Staub

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Sie kauft ein: Zutaten für einen Kuchen, der gebacken werden muss, frische Arabica, Milch, Blumen für den Kaffeetisch. Marlen soll sich bei ihr wohlfühlen.

Wieder zuhause angekommen, spürt sie bereits eine leichte Müdigkeit, die schnell und ohne Übergang ins Bleierne umschlägt, als sie im Schein der scheidenden Sonne in verschiedenen Ecken und unter den Regalen einzelne Wollmäuse erkennt. Lustlos und wie ferngesteuert ergreift sie den Staubsauger.

Was ist eigentlich so schlimm an Staub? Staub sammelt sich in den Ecken hinter den Zimmertüren zu wolligen Verklumpungen, „Mäuse“ genannt, die ganz weich sind. Staubpartikelchen tanzen einzeln sichtbar in der Luft, wenn ihre Töchter sich im Winter schwungvoll auf das Sofa fallen lassen, jedes Körnchen seinen eigenen lachenden Tanz, glitzernd im Licht der tiefstehenden Nachmittagssonne, die die kleinen verwunschenen Tänzerinnen nur um diese Jahreszeit kurz sichtbar macht, bevor sie in der frühen Dunkelheit verschwinden.
Staub hat so viel zu erzählen. Er trägt die Erinnerungen der vergangenen Zeit: Staub ist ein Zeichen dafür, dass wir gelebt haben, in allen Facetten: mal fröhlich und überschwänglich, mal heimlich und zurückgezogen, mal weich und schmeichelnd, manchmal aber auch hässlich und grau. Staub birgt die Verheißung, dass wir weiterleben, mehr Staub hervorbringen.

Staub steht für den Kreis des Lebens, für Anfang und Ende: Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Sie lässt vom Staubsauger ab, begibt sich in die Küche und wendet sich dem Kuchen zu, während sich die bleierne Schwere einer angenehmeren Leichtigkeit annähert.
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo lightandsound,
Staub kann ein sehr interessantes Thema sein, wenn man so genau beobachtest, wie du es tust. Was die Sprachlogik betrifft, sind einige Korrekturen sinnvoll:

Sie kauft ein: Zutaten für einen Kuchen, der gebacken werden muss (überflüssig. Was soll sonst mit den Zutaten/Kuchen gemacht werden?), frische Arabica (meinst du die Kaffeebohnen? Die bekommst du bei uns nicht frisch!), Milch, Blumen für den Kaffeetisch. Marlen soll sich bei ihr wohlfühlen. (Wer ist Marlen? Sie taucht nie mehr auf).

Wieder zuhause angekommen, spürt sie bereits (?) eine leichte Müdigkeit, die schnell und ohne Übergang ins Bleierne umschlägt, als sie im Schein der scheidenden Sonne in verschiedenen (besser: mehreren o. zahlreichen) Ecken und unter den Regalen einzelne (?) Wollmäuse erkennt. Lustlos und wie ferngesteuert ergreift sie den Staubsauger.
Wieso steigert sich die Müdigkeit ins Bleierne, als sie die Wollmäuse entdeckt?

Was ist eigentlich so schlimm an Staub? Staub sammelt sich in den Ecken hinter den Zimmertüren zu wolligen Verklumpungen (Staub klumpt nicht, nicht einmal nach Jahren) „Mäuse“ genannt, die ganz weich sind. Staubpartikelchen (entfällt! Die sind klein genug) tanzen einzeln sichtbar in der Luft, wenn ihre Töchter sich im Winter schwungvoll auf das Sofa fallen lassen, jedes Körnchen seinen eigenen lachenden Tanz, glitzernd im Licht der tiefstehenden Nachmittagssonne, die die kleinen verwunschenen Tänzerinnen nur um diese Jahreszeit kurz sichtbar macht, bevor sie in der frühen Dunkelheit verschwinden.
Staub hat so viel zu erzählen. Er trägt die Erinnerungen der vergangenen Zeit: Staub ist ein Zeichen dafür, dass wir gelebt haben, in allen Facetten: mal fröhlich und überschwänglich, mal heimlich und zurückgezogen, mal weich und schmeichelnd, manchmal aber auch hässlich und grau (Das passt sprachlich nicht zu "dass wir gelebt haben"). Staub birgt die Verheißung, dass wir weiterleben (sehr gewagt!), mehr Staub hervorbringen.

Staub steht für den Kreis des Lebens, für Anfang und Ende: Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Sie lässt vom Staubsauger ab, begibt sich in die Küche und wendet sich dem Kuchen (der ist doch noch gar nicht gebacken!) zu, während sich die bleierne Schwere einer angenehmeren Leichtigkeit annähert. (Du meinst weicht?)

Gruß Bo-ehd
 

Sammis

Mitglied
Hallo!

Beim ersten Lesen funktioniert dein Text wunderbar. Er transportiert, glaube ich, genau das, was du damit aussagen wolltest.

Aus der Sicht des Schreibenden, würde ich manches anders formulieren und zusätzlich die Sätze kürzer halten. Logik ist für mich hier kein Thema.

Sie kauft ein: Zutaten für einen Kuchen, der gebacken werden muss. Frische Arabica und Milch. Blumen für den Kaffeetisch – Marlen soll sich bei ihr wohlfühlen.

Wieder zuhause, spürt sie eine leichte Müdigkeit, die rasch und ohne Übergang ins Bleierne umschlägt. Im Schein der scheidenden Sonne entdeckt sie in den Ecken und unter Regalen vereinzelte Wollmäuse. Lustlos greift sie wie ferngesteuert zum Staubsauger.

Was ist eigentlich so schlimm an Staub? Staub sammelt sich in den Ecken und hinter den Zimmertüren und verklumpt dort zu wolligen Mäusen, die ganz weich sind. Einzelne Staubpartikel tanzen sichtbar in der Luft. Ihre Töchter lassen sich im Winter schwungvoll auf das Sofa fallen, jedes Körnchen seinen eigenen lachenden Tanz vollführend. Glitzernd im Licht der tiefstehenden Nachmittagssonne. Nur um diese Jahreszeit sind die kleinen verwunschenen Tänzerinnen kurz sichtbar, bevor sie in der frühen Dunkelheit verschwinden.
Staub hat so viel zu erzählen. Er trägt Erinnerungen an vergangene Zeit: Staub ist ein Zeichen, dass wir gelebt haben. In allen Facetten: mal fröhlich und überschwänglich, mal heimlich und zurückgezogen. Mal weich und schmeichelnd, manchmal aber auch hässlich und grau. Staub birgt auch die Hoffnung auf ein Weiterleben. Auf dass wir noch mehr Staub hervorbringen.

Staub steht für den Kreis des Lebens. Für den Anfang und das Ende. Asche zu Asche und Staub zu Staub.

Sie lässt vom Staubsauger ab, begibt sich in die Küche und wendet sich dem Kuchen zu. Allmählich nähert sich die bleierne Schwere einer angenehmeren Leichtigkeit an.

Ich weiß, es ist wenig hilfreich und unfein, den Text ohne Erklärungen einfach so umzuschreiben. Ich finde ihn schlicht sehr inspirierend, konnte einfach nicht widerstehen. Verzeihe bitte.
 
Danke für eure Rückmeldungen!
@Bo-ehd :

Natürlich ist der Text nicht einfach eine Beschreibung von Staub, sondern hat auch eine Metaebene:
Zum einen wird das Gebundensein an Pflichten thematisiert, oder auch das, was man für solche hält aufgrund einer Erwartenserwartung, sprich, weil man denkt, die Gesellschaft möchte es so von einem.
Deswegen ist der Satz über den Kuchen, der gebacken werden muss, durchaus von Belang, da das Kaffeekränzchen mit der Freundin es vom Rahmen her so verlangt. Gleichzeitig möchte sie es ihrem Besuch aber auch gemütlich machen, worin die persönliche Beziehung anklingen soll, deswegen schien es mir passender, den Namen der Freundin zu nennen, statt sie einfach unpersönlich den Besuch zu nennen, auch wenn sie in dem präsentierten Wirklichkeitsausschnitt keinen persönlichen Auftritt hat und der Name, wie du sagst, später auch nicht mehr vorkommt.
Die Alltagspflichten und insbesondere die daran geknüpften gesellschaftlichen Erwartungen lasten auf der Protagonistin, deshalb schlägt die Müdigkeit ins Bleierne um, als sie sieht, dass noch mehr Pflichten (Staubsaugen) auf sie warten.
Der Anblick des Staubes lädt sie im Folgenden jedoch zu einer philosophischen Reflexion ein, in der sie die Perspektive wechselt und im Staub die Spuren erkennt, die wir mit jedem Schritt hinterlassen, und die Zeuge unseres Lebens uns Gelebt-Habens sind. dabei wird sie auch der möglichen Ästhetik von Staub gewahr. Der Staub in all seinen Facetten steht hier metaphorisch für die verschiedenen Facetten des Lebens.
"Weich und schmeichelnd" ist natürlich bildlich gemeint. Mit Sprache quasi zu malen finde ich sehr reizvoll. Mag sein, dass das nicht immer perfekt gelingt, mag aber auch sein, dass dich diese Möglichkeit von Sprache einfach nicht so sehr interessiert.
Die Reflexion hilft der Protagonistin, die gesellschaftlicher Erwartungen teilweise zu überwinden, sich ein Stück weit von der gesellschaftlichen Fessel zu lösen. Deswegen lässt sie schließlich vom Staubsauger ab.

@Sammis:

Das freut mich natürlich sehr, wenn der Text dich inspiriert hat!

Tatsächlich wäre es noch hilfreich gewesen, wenn du deine Änderungen markiert und die ursprünglichen Formulierungen danebengeschrieben hättest. So muss man immer zwischen den Texten springen.
Insgesamt scheint mir, du hättest dem Text quasi einen anderen Rhythmus verliehen, etwas klarer und irgendwie auch leichter durch die kürzeren Sätze. Eine gewisse Schwere war von mir aber beabsichtigt, da diese den Gemütszustand der Protagonistin angesichts der gesellschaftlichen Erwartungen spiegelt.
Was ich überlege aufzunehmen, ist dein Satz " Lustlos greift sie wie ferngesteuert zum Staubsauger ." Das kling eleganter.
LG!
 
Zuletzt bearbeitet:

Bo-ehd

Mitglied
"Weich und schmeichelnd" ist natürlich bildlich gemeint. Mit Sprache quasi zu malen finde ich sehr reizvoll. Mag sein, dass das nicht immer perfekt gelingt, mag aber auch sein, dass dich diese Möglichkeit von Sprache einfach nicht so sehr interessiert.
Ich habe dich schon richtig verstanden. Ich habe den Satz moniert, weil er grammatikalisch nicht passt. "gelebt haben ... weich und schmeichelnd, hässlich etc" - man kann nicht weich und hässlich gelebt haben. Was du aussagen willst, muss anders formuliert werden.

Dass du mit deinem Text Bilder malen willst, ist absolut okay. Mit Sprache Bilder zu zeichnen ist die Kunst des Schreibens schlechthin. Da bin ich ganz bei dir.
Gruß Bo-ehd
 
Mit Grammatik hat das nichts zu tun, wohl aber mit Semantik. Es handelt sich um Metaphern. Diese können manchmal ungewohnt klingen, wenn es sich nicht um alltagssprachliche, sondern um selbst gebildete Metaphern handelt. Das ist aber zulässig und auch so gewollt. Metaphern können den gewohnten Vorstellungsbereich erweitern.
 

Bo-ehd

Mitglied
Natürlich sind diese Wortkombinationen eine Frage, die die formale Semantik betrifft. Vordergründig stellen sie aber ein Problem der Grammatik dar, weil sie unter das Verbot der adverbialen Nutzung fallen: Ich wohne preisgünstig geht, ich wohne hässlich geht nicht oder nur dann, wenn du deine Metaphern über alle Regeln erhebst.

Gruß Bo-ehd
 
Zuletzt bearbeitet:

Anni123

Mitglied
Staubmäuse lebens-philosophisch zu betrachten, das habe ich auch noch nicht gesehen ;) Und es gefällt mir. LG von Anni
 
Herzlichen Dank für deinen Kommentar und die Bewertung! Die Idee ist vielleicht auch aus dem Bedürfnis heraus entstanden, innezuhalten im durchgetakteten Alltag, in dem scheinbar immer so klar ist, was als alles zu tun ist und was von einem erwartet wird. Manchmal tut es gut, alte Prinzipien zu überdenken und Dinge neu zu betrachten. Was man dabei entdeckt, kann ja unter Umständen wertvoll sein ...
 



 
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