Springerstiefel-Sonett
Lieber Walther,
ich bin Fan des politischen Gedichts. Insofern lese ich natürlich auch genau, wenn einer Politik be- oder zerdichtet.
Du musst dich übrigens nicht entschuldigen für ein politisches Gedicht, das eine gleichrangige Stellung neben den thematisch anderen Gedichten einnimmt. Die es noch nicht wissen, werden es auch nach deiner Erklärung nicht begreifen.
Zum vorliegenden Sonett:
In deinem Gedicht beschränkst du dich auf das offiziell bundesrepublikanisch mainstreamgerechte, opportune Beschreiben und Verurteilen des faschistischen Treibens - das gehört sich so, schon wegen Israel, man muss es tun, man kann es nicht oft genug tun, es wurde ja auch oft genug bedichtet. Ein bisschen hatte ich beim Lesen dasselbe Gefühl wie beim Schröderschen Anti-Nazi-Tag vor Jahren, den sich bestimmte Leute wie ein Schamtuch vor ihre wahre Gesinnung gehängt hatten. Für mich insofern ein gutgemeintes, aber doch etwas zahnloses Gedicht, das den Springerstiefeltypen ordentlich eins auf die Nuss geben will und sich dabei verstohlen vergewissert, dass sich sonst niemand auf die Füße getreten fühlt. Wobei ich dir eine Anti-Nazi-Gesinnung durchaus nicht absprechen will, ich glaube schon, dass du es so meinst, wie du schreibst.
Der Haken des Ganzen liegt für mich eher woanders. Und zwar im Osten, in der Ukraine, genauer bei der behelfsmäßigen sogenannten Regierung in Kiew. Heftig bestritten wurde regierungsseitig ja, dass dort in Kiew die Nazis das Sagen haben, mit denen sich die Verantwortlichen von EU, USA und Bundesregierung schamlos verbündet hatten, um gemeinsam den "falschen" Repräsentanten der ukrainischen Oligarchie zu stürzen und eine EU-Marionette an seiner Stelle zu platzieren - das jedenfalls war die Intention zumindest der Merkel-Regierung, während die USA da ja weitreichendere Ziele haben Richtung Russland. Hättest du zu diesem Thema geschrieben, würde ich dein Gedicht als wirklichen, ernst zu nehmenden Protest empfinden. So aber gerät es (auch aus den oben angeführten Gründen) in die Nähe einer Pflichtübung. Womit ich nicht sagen will, dass die deutschen Faschisten etwa ungefährlich sind und man nichts zu ihnen schreiben sollte.
Dein Abheben auf die Unerfahrenheit und politische Unreife junger Leute, ihr sogenanntes Reinschlittern in die Szene genügt mir als Erklärung für das Umsichgreifen faschistischen Gedankenguts nicht - wie du es in deinem Gedicht tust: Da wollen sie mal trommeln dürfen - naiver kann man eigentlich gar nicht an das Thema herangehen. Da ist schon so vieles an Beweisen und Erkenntnissen gesichert, da hättest du vielleicht ein wenig recherchieren sollen, wenn du zum heißen Thema Faschismus schreibst.
Am Handwerklichen des Sonetts, die Kritik am Inhaltlichen mal beiseite gelassen, habe ich im Großen und Ganzen nichts auszusetzen. Außer vielleicht, dass die durchgehende Kleinschreibung und die fehlende Interpunktion in diesem Falle mich etwas stört, weil sie ablenken. Wenigstens hast du dir diesmal deine persönliche Rechtschreibung gespart, wie es sonst bei dir Usus ist. Ganz nebenbei: Man muss die Lyrik nicht mit jedem Gedicht neu erfinden, schon gar nicht mit unsinnig formalen Spielereien. Wollte ich auch mal gesagt haben.
Vielleicht kannst du mit meinen Überlegungen zum Thema etwas anfangen.
Liebe Grüße, Fettauge