Sprung rückwärts

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onivido

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Isabel Betancourt, ihres Zeichens Ingenieuse, kam zu uns von einer Tochterfirma in Venezuela, um zu helfen einige verkorkste Projekte doch noch rechtzeitig über die Bühne zu bringen. Anfangs waren wir alle sehr skeptisch über diese Verstärkung ausgerechnet aus einem tropischen Schwellenland, versöhnten uns aber schon in den ersten Tagen mit dieser Massnahme. Die berufliche Kompetenz der jungen Dame stand ausser Zweifel. Sie fügte sich nahtlos ein in unsere Arbeitsstruktur und hatte eigentlich nur einen Fehler. Sie arbeite bis spät in die Nacht hinein, wahrscheinlich weil sie nichts besseres zu tun hatte- so die Kolleginnen.

Wir hielten das für sehr untypisch für eine Lateinamerikanerin, ebenso ihr Aussehen. Eine Frau von der Karibikküste hatten wir uns dunkelhäutig vorgestellt, aber Isabels Haut war makellos weiss. Ihre Figur war übrigens ebenfalls makellos.

“Ob das wohl alles echt ist”, rätselten wir unter Kollegen, oder hatte etwa ein geschickter Chirurg nachgeholfen?
Vor allem das weibliche Personal neigte dazu, letzteres zu versichern. Heutzutage kann man ja nie wissen. Isabel hatte Lippen wie reife Kirschen, sanfte haselnussbraune Augen, dickes, braunes Haar, zu dünnen Zöpfchen geflochten, an deren Enden bunte Glasperlen funkelten. Etwas sonderbar, die Frisur, afrikanisch, aber zugegeben, sie passte zu ihrem Gesicht.

Als sich dann der Erbe einer Vorstadtvilla für meine Freundin zu interessieren begann, machte diese unserer Gewohnheitsbeziehung flugs den Garaus. Sie hätte endlich gemerkt, dass wir vollkommen verschiedene Interessen und Ansichten hatten, meinte Sabine, weil ich zum Beispiel Mambo dem Hard-Rock vorzog, lieber selbst Fussball spielte, als Ballettaufführungen zu besuchen und zu allem Überfluss Homosexuellen das Recht absprach, Kinder zu adoptieren. Diese Konstellation verschaffte mir reichlich Zeit, um zu versuchen Isabel davon abzubringen die Abendstunden im Büro zu vergeuden. Unerwarteter Weise hatte ich Erfolg, schneller als gedacht und entdeckte, dass sie die Frau meines Lebens war.

Sie war weichherzig, konnte an keinem Strassenmusikanten vorbeigehen, ohne ihm eine Münze in die Hand zu drücken.
“Hay que colaborar- man muss helfen”, entschuldigte sie sich dann für diese Unterstützung des Schmarotzertums.
Chronisch gut gelaunt war sie, spielte Volleyball, tauchte, joggte und tanzte. Und wie sie tanzte. Und ich verliebte mich grenzenlos und Gott sei es gedankt, Isabel ebenso.
Sie hielt nichts von platonischer Liebe und allem Anschein nach hatte sie auch noch nie etwas von Schwangerschaftsverhütung gehört. Jedenfalls war sie vier Monate nach dem Ausbruch unserer Liebesekstase schon einen Monat schwanger und ich blähte mich wie ein Pfau und zählte überglücklich die Tage bis zur Geburt unseres Kindes.

Sogar bei meiner Mutter hatte Isabel einen Stein im Brett, weil sie schon bei ihrem ersten Besuch nicht gefremdelt hatte und ihr, wie in Lateinamerika immer noch üblich, bei der Hausarbeit wie selbstverständlich zur Hand ging.
“Ein nettes Mädel, einfach, nicht so gespreizt, wie die Sabine,” meinte meine Mutter.
Mit Hilfe der Verwandschaft ergatterten wir eine günstige Eigentumswohnung in einem Vorort und konnten sie gerade noch einrichten, bevor das Baby geboren wurde..

Und das war der Tag, an dem für mich die Welt zusammenbrach. Das Baby war gesund und robust, aber hatte unzweifelhaft negroide Gesichtszüge und etwas dunkle Haut.

Isabel schien dies nicht zu stören. Stolz presentierte sie mir das Kind als meinen Sohn. Ich fühlte mich verhöhnt, grausam verspottet von der Frau, die ich unsäglich liebte, die ich mir näher geglaubt hatte, als meinen Atem, deren Gedanken ich dachte und ohne die ich nicht leben wollte.
Wortlos verliess ich das Zimmer. Ich wollte nicht vor aller Welt heulen und kämpfte mit den Tränen, bis ich mich in einer Toilette einschloss. Aber jetzt blieben meine Augen trocken. Das war also die Frucht der gelegentlichen, nächtlichen Überstunden Isabels. Mein Handy piepste. Meine Mutter. Ich antwortete nicht.

Ich wollte keinem Bekannten begegnen, wollte nicht in unsere Wohnung, wollte nicht zu meinen Eltern, aber ich konnte nicht endlos durch die Strassen irren und so landete ich bei Eddie´s, setzte mich an die Bar , bestellte ein Bier und gänzlich gegen meine Gewohnheit einen Korn dazu. Und noch einen Korn und ein Bier und schon sah die Welt wieder ein bisschen anders aus. Und immer wieder das gleiche.
Stunden später hatte ich die Wahl mit der Sexualschaffenden, die mich reif für ihre Dienste erkannt hatte, abzuziehen, oder nach hause zu gehen. Aus Angst vor AIDS entschied ich mich für letzteres und torkelte zum nächsten Taxistand.

Im Hausflur herrschte Aufregung. Unsere Nachbarin und ihr Ehemann versuchten einen Informationsaustausch mit einer etwas üppigen Negerin. Ein erfahrener Linguist hätte aus dem Kauderwelsch Silben der englischen Sprache heraushören können. Obwohl ich für heute von Negern genug hatte, versuchte ich behilflich zu sein. Alkohol ist manchmal der Verständigung förderlich.
“I am looking for Isabel Betancourt” erklärte die Schwarze, “ich suche Isabel Betancourt.”
“Aha, und wer sind Sie?”
Die Frau runzelte die Stirn.
“Und wer sind Sie?”
“Ich war ihr Mann”.
“Ich wusste gar nicht, dass Isabel mehrere Männer hier in Deutschland hatte.”
“Ich auch nicht,” knirschte ich.
Die Alkoholnarkose drohte ihre Wirkung zu verlieren. Wieder kämpfte ich mit den Tränen.
Die Frau musterte mich etwas erstaunt, wie es mir schien. Dann sagte sie:
“Ich bin ihre Schwester.”

War es der Rausch, oder das übermächtige Gefühl der Erleichterung, das mich wanken liess? Ich fasste nach dem Stiegengeländer und hielt mich daran fest.
Ja, die Frau war ziemlich schwarz, hatte krauses schwarzes Haar, aber ihre Gesichtszüge bewiesen eindeutig die nahe Verwandschaft mit Isabel. Ihre Schwester, sie hatte ihren Besuch anlässlich der bevorstehenden Geburt angesagt, um Isabel behilflich zu sein. Eigentlich hätte ich sie am Flughafen abholen sollen. Das hatte ich in meinem Schock gänzlich vergessen. Ihr Foto hatte mir Isabel noch schnell per e-mail ins Büro geschickt, bevor sie wegen der unerwarteten, plötzlichen Wehen Hals über Kopf im Taxi in die Klinik gefahren war. Das Foto hatte ich nicht angesehen, weil auch ich überstürzt zur Klinik gerast war. Schwester! Unglaublich!

“Sorry, Englisch liegt mir nicht besonders. Ich wollte sagen, ich bin ihr Mann.”
Meine Schwägerin lächelte.
“Ich bin Catalina”, stellte sie sich vor.
Trotz meines alkoholisierten Zustands fand ich den Wohnungsschlüssel, schloss auf, drängte Catalina in die Wohnung und liess unsere Nachbarn enttäuscht in Unwissenheit.
Wie schon erwähnt, ich glaube Alkohol ist manchmal gut. Jedenfalls half mir mein abgestumpfter Zustand Catalina umgehend, schnörkellos die Wahrheit zu beichten und ich war auch verzweifelt genug, sie um Hilfe su bitten.
“Ay”, lachte sie zu meinem Erstaunen, “das Kind ist also ein ‘salto atrás - ein Sprung rückwärts’, wie ich übrigens auch. Kein Wunder, dass du gezweifelt hast. Das kommt bei uns oft vor, so oft, dass man sogar diesen schönen Namen dafür erfunden hat.”
Sie zog mich aus dem Sessel in den ich gesunken war.
“Komm, fahren wir zur Klinik, bevor sich Isabel die Augen ausweint. Recht geschieht es ihr zwar, warum hat sie dir nie Fotos von ihrer Familie gezeigt.”
Dankbar umarmte ich Catalina, kontrolierte meine schwankenden Schritte und den Brechreiz und folgte ihr aus der Wohnung

Im Taxi rief ich meine Mutter an.
“Also, so eine Entäuschung, so eine Schande ....,” begann sie schluchzend, noch bevor ich ein Wort herausgebracht hatte.
“Mamma, kannst du mit Vater in die Klinik kommen? Ich möchte euch Isabels Schwester vorstellen”.
“Mein Gott,” hörte ich sie noch sagen, “unser Rolf hat den Verstand verloren”. Dann blieb mein Handy stumm.
Low battery.
 
Zuletzt bearbeitet:

Ji Rina

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...upps....Text war weg....

Im Text hört es sich so an, als sei es etwas völlig ausergewöhnliches...

Mit lieben Grüssen,
Ji
 

onivido

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hola Ji, bei uns ist das allbekannt, aber in Deutschland dachte ich waere das neu. Wieder falsch gedacht. kommt bei mir sehr oft vor.
Saludos///Onivido
 

John Wein

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Holá Onivido,
Unglaublich! Mir kamen die Tränen, diesmal nicht vor Rührung über das Drama, sondern vor Vergnügen über deine vielen saftigen Metaphern und Ausdrücke. So stell' ich mir eine lustige Kurzgeschichte vor. Ich hab sie beim Lesen regelrecht verschlungen und kam gar nicht dazu, auf Rechtschreibfehler zu achten, die da irgendwo zwischen der ganzen Handlung noch so rumlagen. Hach, und erst der Schluss! You made my day!

Saludos cordiales, John
 

Ji Rina

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hola Ji, bei uns ist das allbekannt, aber in Deutschland dachte ich waere das neu. Wieder falsch gedacht. kommt bei mir sehr oft vor.
Saludos///Onivido
Hallo Onivido,
Ehrlich gesagt, weiss ich es nicht. Mir war es bekannt. Und nun hast du ja auch für Aufklärung gesorgt, für diejenigen die es nicht wissen.
Liebe Grüße
Ji
 

onivido

Mitglied
Hola John,
unglaublich, dass jemand die Geschichte so unterhaltsam fand, Ich habe weder grosse Phantasie noch Kreativitaet , deshalb kann ich nur Geschichtlein schreiben, die irgendwie von der Wirklichkeit abgeleitet sind. Rechtschreib- und Kommafehler sind meine Spezialitaet. Ich lese grosszuegig ueber sie hinweg. Dein Kommentar hat mich sehr ueberrascht. Danke!
Feliz día///Onivido
 
Hallo onivido,

die Geschichte hat was. Die Pointe am Ende ist klasse. So passiert das, wenn Eltern zu vorschnell etwas denken, bevor sie die Fakten kennen.
Und so viele Fehler sind gar nicht drin ... ;)

Schöne Grüße,
Rainer Zufall
 

onivido

Mitglied
Hallo Rainer,
es ist Zufall, dass ich mal was schreibe, das gelesen und sogar positiv kommentiert wird . Ich war sehr ueberrascht. Danke fuers Lesen und den Kommentar.
Beste Gruesse///Onivido
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Schön flott erzählte Geschichte!

Aber die vielen Absätze stören, da könntest du noch nachbessern und den Text fließender gestalten!

Rechtschreib- und Kommafehler sind meine Spezialitaet. Ich lese grosszuegig ueber sie hinweg.

Ich lese nicht darüber hinweg :) und auch hier würde ich mich über eine Verbesserung freuen!

Gruß DS
 

onivido

Mitglied
Hallo DocSchneider,
ich habe es wieder versucht. Habe ein Komma hinzugefuegt und eines gestrichen. Auch ein Punkt war vergessen.Rechtschreibefehler habe ich keine gefunden. Ich bin ueberfordert. Offensichtlich.
Gruesse///Onivido
 
Hallo onivido,

beim schnellen Lesen hatte ich gestern wohl tatsächlich drüber gelesen. Dann mache ich mal Textarbeit.


... Tochterfirma in Venezuela, um zu helfen Komma einige ...
Maßnahme
außer
... neigte dazu Komma Letzteres ...
... selbst Fußball spielte Komma als Ballettaufführungen ...
... das Recht absprach Komma Kinder zu ...
... um zu versuchen Komma Isabel davon abzubringen Komma die Abendstunden ...
... hatte ich schneller Erfolg schneller Komma als gedacht Komma und entdeckte, ...
Straßenmusikanten
... mich grenzenlos Komma und Gott ...
... platonischer Liebe Komma und allem Anschein ...
... einen Monat schwanger Punkt Ich blähte mich ...
... war der Tag Komma an dem für mich ...
Stolz präsentierte ...
... näher geglaubt hatte Komma als meinen Atem, deren Gedanken ich dachte Komma und ohne ...
... durch die Straßen irren Punkt Und so landete ...
... an die Bar Komma und bestellte ein Bier ...
Und noch einen Korn und ein Bier Komma und schon sah die Welt wieder ein bisschen anders aus. Und immer wieder das gleiche. Ein bisschen viel 'und' ...
nach Hause
Letzteres
Dann sagte sie: Keine neue Zeile "Ich bin ihre Schwester."
... mich wanken ließ?
... in die Wohnung und ließ unsere Nachbarn ...
... abgestumpfter Zustand Komma Catalina umgehend Kein Komma schnörkellos die Wahrheit zu beichten Komma und ich ...
... den Brechreiz Komma und folgte ihr aus der Wohnung Punkt
... sie schluchzend Komma noch bevor ...

Das waren die groben Schnitzer. Und wie DocSchneider schon erwähnte, solltest Du die vielen überflüssigen Leerzeilen herausnehmen.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

onivido

Mitglied
Rainer Zufall,
wie ich sehe, ist es bei mir reiner Zufall, wenn ich mal ein Komma an der richtigen Stelle setze. Vielen Dank fuer die Muehe. Jetzt muss ich die vielen Kommas reinsetzen. Ich weiss , gebildete Menschen sollten Kommata schreiben. Ich will aber nicht , weil ich nicht weiss , ob das im Griechischen mit einem , oder zwei "m" geschrieben wird.
Viele Gruesse///Onivido
 
Hallo onivido,

das ist überhaupt nicht tragisch. Man lernt niemals aus. Und mit Sprachen ist das auch nicht immer ganz einfach. Die deutsche ist da noch ein ganz besonders schwieriger Fall. Das sage ich, weil ich vermute, dass Deine Wurzeln in Südamerika zu liegen scheinen.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

onivido

Mitglied
Guten Tag,Doc Schneider. Ich schreibe mit einer spanischen Tastatur. Umlaute schreibe ich mit alt xxx. Das ß habe ich nicht gefunden. Habe mich auch nicht besonders bemueht.
 



 
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