Spuren im Fels

Hagen

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Spuren im Fels

Jetzt, wo das Leben nach meiner Operation wieder in normalen Bahnen läuft, mache ich mir Gedanken darüber, wie ich der Gesellschaft etwas von dem, was die Ärzte bei mir geschafft haben, zurückgeben kann.
Bei einem der abendlichen Gespräche, bei Kerzenschein und einem Glas Cabernet Sauvignon mit der Wunderbaren Ulrike, kamen wir irgendwie auf den Mount Rushmore.
„Das Mount Rushmore National Memorial ist ein 1941 fertiggestelltes Denkmal, das aus monumentalen Porträtköpfen der vier bis zur Zeit seiner Erstellung als am bedeutendsten und symbolträchtigsten geltenden US-Präsidenten besteht“, half mir die Wunderbare Ulrike auf die Sprünge. „Jedes Porträt ist 18 Meter hoch! - Übrigens könnte zu den vier Präsidenten ein fünfter hinzukommen: Eine Petition fordert nämlich, dass Präsident Donald Trump neben den Gründervätern der USA in Stein verewigt wird.“
„Mein Gott!“, meinte ich, „Auf was die Amis nicht alles kommen! Da wäre doch ein Porträt von Popeye oder Donald Duck angebrachter! - Aber jetzt fällt's mir wieder ein! Vor dem Denkmal sind Ausschnitte aus berühmten Reden der vier Präsidenten auf Schrifttafeln zu lesen. - Wenn Ausschnitte aus den Reden der Präsidenten auf Schrifttafeln zu lesen sind, böten sich doch eigentlich Ausschnitte aus den Werken bedeutender Schriftsteller auf Schrifttafeln sowie deren Köpfe an. - Weißt du, ob es hier in Deutschland so was gibt?“
„Nein, aber in Bremen, deiner Heimatstadt, stand plötzlich eine illegal aufgestellte Bronzeskulptur in den Wallanlagen, ein alter Mann, der gebeugt einen Einkaufswagen schiebt. Laut Kunstkenner ist diese Skulptur, mehrere Zehntausend Euro wert. Das Rätsel ist weiterhin noch nicht gelöst, vielleicht ist die Skulptur ja ein original Banksy?“
„Ja. Wenn dieser Banksy Streetart macht, werde ich ja wohl Mountainart machen können, das wäre ja gelacht! Warum sollte ich dann nicht die Köpfe von bedeutenden Schriftstellern in einen Berg meißeln?“
„An welche Schriftsteller dachtest du denn? - Willst du dich auch verewigen?“
„Nee, obwohl die Idee was hat! - Aber ich dachte an Siegfried Lenz, Hermann Hesse, Heinrich Böll und Günter Grass!“
„Und wie und wo hast du dir das vorgestellt?“
„Ich nehme mir einen Presslufthammer und hämmer' die Porträts in das Elbsandsteingebirge. Schließlich habe ich dein Portrait schon mal in unsere Frühstücksbutter geritzt.“
„Das Portrait in der Butter sah aber mehr aus wie die Venus von Milo.“
„Du bist ja auch mindestens ebenso schön wie die Venus von Milo! - Aber im Elbsandsteingebirge, um nochmal drauf zurückzukommen, gibt es nämlich die 'Bastei'! Die Bastei besteht im Prinzip aus zwei Gesteinsmonumenten, wo je zwei Köpfe Platz drauf hätten! - Oder ich nehm' den Brocken im Harz. Dann könnten die Porträts auch größer sein, und ich könnte den Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock dazunehmen, der war auch Harzer – im weitesten Sinne jedenfalls. - In diesem Fall bräuchte ich allerdings etwas Dynamit oder eine Laserwaffe, die 'Pereswet' zum Beispiel. Du hast doch sicher eine Pereswet in deinem Keller, oder?“
„Leider nicht. Auch keinen Kohlenmonoxidlaser zur Materialbearbeitung, nur noch einen alten Kupferdampflaser für Lasershows, von Dynamit ganz zu schweigen. Ich tue nämlich nichts Ungesetzliches.“
„Der Kupferdampflaser geht natürlich nicht. Mist. - Und wenn du kein Dynamit hast, können wir auch nicht Dynamitfischen. Schade, ich hab's mir so romantisch vorgestellt, bei Vollmond mit dir an der Hase Requiemhaie mit Dynamit zu fischen. Du könntest uns anschließend Requiemhai mit Frischkäsekruste und warmer Gemüsevinaigrette daraus zubereiten ...“
„Quatsch! Erstens gibt es Requiemhaie angeblich nur im Südchinesischen Meer, zweitens sollen die ausgestorben sein, wobei ich mir in der Hase nicht so ganz sicher bin, denn schließlich gibt es in der Hase auch die als ausgestorben geltenden Löffelstöre, drittens ist Dynamitfischen verboten und viertens gibt es morgen Abend Kabeljau mit gebackenem Ei und Pilzen. Dazu einen Grauschiefer Riesling. - Aber kommen wir wieder auf dein Projekt mit den Dichterköpfen zurück. Wie wär's denn, wenn du die Köpfe in die Zugspitze meißelst?“
„Hmm, das Zugspitzmassiv liegt südwestlich von Garmisch-Partenkirchen in Bayern und im Norden Tirols. Ich müsste also in Wildbock-Lederhose rumlaufen um nicht aufzufallen und du im Leinendirndl Model 'Zenzi' mit pinker Schürze ...“
„Ach, soll ich etwa mitkommen und meißeln helfen?“
„Ach so ja, da habe ich noch gar nicht dran gedacht! Ich dachte nur, wir könnten die Köpfe in den Berg meißeln und dann ein paar Tage Urlaub dranhängen … wenn du mir hilfst geht’s schneller!“
„Wie, dachtest du etwa, wir könnten die Dichterköpfe mal eben in einer Nacht in den Berg meißeln?“
„Wenn es sich um die Zugspitze handelt, natürlich nicht. - Wir könnten Ludwig Ganghofer allerdings dazunehmen, dann hätten wir, im Gegensatz zum Mount Rushmore, fünf Typen im Berg!“
„Ja, und denk' an die Frauenquote! Vielleicht solltest du ein Portrait von Elisabeth Rupprecht hinzufügen, schließlich hat sie 'Wir in der Region. - Geschichten und Gedichte vom Münchner Stadtrand' geschrieben.“
„Ja, unbedingt! Schließlich sind wir nicht im Jahre 1927 in dem das Monument begonnen wurde ...“
„Ja, und fast vierhundert Arbeiter brauchten ungefähr 14 Jahre für die vier Köpfe! Du willst 6 Köpfe in einer Nacht schaffen? Ich bitte dich!“
„Naja, vielleicht helfen mir ja Außerirdische mit … In dem Film 'Mars Attacks!' wurde das Mount Rushmore Memorial durch die Außerirdischen mit dem Laser ihres Raumschiffes bearbeitet. Nachdem sich der Rauch gelichtet hatte, sah man anstatt der vier Präsidentenköpfe vier sehr originelle Alienköpfe.“
„Ja, das kann natürlich passieren! - Ich habe die Aliens von Alpha Centauri in weiser Voraussicht schon mal kontaktiert. Sie würden das mit ihren Lasern mal eben schnell machen; - allerdings nur wenn sie Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller als Männer und als Frauen Utta Danella sowie Rosamunde Pilcher einbringen dürfen. - Frauenquote!“
„Also, wenn die Goethe und Schiller einbringen wollen, bin ich aus diesem Projekt raus! Soweit kommt das noch, dass ich den feigen Meuchelmord in der Hohlen Gasse bei Küssnacht an dem braven Steuerbeamten Hermann Gessler durch den hinterhältigen Armbrustschützen Wilhelm Tell in Ordnung finden soll! Da müssten wir ja gleich alle hundertundsoundsoviel Jerry Cotton-Autoren in einen Berg meißeln!“
„Ich glaube“, meinte die Wunderbare Ulrike, „der Cabernet Sauvignon ist dir etwas zu Kopfe gestiegen. - Bei genauer Betrachtung sollten wir dieses Projekt lassen und uns auf Rügenurlaub freuen.“
„In der Tat, das sollten wir. - Prost Cabernet Sauvignon!“
'Rügen', dachte ich, als ich einen Schluck von unserem Sauvignon nahm, 'hat eine Steilküste aus Kreide, da könnte ich ...'
„Denk nicht mal dran!“, sagte die Wunderbare Ulrike, „Du hast gesagt, dass du aus dem Projekt 'Dichterköpfe' raus bist. - Du solltest dir etwas Anderes einfallen lassen, um eine Spur zu hinterlassen!“
„Du sollst nicht immer meine Gedanken lesen! - Aber für Rügens Kreideküste“, meinte ich, „bietet sich ein Portrait von Klaus Störtebeker doch mehr als an! - Außerdem soll Klaus auf Rügen einen Schatz verbuddelt haben ...“
„Störtebekers Schatz habe ich längst gefunden! Er liegt im Keller gleich neben dem runden Tisch, an dem König Artus dereinst seine legendäre Tafelrunde in der Großen Halle von Winchester Castle abgehalten hat.“
„Ah, ja! - Da wir gerade von einem runden Tisch reden - Wir könnten so eine Art Rhönrad draus machen und anschließend Rhönrad fahren als Duo. Das wär's doch, das gab's bisher noch nicht! Dann hinterlassen wir beide eine Spur!“
„Na, schauen wir mal. - Ich würde aber zunächst gerne sehen, dass du auch Wünschelrutengänger wirst. Wir könnten dann nämlich im Garten eine Wasserader suchen, einen Brunnen bohren und mit dem Brunnenwasser den Rasen sprengen.“
„Das mache ich gerne für dich! In der Eiffel soll demnächst ein entsprechendes Seminar stattfinden. - Bei meinem Pech finde ich aber statt einer Wasserader eine Ölquelle ...“
„Quatsch! Ölquellen gibt’s hier nicht!“
„Und wenn doch? Dann baue ich dir den Eiffelturm als Bohrturm!“
„Das sehen wir dann! Wir können ihn dann 'Hagenturm' nennen.“
„Okay, wenn wir aber nur eine Wasserader gefunden haben, baue ich dir einen Springbrunnen mit Gargoylen!“
„Auf eine Gargoyle kann ich verzichten, denn eine Gargoyle ist ein mythisches Wesen mit Menschengestalt und Fledermausflügeln, das tagsüber zu Stein wird, als regenwasserleitende Abtraufe in Form grotesker Skulpturen als architektonisches Element, insbesondere gotischer Kathedralen! Ist mein Haus eine gotische Kathedrale?“
„Nein. - Möchtest du lieber eine Bronzestatue, die deine Gesichtszüge trägt? Ich denke da an die Venus aus 'Die Geburt der Venus' von Sandro Botticelli als Bronzeskulptur, die sieht sowieso aus wie du.“
„Ja, ja, das alle Nachbarn mich nackt als Statue sehen.“
„Vielleicht die Freiheitsstatue vor New York City, auch 'Lady Liberty' genannt, in Originalgröße, aber mit deinen Gesichtszügen?“
„Jetzt übertreibst du aber ein Wenig! Du hinterlässt keine Spur, wenn du etwas nachmachst!“
„Ach? Und Andy Warhol? Schließlich hat er in seinem Bild 'Marilyn Diptychon' die Marilyn Monroe mehrfach reproduziert! Da ist die Lady Liberty mit deinen Gesichtszügen ja wohl mehr als angebracht!“
„Hagen, du bist verrückt! Ich will keinen Springbrunnen mit Statue, sondern einen Brunnen, aus dem ich Wasser zur Bewässerung meines Rasens ziehen kann!“
„Darf ich dir wenigstens Kaskaden, wie im Bergpark der Wilhelmshöhe in Kassel, bauen? Oder einen Hochstahlbrunnen wie in Wien? Oder wenigstens einen bäuerlichen Hausbrunnen mit Quellspeisung?“
„Ein einfacher Brunnen reicht mir. - Was ist denn, wenn unter meinem Garten keine Wasserader verläuft?“
„Dann baue ich dir ein römische Wasserleitung von der Hase zu deinem Garten! Von der Hase müssten wir das Wasser allerdings mit einer Druckpumpe in die Wasserleitung pumpen ...“
„Da wird das Ordnungsamt sicher was gegen haben!“
„Aber wie soll ich denn eine Spur hinterlassen, wenn mir von allen Seiten Beschränkungen auferlegt werden? - Und nun ist die Weinflasche leer! Wir können duschen und ins Bett gehen!“
 
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