Stanzen zum Heiratsantrag

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Richard Lori

Mitglied
Ich habs gewagt

Beim leisen Klang, der kaum mein Ohr erreicht,
der tönt, wenn Tau am Morgen von den Halmen
auf Glitzerbahn zu Boden fällt, - vielleicht
die Partitur beglänzt der Lerchen Psalmen,
die Nacht dem goldnen Sonnensturme weicht
und Liebesgötter lächelnd Siegespalmen
zum Gruß uns Hochbeglückten freudig schwenken,
uns neue Lust für frohe Stunden schenken,

betrete ich den Raum, in dem dein Duft,
dein Atem mich mit neuem Leben füllen.
Hier saug ich ein des Frühlings frische Luft
und lass von Blütendämpfen mich umhüllen.
Heraus, nur schnell, aus der Matratzengruft,
lass uns den Lebensdurst im Freien stillen,
beklage nicht das Ende deines Traumes,
denn unter Zweigen eines Apfelbaumes

erwart ich dich mit sehnsuchtsvollem Blick
und will dich küssen, will dir küssend sagen:
Du meiner Tage, meiner Nächte Glück,
erlaube mir, dich schüchtern-lieb zu fragen,
ob du, - ich stottre - sag’s an einem Stück,
ob du, mein Lieb, in viermal hundert Tagen,
im Wonnemonat mir dein Jawort gibst.
Sag ja, sags laut und sag, dass du mich liebst.
 
G

Gelöschtes Mitglied 22727

Gast
Hallo Richard,

die Stanzen sind von vorzüglichem Sprachkonservatismus, der uns Jerusalem (Siegespalmen) träumen, durch Paris (Matratzengruft) streifen und schließlich vor der Angebeteten Antlitz zittern lässt. So etwas muss nun auch mal belohnt werden!

Bleib mutig, hier rümpfen viele nur die Nasen, weil sie längst Goethe, Heine und Wilhelm Busch glauben hinter sich gelassen zu haben!

Alles Gute
dmity
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Richard Lori

Mitglied
Guten Abend dmity,
herzlichen Dank für das Lob!
Was diejenigen angeht, welche ein Naserümpfen für richtig halten: Es sei ihnen gegönnt. Ich finde die Stanze immer sehr eindrucksvoll und auch feierlich.
Meine letzte Frau hat tatsächlich von mir ein Gedicht mit drei Strophen in Stanzenform von mir gefordert, in dem ich mein Herzensanliegen formulieren sollte (wobei sie genau wusste, dass man sich so etwas nicht einfach aus dem Ärmel schüttelt. Immerhin, sie hat ja gesagt.
Danke für Deine aufmunternden Worte,
hute Nacht!
Richard
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
ich denke mir immer, wenn man die alten texte noch lesen und genießen kann, kann man auch noch so schreiben. warum auch nicht ... gefällt mir gut :)

lg
patrick
 

Richard Lori

Mitglied
Hallo Patrick,
erst einmal herzlichen Dank für Deine Gefallensbezeugung!
"Wenn man die alten Texte noch lesen kann..." na, lesen sollte man sie ja können, schießlich benutze ich ja die deutsche Sprache und versuche mich an ihre Regeln zu halten. Meiner damaligen Angebeteten hat es immerhin so gut gefallen, dass sie mit mir vor den Standesbeamten trat. Das Scheitern der Ehe hatte nichts mit meinen Texten zu tun.
Die Stanze, so glaube ich, verlangt einen etwas gehobenen Sprachstil, wenn er etwas "barock" klingt - nun, das Resultat war jedenfalls eine hoffnungsvoll begonnene Ehe.
Liebe Grüße,
Richard (auch ein "alter" Name, aber den Nicknamen habe ich meinem Urgroßvater und Mentor entliehen.
 



 
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