Stillleben mit Couch

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Die Couch schweigt in die Dunkelheit
des Schlafes in dem Raum
auf den die Lederaugen schauen
als sei er eingedrungen

Alles Leben ist ein Leiden
und alles Lieben ist Verkleiden
Die Knopfpupillen sind gesprungen
Die Sitzflächen sind eingesunken

Die Lider an den Lehnenenden hängen
wie faltig-dunkelbraune Lenden
Da ist ein Schnaufen in den Wänden
Etwas Lichtes wird verenden
In dieser Dunkelheit ertrunken
Unter die Couch gerungen

Über den Topf gebeugt
Kartoffeln kochen
Und von der braunen Couch beäugt
geschlafen nicht seit Wochen
Der Schlaf im Raum ist eingedrungen
Die Couch ist in den Traum gesprungen

An einem Fläschchen wie ein Püppchen
wird eine Pudelwelpe an die Brust gedrückt gesäugt

Kaninchenknochen treiben auf
Das Fleisch ist abgefallen
Befundlos der Sendersuchlauf
zerkochte Sehnen fallen
In Maggie-Sauce Nummer Eins
schwimmen den Alten zum Gefallen
auch ausgekochte Schädelchen

Und in den Schlund der Couch verhallen
Fürze und zerpresste Schreie
Puppenköpfe auf der Couch
nicken in eine wie mit einem Lineal gezogene Reihe

Die Couch schweigt in die angestrengten Fratzen
und auf ihr Schmatzen und ihr Rülpsen in den Raum
Einmal wird einer selig auf ihr ratzen
den schluckt sie sich
aus seinem
Traum
 
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petrasmiles

Mitglied
Was einem nicht so alles durch den Kopf geht beim Betrachten einer braunen Couch ...
nicken in eine wie mit einem Lineal gezogene Reihe
einzig das stört den Spaziergang in die Gedankenwelt - die Formulierung eines Verses ist nicht wichtiger als die gemessenen Schritte der Strophen - aber etwas besseres fällt mir auch nicht ein.
Gerne gelesen!
Liebe Grüße
Petra
 
einzig das stört den Spaziergang in die Gedankenwelt
Hi Petra,

vielen Dank für Deine Couchbetrachtungen! Ich bin bei besagter Stelle selber ambivalent: Einerseits gefällt mir dieses "verstelzte" dort richtig gut, andererseits verstehe ich aber auch sehr gut, was Dich da irritiert und finde es dann wieder zu umständlich.

Ich finde unter der Prämisse - Spaziergang in die Gedankenwelt gelesen- gibt das dem Text eine sehr angenehme Leichtigkeit und neue Perspektive. Merci !

compliments

Dionysos
 

sufnus

Mitglied
Hi Dio!
Es ist ein beliebtes Spiel, die Menschheit in zwei komplementäre Gruppen einzuteilen, hie Suppenliebhaber, dort Suppenhasser, hie Beatles, dort die Stones, hie kurzärmlige, dort langärmlige Hemden usw. usf. Beim Lesen Deiner schönen Zeilen ist mir eine weitere Einteilung eingefallen: Ledercouch vs. Stoffcouch. Ich bin eindeutig im Team Leder zuhause.
Davon ab ist das ein äußerst erfreulich zu lesendes Werkt - ich bin zwar noch etwas auf der Suche nach der "Mitte" der Zeilen ... die Doppeldeutigkeit, die man im Titel heraushören könnte (?) (also neben der eigentlich Bedeutung, der nature morte) suggeriert, dass das gesäugte Pudelchen das zentrale Bild-Scharnier darstellt, allerdings bleiben meine Versuche eines lesenden Rendezvousmanövers um dieses Bild vorerst erfolglos. Vielleicht ist das sogar Teil des Programms (?)
Zusätzlich werde ich von den gekochten Kartoffeln irritiert, die mit einer gewissen gekochten Bohnenhaftigkeit (im Dalí'schen Sinne) meinen inneren Pythagoras um die Seelenruhe bringen. Auch dies womöglich nicht ganz ohne Hintergedanken (?)
Viele Fragezeichen also. Und das ist selbstredend was Gutes! :)
LG!
S.
P.S.:
Ach und nochwas: Bei diesem Werk plädierte ich doch stark für eine Einstufung als gereimtes Werk. Du bewegst Dich ja mit Vorliebe im Grenzbereich von gereimter und ungereimter Lyrik, aber hier scheinen mir die zahllosen Endreime doch zu strukturbildend zu sein, um sie zu ignorieren. :)
 
Hi @sufnus

herzlichen Dank für die profunde Besprechung. Wie immer ist es ein Genuss. Merci!

Nun was das Einstellen in Gereimtes angeht kennst du ja bereits meine Position. Solange hier so ein destruktives reviergestreunere geduldet wird wo "der und der" einfach in einen Faden eindringt, sich nicht mit einem Wort konstruktiv zum Text äußert und nur rumblökt das Gedicht sei falsch eingestellt worden, werde ich mich dafür nicht hergeben - auch auf keine Meta Diskussion, und überlasse es den Moderatoren zu verschieben wie sie es hier für richtig halten. Ansonsten wirst du mich solange nur im Ungereimten finden.

In der Sache: für mich persönlich ging es um eine traumatisierte Kriegs und Nachkriegsfamilie und eine Momentaufnahme in die in Bildern verpackte Dynamik zwischen den Lebewesen und Gegenständen. Die Couch ist dabei auch ein Übertragungssymbol sowohl zwischen Wachen und träumen, wie auch zwischen bewusst und unbewusst. Das erholsame des Schlafes hat hier seine natürliche Funktion ein stückweit verloren und etwas bedrohliches bekommen. Selbst die Erholung auf der Couch ist in gewissem Sinne bewusstseinsbedrohend.

Mes compliments

Dio
 
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