeug. Ein Straßenbauarbeiter braucht weniger und gröberes Werkzeug als ein Chirurg. Unser Spezialistentum hat auch eine Spezialisierung im Gebrauch der Sprache mit sich gebracht. Die Termini eines Ingenieurs sind nicht die eines IT Fachmannes. Ein Marketing Mensch weiß sich in seinem Metiers vortrefflich auszudrücken. Ob einer von den genannten in der Lage wäre ein Gemälde von Caspar David Fridrich ausdrucksstark in Worte zu verschlüsseln ist eine andere Frage. Sprachpflege muss überall dort betrieben werden, wo sie unabdingbar für die Kommunikation ist, nicht nur von Dichtern und Denkern.

Talent, Kreativität und Phantasie ... ein anderes Thema, denn da sind nicht nur die kognitiven Fähigkeiten beteiligt.

Puuuh ... ich sollte aufhören.


Grüßlinge
itsme
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
An Michael

Du schreibst:
Die Sprache an sich ist nie exakt, ein Grund, warum in der Technik / Naturwissenschaft mit Formeln und bildlichen Darstellungen gearbeitet wird.
Hierin aber liegt ein Zirkelschluss. Denn Naturwissenschaft und Technik bedienen sich nur lediglich einer anderen Sprechweise, die ebenso wenig exakt ist, in großen Bereichen sogar weniger exakt.

Wenn ich sage: "Das mag ich", dabei mit dem Finger auf etwas weise, dann sage ich viel mehr als das "das". Ich sage etwas über den Gegenstand, definiere ihn, und sage etwas über meine Emotionen. Das macht keine noch so genaue Formel oder Zeichnung. Ein anderes Beispiel: die Zeichnung gibt genau den Schaltplan wieder. Trotzdem ist das Radio kaputt, denn der Schaltplan weiß nichts von verharzten Ölen und isolierenden Schichten in Wellenschaltern.

Eine vage Sprache ist manchmal exakter als eine exakte Sprache, es kann aber auch umgekehrt sein.

Beispielsweise hat die Poesie eine völlig eigene Sprache, die geradezu das Gegenteil der Anforderungen an eine naturwissenschaftliche Sprache darstellt. Trotzdem ist sie exakt, und man spürt Verstöße gegen die jeweilige, sich aber immer wieder neu bildende Sprache sehr genau.

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An Itsme,

hallo, ich möchte in einer kleinen Weise widersprechen, weiß aber nicht genau, ob es relevant ist.

1. Die Sprache des Straßenbauers ist ebenso komplex, wie die des Chirurgen.

2. Die Menge der aktiv beherrschten Wörter sagt nichts über die Fähigkeit zu deren Verflechtung. Darin stimme ich Dir zu. Interessant wäre auch, was als Wort gezählt wird. Oftmals ist der kommunikative Reichtum von "wenig Gebildeten" außerordentlich groß.
Wenn Wörter fehlen, werden sie oft gebildet.
Modelle hierfür findet man in Pidgin-Sprachen und kreolischen Sprachen. - Hoffentlich schweife ich nicht zu sehr ab - .
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Besonders interessant mag sein, dass es die "Sprache an sich" nicht gibt. Einmal ist sie an denkende Wesen gebunden, zum anderen entwickelt sie sich, und sie stellt nur die "Spitze des Eisberges" beim Denken dar.

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Hallo, Jon, ein sehr interessantes Thema, was Du eröffnet hast.


Viele Grüße von Bernd
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Whorff, Sapir

Liebe Jon,

du hast unter anderem geschrieben:

Das meint: Wofür man keine Worte hat, das kann man nicht denken. Das meint aber auch: Man kann nur so exakt, effektiv und vielfältig denken, wie man Sprache exakt, effektiv und vielfältig benutzt. Wer beim Sprechen und Schreiben schlampt (d.h. schlampig mit Sprache umgeht) – und zwar nicht nur beim Flaxen im Alltag, sondern grundsätzlich – der verschlampt auch die Möglichkeit, zu denken.
Das ist eine interessante These, und sie hat auf den ersten Blick viel für sich. Es gibt eine ganze Theorie dazu und viele Publikationen. Verbunden ist sie mit den beiden Linguisten Whorff und Sapir (Shapiro)
Ein Beispiel ist http://santana.uni-muenster.de/Linguistik/user/steiner/semindex/sapir.html

Aber es gibt auch Einwände, durchaus begründeter Art.
Man denkt auch auf "nichtsprachlicher Basis". Oft habe ich das Gefühl, ich weiß etwas, kann es aber nicht ausdrücken.

Das Denken ist sehr komplex, und ich denke, es gibt auch nichtsprachliche Formen, vielleicht ist die (innere) Sprache auch eine Art Übersetzungsprozess für das Denken.

Whorff und Sapir gehen soweit, zu sagen, was man nicht in Worte fassen kann, kann man nicht denken.

Aber auch in Bildern und Tönen kann man denken.

Es ist ein faszinierendes Gebiet, und es gibt in der Forschung einige Durchbrüche, bei denen das Gehirn während des Denkens beobachtet wird.

Viele Grüße von Bernd
 

jon

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Teammitglied
Fassbar machen

Zitat Bernd: „Man denkt auch auf "nichtsprachlicher Basis". Oft habe ich das Gefühl, ich weiß etwas, kann es aber nicht ausdrücken.“

Natürlich findet Datenverarbeitung im Hirn auch auf einer wortlosen Ebene statt. Und natürlich ist dies nicht weniger "wertvoll" als Wort-Denken. Doch – zumindest geht mir das so – wird der Gedanke erst dann "klar", der Zusammenhang erst dann "logisch", wenn man ihn in Worten/Sprache so zu sagen "festgehalten" hat. Warum zum Beispiel stört uns (oder nur mich?) das Gefühl, etwas zwar zu wissen, es aber nicht ausdrücken zu können? Weil dieses "wortlose Wissen" nur wenig mehr verlässlich ist als eine (starke) Ahnung. Wenn man es in Worte fasst, wird es fassbar – und oft offenbaren sich erst dann Denkfehler oder Logik-Unsauberkeiten.

Die andere Konsequenz, die ich aus meiner Erfahrung kenne: Man hat den Eindruck, etwas zu wissen, sich etwas ganz sicher zu sein. Dann bekommt man Worte dafür und die zwingen – weil es, wie sich (zu spät) herausstellt, doch nicht exakt die Worte sind, die adäquat gewesen wären – einem eine andere Schlussfolgerung auf, als man aus dem "wortlosen Wissen" heraus gezogen hatte. Manchmal ist die "wortlose Schlussfolgerung" falsch gewesen, manchmal aber haben auch die „falschen“ Worte den ursprünglichen Gedanken verfälscht. Das ist der Trick, den Propagandisten verwenden.

Ich hoffe, ich habe die richtigen Worte gefunden, zu erklären, warum ich (ein Mindestmaß – was immer das ist) Sprachpflege für so wichtig halte. Und nun schau ich mal in Bernd's Link-Tipp (Danke dafür!)…
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Jon,

es gibt unterschiedliche Arten der Informationsverarbeitung im Gehirn und unterschiedliche Typen.
Ich denke sehr oft intuitiv, oft fehlen mir geeignete Worte, um aber mein Denken jemand anderem zu übermitteln, muss ich schon Worte verwenden.
Jeder Mensch hat ein eigenes inneres Wörterbuch, dieses enthält viele Einträge, deren er sich nicht mehr berwusst ist. Viele Bedeutungen unterscheiden sich mehr oder weniger (und sei es nur kulturell) von der, die andere anwenden.

So gibt es eine Gruppe von Menschen, die versucht, ganz exakt immer die Wahrheit zu sagen, oder was sie für sie hält. Andere lesen eher zwischen den Zeilen. Wieder bei anderen ist das fast identisch.

Ich denke, das Denken mit auf Sprache beruht, aber eben noch mehr ist.

Faszinierend ist, wie man Satzstrukturen erkennen kann, selbst, wenn man überhaupt nichts versteht:

Beispiel:

Der Krompel gnüht auf seiner Relle.

Andererseits ist man gegen Fehler sehr robust.

Andrerseids is man gegenl Fehler sehhr robust.


Viele Grüße von Bernd
 



 
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