Steinargumente

5,00 Stern(e) 9 Bewertungen

wiesner

Mitglied
Vorhin im Scheunenviertel beugten sich Touristen über viele dieser Steine, die in der Sonne glänzten.
Gelegenheit, noch mal an Gunter Demnig zu erinnern. Es gibt ihn noch.




Steinargumente


so tückisch im Gehweg
zum Ausrutschen
nach eiskalten Nächten
und an schönen Sommertagen
zum Stolpern
das ist doch Absicht
wer schaut denn
runter nach früher
ausgerechnet in diesem Viertel
denkt doch jeder gleich
an diese diese
Goldzähne

und wenn die jemand
rausreißt zum Schmeißen
dann heißt es wieder
wir sind schuld

hätte man das
ich meine
verstehn Sie mich richtig
nicht weiter draußen
machen können
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Béla,
deine Wortwahl ist unausweichlich überragend!
Noch immer für mich tückisch ist, dass die Stolpersteine erst legal werden mussten.
Ein großes Kompliment an dich, an dein Gedicht und liebe Grüße, ubertas.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Béla,

meines Erachtens hätte es die Vorrede gar nicht gebraucht. Dass es hier um die Stolpersteine geht, ist auch so erkennbar.
Ich wäre sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hätte "zum Schmeißen" entfernt. Dann bezieht sich das Rausreißen sowohl auf die Steine als auch auf die Goldzähne.
Ein nahegehendes, wichtiges und ausgezeichnetes Gedicht.

Liebe Grüße
Manfred
 

wiesner

Mitglied
@Ubertas @Franke @Rachel

Hallo in die Runde!

-
unausweichlich überragend!
Das ist schon ein ordentlich dickes Lob ... Ich versuche eigentlich nur, Inhalt und Wort in ein Gleichgewicht zu bringen, diese Verknüpfung interessant für die Leser/innen zu machen. Das Interesse wecken ...

- Nein nein, Manfred, die Vorrede galt nicht den Stolpersteinen, sondern dem Künstler, dessen fabelhafte Idee internationale Verbreitung fand. Ich machte einen Spaziergang durch's Scheunenviertel und beobachtete dabei die Menschen ...
Das Rausreißen der Goldzähne - diese Niedertracht wird sich nicht wiederholen. Das Schmeißen mit Steinen allerdings schon, deshalb der Fokus auf sie.

- Ich finde auch, mit 'Stolperstein' hat es der Künstler trefflich eingefangen.

Euch allen herzlichen Dank für Kommentar und Wertung!

Gruß
Béla
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Wirklich gute politische Gedichte sind selten, deshalb empfehle ich es!

Liebe Grüße
Manfred
 

anbas

Mitglied
Hallo Bèla,

mir gefällt das Gedicht ebenfalls sehr. Auch das Projekt an sich finde ich hervorragend. Ein Punkt, der hierbei den meisten Betrachtern gar nicht bewusst ist, ist die leichte Verbeugung, die man machen muss, wenn man sich die Steine ansieht
Demnig gefällt, dass man eine kleine Verbeugung machen muss, wenn man die Inschrift auf den Stolpersteinen lesen will. Einige Menschen, die ihre Brille nicht dabeihatten, mussten sich sogar niederknien. (Quelle)
Bei aller Sympathie für das Projekt finde ich aber auch die kritischen Stimmen aus Teilen der jüdischen Community durchaus nachvollziehbar:
Dadurch wird das Andenken der Opfer mit Füßen getreten, werfen Kritiker ein. Nun gibt es sogar vermehrt Ablehnung von jüdischen Gemeinden. (Quelle)
Liebe Grüße

Andreas
 

wiesner

Mitglied
Hallo Andreas,

sehr schön, dass Du noch Quellen über den Disput in der Stolperstein-Frage eingestellt hast. Der Künstler Gunter Demnig hat schon sehr früh gegen die Behauptung argumentiert, dass mit seiner Aktion die Opfer mit Füßen getreten werden. Ich meine mich an seine Äußerung zu erinnern, er habe lange mit der Idee 'Stolpersteine' gerungen und sich schließlich dafür entschieden. Es sind Stolpersteine, wie er stets darstellte, und keine Fußabtreter!
Bei aller Diskussion, die noch nicht beendet ist und auch nicht beendet werden kann, es ist ihm aus seiner künstlerischen Sicht etwas Einmaliges gelungen: Das größte Mahnmal weltweit zu erschaffen! Es ist ohne 'Ort', und doch einem ganz nah!

Es freut mich sehr, dass Dir mein Gedicht gefällt. Vielen Dank!

Gruß
Béla
 

Perry

Mitglied
Hallo Béla,
einerseits ist es traurig, dass es "Stolpersteine" braucht, um auf Missstände/Schandtaten unserer Gesellschaft hinzuweisen, andererseits ist es in der heutigen Medienkommunikation anscheinden nötig reale Stolpersteine zu schaffen, um den Blick ins Wirkliche zu lenken.
Danke für diese treffenden Zeilen und LG
Manfred
 

wiesner

Mitglied
Hallo Manfred/Perry,

nicht nur den Blick ins Wirkliche, sondern auch in die Vergangenheit. Da gibt es jede Menge Baustellen.
Danke für den freundlichen Kommentar!

Gruß Béla

@Tula
Danke Dir für Deinen Besuch, Tula, und die vielen Sterne!
 

Sidgrani

Mitglied
Moin Béla ,

deine Steinargumente verschmelzen Gedanken, Gefühle und Zeit auf eine ergreifende und originelle Art und Weise. Mögen die Stolpersteine uns Menschen beistehen beim Kampf gegen Unrecht und Unmenschlichkeit.

LG Sid
 



 
Oben Unten