Sterndeuter

Meril

Mitglied
Die Bevölkerung des Landes Shandrahl trauerte. Zuerst starb ihr geliebter Herrscher im Krieg gegen den feindlichen Nachbarn und nun zog der Schwarze Tod durch die Städte und raffte ihre Einwohner dahin. Einsam und hilflos saß die junge Königin Tikyria auf dem Throne. Ihres Vaters beraubt, fehlte ihr jeder, in dieser schweren Zeit doch so nötige, Halt.
„Wurde euch bereits gewahr, dass sich mit jedem vergehenden Tage die Sonne zunehmend verfinstert?“
Erschrocken drehte sich Tikyria um. Sie erblickte eine Gestalt, die ihr aus dem Geheimgang, welcher sich hinter dem Thron verbarg, entgegentrat und rief nach den Wachen. „Wer seid ihr?“
„Habt keine Furcht.“ beschwichtigte sie der alte Mann mit einem Lächeln, während ihn die hereinstürmenden Männer umzingelten. „Ich bin gekommen, euch zu warnen.“
„Warnen? Ich kenne den Feind sehr wohl. Was glaubt ihr mir Neues berichten zu können?“
„Ihr habt einen mächtigeren Widersacher als ihr ahnt.“
„Sprecht!“
„Ich bin in der Lage, in den Sternen zu lesen. Ich erschrak, als sich am Firmament das Schicksal der Welt abzeichnete. Es eröffnete sich mir die beängstigende Erkenntnis des nahen Untergangs unserer Zivilisation. Ebenso erfuhr ich jedoch auch, wie diesem Verhängnis entgegen zu wirken sei.“
Verwirrt sah die Königin durch die großen Fenster des Saales hinauf zum Himmel. Angst stieg in ihr hoch, als sie den fahlen Schein der Sonne wahrnahm. „Was zögert ihr? Sprecht weiter!“
„Ich bitte um Verzeihung Hoheit. Während meines langen Marsches zu euch, welcher zwei Monde überdauerte, bestätigten sich meine Ahnungen, denn die Gestirne verloren ihr Leuchten. Alle, bis auf fünf. Jeder Stern, steht für die Seele eines Menschen. Bei seiner Geburt erscheint er und erlischt bei seinem Tode. Eure Seele ist eine derer, die noch am Himmel zu erkennen sind.“
„Und was hat dies zu bedeuten?“
„Es weist euch als die aus, die diese Welt beschützen kann. Ihr seid dazu auserkoren mit vier Gefährten gegen das personifizierte Verderben anzukämpfen.“
„Wen meint ihr damit und wer sollen meine Gefährten sein?“
„Sie haben sich bereits auf den Weg hierher begeben und werden bald eintreffen. Wenn ihr versammelt seid, gebe ich eure Aufgabe bekannt.“
Einige Stunden später fanden sich die vier Prophezeiten und der Sterndeuter im Thronsaal ein.
„Meine Verehrung, eure Majestät. Wenn ich mich vorstellen darf, mein Name lautet Ulrien. Ich bin ein Lord einer eurer Grafschaften.“
„Ich kenne euren Namen. Man sagt euch nach, ihr hättet euren Vater getötet, um an sein Vermögen zu gelangen.“
„Törichtes Gewäsch. Hoheit werden diesen Ammenmärchen doch keinen Glauben schenken!?“
Tikyria antwortete nicht sondern ließ ihren Blick schweifen bis er auf einem großen Mann von edler Gestalt zum stillstand kam.
„Und wer seid ihr?“
„Ich heiße Krento und bin der Sohn eines wohlhabenden und hochgeschätzten Kaufmannes.“
„Ha!“, ein finster dreinblickender Mann verschaffte sich Platz zwischen den zwei vor ihm stehenden hohen Herren. „Wohlhabend mögt ihr sein, jedoch nicht geschätzt. So wie ihr die Bauern ausbeutet!“
„Habe ich behauptet, von dem Pöbel geachtet zu werden?“
„Schweigt!“ gebot die Königin, „Wie ist dein Name?“
„Ich bin Jeltri, mein Vater ist einer eurer Dorfverweser.“
„Und du dahinten.“, sie sah auf den in einiger Entfernung stehenden, in groben Sackleinen gekleideten jungen Mann, „Komm näher und sag mir deinen Namen.“
Er schritt langsam, mit gesenktem Blick in Richtung Thron und fiel dort vor seiner Königin auf die Knie. „Man nennt mich Granion. Ich bin es nicht Wert, ein Wort an euch zu richten, denn ich bin nur ein armer Bauer.“
„Das obliegt meiner Entscheidung. Erhebe dich!“
Nun ergriff der Sterndeuter das Wort „Ihr, die fünf Seelen, müsst euch zuerst bewähren indem ihr, von den auf den königlichen Besitztümern hausenden Wesen, die magischen Königsinsignien beschafft. Dann werdet ihr das Reich der Schatten betreten, um gegen den dortigen Herrscher im Kampf anzutreten. Ich hoffe ihr werdet dieser bedeutenden Aufgabe gerecht.“
In der folgenden Nacht gebot ihnen der Sterndeuter sich am Springbrunnen auf dem Hofe einzufinden. Dort erwachten die fünf auf den Ecken sitzenden Wasserspeier zum Leben und sprachen zu Tikyria: „Wenn du die Krone von uns empfangen willst, so musst du zuerst unser Rätsel lösen. Gib gut Acht!“

Des Rätsels Lösung
schläft weder des Nachts, noch wenn es tagt
kann werden von niemand gehalten
und wird doch ewig gejagt

Es verzehrt sich für euch,
ist es auch nur bloßer Schein
alles was war ist gewesen
und wird nie wieder sein

Kennt weder Furcht noch Freude,
Gleichgültigkeit ist sein Leben
schert sich nicht um Macht und Gewinn,
ist frei von jedwedem Streben

Es ist ein stetiger Fluss,
welcher bringt Weisheit und auch Vergessen
ist euch nicht wohl gesonnen,
doch es zu bekämpfen wäre vermessen

Es hat keinen Anfang, ist ohne Ende
und doch sei es kein Kreis,
das Rätsel des Wasserspeiers
nur ein Wesen zu lösen weiß

Reih um sagte ein jeder Wasserspeier einen Vers und erstarrte nach vollendeter Tat sogleich wieder zu Stein. Ratlos begaben sich die Vier wieder ins Schloss und zogen sich in ihre Gemächer zurück. Bevor Tikyria jedoch vom Schlaf übermannt wurde, lag sie lange wach und grübelte.
Während des nächsten Tages spazierte Granion gedankenverloren durch den großen Rosengarten, wobei ihm ein Kobold begegnete, welcher im Sonnenlicht das Funkeln des Reichsapfels betrachtete. Granion nährte sich ihm vorsichtig, weil er befürchtete, die Kreatur würde die Flucht ergreifen, sobald sie ihn sah, doch der Kobold sprach schnippisch: „Glaubst du, es ist ein Zufall, dass wir uns begegnen? Ich wartete bereits auf dich!“
„Du erwartetest mich? Sag, bist du gekommen, mir dein Kleinod zu überreichen?“
„Nein, unser Treffen beruht auf der Unabänderlichkeit des Schicksals. Es war uns so vorbestimmt. Meinen Schatz werde ich dir dennoch nicht geben.“
„Du sagtest doch selbst, dass du deiner Bestimmung folgen musst.“
„Nichts ist mir mehr Wert als des Goldes Glanz, nicht einmal mein Leben. Eine Tatsache, die du mit mir teilst. Nicht wahr?“ er legte ein breites Grinsen auf und wand Granion den Rücken zu.
„Warte hier, ich bin in einigen Augenblicken wieder bei dir!“ der Mann lief schnellen Schrittes zu Tikyria und berichtete ihr kurz was geschehen war. Er bat sie um etwas Wertvolles, es dem Kobold zum Tausch anzubieten, woraufhin sie ihm ein diamantenbesetztes Diadem und einen goldenen Ring aus ihrer Schatulle aushändigte. Wieder bei dem Kobold angelangt, zeigte er ihm das Diadem so, dass es in den verbleibenden Sonnenstrahlen glitzerte.
„Ich gehe doch recht in der Annahme, dass es dir gefällt.“
„In der Tat. Deine Diamanten funkeln weit heller als mein Reichsapfel, den du so sehr begehrst. Du sollst ihn haben.“
Sie tauschten die Gegenstände und Granion wandte sich zu gehen.
„Hast du nicht etwas vergessen?“
„Wie Bitte? Was sollte ich...“
„Den Ring in deiner Tasche und das Rätsel. Ich kenne die Lösung und würde sie dir verraten, wenn du mir dafür den Ring gibst.“
Zögerlich holte Granion das Geforderte hervor und übergab es an den Kobold.
„Das, was ihr sucht, lautet »Freundschaft«!“ Mit diesen Worten entschwand er zwischen den Rosen und Granion kehrte ins Schloss zurück.
Derweil durchstreifte Jeltri die Wälder, welche das Schloss umgaben. Hierbei stieß er im Schatten eines Baumes auf eine große Lehmfigur, welche ein Schwert in Händen hielt. Als er das Schwert berührte erwachte der Golem zum Leben und schlug nach ihm, doch Jeltri wich dem Hieb behände aus.
„Bitte gib mir dein Schwert, es ist von größter Wichtigkeit für mich. Ich will nicht mit dir darum kämpfen müssen.“
„Dir wird nichts anderes übrig bleiben, wenn du es dein Eigen nennen möchtest. Ich beziehe aus diesem Schwert meine Lebenskraft, so wie du sie aus deinem Hass auf die Männer, welche einst deine Verlobte töteten, beziehst.“
Ohne etwas darauf zu erwidern, zog Jeltri seine Waffe und entwand dem Golem die seinige. Die letzten Worte, die dieser sprach, bevor er sein Leben aushauchte, waren: „Mein Tod würde umsonst gewesen sein, wenn ich euch nicht die Lösung des Rätsels, die da »Treue« heißt, anvertraute.“
Wieder im Schloss, berichteten Granion und Jeltri den Verbleibenden von den Wesen die sie getroffen hatten und ihren Lösungen des Rätsels.
„Wieso gibt es zwei Lösungen?“, strebte Ulrien zu erfahren und Tikyria antwortete: „Die Wasserspeier sagten doch, dass nur ein Wesen die Lösung kennt. Wir müssen nur noch herausfinden welches.“
„Lasst uns unsere Gedanken durch den Alkohol beflügeln.“ schlug Krento vor, „Ich gehe mir eine Karaffe Wein holen. Will sonst noch jemand?“
„Nein, danke.“ entgegneten die Anderen, weshalb Krento sich alleine auf den Weg machte. Als er die Kellergewölbe betrat, taten sich unter ihm die Steine auf und er stürzte in ein unterirdisches Labyrinth. Als er wieder zu sich kam, stand ihm ein Troll gegenüber.
„Ich bin der Hüter des Mantels. Er liegt inmitten dieses Irrgartens. Solltest du es schaffen, ihn zu finden und wieder hierher zurück zu kehren, so soll er dein sein.“ Mit einer Handbewegung wies er Krento zu gehen.
„Kennst du auch eine Lösung für das Wasserspeierrätsel?“
„»Zeit«. Und nun geh endlich.“
Während Krento die Gänge durchsuchte, hatte Jeltri sich dazu entschlossen, einen Spaziergang zu machen. Dieser führte ihn an einen kleinen Wasserfall, wo er mit einem Zwerg Bekanntschaft schloss.
„Sag mein kleiner Freund, kennst du das Rätsel der Wasserspeier?“
„Ja.“
„Und? Kannst du mir die Lösung sagen?“
„Natürlich, es ist die »Gerechtigkeit«. Aber sagt mein Lord, wäret ihr wohl so gütig, mir im Gegenzug für dieses Zepter meinen Schlüssel aus dem Fluss zu fischen? Er ist mir sehr wichtig, doch würde ich bei dem Versuch ihn zu erreichen sicherlich ertrinken. Ihr seid groß, euch kann die Strömung nichts anhaben.“
„Damit wirst du wohl Recht haben, aber ich will nicht nass werden.“, somit entriss er dem Zwerg das Zepter, „Welchen Grund sollte ich haben, dir zu Helfen? Ich nehme mir einfach was ich begehre.“ Er rannte hinfort und ließ den tobenden und fluchenden Zwerg am Fluss zurück.
In der Zwischenzeit hatte Krento den Mantel gefunden, sich in ihn gehüllt und war auf dem Weg zurück zum Ausgang. Als er den Troll erreichte, jubelte er: „Ich habe es geschafft, ich habe dein Labyrinth überwunden und nun gehört dein Mantel mir. Gib es zu, dass hattest du nicht erwartet.“
„Doch, hatte ich, denn dass Glück ist ja bekanntlich mit den Dummen.“ In einer schnellen Bewegung hob er seinen Arm in Richtung Decke, woraufhin sich Krento plötzlich wieder in den Gewölben befand.
Des Nachts gingen die Fünf erneut zum Springbrunnen wo sie die Wasserspeier bereits erwarteten.
„Nenne uns nun deine Antwort. Aber bedenke, du hast nur einen Versuch.“
„Ich denke- nein, ich bin mir sicher, die Lösung lautet »Zeit«“
Der Wasserspeier, der in der Mitte stand erwachte nun auch aus seiner Versteinerung und überreichte ihr die Krone, welche er auf dem Haupte trug.
„Nun beeilt euch, denn die Zeit, die ihr wähltet, läuft gegen euch und euer Vorhaben. So gehabt euch denn wohl.“
Der Sterndeuter sah dem Geschehen zufrieden von einem Balkon aus zu und rief die Fünf im Anschluss in den Thronsaal, wo er ihnen von dem Berg berichtete, auf dessen Gipfel die Festung Novissima Nox emporragte.
Am nächsten Tag brachen sie geschlossen auf, doch am Fuße des Berges verabschiedet sich der Sterndeuter und meinte, dass sie von nun an selbst ihren Weg finden müssten und dass sie nicht fehlen dürften, wenn sie ihre Welt retten wollten.
Als sie einen kleinen Wald durchquerten, erscheint aus dem Nichts ein Zwerg und beschuldigte Ulrien, ihn umgebracht zu haben. Dieser jedoch wies alle Schuld von sich, woraufhin er von dem bewaffneten Zwerg attackiert und schwer verletzt wurde. Der Zwerg verwandelt sich in Cupiditas, den Dämon der Begierde und nahm das Zepter und Ulriens Seele mit den Worten: „Gestern nahmst du dir, was du begehrtest, doch heute bin ich der Mächtigere!“ an sich. Ulrien brach tot zusammen, woraufhin sein Stern erlosch und der Dämon in die Erde verschwand.
Die vier Verbleibenden waren geschockt, erinnern sich dann aber an die Mahnung des Sterndeuters, dass sie nicht zögern dürften und setzten ihren Weg fort.
Auf einer großen Blumenwiese sahen sie weit entfernt eine junge Frau im Gras sitzen, in welcher Jeltri im Näher kommen seine verstorbene Verlobte wieder erkannte. Er rannte zu ihr und fiel verzweifelt vor ihr auf die Knie.
„Bitte vergib mir Geliebte, denn dein Tod ist noch nicht gesühnt. Dein Mörder weiß es gut, sich vor mir zu verbergen, doch eines Tages werde ich ihn finden und dann werde ich dich Rächen.“ Tränen rannen ihm über die Wangen. „Wenn dies getan, werde ich dir folgen und niemand wird uns dann noch zu trennen vermögen.“
„Ich vermisse dich so sehr! Es gibt keine Sekunde, in der ich nicht an den Tag denke, der uns wieder vereint. Ich will nicht, dass du dich für solch törichtes Unterfangen wie es Vergeltung ist, versündigst. Ich will dich nur endlich wieder in meine Arme schließen.“ Damit drückte sie ihm sein Schwert in die Hand, welches er ergriff und sich hinein stürzte. In diesem Moment verwandelte sich die Frau in Ultio, den Dämon der Rachsucht. Er zog das Schwert aus Jeltris Körper, ergriff dessen Seele, woraufhin auch sein Stern verlosch und entschwand mit beidem gen Himmel. Entsetzt nähern sich die Anderen und kamen zu dem Schluss, dass sie niemandem vertrauen durften, wenn auch nur einer von ihnen das Ziel erreichen wollte.
Gegen Mittag erreichen sie einen kleinen Bergsee, an dem sie Rast machten und etwas aßen, Granion und Tikyria unterhielten sich angeregt, weshalb sie nicht bemerken, dass sich Krento etwas entfernt ans Ufer gesetzt hatte und im Wasser sein Spiegelbild betrachtet. Als ihm sein Gesicht aus dem Wasser näher kam, erhob er sich, woraufhin das Wasser seine Gestalt nachformte. Tikyria und Granion fuhren erschrocken hoch und schrien Krento an, dass er sich von dem See entfernen solle. Dieser jedoch war so verzaubert von dem Anblick, dass er seine Hand ausstreckt um es zu berühren. Ebenso streckte ihm das Wasser seine Hand entgegen und als sie sich berührten, packte Superbia, der Dämon der Selbstsucht, Krentos Hand und riss ihn mit samt dem Mantel in die Tiefe. Kurze Zeit später erlosch nun auch Krentos Stern.
Tikyria und Granion gingen weiter durch die mittlerweile zerklüfteten Berge. Dort begegnete ihnen, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, eine niedliche, kleine Fee, die ihnen den Weg zu weisen versprach. Während sie die Fee zum Eingang einer Höhle führte, berichtete sie, dass auch ihre Eltern einst von einem Dämon getötet wurden.
Die Beiden folgten der Fee in einen Gang, welcher in den Berg hinein führte. Versteckt in einem kleinen Seitenarm des Ganges, entdeckte Granion mehrere mit Gold gefüllte Truhen. Als er darauf zu lief, schnellte hinter ihm ein Gitter herunter wodurch er von Tikyria getrennt wurde. Sie versuchten das Gitter anzuheben, doch es gelang ihnen nicht. Schweren Herzens verabschieden sich die Beiden von einander, in der Hoffnung, dass sie unbeschadet ihr Ziel erreichen würden.
Die in Tränen aufgelöste Tikyria folgte der Fee, bis sie in einen großen Saal gelangten, wo sich die Öffnung des Ganges hinter ihnen schloss.
Zu Tikyrias Überraschung, wurde sie bereits vom Sterndeuter erwartet.
„Habt dank, Königin.“ sagte er spöttisch, „ Ihr habt mit eurer Vertrauensseligkeit selbst das Schicksal eurer Welt besiegelt und eure Gefährten in den Tod geführt.“
„Wie, was meint ihr? Erklärt euch.“
Dieser Aufforderung zu folge nahm der Sterndeuter seine wahre Gestalt, als ein junger Mann, in dessen Augen sich die Höllenfeuer widerspiegelten, an.
Auch die Fee verwandelt sich zurück in Credulitas, den Dämon der Leichtgläubigkeit.
Erschrocken wollte Tikyria die Flucht ergreifen, als dort, wo der Gang war, ein Dämon auftauchte und sie festhielt. Sie zog ihren Dolch und stach zu, woraufhin Granion blutend zu Boden ging und Tikyria erkennen musste, dass sie erneut getäuscht wurde. Tikyria nahm den Sterbenden weinend in die Arme und der Dämon, welcher sich den Reichsapfel angeeignet hatte sprach: „Dummes kleines Mädchen, wenn deine Zeit kommt, wirst du deinen Freund um den Tod beneiden.“
Er überreichte seinem Herren den Reichsapfel und zog sich zusammen mit Granions Leichnam aus dem Saal zurück.
Verbittert richtete sie sich an den Mann, welchem sie nun schutzlos ausgeliefert war: „Wer seid ihr und warum seid ihr so grausam?“
„Ich bitte vielmals um Verzeihung, eure Majestät.“ antwortete er ihr sarkastisch, „Wie konnte ich versäumen mich euch vorzustellen. Mein Name ist Finis, das Ende allen Seins und dank euch, der baldige Herrscher über eure Welt. Wollt ihr wissen, wie ihr die Welt hättet erretten können, wenn ich eurem Schicksal nicht zuvor gekommen wäre?“
Sie nickte sacht und er begann: „So, wie ein jeder Stern eine Seele symbolisiert, steht die Sonne für das Leben und der Mond für den Tod, also für mich. Ich bin, im Gegensatz zu der Person, die das Leben verkörpert, unsterblich. Aus diesem Grund, wird in jeder Generation das Leben wiedergeboren, um mir Einhalt zu gebieten. Es wäre nun an euch und einem eurer Gefährten gewesen, euren Erlöser zu zeugen, doch dies habt ihr selbst vereitelt. Die Person, die zur Zeit die Quelle des Lebens in sich trägt, wird bei Tagesanbruch meiner Macht zum Opfer fallen und dann werde ich auf ewig herrschen.“
„Fürs Erste mögt ihr gewonnen haben, doch euer Ruhm wird nur eine Generation überdauern. Wenn das Leben erneut auf Erden wandelt, wird es...“
„Nein, wird es nicht.“ unterbrach er sie unwirsch, „Ich werde in alle Ewigkeit unangefochten bleiben, denn ihr brachtet mir die magischen Königsinsignien, welche die Wesen vor mir wohl verbargen. Sie verleihen mir die Macht, ein wiederaufflammen der Sonne zu verhindern. Auch dafür bin ich euch zu Dank verpflichtet.“
„Und nun, was wird geschehen?“
Finis führte sie auf den Balkon, von welchem sie ihr Reich in der aufgehenden Morgensonne sehen konnte. Er nahm die Insignien, woraufhin sich langsam die Dunkelheit über das Land legte und die Sonne vollkommen erlosch.
Die Königin stand gebeugten Hauptes Finis gegenüber und bat ihn, da er ihr alles was ihr lieb war genommen hatte, nun auch sie zu töten. Er aber meinte, dass er ihr nicht den Gefallen tun werde, sie im Tod mit ihrem geliebten Granion zu vereinigen. Sie solle als Wasserspeier den Balkon zieren und immer bei Vollmond erwachen, um das Werk ihrer Dummheit betrachten zu können.
 

essigtinte

Mitglied
Hallo Meril,

als ich Deine Geschichte gelesen habe, ist mir aufgefallen, wie schwierig es ist, Fantasy-Stories und Märchen in einen Topf, in ein Forum zu schmeißen, wo es doch so unterschiedliche Schreibstrukturen sind. Ich habe die Erzählung in der Erwartung einer Fantasy-Geschichte gelesen und war daher zunächst etwas enttäuscht, weil Du nur so durch die Story hetzt, jeder Begegnung und jedem Ereignis nur ein paar Sätze schenkst, um sofort weiter zu springen zum nächsten. Erst nach einer Weile ist mir klar geworden, dass das wohl eher Märchenstil ist, wo mit ein paar wenigen Pinselstrichen das wesentliche herausgehoben wird. Ich kenne mich mit Märchen nicht aus, darum habe ich auch keine Bewertung abgegeben. Wenn du es als Fantasy-Story geschrieben hast, würde ich mir viel mehr Atmosphäre wünschen, viel mehr Blick auf die Details der agierenden Personen, der beteiligten Artefakte und der Geschehnisse.
Zwei Anmerkungen möchte ich noch unabhängig vom Genre geben:
Es ist mir schwer gefallen, die relative Vielzahl der Akteure anhand der Fantasie-Namen auseinander zu halten. Da hätte ich immer wieder zurückblättern müssen. Vielleicht lässt sich das leichter lesen lassen, wenn du an manchen Stellen von „dem Kaufsmannssohn“ statt von „Krento“ oder von „dem Bauern“ statt von Granion sprichst. Ich glaube, „Funktionen“ sind für den Leser leichter auseinander zuhalten als Namen, vor allem wenn in kurzer Zeit viele Personen auftreten.
Am Schluss hatte ich außerdem so das unbefriedigende Gefühl, dass weder Tikyria noch ich der Leser eine Chance hatte, der Falle der Leichtgläubigkeit zu entgehen. Vielleicht solltest du an den Anfang der Geschichte einen kaum merkbaren Hinweis streuen, der darauf hinweist, dass alles nur Lug und Trug ist? Das ist aber nur so meine Idee, musst du nicht übernehmen. Vielleicht bin ich ja auch nur mit einem zu großen Maß an Naivität geschlagen.


Gruß

Essigtinte
 

Meril

Mitglied
Hi Essigtinte,

erst einmal danke für deine Meinung.
Zu dem Part mit den Namen muss ich dir wohl irgendwie Recht geben, aber ich hab leider eine Schwäche dafür alles und jeden mit möglichst ausgefallenen Namen zu belegen. Ich gelobe Besserung! Der Text stammt ursprünglich aus einem „Traumbuch“ das ich vor einiger Zeit für meinen Literaturkurs schreiben musste. Die ganze Geschichte war eher als eine Art Fabel gedacht, mit der Moral: Man sollte nicht blindlings jedem vertrauen und alles glauben was man hört, sondern darauf achten wem man sein Vertrauen schenkt und alles hinterfragen, sonst kann man ganz übel auf die Schn... fliegen. (Ich spreche aus Erfahrung)
Ich bin mir im Klaren, dass ich an meinem Schreibstil noch kräftig arbeiten muss und bin daher für jeden Tipp dankbar.

Mfg
Meril
 



 
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