steinern (Sonett)

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Till Müller

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Ein Stein, er liegt allein, er hat nicht mal ein Leben.
Die Seele und der Geist, sie sind ihm nicht gegeben.
Was rundherum geschieht, wird stoisch ignoriert.
Steinhart bleibt er eiskalt, egal was auch passiert

Auch ich, ich liege da, versuche mich zu regen.
Will schreien, rennen und am Ende was bewegen.
Ein starkes Herz in mir, ein wilder weicher Kern.
Doch seine harte Schale, zerbrechen ist ihm fern.

Doch kommt einer daher und reicht mir seine Hand.
Und wirft den harten Stein an eine harte Wand,
Und wieder, nochmal, oft, bis die Schale bricht.

Ein Spalt so weit entfernt, fast sehe ich ihn nicht.
Gebrochen ist das Eis, es schmilzt die Außenschicht.
Und meine eigne Nacht, sie weicht dem fremden Licht.
 
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sufnus

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Das gefällt mir sehr, lieber Till! :)
Kennst Du "Gespräch mit dem Stein" von Wislawa Szymborska? Falls nicht (das gilt natürlich an alle Mitlesenden): Das ist googel-findbar. Szymborska ist in meinem ästhetischen Universum das eigentliche Gravitationszentrum, ohne dass ich damit Sappho, Catull, Li Bai, Abu Nuwas, Guilhem IX, Villon, Wallace Stevens und.... dem Geheimrat zu nahe treten wollen würde. Aber dass gehört eigentlich alles gar nicht hier her... ekelhaftes Namedropping... viel wichtiger: Mir gefällt Deine Steinreflexion sehr! Aber das sagte ich ja bereits. Nicht gerade einer meiner aussagekräftigsten Beiträge. Und natürlich bin ich ziemlich beschickert.
LG!
S.
 

Till Müller

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Hallo mondnein und snufus,
Danke für eure Atworten, schön dass es euch gefällt.
Das Gedicht "Gespräch mit dem Stein" kannte ich bis gerade eben noch nicht, es hat mir aber gut gefallen. Vor allem die letzte Zeile - ein unerwartetes aber passendes Ende.
LG
Till
 
Hallo Till,

oh, barocke Alexandriner-Couplets (...ich bin offensichtlich auch ein "Namedropper" ;))! Die passen gut zum Steinernen. In der Zeile "Und wieder, nochmal, oft, [...] bis die Schale bricht" bricht auch das Metrum. Das "bis" ist hart gegen das "oft" geworfen; ...der Inhalt springt in die Gestalt.

Ich las nun auch das "Gespräch mit dem Stein". Es erinnert mich etwas an Kafkas "Vor dem Gesetz", wo ja die Tür eigentlich immer offenstand.

LG
Rolf-Peter
 

Till Müller

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Hallo Rolf-Peter,
nachdem ich jetzt auch "Vor dem Gesetz" gelesen habe kann ich dir nur zustimmen. Der Türhüter ist ja auch gewissermaßen ein Stein der dem Mann im Weg liegt und hart bleibt. Nur dass der Mann nicht versucht den Stein zu zerbrechen sondern zu erweichen. Doch damit kommt er nicht weit.
LG
Felix Holler
 



 
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