Springerstiefel sonett

4,30 Stern(e) 3 Bewertungen

Walther

Mitglied
Spingerstiefel sonett


Auch wenn du von den fahnen träumen solltest,
die kunstvoll hoch geschleudert züge zieren
musst du dich nicht verstecken nicht genieren
das schießen war es nicht das du gern wolltest

Die trommel schlagen spielen und marschieren
als du die fahne annahmst und entrolltest
und mit den andren durch die straßen tolltest
da wolltest du gemeinsam musizieren

Was wurde aus dem traum den hass skandieren
das schreien und das kämpfen kommandieren
das schöne war verführen lügen tricksen

Und auch ein braunes gestern schlecht kopieren
das fordert neben opfer und krepieren
auf hochglanz schwarze spingerstiefel wichsen
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Walther, es ist ein mutiges Gedicht, denn es ist ein politisches Sonett. (Es gab schon Leute, die solche ausschließen wollen.)

Du verwendest eine Reihe von Metaphern, die in dem Buch "I is an other" als "kennings" bezeichnet werden, analog zu den in isländischen Sagas.

Das klarste ist "Springerstiefel". Diese sind oft Metaphern für den braunen Sumpf und dabei eben allgemein bekannte. Wenn irgendwo "Springerstiefel" steht, weiß ich nicht, was das eigentlich für Stiefel sind, aber es sind Metaphern für den braunen Sump, ebenfalls ein Kenning.

Auch die Trommel ist ähnlich, es ist ein Kenning für den Militarismus, der ins Reaktionäre führt, und für den Gehorsam.

Stiefel wichsen, ein Symbol für die "Ordnung und Sauberkeit", die völlige Disziplinierung einschließt.

Die Träume sind noch nicht verkehrt, bei Kindern, denn die Trommel ist nicht schlecht an sich, nur wenn sie als Kenning steht.

Die Symbolik gewisser Musik und Kleidung kann aber auch leicht entgleiten.
Es geht darum: Warum und wofür?

Nicht ob getrommelt wird.
Ich habe ein Dia von ca. 1940, da steht ein Junge und trommelt ganz stolz.
Der Junge war kein Militarist, er kam auch ums Militär herum, ich kenne ihn als Erwachsenen, natürlich, denn ich bin jünger.

Verführen, lügen , tricksen - alles nicht unbedingt negativ, denn es kommt darauf an, für wen und warum.

Hier aber ist es der Weg in den Abgrund, bestimmt durch Springerstiefel und umschaltung der Werte.
 
O

orlando

Gast
Liebwerter Walther,
hier möchte ich mich Bernd ganz & gar anschließen.
Mal abgesehen davon, dass die Springergestiefelten schon lange keine tragfähige Rolle mehr spielen - außer bei Käthchen / Heidi / Paul vom Dorfe.

Ein Blick nach Frankreich genügt.

LG, orlando
 

Walther

Mitglied
lb bernd,

es gibt in der tat vertreter der ansicht, ein sonett dürfe nicht politisch sein. da frage ich immer zurück, was denn beim schreiben nicht "politisch" sei. es gibt keine gute lyrik, die nicht den menschen und alles, was uns umgibt, gegen den strich bürstet. selbst bei ihrer entstehung gab es bereits im besten sinn "politische" sonette.

ich habe natürlich metaphern mit einandern verbunden, die eine tendenz haben, die extreme rechte zu symbolisieren. es ist die umwertung des guten (lügen, tricksen, verführen), die beklagt und angeprangert wird.

natürlich versucht die rechte in verschiedener verkleidung gesellschaftsfähig zu werden. sie kann nur die macht erreichen, wenn sie in die mitte der gesellschaft vordringt. die prägung beginnt früh. es wird beklagt, daß rechtslastige eltern bereits ihre kinder in der kinderbetreuung "politisch" regelrecht abrichten und zugleich diese form der einflußnahme durch aktive mitarbeit in elternvertretung der kindertagsstätten und kindergärten flankieren.

ich versuche schon eine weile, diese spezielle thematik lyrisch aufzugreifen, es ist mir bisher nicht gelungen. nun habe ich das hier probiert, um die debatte wieder einmal anzustoßen.

Ich weiß, daß politisch lied garstig lied ist. man damit keinen blumenstrauß gewinnen, aber das ist ja auch nicht das ziel solcher lyrik.

danke für deinen ausführlichen eintrag und deine würdigung meines versuchs.

lg w.
 

Walther

Mitglied
Hier noch der Marie-Lusie Remix:


Spingerstiefel Sonett



Auch wenn du von den Fahnen träumen solltest,
Die kunstvoll hoch geschleudert Züge zieren,
Musst du dich nicht verstecken, nicht genieren:
Das Schießen war es nicht, das du gern wolltest!

Die Trommel Schlagen, Spielen und Marschieren:
Als du die Fahne annahmst und entrolltest
Und mit den andren durch die straßen tolltest,
Da wolltest du gemeinsam musizieren!

Was wurde aus dem Traum? Den Hass Skandieren,
Das Schreien und das Kämpfen, Kommandieren:
Das Schöne war Verführen, Lügen, Tricksen

Und auch ein braunes Gestern schlecht Kopieren:
Das fordert neben Opfern und Krepieren
Auf Hochglanz schwarze Spingerstiefel Wichsen!
 

Walther

Mitglied
Spingerstiefel sonett


Auch wenn du von den fahnen träumen solltest,
die kunstvoll hoch geschleudert züge zieren
musst du dich nicht verstecken nicht genieren
das schießen war es nicht das du gern wolltest

Die trommel schlagen spielen und marschieren
als du die fahne annahmst und entrolltest
und mit den andren durch die straßen tolltest
da wolltest du gemeinsam musizieren

Was wurde aus dem traum den hass skandieren
das schreien und das kämpfen kommandieren
das schöne war verführen lügen tricksen

Und auch ein braunes gestern schlecht kopieren
das fordert neben opfern und krepieren
auf hochglanz schwarze spingerstiefel wichsen
 

Walther

Mitglied
hi orlando,

in der tat sieht es so aus, als ob der springerstiefel im schrank verschwunden. ist er aber nicht - man sah es auch in frankreich während der wahl. die sicherheitsleute - wir kennen das als "saalschutz" (die abkürzung "SS" ist die bekanntere variante davon - tragen sie dann doch, mit glatzen, schwarzen lederjacken und anderen utensilien.

aber du hast natürlich recht: es gibt den rechtsausleger auch als smarten herrn mit tablet, smartphon, gegelter frisur und in teuren modischen stoff gewandet mit italienischen edeltretern am teufelsbein. oder aber als "pastörchen", wie ich den style von herrn pastör aus meck-pomm nenne.

lg w.
 
F

Fettauge

Gast
Springerstiefel-Sonett

Lieber Walther,

ich bin Fan des politischen Gedichts. Insofern lese ich natürlich auch genau, wenn einer Politik be- oder zerdichtet.
Du musst dich übrigens nicht entschuldigen für ein politisches Gedicht, das eine gleichrangige Stellung neben den thematisch anderen Gedichten einnimmt. Die es noch nicht wissen, werden es auch nach deiner Erklärung nicht begreifen.

Zum vorliegenden Sonett:

In deinem Gedicht beschränkst du dich auf das offiziell bundesrepublikanisch mainstreamgerechte, opportune Beschreiben und Verurteilen des faschistischen Treibens - das gehört sich so, schon wegen Israel, man muss es tun, man kann es nicht oft genug tun, es wurde ja auch oft genug bedichtet. Ein bisschen hatte ich beim Lesen dasselbe Gefühl wie beim Schröderschen Anti-Nazi-Tag vor Jahren, den sich bestimmte Leute wie ein Schamtuch vor ihre wahre Gesinnung gehängt hatten. Für mich insofern ein gutgemeintes, aber doch etwas zahnloses Gedicht, das den Springerstiefeltypen ordentlich eins auf die Nuss geben will und sich dabei verstohlen vergewissert, dass sich sonst niemand auf die Füße getreten fühlt. Wobei ich dir eine Anti-Nazi-Gesinnung durchaus nicht absprechen will, ich glaube schon, dass du es so meinst, wie du schreibst.

Der Haken des Ganzen liegt für mich eher woanders. Und zwar im Osten, in der Ukraine, genauer bei der behelfsmäßigen sogenannten Regierung in Kiew. Heftig bestritten wurde regierungsseitig ja, dass dort in Kiew die Nazis das Sagen haben, mit denen sich die Verantwortlichen von EU, USA und Bundesregierung schamlos verbündet hatten, um gemeinsam den "falschen" Repräsentanten der ukrainischen Oligarchie zu stürzen und eine EU-Marionette an seiner Stelle zu platzieren - das jedenfalls war die Intention zumindest der Merkel-Regierung, während die USA da ja weitreichendere Ziele haben Richtung Russland. Hättest du zu diesem Thema geschrieben, würde ich dein Gedicht als wirklichen, ernst zu nehmenden Protest empfinden. So aber gerät es (auch aus den oben angeführten Gründen) in die Nähe einer Pflichtübung. Womit ich nicht sagen will, dass die deutschen Faschisten etwa ungefährlich sind und man nichts zu ihnen schreiben sollte.

Dein Abheben auf die Unerfahrenheit und politische Unreife junger Leute, ihr sogenanntes Reinschlittern in die Szene genügt mir als Erklärung für das Umsichgreifen faschistischen Gedankenguts nicht - wie du es in deinem Gedicht tust: Da wollen sie mal trommeln dürfen - naiver kann man eigentlich gar nicht an das Thema herangehen. Da ist schon so vieles an Beweisen und Erkenntnissen gesichert, da hättest du vielleicht ein wenig recherchieren sollen, wenn du zum heißen Thema Faschismus schreibst.

Am Handwerklichen des Sonetts, die Kritik am Inhaltlichen mal beiseite gelassen, habe ich im Großen und Ganzen nichts auszusetzen. Außer vielleicht, dass die durchgehende Kleinschreibung und die fehlende Interpunktion in diesem Falle mich etwas stört, weil sie ablenken. Wenigstens hast du dir diesmal deine persönliche Rechtschreibung gespart, wie es sonst bei dir Usus ist. Ganz nebenbei: Man muss die Lyrik nicht mit jedem Gedicht neu erfinden, schon gar nicht mit unsinnig formalen Spielereien. Wollte ich auch mal gesagt haben.

Vielleicht kannst du mit meinen Überlegungen zum Thema etwas anfangen.

Liebe Grüße, Fettauge
 

Walther

Mitglied
und nun bitte ich darum, weiter über das gedicht als solches sich auszutauschen. die ukraine-debatte ist in das lupanum verschoben. danke!

lg w.
 
F

Fettauge

Gast
Springerstiefel-Sonett

Was ich zu diesem Text zu sagen hatte, habe ich geschrieben. Lorbeerkränze habe ich in diesem Fall nicht zu vergeben, das habe ich begründet, und an einer weiteren Diskussion bin ich nicht interessiert.

Fettauge
 

Walther

Mitglied
Spingerstiefel sonett


Auch wenn du von den fahnen träumen solltest
die kunstvoll hoch geschleudert züge zieren
musst du dich nicht verstecken nicht genieren
das schießen war es nicht das du gern wolltest

Die trommel schlagen spielen und marschieren
als du die fahne annahmst und entrolltest
und mit den andren durch die straßen tolltest
da wolltest du gemeinsam musizieren

Was wurde aus dem traum den hass skandieren
das schreien und das kämpfen kommandieren
das schöne war verführen lügen tricksen

Und auch ein braunes gestern schlecht kopieren
das fordert neben opfern und krepieren
auf hochglanz schwarze spingerstiefel wichsen
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Walther,
formal habe ich nix zu meckern. inhaltlich möchte ich insoweit der vorrede fettauges eine lanze brechen, als idee und vorschlag:
der text hier beschreibt das sichtbare ergebnis energischer vorarbeit, die außer durch lügen etc. nicht zur sprache kommt. evtl. wäre es sinnvoll diesen text durch einige weitere zu einem stimmigen bild zu ergänzen. was faschismus ist, ist nicht so einfach zu beschreiben. der ist eine haltung, eine art zu leben, die sich durch charakteristische wesenszüge auszeichnet.
es wäre gut zu zeigen, wie beispielsweise die totalitarismen des banalen alltages an frühstückstischen, bei der arbeit, an schule und hochschulen, abends in der kneipe, die art der verwendung von sprache usw. den unterbau für politische strömungen der unguten art fundamentieren: gehorsam ersetzt verantwortliche solidarität und empathie, bilder einer sache ersetzen die sache selbst, verantwortliches mutiges handeln wird durch brutalität bzw. machtstrukturen der verwaltenden art erstezt, überzeugen geht unter in manipulation usw., daneben wäre auch an die zu denken, die diesen unterbau zielsicher für ihre zwecke vereinnahmen und sorgfältig pflegen ...
das alles wäre zuviel für ein einziges sonett, ich denk aber so etwa eine serie von etwa 5, eines davon steht schon da, die könnten das richten. aufklärung im besten sinne wäre das.
und dringend notwendig.

... eine idee nur, vielleicht kannst du sie ja brauchen.

lg
die dohle
 

HerbertH

Mitglied
das klingende sonett
gegen die musikantenstadeligen rummtata
gesinnungshohlköpfe denen nichts einfällt ausser
einfälle voll blut und boden romantik und ausländer
raus geschrei ohne sinn für die schönheit der vielfalt

klasse, lieber walther
 

Walther

Mitglied
hi dohle,

in der tat gibt es politisch viel zu diesem themenbereich zu erzählen. ich schreibe immer wieder politische gedichte, auch sonette. daran soll es nicht scheitern.

wenn ich mal wieder eines in dieser richtung eintrage, sende ich dir eine pn.

danke für den vorschlag!

lg w.
 

Walther

Mitglied
hi herbert,

so ist es. einfallslosigkeit, aber zugleich erfolgreiche bauernfängerei. das problem ist, daß vereinfachung komplexer sachverhalter, welterklärung mit eindeutigen feindbildern verfängt.

vor allem aber wirkt das gruppengefühl, verbunden mit festival- und lagerfeuerromantik. die kameraderie der jungmännergruppe, die gemeinsam für die bessere welt eintritt - etwas, das immer zieht, vor allem wenn die zukunft grau ist.

lg w.
 



 
Oben Unten