Ich habe mal Revilos Gedichte durchforstet und dieses hier gefunden, welches noch nicht besprochen wurde, aber formal interessant ist.
Etwas versteckt verwendet Revilo hier eine uralte Form.
Zunächst gibt es eine Wiederholung des Themas, es wird dreimal wiederholt.
Dann folgt die Schlussfolgerung.
Es ist die grundsätzliche Form der Priamel
http://www.leselupe.de/lw/titel-Gedichtformen-Priamel-21594.htm , wobei hier die Priamelverse zerschnitten sind.
1. noch ganz dringend einem Verein angehören
2. von Geschichten nur noch Anfang und Ende erleben
3. Menschen behandeln wie Schaufensterscheiben
4. die Wirklichkeit macht sich mal wieder über uns lustig
Diese sehr interessante Form wird in Reinform kaum noch verwendet, wir finden sie aber immer wieder.
Wir haben drei Metaphern für das, was in der Wirklichkeit geschieht, dann die Beurteilung, wobei der Sinn bzw. die Wertung umgekehrt wird.
Zudem scheint die Wirklichkeit personifiziert zu werden, scheint, denn es gibt einen "Ich-Erzähler" - paradoxerweise "wir". Mut zum Wir ist heute selten.
Vor wenigen Jahren war Mut zum Ich nötig, heute ist es Mut zum Wir.
Ich schlussfolgere aus eigenem Erleben und mittels Spiegelneuronen, die mir die Natur gegeben hat, um sich über mich lustig zu machen, was die anderen denken oder denken sollen. Aus mir heraus vermute ich, dass die anderen sich ebenfalls von der Natur verarscht vorkommen.
Es ist nicht das ausschließende Wir Steinbrücks, für den Wir Ich bedeutet, immerhin traute er sich, seinen potentiellen Wählern schon mal den Stinkefinger zu zeigen, nein, es ist das einschließende Wir, das Wir der Gemeinschaft.
Nun haben wir ein Ereignis:
Dieses Zerschneiden in Zeilen macht das Gedicht mehrdeutig, wenn man es wieder verbinden will, gibt es andere Varianten:
noch ganz dringend einem Verein angehören
von Geschichten nur noch Anfang und Ende erleben
Menschen behandeln wie Schaufensterscheiben die Wirklichkeit
die Wirklichkeit macht sich mal wieder über uns lustig
Die Wirklichkeit ist somit eine doppelte, obgleich sie nur einmal vorkommt. Sie gehört zur Beschreibeung, handelt aber selbst, man kann nicht zugleich bestimmen, wie sie das macht und was sie macht.
Das Gedicht wird zur unmöglichen Figur, wie der unmögliche Würfel
http://www.panoptikum.net/optischetaeuschungen/lattenkiste_3.jpg .
Es wird mit sich inkommensurabel, was die Qualität erhöht.