Vorbemerkung:
Die Hauptperson der Geschichte ist (neben den Menschen Michaele, Lars und Jan-Helge) Tibo, einer der letzten lebenden Drachen (oder wie manche sagen würden, der Dinosaurier). Im Unterschied zu der Darstellung, die wir in der Schule lernen, sind die Drachen aber nicht vor Millionen von Jahren ausgestorben, sondern haben zumindest eine gewisse Zeit gemeinsam mit den Menschen auf der Erde gelebt (warum sonst gibt es in fast allen Kulturen Drachensagen). Tatsächlich war diese gemeinsame Zeit nicht gerade glücklich. Drachen und Menschen haben ständig Krieg gegeneinander geführt, wobei am Ende die Drachen unterlagen. In ihrer größten Not haben die Drachen das Geheimnis entdeckt, wie man sich klein macht und sind in einer einzigen Nacht aus den Augen der Menschen verschwunden. Heute leben sie verborgen mitten unter uns; aber die Menschen haben die Drachen vergessen und manche halten sie nur noch für eine ferne Legende. Nur manchmal, wenn ein undurchsichtiges Schicksal einen Menschen auf den Pfad der Drachen führt ...
Der hier vorgestellte Auschnitt gehört zu einem Gesamttext von ca. 200 Seiten.
Kapitel 11: Stimmen der Not (Fortsetzung)
„Na du hässliche Eidechse, was mache ich jetzt mit dir.“ Jan hielt Tibo locker in der Hand und blickte zu seiner Mutter, die schon ein Stück voraus war. Einmal im Monat wurde er von ihr abgeholt und dann gab es irgendetwas Besonderes, ob er Lust dazu hatte oder nicht. Und heute war halt wieder Zoobesuch dran.
Sein Fuß scharrte lustlos im Sand. Danach ging sie meist mit ihm essen, in so ein piekfeines Restaurant, das sie sich eigentlich nicht leisten konnte, und noch bevor sie aufgegessen hatten, sah sie verstohlen auf ihre Uhr, ob es schon Zeit war, und dann brachte sie ihn zurück ins Heim. Nur richtig mit nach Hause nahm sie ihn nicht, da saß jetzt ihr neuer Freund.
Er trottete langsam voran. Manchmal war der Gedanke einfach da stehen zu bleiben, und er wusste, dass sie sich nicht einmal umsehen würde. Abends würde man ihn dann schon aufgreifen, ein Wärter vielleicht, und dann ging’s ohne Abendbrot ins Bett, weil er wieder abgehauen war.
Er bog nach rechts ab, querte einen Holzsteg, der einen kleinen Bach überspannte, und hielt sich dann links, immer in ausreichendem Abstand, dass er sie gerade noch zwischen den Bäumen sehen konnte. Sie würde doch nach ihm suchen. Beschwingt ging er weiter. Er kam sich vor wie ein Detektiv, der eine geheime Person observiert. Es kam darauf an, sie nicht aus den Augen zu verlieren, ohne dabei entdeckt zu werden.
Ein bisschen musste er sich beeilen. Der Weg war an seiner Seite etwas länger, entfernte sich weiter vom Wasser und schlug manchen Bogen um kleine Gehege, so dass er rennen musste, wenn er Schritt halten wollte. Ob sie spürte, dass sie beobachtet wurde? Jedenfalls ließ sie sich nichts anmerken, ging gleichmäßig weiter, nicht zu schnell, nicht zu langsam, vielleicht etwas unaufmerksam und mit wenig Sinn für die Tiere.
Jetzt schlug sein Weg einen Haken; er stand vor dem großen Affenhaus, der Strom der Besucher wurde zur Seite gelenkt, in Richtung des Haupteingangs, wo sich ein kleiner Pulk gebildet hatte, in dem sich die herein- und herausströmenden Menschenmassen verwirbelten. Dies brauchte Zeit. Dann schlängelte sich sein Weg zurück an das Wasser und er spürte, dass er sie aus den Augen verloren hatte. Sie würde doch nach ihm suchen. Er fand einen Weg zurück auf ihre Seite und blickte sich um. Der Nachmittag war fast schon vorbei, die Sonne hatte sich schräg auf die Seite gelegt, und für einen Moment fühlte er erste Ahnung von Dämmerung.
Jetzt erst bemerkte er Tibo, den er noch immer in der Hand hielt, und hob ihn am Schwanz in die Höhe. „Dich kann doch auch keiner brauchen, vielleicht kannst du wenigstens schwimmen.“ Er stapfte ein paar Schritte die Böschung hinunter und ließ Tibo nah über der Wasserfläche baumeln. „Na, hast du Lust?“
Tibo hatte sich ganz in sein Schicksal ergeben und je weniger er noch versuchte zu strampeln und sich zu wehren, desto lockerer hatte ihn der Junge gehalten. Fast schien es, als würde ihm Tibo irgendwann einfach aus der Hand gleiten.
Und jetzt plötzlich hatte sich alles verändert. Tibo hing kopfüber über dem Wasser, ein reißender Strom, der ihn einfach fortschwemmen würde. „Das kannst du nicht tun“, schrie er verzweifelt, „das kannst du nicht tun.“
Wie vom Schlag getroffen zuckte der Junge zurück und fiel dabei auf den Rücken. Eine Stimme hatte sich in seinem Inneren gemeldet, eine helle verzweifelte Stimme, eine Stimme der Not. Und während er noch in sich hineinhorchte, auf diese Stimme, der er wichtig war, fühlte er, dass sie ihn von einer Tat zurückgehalten hatte, die ein Abgrund war und seine Seele vielleicht für immer verändern konnte. Zum ersten Mal seit Monaten fühlte er wieder Tränen in seinen Augen.
Er hob Tibo an sein Gesicht und flüsterte: „Du bist doch genau so alleine wie ich.“ Dann richtete er sich auf und versuchte Tibo in eine Tasche seines Anoraks zu friemeln.
„Wenn du mich freilässt, verrate ich dir ein Geheimnis“, hörte er erneut diese Stimme und plötzlich wurde ihm bewusst, dass die kleine Eidechse in seiner Hand zu ihm gesprochen hatte. Er blickte an seiner Seite hinunter und murmelte: „Das gibt es gar nicht. So einfach lasse ich mich nicht reinlegen.“
Mit einem Ruck sah er sich um. Aber weit und breit war niemand, der mit ihm gesprochen haben konnte. Vielleicht werde ich ja verrückt, dachte er fasziniert und fühlte auf einmal den besonderen Reiz in einen verantwortungslosen Wahnsinn hinüberzugleiten.
Er hob Tibo erneut in die Höhe. „Und warum sollte ich dich freilassen“, fragte er. Tibo wand sich in der Hand des Jungen und fühlte sich elend. „Ja, warum sollte er mich freilassen“, dachte er verzweifelt.
Eine Weile sahen beide sich stumm an, dann ließ der Junge langsam die Hand sinken. „Da hat gar nichts gesprochen“, flüsterte er, „aber irgendetwas an dir ist seltsam und ich werde es schon noch herausbekommen.“
Er machte erneut Anstalten, Tibo in seiner Anoraktasche verschwinden zu lassen. „Kannst du zaubern“, schrie Tibo, der keinen anderen Weg mehr sah dem Dunkel dieses Gefängnisses zu entgehen, und der sich noch daran erinnerte, dass Zauberei etwas war, das Menschen unendlich interessierte.
Tatsächlich hob ihn der Junge erneut in die Höhe. „Was kannst du denn zaubern“, fragte er. „Du kannst dich ja nicht mal aus meiner Hand befreien.“ Wie zum Beweis seiner Macht schwenkte er Tibo ein paar Mal vor seinem Gesicht hin und her. „Sprechen kannst du vielleicht.“
„Ja, was kann ich denn zaubern“, überlegte Tibo, der nur eine sehr ungenaue Vorstellung davon hatte, was zaubern überhaupt war. Nicht mal fliegen konnte er richtig. Dennoch, oder weil es vielleicht das Einzige war, das ihm so schnell einfiel, sagte er: „Kannst du fliegen.“
Er bemerkte sofort, dass er hier etwas gefunden hatte, das den Jungen interessierte, denn die pendelnde Bewegung hörte augenblicklich auf. „Oh je“, dachte er erschreckt, „was soll ich jetzt machen.“ Aber das Wort war schon heraus und er sah keine andere Möglichkeit, als dabei zu bleiben. „Ich könnte dir zeigen wie man fliegt.“
Aber der Junge lachte. „Du meinst wohl, ich soll dich jetzt loslassen, damit du mir husch husch davon saust und schnell in den Büschen verschwindest. Wenn du mir beibringen willst, wie man fliegt, geht das sicher auch, während ich dich festhalte.“
„So plump und schwer, wie du jetzt bist, geht das natürlich nicht“, sagte Tibo keck, „du musst dich erst leicht und frei wie eine Feder fühlen. Sonst kann die Luft dich nicht tragen. Und du musst es dir ganz fest wünschen.“
Tatsächlich schloss der Junge folgsam die Augen und murmelte: „Ich will leicht und frei wie eine Feder sein und fliegen können.“
Nichts geschah.
„Und, bin ich geflogen“, sagte der Junge verärgert, nachdem er die Augen wieder geöffnet hatte. „Du machst dich wohl über mich lustig. Das soll dir nicht gut bekommen.“ Für einen kleinen Moment hatte er fast geglaubt zu fliegen, aber jetzt kam es ihm nur noch darauf an Tibo als Lügner zu überführen. „Hab‘ ich etwas falsch gemacht?“, fragte er sanft.
„Du musst es laut und deutlich aussprechen und fest daran glauben“, sagte Tibo, dem in diesem Moment eine Idee kam. „Sprich mir genau nach.“ Er hob mutig den Kopf und dachte: „Eigentlich habe ich nichts mehr zu verlieren.“
„Ich will klein, leicht und frei wie eine Feder sein und fliegen können“, sagte er laut und feierlich. Und tatsächlich wiederholte der Junge: „Ich will klein, leicht ...“, und zu mehr kam er nicht, denn er fühlte plötzlich, wie der Boden auf ihn zuraste.
Mit einer schnellen Wendung seines Kopfes ergriff Tibo ihn mit den Zähnen und trug ihn davon.
Die Hauptperson der Geschichte ist (neben den Menschen Michaele, Lars und Jan-Helge) Tibo, einer der letzten lebenden Drachen (oder wie manche sagen würden, der Dinosaurier). Im Unterschied zu der Darstellung, die wir in der Schule lernen, sind die Drachen aber nicht vor Millionen von Jahren ausgestorben, sondern haben zumindest eine gewisse Zeit gemeinsam mit den Menschen auf der Erde gelebt (warum sonst gibt es in fast allen Kulturen Drachensagen). Tatsächlich war diese gemeinsame Zeit nicht gerade glücklich. Drachen und Menschen haben ständig Krieg gegeneinander geführt, wobei am Ende die Drachen unterlagen. In ihrer größten Not haben die Drachen das Geheimnis entdeckt, wie man sich klein macht und sind in einer einzigen Nacht aus den Augen der Menschen verschwunden. Heute leben sie verborgen mitten unter uns; aber die Menschen haben die Drachen vergessen und manche halten sie nur noch für eine ferne Legende. Nur manchmal, wenn ein undurchsichtiges Schicksal einen Menschen auf den Pfad der Drachen führt ...
Der hier vorgestellte Auschnitt gehört zu einem Gesamttext von ca. 200 Seiten.
Kapitel 11: Stimmen der Not (Fortsetzung)
„Na du hässliche Eidechse, was mache ich jetzt mit dir.“ Jan hielt Tibo locker in der Hand und blickte zu seiner Mutter, die schon ein Stück voraus war. Einmal im Monat wurde er von ihr abgeholt und dann gab es irgendetwas Besonderes, ob er Lust dazu hatte oder nicht. Und heute war halt wieder Zoobesuch dran.
Sein Fuß scharrte lustlos im Sand. Danach ging sie meist mit ihm essen, in so ein piekfeines Restaurant, das sie sich eigentlich nicht leisten konnte, und noch bevor sie aufgegessen hatten, sah sie verstohlen auf ihre Uhr, ob es schon Zeit war, und dann brachte sie ihn zurück ins Heim. Nur richtig mit nach Hause nahm sie ihn nicht, da saß jetzt ihr neuer Freund.
Er trottete langsam voran. Manchmal war der Gedanke einfach da stehen zu bleiben, und er wusste, dass sie sich nicht einmal umsehen würde. Abends würde man ihn dann schon aufgreifen, ein Wärter vielleicht, und dann ging’s ohne Abendbrot ins Bett, weil er wieder abgehauen war.
Er bog nach rechts ab, querte einen Holzsteg, der einen kleinen Bach überspannte, und hielt sich dann links, immer in ausreichendem Abstand, dass er sie gerade noch zwischen den Bäumen sehen konnte. Sie würde doch nach ihm suchen. Beschwingt ging er weiter. Er kam sich vor wie ein Detektiv, der eine geheime Person observiert. Es kam darauf an, sie nicht aus den Augen zu verlieren, ohne dabei entdeckt zu werden.
Ein bisschen musste er sich beeilen. Der Weg war an seiner Seite etwas länger, entfernte sich weiter vom Wasser und schlug manchen Bogen um kleine Gehege, so dass er rennen musste, wenn er Schritt halten wollte. Ob sie spürte, dass sie beobachtet wurde? Jedenfalls ließ sie sich nichts anmerken, ging gleichmäßig weiter, nicht zu schnell, nicht zu langsam, vielleicht etwas unaufmerksam und mit wenig Sinn für die Tiere.
Jetzt schlug sein Weg einen Haken; er stand vor dem großen Affenhaus, der Strom der Besucher wurde zur Seite gelenkt, in Richtung des Haupteingangs, wo sich ein kleiner Pulk gebildet hatte, in dem sich die herein- und herausströmenden Menschenmassen verwirbelten. Dies brauchte Zeit. Dann schlängelte sich sein Weg zurück an das Wasser und er spürte, dass er sie aus den Augen verloren hatte. Sie würde doch nach ihm suchen. Er fand einen Weg zurück auf ihre Seite und blickte sich um. Der Nachmittag war fast schon vorbei, die Sonne hatte sich schräg auf die Seite gelegt, und für einen Moment fühlte er erste Ahnung von Dämmerung.
Jetzt erst bemerkte er Tibo, den er noch immer in der Hand hielt, und hob ihn am Schwanz in die Höhe. „Dich kann doch auch keiner brauchen, vielleicht kannst du wenigstens schwimmen.“ Er stapfte ein paar Schritte die Böschung hinunter und ließ Tibo nah über der Wasserfläche baumeln. „Na, hast du Lust?“
Tibo hatte sich ganz in sein Schicksal ergeben und je weniger er noch versuchte zu strampeln und sich zu wehren, desto lockerer hatte ihn der Junge gehalten. Fast schien es, als würde ihm Tibo irgendwann einfach aus der Hand gleiten.
Und jetzt plötzlich hatte sich alles verändert. Tibo hing kopfüber über dem Wasser, ein reißender Strom, der ihn einfach fortschwemmen würde. „Das kannst du nicht tun“, schrie er verzweifelt, „das kannst du nicht tun.“
Wie vom Schlag getroffen zuckte der Junge zurück und fiel dabei auf den Rücken. Eine Stimme hatte sich in seinem Inneren gemeldet, eine helle verzweifelte Stimme, eine Stimme der Not. Und während er noch in sich hineinhorchte, auf diese Stimme, der er wichtig war, fühlte er, dass sie ihn von einer Tat zurückgehalten hatte, die ein Abgrund war und seine Seele vielleicht für immer verändern konnte. Zum ersten Mal seit Monaten fühlte er wieder Tränen in seinen Augen.
Er hob Tibo an sein Gesicht und flüsterte: „Du bist doch genau so alleine wie ich.“ Dann richtete er sich auf und versuchte Tibo in eine Tasche seines Anoraks zu friemeln.
„Wenn du mich freilässt, verrate ich dir ein Geheimnis“, hörte er erneut diese Stimme und plötzlich wurde ihm bewusst, dass die kleine Eidechse in seiner Hand zu ihm gesprochen hatte. Er blickte an seiner Seite hinunter und murmelte: „Das gibt es gar nicht. So einfach lasse ich mich nicht reinlegen.“
Mit einem Ruck sah er sich um. Aber weit und breit war niemand, der mit ihm gesprochen haben konnte. Vielleicht werde ich ja verrückt, dachte er fasziniert und fühlte auf einmal den besonderen Reiz in einen verantwortungslosen Wahnsinn hinüberzugleiten.
Er hob Tibo erneut in die Höhe. „Und warum sollte ich dich freilassen“, fragte er. Tibo wand sich in der Hand des Jungen und fühlte sich elend. „Ja, warum sollte er mich freilassen“, dachte er verzweifelt.
Eine Weile sahen beide sich stumm an, dann ließ der Junge langsam die Hand sinken. „Da hat gar nichts gesprochen“, flüsterte er, „aber irgendetwas an dir ist seltsam und ich werde es schon noch herausbekommen.“
Er machte erneut Anstalten, Tibo in seiner Anoraktasche verschwinden zu lassen. „Kannst du zaubern“, schrie Tibo, der keinen anderen Weg mehr sah dem Dunkel dieses Gefängnisses zu entgehen, und der sich noch daran erinnerte, dass Zauberei etwas war, das Menschen unendlich interessierte.
Tatsächlich hob ihn der Junge erneut in die Höhe. „Was kannst du denn zaubern“, fragte er. „Du kannst dich ja nicht mal aus meiner Hand befreien.“ Wie zum Beweis seiner Macht schwenkte er Tibo ein paar Mal vor seinem Gesicht hin und her. „Sprechen kannst du vielleicht.“
„Ja, was kann ich denn zaubern“, überlegte Tibo, der nur eine sehr ungenaue Vorstellung davon hatte, was zaubern überhaupt war. Nicht mal fliegen konnte er richtig. Dennoch, oder weil es vielleicht das Einzige war, das ihm so schnell einfiel, sagte er: „Kannst du fliegen.“
Er bemerkte sofort, dass er hier etwas gefunden hatte, das den Jungen interessierte, denn die pendelnde Bewegung hörte augenblicklich auf. „Oh je“, dachte er erschreckt, „was soll ich jetzt machen.“ Aber das Wort war schon heraus und er sah keine andere Möglichkeit, als dabei zu bleiben. „Ich könnte dir zeigen wie man fliegt.“
Aber der Junge lachte. „Du meinst wohl, ich soll dich jetzt loslassen, damit du mir husch husch davon saust und schnell in den Büschen verschwindest. Wenn du mir beibringen willst, wie man fliegt, geht das sicher auch, während ich dich festhalte.“
„So plump und schwer, wie du jetzt bist, geht das natürlich nicht“, sagte Tibo keck, „du musst dich erst leicht und frei wie eine Feder fühlen. Sonst kann die Luft dich nicht tragen. Und du musst es dir ganz fest wünschen.“
Tatsächlich schloss der Junge folgsam die Augen und murmelte: „Ich will leicht und frei wie eine Feder sein und fliegen können.“
Nichts geschah.
„Und, bin ich geflogen“, sagte der Junge verärgert, nachdem er die Augen wieder geöffnet hatte. „Du machst dich wohl über mich lustig. Das soll dir nicht gut bekommen.“ Für einen kleinen Moment hatte er fast geglaubt zu fliegen, aber jetzt kam es ihm nur noch darauf an Tibo als Lügner zu überführen. „Hab‘ ich etwas falsch gemacht?“, fragte er sanft.
„Du musst es laut und deutlich aussprechen und fest daran glauben“, sagte Tibo, dem in diesem Moment eine Idee kam. „Sprich mir genau nach.“ Er hob mutig den Kopf und dachte: „Eigentlich habe ich nichts mehr zu verlieren.“
„Ich will klein, leicht und frei wie eine Feder sein und fliegen können“, sagte er laut und feierlich. Und tatsächlich wiederholte der Junge: „Ich will klein, leicht ...“, und zu mehr kam er nicht, denn er fühlte plötzlich, wie der Boden auf ihn zuraste.
Mit einer schnellen Wendung seines Kopfes ergriff Tibo ihn mit den Zähnen und trug ihn davon.