Stimmlos

voltariusm40

Mitglied
B. G. Voltarius: „Stimmlos“

Die Geschichte:
In „Stimmlos“ erzählt die namenlose Protagonistin eine reale Geschichte, wie sie selbst in eine existentielle Krise stürzte. Eine raumfordernde bösartige Schwellung bringt sie an den Rand ihres Lebens. Abgründe öffnen sich.

Es geht nicht um Ereignisse, sondern um turbulente Träume, um Bilder aus zurückliegender Zeit, um das Abtauchen in die Innenräume ihres Körpers, in das eigene Schicksal. Albträume an ihre berufliche Vergangenheit und an das untergegangene Land suchen sie heim. Da ist ihre ehemalige Direktorin mit ihrer Heuchelei, stets suchte sie die Nähe der Macht.

Der innere Konflikt zwischen Hoffnung und Aussichtslosigkeit belastet sie permanent. Ihr Körper ist in einem ständigen Kampf, sowohl gegen die teuflischen fremden Zellen als auch gegen die schädigenden Auswirkungen der Therapie. Sie will leben. Wie begegnet sie diesem Gefecht? Wird ihre permanente heimliche Hoffnung nach erneuter Teilhabe am freudvollen Leben erfüllt?

Stimmlos

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Diagnostiziert. Deprimiert. Hoffend.

Ein Blaumann, von mir als blauer Rüpel bezeichnet, fordert mich auf, dass ich mich umlege. Anschließend rangiert er mich im Bett durch die Tür und jagt den Flur entlang. Ruckartig lenkt er in den Aufzug. Das wilde Steuern um Ecken und an Türen vorbei scheint er nicht im Griff zu haben. Permanent stößt er an. Ich muss mich festhalten. Er bugsiert mich in einen weiß getünchten Raum. An den weiß gefliesten Wänden reihen sich Medizinschränke mit Instrumenten und Medikamentenschachteln. Er gibt einer Schwester Bescheid und verschwindet. Von der Decke strahlt grelles Licht. Es blendet. Ich schließe meine Augen. Ich befinde mich im Wartebereich vor dem OP-Saal. Also wie im Warteraum. Die Atmosphäre wirkt unruhig.

Ich bin innerlich angespannt. Aggressiv-wuchernde, fremde Zellen, die in meinem Körper Raumgewinn fordern und gesunde Zellen unterwerfen, müssen eliminiert werden. Die gesunden Zellen sollen wieder die Oberhand erlangen. Es herrscht ein Konflikt zwischen ihnen. Zusammenstoß widerstreitender Zellen. Gefecht. Kampf. Höllisches Getöse. Durchdringendes Klirren wie aufeinanderschlagendes Metall, Lanzen, Schwerter. Legenden des Schmerzes peinigen mich. Die antiken Krieger, die trojanischen Streiter kämpften mit Speer, Helm, Pfeilen, attackierten mit dem Schwert ihre Gegner. Todbringende, zerstörerische Zellen. Tod. Gräueltaten der Kreuzritter, der Herrschenden nach den Bauernkriegen, Konfessionskriege, Hundertjähriger Krieg, Dreißigjähriger Krieg, Folter. Hexenjagd. Frauen am Pranger. Schüsse am Landwehrkanal. Dahintreiben der toten Frau. Weltkriege, Schüsse an bewachter Grenze, aktuelle Kriege. Sturz der Leiber. Mein Körper mittendrin. Ich besinne mich. Ich muss an etwas anderes denken. Es wird immer gesagt, wie man in die Narkose gehe, komme man wieder heraus. Kurzzeitig öffne ich die Augen. Es blendet. Ich schließe sie wieder und denke an die vergangenen, erlebnisreichen Urlaubstage. die ich in freudiger Erinnerung habe.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich die mit Sgraffito verzierte, stilvoll eingerichtete Trinkhalle.

Ein lautstark herausgespuckter Schwall des Heilwassers aus dem Mund eines circa dreijährigen Mädchens im blauen Anorak, verbunden mit einem schrillen Quieken, zieht die Blicke der Umstehenden auf das Mädchen mit ihrer älteren Begleiterin, vielleicht ihrer Oma. Die Jacke der Oma ist nass besprüht. Das Kind wimmert weiter, sein Gesicht ist verzerrt. Es muss die Reste im Mund in das gereichte Taschentuch befördern. Die Oma, grauhaarig meliert, in karierter Jacke gekleidet, hatte das gefüllte Schnabelkännchen dem Mädchen gereicht, das einen kräftigen Schluck des heilenden Wässerchens nahm, um es augenblicklich im hohen Bogen wieder von sich zu geben. Selbst für Erwachsene ist der aufdringlich bitter-saure Geschmack der heilsamen Flüssigkeit gewöhnungsbedürftig. In der Brunnenhalle defilieren mehrere Kurende, die ein Gefäß, ein Kännchen oder einen Becher mit dem abgezapften Wässerchen in der Hand halten, quasi auf einer Kreisbahn um die Zapfstellen und schlürfen in Abständen von dem Heiltrank. Die surrealistischen Darstellungen der Wandgemälde geben Freiraum für mystische Deutungen. Die Rohrleitungen und Zapfhähne aus Kupfer glänzen. Wahrscheinlich werden diese in kurzen Abständen geputzt. Auch ich und mein Mann zapfen von der Glauber-III-Quelle, setzen uns abseits auf eine Bank und beobachten die Leute. Wir probieren das sehr kalte heilende Mineralwasser. Der Sulfatgehalt der einzelnen Heilwässer unterscheidet sich, wie die Angaben auf den an den Zapfhähnen angebrachten Schildern zeigen. Ein Wasser mit geringeremGehalt akzeptieren wir im Geschmack.

Es ist belustigend, anderen Trinkwilligen zuzusehen, wie sich deren Gesichtsausdruck skurril, komisch verzerrt. Besonders auf den Kindergesichtern sind wunderliche Gebärden erkennbar. Ein älterer Mann im dunkelgrauen Pulli füllt in eine Flasche ab, er setzt sich in eine mit kleinen Spiegeln ausgekleidete Ecke und trinkt in kleinen Schlucken, dabei nickt er anerkennend.

Wir nehmen noch Kostproben von vier weiteren Quellen. Das Wasser aus der Kirchenquelle schmeckt fad.

Im Freien wieder angelangt, verweilen wir sitzend, eine kleine Isoliermatte untergelegt, auf einer Mauer vor der Trinkhalle. Es ist Spätherbst. Die Sonnenstrahlen sind noch kräftig genug, um etwas zu wärmen, meine hellbraune Out-door-Jacke habe ich abgelegt. Kleine Wölkchen ziehen vorbei. In der Natur wechseln in dieser Jahreszeit die Farben. Viele Bäume haben die Blätter bereits verloren. An anderen sind die Blätter mit verschiedenen Brauntönen gemustert.

Die Räder haben wir an einen Baum gelehnt. Ich schaue die Promenade entlang. Im Sommer werden zwei Spuren Grünstreifen mit Blumen und Grasflächen den Spazierweg einsäumen. Im Vordergrund ragt die bronzenen Statue des einarmigen Franz-Joseph II aus der Fläche empor, der Flanierweg führt zur katholischen Kirche. Von links ertönen Operettenweisen und böhmische Volksmusikmelodien von einer Kapelle, die vor der Franzensquelle spielt. Von rechts aus dem angrenzenden Salzquellenpark höre ich Vogelstimmen aus den hohen alten Bäumen. Ich bin innerlich froh gestimmt. Wir haben an der Zapfstelle im Freien weitere Kostproben genommen und sitzen auf der Umrandung von Pflanzkübeln vor der Glauberquellenhalle von Franzensbad, das sich am Ende des achtzehnten Jahrhunderts etablierte. In der rechten Hand halte ich den Becher mit einerim Freien gezapften salinischen Abfüllung. Mein Mann reicht mir einen Zettel aus einerdaneben stehenden Box. Wir lesen gemeinsam. Aus der Glauber-IV-Quelle werden aus neunzig Meter Tiefe ein Liter pro Minute sulfathaltiges Wasser gefördert. Das Wasser durchfließt anscheinend langsam die salzhaltigen Schichten und kann viele Mineralien aufnehmen, über acht Gramm pro Liter beträgt der Sulfatanteil. Ab einem Gramm Mineralgehalt darf ein Wasser als Heilwasser bezeichnet werden. Wir probieren auch dieses Heilwasser in kleinen Schlucken. Bei dem extrem salzig-bitteren penetranten Geschmack halten wir unwillkürlich den Atem an. Es bedarf Überwindung, diesen angeblich gesunden Heiltrank zu schlucken. Wir verziehen dabei unser Gesicht. Mein Mann sagt, dass der Chemiker und Apotheker Glauber das nach ihm benannte Salz zur Alchemistenzeit im siebzehnten Jahrhundert entdeckt und es für viele Anwendungen eingesetzt habe. Wir kennen es ja als Abführmittel. Also können wir nicht allzu viel von diesem Elixier zu uns nehmen.

Wir gehen zu unseren Rädern, fahren an der Alten und Neuen Kolonnade, an Häusern vorbei, die mit Tafeln auf den damaligen Aufenthalt von Beethoven, Goethe, Mozart hinweisen und erkunden in dem riesigen Parkgelände den Geschmack der Wässer aus der Vielzahl weiterer Quellen. Das Wasser der Stanislavquelle, unweit der Statue Franz-Joseph I., findet mit einem angenehmen, leicht säuerlichen Mineralgeschmack unsere Zustimmung.

Wir probieren den Kuchen im Café Drei Lilien und fahren an der farbig angestrichenen hölzernen Parkeisenbahn vorbei quer durch das Parkgelände. Finken und Zeisige fliegen zwischen den Bäumen. Wir radeln weiter zum Schwanensee, zum Teich Amerika und zum Naturschutzgebiet. Am Seeufer beobachten wir Wildenten, Teichhühner, Brautenten. Auf den Feldern schwirren Lerchen durch die Luft. Morgens trillern sie ihre Melodie, tagsüber segeln sie hoch oben. Ihre schwarzen kreuzartigen Strukturen heben sich vom Blau des Himmels ab. Oft stürzen sie in die Tiefe, richten sich auf, wenden und schnellen zurück. Sie tragen feuchte Erde zusammen, sammeln Grashalme, schleppen diese in die Viehställe an Mauerritzen und verkleben sie dort mit ihrem Speichel zu halbkugelförmigen Nestern. Auf Stromleitungen sitzend, ruhen sie sich aus. zwitschern kurz ein Lied und fliegen wieder los. Nachts schlafen sie im Schilf des Seeufers.

Die Schwalben rufen in mir Erinnerungen hervor. Als Kind war ich oft beim Großvater auf dem Land. Jahr für Jahr nisteten einige Schwalbenpärchen im Kuhstall. Großvater hatte ein Loch in die Tür gesägt, gerade so groß, dass die Vögel ein- und ausfliegen konnten. Im Winter, wenn die Schwalben auf Wanderschaft waren, wurde die Öffnung abgedeckt, um Kälte abzuschirmen. Sobald im Frühjahr die ersten Schwalben gesichtet wurden, musste das Türloch wieder geöffnet werden. Eines Sommers stieg ich auf einer Leiter zum Nest der Vögel. Ganz nah beobachtete ich das junge Federvieh. Sieben Frisch-Geschlüpfte gierten mit weit geöffneten Schnäbeln nach Futter. Die Elternvögel mit den Würmern im Schnabel flogen ängstlich vor dem Zufluchtsort hin und her und aufgeregt durch den Stall. Sie gaben Laute von sich. Großvater bemerkte die Unruhe der Vögel. Langsam, schleichend kam er zu mir, verpasste mir eine Ohrfeige und holte mich von der Leiter. Es war das einzige Mal, dass er mir gegenüber handgreiflich wurde. Sonst war er ein lieber und fürsorglicher Opa.

Nach solchen Exkursionen klang der Tag mit Heilmoorpackungen und anschließenden ausladenden streichenden Bewegungen mit den Händen der Masseurin, die auf dem geölten Rücken Nullen und Achten formte, aus.

Während der Radtouren erinnerte mich immer wieder ein ständig kratzendes Gefühl im Rachen an ein Geschehen im Hals. Der Nachtschlaf wurde oft von permanenten Reizen im Rachen unterbrochen.

Mir wurde später klar, dass diese Tage für eine lange Phase die wunderbarsten der letzten Zeit bleiben werden.

Zuhause ließ ich einen Spezialisten, der sich mit Störungen im Hals- und Kopfbereich beschäftigt, in meinen Mund schauen, weil es Vorgänge dort geben musste, die mich nachts nicht ruhig schlafen ließen. Er gab mir ein Rezept für Lutschtabletten gegen Pilzinfektionen mit. Es trat keine Besserung ein. Nach einer erneuten Konsultation ging ich mit einem grünen Rezept für ein pflanzliches Mittel aus dem Sprechzimmer, ohne dass er meinen Mund und Rachen inspiziert hatte.

Wegen der nicht nachlassenden Schluckbeschwerden, die mich nun schon wochenlang quälten, ging ich zu einem anderen Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten, der mich nach Spiegeluntersuchung des Rachenbereiches sofort zur weiteren tiefgründigen Untersuchung in ein Krankenhaus überwies.

Mitte Dezember, nach einer eiskalten Nacht mit heulendem und brüllendem Sturm und zwar des Jahres, in dem die Covid-19-Pandemie ausbrach, erwachte ich im Bett eines Krankenhauszimmers nach einer schwachen Narkose. Es war eine Probe aus meinem Rachenraum entnommen worden, die Klarheit über die raumfordernde Neubildung von Gewebe bringen soll.

Mittels bildgebender Verfahren und der histologischen Untersuchung des Gewebes wurde die Situation am Ort des Geschehens genauer begutachtet.

Tage später teilte mir der Arzt das Ergebnis mit. Ich erwartete, dass er mir offen ins Gesicht sieht und die Wahrheit, die nackte Wahrheit sagt. Ich möchte, dass er mir offen, ohne Beschönigung die Vorgängeim untersuchten Gewebe erläutert und sagt, was zu tun sei. Manche Ärzte mit ihren undurchdringlichen Mienen enthüllen nicht immer vollständig die Wahrheit. Er legt dar, dass großflächig und weiträumig die Mandeln mit den Ansiedelungen fremder Zellen entfernt werden müssen. Der Defekt werde mit Gewebelappen aus dem Unterarm aufgefüllt, sagt der Arzt. Er verspreche mir, dass ich wieder gesund werde. Die Zeit nach der Operation werde stark meinen Körper belasten.

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In den Nachmittagsstunden des Montags im Dezember, Weihnachten ist nicht mehr weit, erhalte ich ein Bett in einem kleinen Zimmer im Krankenhaus. Wegen der Schwere der zu erwartenden Operation wurde ein Einzelzimmer genehmigt. Ich sitze auf dem Bettrand und schaue durchs Fenster zum Himmel, in die Ferne, auf weit entfernte Waldstreifen am Horizont. Es ist ein Sonnentag. Die Luft ist kalt. Vereinzelt kommen Wolken vorbei. Für lange Zeit wird wohl kein solcher Blick möglich sein. Ich bin innerlich aufgeregt. Ein leichtes Angstgefühl kriecht in mir hoch. Wie wird mein Körper reagieren? Wird wirklich alles gut, wie es der Arzt versprochen hat?

Am späten Nachmittag tritt die Anästhesie-Ärztin an mein Bett und verkündet mir, dass sie mich bei dem Schlaf im OP-Saal begleiten und ständig meinen Zustand überwachen werde. Das Essen wird eingestellt. Die Nacht schlafe ich kaum. Immer wieder kreisen die Gedanken. Ich habe manches gelesen. Einige Organe im Mund werden nach dem operativen Eingriff für immer geschädigt sein.

Zeitig in der Früh poltern Männer in blauer Montur mit dem Abfalleimer und dem Schrubber. Sie grüßen nicht und machen einen rabiaten Eindruck. Ein anderer Mann in blauer Arbeitskleidung, er scheint ein Pfleger zu sein, kommt mit einer Spritze, der berühmten Spritze vor Operationen, die mir alles gleichgültig erscheinen lässt. Er sticht massiv unter die Haut. Quasi ohne Gefühl. Er kümmerte sich nicht um die Stelle, wohin er stach, so dass sich teuflischer Schmerz einstellt. Die Hautpartien um den Einstich brennen noch lange nach.

Ein weiterer Blaumann fordert mich zum Liegen auf, er rangiert mich anschließend im Bett durch die Tür und jagt den Flur entlang, Etagen tiefer bis zum Wartebereich vor dem OP-Saal. Ich kann die Blaumänner nur als blaue Rüpel bezeichnen. Aufgrund ihrer Herkunft aus fernen Ländern scheinen sie dem weiblichen Geschlecht weniger Wertschätzung entgegen zu bringen.

Nun wird die Tür zum OP-Bereich geöffnet. Eine Schwester in Grün stellt sich vor, sie sei die OP-Schwester. Sie fragt mich, wie ich geschlafen habe. Ich werde gleich als Erste operiert. Mit weiterer Hilfe werde ich auf eine fahrbare Trage gewuchtet. Alle Spezialisten, die für meine Operation gebraucht werden, seien für den nichtalltäglichen Eingriff bereit. Dann kommt der Chefarzt, in Grün gekleidet. Er schaut die OP-Schwester fragend an. Sie habe mit der Patientin geredet. Anscheinend gehört es zur Obliegenheit der Schwester, Gesprächskontakt zu mir aufzunehmen. Der Chefarzt in Grün begrüßt mich. Er sagt, es werde alles gut gehen. Ich denke, das hoffe ich schon. Ich überlege, was heißt eigentlich gut. Es gibt so viele sinnverwandte Wörter dafür – von brauchbar, über mangelfrei bis gediegen, einwandfrei. Ich möchte, dass der Arzt eine gute Arbeit vollbringt. Goethe habe eine komplette Philosophie darin gesehen. Der Arzt hat mir versprochen, dass ich gesundwerde. Die dunkelhaarige Frau in Grün mit Mundschutz, die am Abend zuvor an meinem Bett war, nickt mir zu. Dann wird meine Trage in den OP-Saal geschoben. Helle gebündelte Lichtstrahlen aus großen Deckenlampen treffen auf den OP-Tisch. Die Anästhesistin sagt, dass sie nun das Mittel zum Schlafen einspritze, ich würde dann schlafen und vielleicht gut träumen.

Drei maskierte, grün-eingehüllte Männer treten in den Saal. Sie haben die Hände erhoben. Wollen sie sich ergeben? Hände hoch – wie Opfer. Nein, sie sind die Aktiven. Sie werden tief in mein Fleisch schneiden. In einem vorgeschriebenen Muster, nach einem bewährten Ritual werden sie in meinem Hals manipulieren. Mit geschickter Hand werden sie der verborgenen Wahrheit des Körpers auf den Grund gehen.

Sie unterhalten sich über Blumen und Garten, über Rosen und Stauden. Ich werde auf den Operationstisch gewuchtet. Garten, Blumen rufen Erinnerungen in mir hervor. Zinnien, Cosmea mochte ich besonders. Im Halbschlaf denke ich an meinen geliebten Garten, den ich zu Wendezeiten verlassen musste.

Mir kommt die Schilderung meines Großvaters in Erinnerung, wie meine Großeltern nach dem Krieg aus den enteigneten Ländereien des Gutsbesitzers im östlichen Deutschland eine kleine Parzelle erhielten. Im Traum erzähle ich es der Anästhesie-Ärztin. Mit der erhaltenen Neubauern-Urkunde sei ausgewiesen worden, dass meine Großeltern etwas Eigenes besaßen und auf dem kleinen Fleckchen Erde etwas anbauen konnten, das Mensch und Tier satt machte und so das Überleben der Familie sicherte. Das kleine Grundstück habe eine gewisse Selbständigkeit, eine Unabhängigkeit und eine persönliche Habe, die so als Gegenpol zum gemeinschaftlichen Eigentum und zu kollektiven Aktionen wirkten, verkörpert. Ich wurde später in das Kleingärtnerleben einbezogen. Wir haben keine fernen historischen Stätten vermisst. Es habe uns nicht in die Ferne gezogen. Dieses abgeschlossene kleine Fleckchen Erde sei für uns ein Sinnbild für Dauerhaftes, für individuelle Freiräume, für individuelle Freiheit gewesen. Es sei ein Stück Heimat, ein Ort der Ruhe, der Zufriedenheit, des eigenen inneren Friedens und der eigenen Betätigung gewesen. Mein Großvater habe berichtet, dass in der schweren Nachkriegszeit, in der meine Großeltern nie satt wurden, mit den eigenen Produkten aus dem Garten die prekäre Lebensmittellage aufgebessert worden sei. Er habe den Handwagen mit Wasserfass oder mit dem Mist der gehaltenen Ziege beladen und mühsam in die Gartenparzelle bugsiert. Mit viel Geduld sei jede kleinste gewachsene Kartoffel in der Erde gesucht worden.

Auch in den späteren siebziger, achtziger Jahren sei diese landwirtschaftliche Miniproduktion von großem Wert gewesen, wenn es Defizite in der Obst- und Gemüseversorgung gab. Der Garten habe oft als Ersatz für die fehlenden Möglichkeiten, in die Ferne zu reisen, gedient. Im entsprechenden Abstand zum Nachbargrundstück haben wir einige Obstbäume gepflanzt. Die Männer, meist in abgetragener, bequemer Kleidung haben im Garten ihre Werkstatt im Freien gesehen. Es seien oft die Dinge gebastelt und gebaut worden, die es nicht zu kaufen gab. Jede Latte, jedes Brett, jegliche Art Holz sei gesammelt worden. Wir Frauen, bei Hitze im Badekostüm oder vielfach in der praktischen einfachen Kittelschürze, die vorn offen war und übereinandergeschlagen, mittels Band zusammengehalten wurde, haben mit der Pflege von Stauden, Gemüse, Blumen oder mit der Bekämpfung von Schädlingen zu tun gehabt. Der Aufenthalt im Garten zum Wochenende, zu Feiertagen, zu Urlaubstagen seifür uns alle kostbar gewesen. Zum Wochenende habe sich unsere Familie im Garten getroffen. Ohne Anstehen vor Gaststättenhaben wir hier unter freiem Himmel Hausmannskost mit vielem frischem Gemüse aus dem eigenen Garten zubereitet. Der Garten sei am Wochenende unser Mittelpunkt gewesen, eben im Freien, frei von politischen Prinzipien und Bestimmungen, frei vom Druck gesellschaftlicher Organisationen und deren Versammlungen, frei von Hastigkeit und Geschäftigkeit. Meine Tochter habe als Kleinkind hier ungehindert spielen können. Erde, Holz, Steine, Wasser haben viele Möglichkeiten geboten. Anfangs habe ein kleiner Sandkasten oder ein Puppenbett im Grünen genügt - später habe mein Mann Seilbahnen und Winden gebaut. Mit dem Eintritt ins Teenageralter sei ihr schlagartig diese Art von Beschäftigung im Garten langweilig gewesen. Im Garten habe sie sich dann zum Bräunen, manchmal zum Relaxen, zum ganztägigen Faulsein auf der Liege oder im Gras aufgehalten.

Ich habe häufig mit den Nachbarn Kaffee oder Tee getrunken und stundenlang geplauscht.

Wir seien mit dem Rad über Nickern gefahren und haben dort Blechkuchen beim Landbäcker gekauft. Manchmal seien wir zum Schönen Otto nach Theisewitz gefahren, gleich übern Berg. Dort habe es die Ausschnitte von großen runden Kuchen von der Landfrau gegeben.

Wir haben ein kleines Gartenhaus auf dem Gelände gebaut. Jede Parzelle habe Stromanschluss und Wasser erhalten. Ein Schlauch, der an einem Gestell aufgehängt wurde und auf dem die Brause einer Gießkanne gesteckt habe, sei als Dusche an heißen Tagen genutzt worden.

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Jemand ruft meinen Namen. Kommt die Stimme vom Nachbargarten? Von wo ertönen die Laute? Endlich kann ich orten, dass neben mir der Operateur steht. Ich blinzele. Meine Augen fallen wieder zu. Sind Sie wach, fragt die Stimme. Antworten Sie bitte mit ja. Ich versuche unter Rasseln und Krächzen ein Ja herauszubringen. Es gelingt nicht. Wie tief ist solch ein Wort im Körper nach einer Operation vergraben. Es sind unüberwindbare Hindernisse am Ort, wo die Laute gebildet werden. Mit einem Augenzwinkern gebe ich kund, dass ich den Gegenüber wahrgenommen habe.

Ich will nicht wach sein. Nach einiger Zeit öffne ich blinzelnd meine Augen. Ich bin in meinem Zimmer. Ein Mann in dunkler Kleidung steht an meinem Bett. Halb im Unterbewusstsein vermute ich den Pastor. Ich schließe wieder die Augen. Was will er? Will er ein Gebet halten? Bin ich jetzt in der Endzeit? In einer Gnadenzeit?

Ich fühle mich schwebend. Schwebend über einem Abgrund. Ich klammere mich an den Wänden fest. Ich schaue nach oben, da gehen die Lebenden, sie kommunizieren, sie scherzen, sie sind ernst, sie haben es eilig, sie haben Spaß, sie ruhen. Ich will die Natur sehen, das Grün, die Bäume, die Sonne.

Ich schaue nach unten. Es ist dunkel. Geht es in die Unterwelt? Zum Hades? Schwarze Fluten stürzen in die Tiefe? Den Eingang zum Reich der Finsternis bewacht der dreiköpfige Höllenhund, er sorgt dafür, dass kein Toter das Schattenreich verlässt. Zähle ich laut Statistik zu dem einen Drittel, das mit den Bewohnern des Hades, mit den Schattengestalten spielen muss und die Krankheit nicht überlebt? Ich schaue nach oben, ich will bei den zwei Drittel in der Oberwelt bleiben. Mein Körper soll die Kraft aufbringen, dass ich nach oben klettern kann. Ich halte mich an Wurzeln und Ästen fest. Ich will nach oben dem hohen Himmelsgewölbe entgegen und im Gras liegend die vorbeiziehenden Wolken verfolgen. Ich entsinne mich an Bilderbücher, in denen die unten flachen und oben wie Blumenkohl emporragenden schwebenden Gebilde als Schäfchenwolken, im Alltag als Schönwetterwolken bezeichnet werden. Für mich widerspiegeln sie die Schönheit der Natur. Natur - das Ursprüngliche - Feld und Wald, Flora und Fauna. Ich bin als biologisches Wesen aus der Natur hervorgegangen, als Teil der Natur. da möchte ich bleiben. Ich will Freude am Leben haben. Ich möchte das Geheimnisvolle, das Schöne in der Welt wahrnehmen. Ich möchte Gefühl, Zuneigung, Liebe, Orientierungweiterhin spüren.

Ich habe jetzt kein Zeitgefühl. Zurzeit bin ich in eine Zeitlosigkeit versunken. Direkt aus dem Operationssaal wurde ich in mein Krankenhausbett gelegt und bin in eine Zeitlücke geglitten. Ich habe kein Gefühl für eine Zeitrechnung, kein Interesse am Zeitgeschehen. Ich fühle mich wie in einer Unzeit. Aber ich bin in der Gleichzeitigkeit, ich will die Tage erleben, die aus Morgen und Abend bestehen. Ich will zeitgenössisch beitragen, immer zur rechten Zeit anwesend zu sein, ich will mir aber auch Zeit lassen dürfen. Aber die Rechtzeitigkeit ist leider vorbei. Die bösen Wucherungen konnten nicht rechtzeitig entfernt werden. Der erste Spezialist hatte nicht professionell nach den Ursachen der Beschwerden gesucht und so die Zeit für das Fortschreiten der Wucherungen freigegeben. Jetzt ist für mich alles zeitlos.

Ich liege auf dem Rücken und kann mich nur millimeterweise bewegen. Meinen linken Arm muss ich stillhalten, aus ihm wurde Gewebe entnommen. Durch Schläuche bin ich an verschiedene Gefäße, Vorratsbehälter angeschlossen. Tage-, wochenlang, vielleicht über Monate werde ich auf dem Rücken liegen.

Ja, jetzt bin ich wach, ich habe leichte Schmerzen. Mir ist heiß, ich schwitze. Ein blauer Rüpel kommt und misst Blutdruck und Puls. Der Puls jagt. Mein Mann, der am Bett steht, sagt, das habe doch Ursachen, man müsse die Temperatur kontrollieren. Da ist er plötzlich mein Mann in seiner schwarzen Fahrradkleidung neben meinem Bett. Also doch kein Pfarrer, kein Bittgebet.Er wird mich jeden Tag besuchen.

Eine dunkelhaarige Schwester kommt, misst Fieber. Sehr hoch. Mein Körper ergreife Abwehrmaßnahmen, sagt sie. Ich schwitzte, das Hemd ist klitschnass. Sie bringt ein neues Hemd und zieht mich um. Alles sehr behutsam, einfühlsam, sehr gut pflegerisch. Sie redet mit mir, freundlich, rücksichtsvoll, feinfühlig. Ich soll nicht grübeln. Nein. Ich soll froh sein, dass ich die Tortur hinter mir habe. Ich soll mich entschließen, gesund zu werden. Warum entschließen? Ich will es! Das Kopfteil des Bettes erhöht sie. Ich sitze quasi im Bett. Ich mag die Schwester. Sie tut meinem Gemüt gut. Sie erinnert mich an die Gemeindeschwester Agnes im gleichnamigen Film, den ich wiederholt mit meiner Oma angeschaut habe. Sie hatte ihn immer bestellt und ich suchte ihn auf You Tube. Die gutmütige, hilfsbereite Art der Agnes, die auf einer weißen Schwalbe, einem Moped, durch die Dörfer der Oberlausitz zu ihrem Patientenkreis fuhr, hat mir immer gefallen. Mit Witz und Berliner Schnauze half sie, wo es möglich war. Einmal streikte sie quasi und blieb ihrer Arbeit fern, bis ein weltfremder DDR-Bürokrat seine Entscheidung korrigierte und einer bedürftigen Familie angemessenen Wohnraum zuwies.

Also gab ich fortan, für mich allein, der Schwester in meinem Krankenzimmer den Namen Schwester Agnes.

Der erschienene Chefarzt verkündet mir, dass das fremde Gewebe großflächig mit Sicherheitsabstand entfernt wurde. Er schließt über die Dauerkanüle weitere Infusionslösung mit einem Mittel gegen das Fieber an. Das Schlauchsystem wird also erweitert.

Eine Fachkraft in Blau soll Blut fürs Labor abnehmen. Sie sticht einmal, zweimal, dreimal. Sie trifft nicht das Blutgefäß. Ich weiß, dass hierfür immer besonderes Geschickt erforderlich ist, weil die Gefäße an der Hautoberfläche nicht sichtbar sind. In den Folgetagen werden sich blaue Flecken bilden.

Der Stationsarzt eilt herbei. Er beklopft den Unterarm, tastet, fühlt. Er scheint den Fluss des Blutes in den Bahnen erspüren zu können. Ein zarter Stich und Volltreffer. Die rote Flüssigkeit fließt in eine Spritze.

Es geht auf die Nacht zu. Die Schmerzen an der Wunde nehmen zu. Ich signalisiere dies der Nachtschwester. Sie mörsert eine Tablette, verrührt mit Wasser, saugt alles in einer Spritze auf und flößt es mir über die Nasensonde ein. Das Hemd ist wieder zum Ausringen nass, das Bettlaken auch. Sie holt zusätzliche Hilfe. Eine junge Frau, Schwester Elvira, mit braunen Augen, glatter Haut und dunklem Haar geht mit leichten, fast scheuen Bewegungen zur Hand. Sie lächelt. Ich erhalte neue Sachen. Abschließend legt sie mir eine feuchte Kompresse auf die Stirn.

Lange liege ich wach und höre das Neueste in meinem kleinen schwarzen Radio. Nach Stunden gleite ich in einen Halbschlaf und träume. An einige Fetzen kann ich mich am folgenden Tag erinnern: Ich schwebte wieder über diesem Abgrund des Hades und oben am Rand schaute meine ehemalige Direktorin der Oberschule im Süden Dresdens herab. Ich konnte nicht genau erkennen, ob sich ein leichtes Grinsen um ihren Mund legte. Vor Wut zog ich mich an der Wand des Abgrundes hoch und setzte mich auf den Rasen. Sie hatte mich zu Wendezeiten wegen meines roten Angehauchtseins aus dem Schuldienst entlassen. Im offiziellen Dokument stand, dass ich wegen Nichteignung aus dem Schuldienst entlassen sei. Sie selbst übermalte ihre rot-orange Tünche sehr rasch und trat mit gewendeten Ansichten in die Öffentlichkeit. So konnte sie ihre mephistophelischen Verstrickungen mit den Aufpassern, Horchern, Spähern, Kontrolleuren, Geheimdienstlern verbergen. In kurzer Zeit erhielt sie einen anderen Arbeitsplatz als Lehrerin. Ich unterrichtete damals die Kleinen. Mit Elan und Liebe brachte ich ihnen die Grammatik, den Satzbau, die gute Ausdrucksweise, das Rechnen mit linearen Gleichungen und Dezimalbrüchen bei. Nun wurde das Rechnen, Lesen, Schreiben politisch gesehen. Welch ein Hohn? Die Sieger spielten ihre Machtpose aus. Das alte Gewaltensystem wurde durch eine andere Macht ersetzt. Was für eine Ungerechtigkeit. Das war berufliche Ausgrenzung, praktiziertes Berufsverbot.

Das Poltern mit dem Abfallbehälter aus der blechernen Umhüllung, das Leeren des Containers auf dem Flur und das Wiedereinsetzen in sein Gehäuse reißen mich im diffusen Morgenlicht aus dem Halbschlaf.

Mein Hemd ist wieder durchgeschwitzt.

Am Nachmittag stützt mich mein Mann, als ich versuche, drei Schritte zum Fenster zu gehen. Ich schaue durchs Fenster und blicke auf Betondächer, große steinerne Oberflächen, tote Materie. Ich will keinen unbelebten, öden, geisterhaften, ungenutzten Stoff sehen. Ich möchte mit meinen Augen die Natur, die Bäume, das Gras, Lebendiges entdecken. In meinem Zimmer fühle ich mich eingesperrt, wie abgestellt. Alles eng, weiß, kühl. Ich fühle mich verlassen. Ich weiß, das Wort verlassen ist doppeldeutig. Auf das Schwesternteam ist Verlass. Das Ärzteteam ist zuverlässig und kompetent. Auf mich konnte man sich immer verlassen. Jetzt frage ich mich, ist auf meinen Körper Verlass. Wird mein Immunsystem verlässlich stark genug sein, meinen Körper widerstandsfähig zu machen? Ich möchte die Geräusche und Laute anderer Menschen hören. Ich wünsche die Kommunikation mit anderen Wesen. Ich will Teil der lebenden Umwelt sein.

Am späten Nachmittag werde ich in ein anderes Zimmer über den Gang mit Blick in den Park verlegt. Vom Bett aus kann ich die vorbeiziehenden Wolken am Himmel und die Spitzen der großen Bäume sehen. Schwarze vorbeifliegende Vögel fallen mir auf. Abends erblicke ich einzelne Sterne, die hellsten, die man in einer Stadt sehen kann. Nun kann ich die Aussicht genießen, wenn ich ein paar Schritte zum Fenster gehe. Im Zimmer stehen noch zwei weitere Betten. Davon ist ein Bett in Türnähe belegt. Eine Frischoperierte liegt regungslos darin.

Ich sitze in meinem Bett, anders geht es nicht. In meinem kleinen schwarzen Radio wird über Waldbrände in Kalifornien und über weltweit steigende Corona-Infektionen berichtet.

Seit Nächten konnte ich nicht ruhig schlafen. Mein Puls scheint noch erhöht. Das Fieber ist nur leicht gesunken. Also bitte ich um einige Schlaftropfen. Verdünnt mit Wasser, wird das Mittel über die Nasensonde in den Magen gespült.

Am Morgen verspüre ich starke Schmerzen im linken Arm, aus dem die großen Gewebelappen für das Loch im Mund entnommen worden waren. Schwester Lena berichtete mir, dass ich nachts aus dem Bett gefallen sei, längere Zeit vor dem Bett, wahrscheinlich auf dem linken Arm, gelegen habe. Man hätte mich nicht munter bekommen. Die Nachtschwester habe Verstärkung aus Nachbarabteilungen geholt. Zu Dritt habe man mich wieder ins Bett gehievt. Bei dem Fall sei auch der Schlauch meiner Nasensonde herausgezogen worden. Ein Arzt mit ernstem Blick erscheint an meinem Bett. Mit zielgerichteter Technik und rabiaten Griffen schiebt er ohne lokale Betäubung die Ernährungssonde durch die Nasenhöhle in die Speiseröhre. Ich könnte schreien vor Schmerzen.

In den Vormittagsstunden, nachdem der Inhalt des Beutels der Nahrung durch die Nasensonde gelaufen war, beginnen plötzlich von einer Sekunde zur anderen meine Gliedmaßen zu zittern, mein Bett scheppert, mein ganzer Körper vibriert, meine Zähne klappern. Ich drücke den roten Knopf. Nach einiger Zeit, mir erscheint es unendlich lang, aber ich habe kein Zeitgefühl, schaut Schwester Lena zur Tür herein und ruft überrascht: Oh, auch noch Schüttelfrost! Sie macht kehrt. Ruft etwas. Schwester Lena eilt zu meinem Bett, reißt die Folie vom Nachbarbett, nimmt die Decke und schleudert sie über mich. Sie will die Decke an der Schulter festzurren. Aber ich wirke dagegen. Krächze meinen Unwillen heraus. Am Hals, wo sich mehrere Wunden gegen den Druck wehren, schmerzt es in allen Richtungen. Ich kann mich nicht beherrschen. Meine Gliedmaßen lassen sich nicht bändigen. Der Stationsarzt erscheint. Mir wird eine Atemmaske über das Gesicht gestülptund über die Zentralleitung wird Sauerstoff zugeführt. Ich soll ruhig und gleichmäßig atmen. Allmählich lässt das Zittern nach. Die Temperaturmessung zeigt im Vergleich zum Vortag einen etwas geringeren Wert an. Das Fieber fällt langsam. Aus dem Labor, sagte man mir, sei signalisiert worden, die Entzündungswerte würden langsam sinken.

In den Nachmittagsstunden bringt mein Mann frische Wäsche. Ich gebe die gebrauchten Stücke wieder mit. Er wird sie waschen.

Am Abend verspüre ich ein zunehmendes Druckgefühl, eine Enge am Hals belastet mich. Die Luft wird beim Atmen knapp. Röcheln ist zu hören. Die herbeigerufene Schwester führt über die Atemmaske Sauerstoff zu. Der Stationsarzt ordnet sofortigen operativen Eingriff an. Einer der blauen Rüpel befestigt eine Sauerstoffflasche am Bett, drückt die Atemmaske auf mein Gesicht und rast mit mir durch die Gänge zum OP-Raum. Man manövriert mich auf den Operationstisch. Der Mann in Grün sagt zu mir, dass nichts weggeschnitten werde. Ich müsse besser atmen können. Die Schwester im Meeresgrün verkündet, sie gebe mir eine Spritze, dann werde ich in den Schlaf schweben. In der Tat fühle ich mich danach im Schwebezustand. Ich schwebe in Bildern der Vorzeit, vergangener Zeit. Ein Junge, den ich unterrichte, sitzt im Klassenzimmer auf einer Bank. Er hat Probleme, ‚g‘ und ‚k‘ zu artikulieren. Ich gebe ihm vor, wenn er sage: ‚Der Kuchen schmeckt gut‘, bekäme er ein Stück Kuchen. Ganz langsam, voller Konzentration, sagter: ‚Der Kuchen schmeckt gut‘. Ich reiche ihm aus meiner Tasche eine Portion Kuchen. Er isst. Im Eiltempo sagt er: ‚dr Tuchen hat tut teschmet‘.

Während der gesellschaftlichen Umwälzung im Osten werde ich aus der Schule suspendiert. Ein menschenwürdiges Dasein, ein Recht auf Arbeit wird mir untersagt. Mein verbürgtes Grundrecht wird mit Füßen getreten. Ich muss entschweben und die Beziehungen zu meinen Freunden, zu meiner gewohnten Umwelt, zu meinem Garten, zu meinen liebgewordenen Bezugsräumen, zur Stadt, zur Landschaft, zu meiner Heimat, zu meinen gesamten Lebensumständen, in denen ich verwurzelt bin, aufgeben. Ich schwebe über der Erde, über Wälder, Dörfer, Städte in westliche Gefilde, in Richtung einer mir fremden Umgebung und Ordnung, wo mein Abschluss als Lehrerin aus dem Osten nicht anerkannt wird. Ich muss eine andere Tätigkeit zum Anfängergehalt aufnehmen. Ich werde in meiner Freiheit beschnitten. Der Umgang mit Kindern, die Bildung von Heranwachsenden war immer meine Erfüllung.

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Ich wache in meinem Bett auf. An einem Band um meinen Hals ist eine Kanüle befestigt. Die Luftröhre ist geöffnet, in dem Spalt steckt die Kanüle. Man sagt mir, es sei eine Tracheostoma-Kanüle. Ich kann nicht sprechen. Die Luft wird nicht an meinen Stimmbändern vorbeigeführt. Es entsteht kein Laut. Kein Schall. Ich bin lautlos gestellt. Stimmlos. Kein Lippenlaut, kein Gaumenlaut, kein Rachenlaut, kein Doppellaut, kein Selbstlaut, kein Kehllaut. Ich kann nicht schreien, singen, lachen. Ich bin schweigsam, stumm, wortlos, mucksmäuschenstill. Von mir geht Totenstille aus. Mein Rachen, meine Mundhöhle, meine Zunge, mein Gaumen können nicht zusammenwirken und über die Stimmbänder einen Ton erzeugen. Die Stimmlippen wollen nicht schwingen. Mir bleibt nur die Körpersprache. Ich muss mich über Blickkontakt und meine Gestik und Mimik ausdrücken. Dann ist da noch die Schriftsprache. In kleinen Heftchen werde ich meine Gedanken aufschreiben. In meinem kleinen Radio hörte ich, dass Beethoven angeblich über vierhundert Konversationsheftchen benutzt haben soll. Bei ihm musste der andere Gesprächspartner schreiben, ich schreibe nun meine Gedanken auf.

Das Fieber sinkt weiter, die Entzündungswerte nehmen ab. Ich werde jetzt jeden Morgen zur Waage begleitet.

Tage später verkündet mir der Chefarzt während der Visite, dass die Histologen außerhalb des Wundrandes fremde Zellen gefunden haben. Was heißt das nun? Er hatte versprochen: alles wird gut. Er hat es gesagt: ich werde wieder gesund. Ich frage mich, sagen die Herren des Sachverhalts immer die Wahrheit, die nackte Wahrheit? Die Ärzte mit ihren verschlossenen Mienen, sagen sie alles? Für mich ist die Wahrheit noch verhüllt. Ich dachte, ich hätte es geschafft, es ginge aufwärts. War alles nur Illusion? Nur Wunschdenken? Nun diese Botschaft. Weiterhin am Abgrund zum Hades, diesem Zugang zur jenseitigen Unterwelt?

Total deprimiert sitze ich in meinem Bett. Was wird mich noch erwarten? Diese ständige Frage, darf ich weiterhin die Sonne sehen oder muss ich für immer in die Dunkelheit und ein bloßes Schattendasein fristen?

Einige Tage später erfahre ich, dass über sieben Wochen jeden Tag in der Woche mein Mund und Hals bestrahlt werde, kombiniert mit chemisch aktiven Stoffen soll die Wirkung verstärkt werden. Man will von den ehemals mehreren Milliarden böser Zellen bis zur letzten Zelle alle vernichten. Es soll alles rasch gehen, weil die Zellen weiterwachsen. Mir werden Stapel von Schriftstücken und Abhandlungen über Nebenwirkungen vorgelegt. Auf Unterlagen soll ich mein Einverständnis geben und unterschreiben. Soll ich zustimmen, dass meine Schleimhaut, manche Speicheldrüsen für immer geschädigt werden, dass es mir massiv übel sein wird, ich ständig trocknen Mund haben werde, dass ich Geschmacksverlust erleiden werde, dass meine Zähne angegriffen werden? Die Chemotherapie werde meine Denkprozesse und die Merkfähigkeit einschränken. Ich muss alles über mich ergehen lassen. Ich will gesund werden!

Ich liege sitzend in meinem Bett, bedrückt, traurig, apathisch, ohne Lust etwas zu lesen, ohne Verlangen nach einem Hörspiel. Ich möchte nicht einmal denken, einem Gedanken nachhängen, sinnieren. Ich liege nur lethargisch in meinem Bett.

Für die Vorbereitung der Radiotherapie müssen die Zähne durch eine spezielle Schiene geschützt werden. Zur Anfertigung dieses Hilfsmittels werde ich in die Innenstadt zur Zahnklinik gebracht. Die Sache ist schnell erledigt. Ich erhalte eine Schachtel mit einer dickwandigen Plastikschiene, die während der Bestrahlung meine Zähne schützen soll. Man stellt mich, im Bett liegend, in den Vormittagsstunden auf dem Flurbereich ab. Stunden vergehen, die Mittagszeit ist vorbei. Niemand nimmt Notiz von mir. Die Nachmittagsstunden rinnen dahin. Keine Menschenseele kümmert sich um mich. Ich erhalte keine Nahrung, kein Wasser. Ich kann niemand fragen oder um etwas bitten. Ich bin ja stimmlos gestellt. Ich schreibe meinem Mann eine SMS-Nachricht. Er antwortet mir später, er habe auf meiner Klinik-Station angerufen und die Antwort erhalten, dass der Rücktransport von der Zahnklinik veranlasst werde, er solle sich dorthin wenden. Die Zahnklinik ist in mehrere Einzelkliniken unterteilt. Er fragt sich, auf welchem Flur welchen Bereiches habe man mich abgestellt? Entsprechend Stadtplan nehme die Einrichtung eine Fläche ein, die zwischen drei Straßenzügen liege. Nach vielen Telefonaten mit Rezeptionen habe man mich auf einem Gang gefunden, erfuhr ich. Es war nach sechzehn Uhr. Ein Student brachte mir einen Beutel Nahrung und Wasser. Mein Transport sei angemeldet. Nach neunzehn Uhr sei auf erneute Nachfrage mitgeteilt worden, dass der Transportauftrag verloren gegangen sei. Einundzwanzig Uhr wurde ich auf meiner Station abgeliefert.

Am Folgetag nach dem Mittagsschlaf sehe ich auf dem Fensterbrett in meiner Blickrichtung einen farbenfreudigen Blumenstrauß. Ich werde an die Blumen und Gewächse auf meiner Loggia erinnert. Nebelhaft taucht das Bild meiner Heimkehr auf. Es verblasst rasch wieder. Es wird noch dauern. Mein Mann steht neben meinem Bett. Er blickt durchs Fenster in die Landschaft. Er fragt, was ich denke. Ich kann zwar nicht antworten. Aber eigentlich habe ich schon längere Zeit nichts gedacht. Ich habe das Denken nicht vermisst. Mir ist alles egal. Nein, Schmerzen habe ich keine. Schläuche, Kanüle, Verbände belasten mich. Aber Denken kann schmerzhaft sein. Ich muss mich auf vieles Belastendes einstellen, das noch kommen wird.

Viele, vieleTage später wird die Öffnung an meinem Hals mit einigen Stichen verschlossen. Der Schlauch durch meine Nasenhöhle ruft permanent ein Brennen hervor. Am Folgetag wird er entfernt. Eine Öffnung durch die Bauchdecke sorgt jetzt für die Nahrungszufuhr direkt in den Magen. Die Tage vergehen. Es wird mir nun verkündet, dass ich für einige Zeit nach Hause entlassen werde, ehe die für meinen Körper strapaziöse Tortur der Radiochemotherapie beginne.

In Decken gehüllt, sitze ich auf meiner Loggia und schaue auf Strauchwerk und Bäume. Amseln lassen sich auf der Brüstung nieder, hüpfen zu den Pflanztöpfen, picken darin, schleudern Erdbrocken heraus. Ich verhalte mich ruhig und lasse sie gewähren. Auf dem unweit entfernten Spielplatz höre ich Kinder lärmen. Sie jagen sich, werfen sich Bälle zu, schaukeln. Sie scheinen Spaß zu haben und kreischen. Mich stört es nicht. So ist das Leben. Ich war lange abgeschirmt davon. Das laute Quatschen und Rufen der Kinder ruft Erinnerungen an meinen geliebten Beruf hervor. Als etwas entfernt ein Eichhörnchen an einem Baumstamm umherklettert, kommt mir eine Episode in den Sinn. Ich denke an die Eichhörnchen, die im Winter die über das Jahr versteckten Eicheln suchen müssen. Es war während einer Waldexkursion, die ich mit meiner Klasse unternahm. Ein Förster begleitete uns. Er exerzierte mit den Schülernein kleines Spiel. Jeder Schüler erhielt zehn Süßigkeiten, die zu verstecken waren. Nach einem kleinen Rundgang sollten die Schüler die verborgenen Leckereien suchen, um sie verputzen zu können. Bei manchen Mädchen und Jungen gab es bitterliche Tränen, weil sie nur sehr wenige süße Schätze wiederfanden. Der Förster sagte, dass es so vielen Eichhörnchen ginge.

5

In wenigen Tagen ist Weihnachten. Nach den Feiertagen werde mit der Radiochemotherapie begonnen, sagte man mir.

Nachbars Kinder besuchen mich. Sie stellen mir einen Blumenstrauß auf den Tisch. Sie bedauern, dass sie in diesem Jahr keine Weihnachtsplätzchen mit mir backen können. Aber ich stelle ihnen meine Küche zur Verfügung. Ich könne ja von meinem Krankenlager aus die Anweisungen geben. Es könne sofort losgehen, gebe ich zu verstehen. Die zwei Geschwistermädchen holen ihre Schürzen, stellen in der Küche die benötigten Zutaten bereit, schalten den Backofen ein. Ich frage sie schriftlich, ob sie das Rezept für den Mürbteig noch wüssten. Ja, es sei doch so einfach zu merken:

eins – zwei- drei – und ein Ei. Ich frage noch, was sie nun abzuwägen hätten. „Also eins für Zucker, zwei für Butter und drei für Mehl“, sagt Julia.

„Für eine kleine Menge nehme ich also: 100 g Zucker, 200 g Butter, 300 g Mehl und ein Ei“, ergänzt Stefanie. Ich zeige ihnen, wo sie die Ausstecher finden. Die Mädchen wiegen alles ab, waschen sich die Hände, wie ich es ihnen immer aufgetragen habe und vermengen die Zutaten. Am Ende klebt der Teig an den Händen.

„Was mache ich nun? Wie kriege ich das Zeugs von den Fingern?“, stöhnt Julia. „Sucht im Schubkasten einen Schaber aus Plastik", schreibe ich auf einen Zettel.

Es dauert einige Zeit, bis die Teigreste von den Fingern gekratzt sind. Stefanie wartet, bis sie ebenfalls den Schaber erhält. Ich raffe mich auf und setze mich auf einen Stuhl in der Küche, um noch Anweisungen geben zu können.

Die Mädchen formen von einem Teil des Teiges eine Kugel, drücken sie etwas breit und rollen aus. Ich zeige ihnen, dass sie beim Ausstechen der Sterne, Monde, Tannenbäume und anderer Figuren stets die Ausstecher vorher kurz in Mehl tauchen sollen, damit der Teig nicht anklebe. Das Thermometer am Backofen zeigt bereits die erforderliche Temperatur von 180 °C an. Julia muss erst mal ihre Zubereitung kosten. Mit Ausrollen, Ausstechen sind sie längere Zeit beschäftigt. Ich deute ihnen, in welchem Schubkasten sie große Topflappen finden und gebe zu verstehen, dass es nach dem Backen günstig sei, mit einem Messer die Einzelteile auf dem Bleche zu lockern, einfach etwas verschieben.

Nach dem Backen könne das Gebäck mit Zuckerguss glasiert und mit buntem Zucker bestreut werden, versuche ich mit Gesten zu untermalen. Zuckerguss: wie beim Gipseinrühren, hier den Puderzucker ohne Rühren in warmem Wasser einsumpfen, bis der Zucker aus der Flüssigkeitsoberfläche herausschaue und dann erst rühren. Wenn sie Lust hätten, könnten sie aus Pappe eine Schachtel basteln und so ein kleines Geschenk gestalten. Ich mache für eine Schablone eine Skizze.

Nach einiger Zeit fragt Julia, ob es eigentlich schwierig sei, auch den Weihnachtsstollen selbst zu backen? Sie frage nur so theoretisch. Ich verweise sie auf ein altes Rezeptbuch, das auf einer Ablage in der Küche steht. Julia blättert, schlägtdie entsprechenden Seiten auf und liest laut das Rezept vor. Dann fragt sie, was Zitronat sei und weshalb es in den Stollen müsse.

Da mir das Sprechen schwerfällt, schreibe ich den Mädchen quasi ein Kurzreferat, dass es zu Vorwendezeiten im Osten beschwerlich war, die entsprechenden Zutaten zu beschaffen. Zitronat habe es nur einmal im Jahr in geringer Menge in der Kaufhalle gegeben, weil es gegen Devisen aus südlichen Ländern eingeführt werden musste. Und ausländische Währungen waren in der DDR knapp.

Die Backwarenindustrie sei erfinderisch gewesen. erläutere ich ihnen. In der Zeitung habe gestanden, dass gewisse Ersatzstoffe verwendet wurden. Für Zitronat grüne Tomaten und für Orangeat Möhren.

Aber ob grüne Tomaten nicht giftig seien, fragt Julia.

In der Zeitung habe gestanden, schreibe ich, dass der Ersatz genau wie Zitronat gemacht werde. Durchstechen der grünen Früchte, … wässern. Dann stufenweise ... über mehrere Tage mit jeweils konzentrierterer Zuckerlösung aufkochen und stehenlassen. So werde der Zuckergehalt systematisch erhöht. Zuletzt seien die geforderten etwa sechzig Prozent Zucker in der Frucht angereichert, erläutere ich ihnen. Die Beschaffenheit sei wie Zitronat und Giftstoffe wären nicht mehr drin gewesen. Und warum müsse das Zeugs überhaupt im Stollen sein, fragt Stefanie. Es solle die Stollen frisch und feucht halten. Aroma habe dieser Ersatz zwar nicht gehabt, er sei süß gewesen und habe Farbe gegeben.

Ob sie für Weihnachten auch noch ihren geliebten Heidesand backen könne, fragt Julia. Das Rezept wisse sie noch: eins – drei – vier. Ließe sich auch gut merken.

Also ein Teil stehe für Zucker, und zwar Puderzucker, drei Teile stehen für Butter und vier Teile für Mehl. Einen zweiten Ansatz wolle sie mit Kakao, also zusätzlich noch zwei gehäufte Esslöffel Kakao, bereiten. Julia erklärt Stefanie, dass dann lange runde Stangen geformt werden, etwa drei bis vier Zentimeter im Durchmesser.Zuletzt rolle man die Stangen in Kristallzucker und stelle sie für einige Stunden in den Kühlschrank. Ich schaue ihnen zu, wie sie alles vorbereiten. Sie sind für einige Zeit beschäftigt. Es will ihnen nicht recht gelingen, gerade, gleichmäßig geformte Stangen zu fertigen. Sie haben oft die Form von bauchigen Würsten. Sie stellen alles in den Kühlschrank und gehen für einige Zeit im Freien spielen.

Nach längerer Pause kommen sie zurück. Sie kontrollieren, ob die Teigstangen nun fest seien. Die Mädchen schneiten Scheiben ab, etwa fünf Millimeter stark. Julia wusste noch, dass es zum Backen gut sei, wenn sich helle und dunkle Scheiben auf dem Blech befänden. Man könne an der Bräune der hellen Scheiben sehen, wann der Backprozess beendet sei. Bei den dunklen sei schlecht zu erkennen, wann das Blech aus dem Ofen müsse, sie könnten leicht verbrennen. Und das Backen gelang auch gut. Julia wusste noch, dass die noch heißen Gebäckteile auf dem Blech verschoben werden mussten, damit sie nicht am Blech beim Erkalten anhafteten.

Wir sitzen noch einige Zeit in der Küche. Ich gebe zu verstehen, wo sie alles für einen Trinkkakao finden. Sie probieren ihr Backwerk. Ich kann nur zusehen und den Duft frischen Gebäcks aufnehmen. Ich schildere ihnen, dass im ostdeutschen Land in der Öffentlichkeit nicht von Weihnachtsfeiern, sondern von Jahresendfeiern gesprochen wurde. Und die erzgebirgischen holzgeschnitzten Engel wurden als Jahresendflügelfiguren bezeichnet.

Zum Heiligabend hatte ich in den vergangenen Jahren mit der Zubereitung der umfangreichen Abendmahlzeit stets viel zu tun. Mutter und Schwiegermutter hatten ihre traditionellen Vorstellungen vom Ablauf des Weihnachtsabends. Ich war auf die Hilfe meines Mannes angewiesen, der kurz vor Jahresende seiner Auffassung nach noch viel zu erledigen hatte. Am Heiligabend musste noch der Garten winterfest gemacht werden, so kam er erst spät nach Einbruch der Dunkelheit zurück. Oder widerborstig, wie er war, hatte er an einem anderen Weihnachtsabend das dringende Bedürfnis, entsprechend dem Ausspruch Oscar Wildes: Gesundheit sei die erste Pflicht im Leben, am Heiligabend Entspannung in der Sauna zu suchen. Anschließend ließ er sich von ehemaligen Kumpanen aus der Studentenzeit überreden, das Ende des Jahres am Tisch in der Kneipe sitzend, plauschend, in geselliger Runde redend, das alte Jahr zu begießen. Bei einem Bier blieb es nicht. Der Konflikt am Heiligabend war also fast immer vorprogrammiert.

Ich kochte vor Wut. Traditionsbewusst hatte ich meine eigenen Vorstellungen von Weihnachten. Beim Eintreten in die Küche schleuderte ich ihm nicht nur Worte, sondern auch den Rührlöffel entgegen und das Schneidebrett vor die Füße. Manche Wortfetzen, die aus mir prasselten, habe ich noch fast wörtlich in Erinnerung: „Wie ich deine Allüren, dein eigenwilliges Gehabe, deine plötzlichen Einfälle hasse. …Gerade an solchen Tagen sollte alles friedlich, …ja ruhig, ausgeglichen ablaufen. - Und was machst du? Das totale Gegenteil. Du bist so herzlos. Du hast kein Mitgefühl. Du bist ein totaler Egoist. Du denkst nicht an die Familie. Den Baum musste ich mit unserer Tochter allein schmücken. An der Seite fehlt noch ein Ast, da musst du ein Loch bohren und einen unteren abstehenden Zweig abschneiden und in das Loch stecken. Das Lametta war im vergangenen Jahr nicht sorgfältig in die Schachtel zurückgelegt worden, es war stark verknittert. Ich musste es erst bügeln. Du treibst dich in der Welt herum – du selbstsüchtiger Kerl.“

Die Situation war spannungsgeladen. Ich hatte meine Erwartungen vom Weihnachtsfest, ich pflegte das Weihnachtsritual. Für mich ist Weihnachten das Fest der Familie, von Kindheit an. Aber das verstand er wohl nicht. Als Kind hatte er keine Familie, er kannte keine Besinnlichkeit. Ich musste im Kreis der Familie das friedfertige, ausgleichende Weib spielen. Ich pflege die Tradition, die Bräuche. Weihnachten verbringt die Familie gemeinsam am Tisch.

Zum jetzigen Weihnachtsabend beteilige ich mich nicht an dem Wirbel der Speisenzubereitung. Ich bin krank, schwach und auch niedergeschlagen. Ich habe demzufolge ein Alibi. Ich sitze abseits in der Ecke der Couch und versuche gelassen, den Ablauf zu verfolgen. Ja, ich versuche es. Die von der Platte abgespielten besinnlichen Weihnachtslieder und die tragenden Konzertmelodien rufen in mir eine leichte deprimierende Stimmung hervor. Ich hatte viel über die bevorstehende weitere Therapie gelesen. Was werde ich noch aushalten müssen? Welche massiven Nebenwirkungen wird die kommende Gewaltkur haben?

Während zum Nachmittagskaffee die Familienangehörigen, Mutter und Schwiegereltern, Tochter und Mann den frisch angeschnittenen Weihnachtsstollen probieren, sitze ich weiterhin in meiner Ecke. Ich werde mit der ernährungstechnisch abgestimmten Sondennahrung versorgt. Als Flüssigkeit wird mir über das Schlauchsystem Salbeitee oder Wasser zugeführt.

Für das Abendessen muss wieder mein Mann aktiv werden. Er holt die dünnen, über ein Meter langen Bratwürste, die in Sachsen auch Weißwürste genannt werden, aus dem Kühlschrank. Er verdreht sie mehrmals, so dass sich kürzere Abschnitte bilden, teilt die Wurst und legt sie spiralförmig in vorgeheizte Pfannen zum Braten. Er benutzt zwei große Pfannen, damit die Würste nicht zu dicht aneinander liegen und durch den sich bildenden Dampf nicht platzen. Die dünnen Därme sind mit einer fein gecutterten Masse mageren Fleisches mit hohen Anteilen an Rind- und Kalbfleisch gefüllt. Im Unterschied zu den Münchner Weißwürsten werden sie gebraten, die Hülle ist von zarter Beschaffenheit, sie wird beim Braten schön braun und mitgegessen. Der Bratvorgang muss langsam ablaufen, damit die Würste nicht platzen.

An diesem Abend läuft alles ruhig ab. Mein Mann hatte keine Sonderallüren außer Haus umzusetzen. Der Weihnachtsbaum war gut gewachsen, die Äste sind gleichmäßig verteilt. In Vorwendezeiten musste die Stellung krummer Äste am Baum oft korrigiert werden, indem durch Anbohren am Stamm die abgeschnittenen Zweige nachträglich symmetrisch anordnet wurden, denn zum Verkauf kamen nur ausgesonderte Bäume. Auch hatte er bereits schon vor Tagen seine Geschenke mit Geschenkpapier eingepackt und mit Schleifen versehen. Nicht wie in vergangenen Jahren aus Zeitknappheit verklebt.

Auch der Kartoffelsalat war vorbereitet. Die Grundmischung würzte er mit Selleriesalz, gab gegarte Möhren und Erbsen und etwas gekörnte Brühe dazu und mischte Mayonnaise unter.

Nun wendet er die Bratwürste, legt noch delikate Wiener Würstchen ins heiße Wasser - zu Vorwendezeiten gab es Halberstädter Würstchen selten, aber meist vor Weihnachten zu kaufen. Unsere Tochter betrachtete sie als ihre Lieblingswurst, andere Wurstarten verschmähte sie.

Aus dem Keller holt er Getränke. Für den Glühwein, den es jährlich zu Weihnachten gibt, hat er bereits früh mit heißem Wasser einen Auszug aus den Gewürzen angesetzt. Dabei wurden die unterschiedlichen Gewürze wie Zimtstangen, Gewürznelken, Piment, Kardamom, Fenchel, Anis in einem großen Teesieb in einem Topf mit Deckel mit heißem Wasser übergossen und so extrahiert. Nun füllt er noch mit Rotwein und etwas Kirschsaft auf und erhitzt. Mit einem Thermometer kontrolliert er die Temperatur, sie soll achtzig Grad nicht übersteigen, damit der Alkohol nicht verdunstet, dann wird die Mischung in eine Glasteekanne gefüllt und auf einem Teeöfchen auf dem Festtagstisch platziert und mit einer Kerze von unten heiß gehalten.

In jungen Jahren erhielt unsere Tochter eine Mischung aus Kirschsaft und Johannisbeersaft, der ein Teil des Gewürzextraktes zugefügt war.

Als ich in vergangenen Jahren das festliche Mahl vorbereitete, legte ich die von Oma mit Weihnachtsmotiven bestickte Decke auf. In der Mitte des Tisches drehte sich die Pyramide mit den geschnitzten Figuren - Reh, Weihnachtsmann, Schlitten ziehende Kinder, Bäume. Auf Tellern standen brennende weiße und rote Kerzen. Zwischen den Tellern lagen Tannenzweige als Schmuck, kleine geschnitzte Holzfiguren und rote Miniglaskugeln. Auf der seitlichen Anrichte waren ein großer Nussknacker, ein Schwibbogen und einige Räuchermännchen mit Räucherkerzen positioniert, aus denen ein kräftiger Qualm drang und das gesamte Zimmer in diesen markanten, manchmal schon lästigen Weihnachtsduft versetzte.

Am Baum hängen einheitlich silberfarbene Glaskugeln aus Lauscha. Über die Baumspitze ist eine silberne Spitze gestülpt. In mittlerer Höhe hängen einige silberne Glöckchen. Zusätzlich füllen noch selbstgebastelte Strohsterne Lücken aus.

Das Weihnachtsessen verläuft nach erzgebirgischem Brauch. Die Eltern und alle Beteiligten waren übereingekommen, auch an diesem Weihnachtsabend die Tradition fortzusetzen. Es wird Neunerlei angerichtet.

Die beiden Mütter werkeln auch in der Küche. Es ist nur wenig Platz. Manchmal gibt es kleine Rempler.

Viele kleine und große Schüsseln sind mit unterschiedlichen Gerichten gefüllt, auf Platten sind Bratwürste und Würstchen platziert. Die Feiernden haben festliche Kleidung angelegt. Die Kerzen am Baum werden angezündet. Kurze Zeit später breitet sich im Raum ein Duft nach angesengten Tannenzweige aus. Die Kerzen werden neu gerichtet.

Kurz vor Beginn des Speisezeremoniells stehen alle am Tisch und mustern die Speisen und die Älteren kommentieren, welche Bedeutung den neun verschiedenen Gerichten zukommt. Die Bratwurst stehe dafür, dass die Kraft erhalten bleibe. Der Genuss von Sauerkraut soll verhindern, das Leben sauer werden zu lassen. Linsen sollen symbolisieren, immer etwas Kleingeld im Portemonnaie zu haben. Hinter Klößen und Hering stecke die Bedeutung, dass großes Geld nicht ausgehen solle, wobei es Klöße am ersten Feiertag gebe. Die roten Rüben sollen Glück, und das Heidelbeerkompott soll Freude ins Leben bringen.

Das Dessert mit den Weihnachtsmotiven kann ich nur bestaunen und den anderen guten Genuss wünschen. Mein Mann hatte aus Pappe eine Schablone mit Tannenbaum und Kerze gefertigt, die er auf die Teller für den Nachtisch legte und mit Kakao besiebte. Die Schablone entfernte er, Kakao bildete die Umrisse der Figuren. Kurz vor dem Auftragen hat er Schokoladen- und Vanilleeis auf den Tellern und daneben das Heidelbeerkompott mit einer Rosette Schlagsahne obenauf angeordnet.

Seitlich auf der Anrichte ist eine Platte mit Dresdner Stollen platziert, daneben steht das Teeöfchen mit dem Glühwein. Das Licht der Flamme lässt den Glühwein von unten imposant rot erleuchten. Das Getränk wird nach dem Essen gereicht. Zum Essen gibt es Hagebuttentee, Wasser und Limonade oder nach Wunsch Bier.

Die vielen schön angerichteten, wahrscheinlich sehr schmackhaften Sachen auf dem Menütisch kann ich mir nur anschauen. Unterschiedliche Gefühlen wallen in mir auf. Die Lust, von allem probieren zu wollen, kämpft mit depressiver Stimmung, die besagt, dass die normale Nahrungsaufnahme, wie sie jeder Mensch zu sich nimmt, für sehr sehr lange Zeit nicht möglich ist. Ich verlasse heimlich den Ort mit dem Speisenangebot und ziehe mich ins Nebenzimmer zurück.

Im Bett liegend, höre ich über die Kopfhörer meines kleinen schwarzen Radios Kommentare über Weihnachtsbräuche in anderen Ländern. In Polen gebe es zum Weihnachtsabend zwölf vegetarische Gerichte, die an die zwölf Apostel erinnern sollen, dazu würde Karpfen gegessen. Eine Rote-Beete-Suppe fungiere als Vorsuppe. Auch in Tschechien liebt man den Karpfen zu Weihnachten. Zwar würde dieser lange vorher lebend gekauft und quasi als Heimtier in der Badewanne gehalten, bis er am Heiligabend geschlachtet werde. Dänen und Finnen trinken auch gern Glühwein oder Punsch. In Dänemark sei es üblich, Hand in Hand um den Weihnachtsbaum zu tanzen. Die Engländer versammeln sich am Lichterbaum und lassen die Weihnachtsansprache der Queen auf sich wirken. Ich denke noch über unsere Weihnachtsfeste vergangener Jahre nach. Von der Platte wurde Weihnachtsmusik abgespielt, Peter Schreier sang Weihnachtslieder. Nach den konfliktreichen Situationen zwischen mir und meinem Mann hatten unsere Mienen wieder friedliche, entspannte Züge angenommen. Liebevoll und ganz versöhnt begegneten sich unsere Blicke. Nach dem Essen gab es Glühwein und Stollen, Printen und andere Lebkuchen.

Im Kindesalter der Tochter war es ein weihnachtliches Ritual, die Schallplatte mit Friedrich Wolfs Hörspiel Weihnachtsgans Auguste zu hören. Unsere Tochter kannte jede Einzelheit fast auswendig - mit der Familie Löwenhaupt, der Haushaltshilfe, den Kindern und mit dem Opernsänger Löwenhaupt, der betonte: Aber etwas muss man doch fürs Herze tun. Die Kinder, Elli, Gerda, Peterle, hatten eine tiefe Freundschaft zur Gans Gustje entwickelt, die nicht als Weihnachtsbraten verwendet werden durfte.

Nach dem Abendessen erfolgte die Bescherung. Dafür hatte sich ein gewisser Ablauf eingefahren. Schon in den Nachmittagsstunden holte jedes Familienmitglied einzeln, vor dem Blick der anderen schützend, seine Geschenke. Gut verpackt oder nur leicht umhüllt und mit einem farbigen Band dekorativ versehen und legte jeder sein Präsent auf die Weihnachtsdecke unter dem Baum und deckte alles mit einem Tuch ab, so dass nicht zu sehen war, was sich darunter befand. Auf Kommando versammelten sich alle nach dem Essen um den Baum, jeder zog die Abdeckung seiner Überraschung beiseite und übergab liebevoll seine Geschenkpakete. Jeder suchte sich eine Sitzgelegenheit, Meist saß ich mit Tochter gleich auf dem Fußboden neben dem Baum. Während heute das anscheinend unnütze Geschenkpapier mit Karacho abgerissen wird, um möglichst schnell an den Inhalt zu kommen, gingen wir mit Bedacht und Gelassenheit an das Objekt, das der andere ausgesucht hatte. Wir betrachteten das Päckchen, fragten uns, was wird wohl darin sein, ob es vielleicht die kleinen Wünsche erfüllen wird?

Ich hatte allen Beschenkten beigebracht, das Geschenkpapier vorsichtig abzuziehen, es sollte nicht einreißen, denn es musste im kommenden Jahr wieder verwendet werden. Das war eine Grundregel, eine Verhaltensweise für das Leben in der Mangelwirtschaft.

Ich erinnere mich an Geschenke früherer Jahre. Zu DDR-Zeiten suchte ich oft wochenlang in Konfektionsgeschäften nach einer modisch-schicken Kleidung, die kein Einheitslook sein sollte, keinen Universalschnitt in gleichen Farben aufwies, die meinen Körper nicht nur vor Außenwelteinflüssen schützen sollte. Nein, meine Klamotten sollten auch eine ästhetische Aussage treffen, sie sollten ein Lebensgefühl ausdrücken…eine Stimmung vermitteln…meine Persönlichkeit unterstreichen. Gerade in einem realsozialistischen Land wollte ich mich modisch, individuell, eben chic kleiden. Ich war gegen den Konformismus in der Mode. Es war schon genug, wenn im politischen Denken Einheitlichkeit gefordert wurde. Nicht auch noch in der Lebensweise. Die überalterte Obrigkeit mit ihrem begrenzten Weltbild merkte nicht, dass die Bekleidungsindustrie verkrustet gewesen war. Keine Mode. Internationale Trends wurden nicht beachtet.

Auf solchem Background war ich überglücklich, dass ich zu Weihnachten von meinem Mann zwei superaparte, modische Blusen und eine stilvoll bestickte Hippie-Tunika oder ein anderes Mal ein elegantes Samtkleid, mit einigen Perlen bestickt, geschenkt bekam.

An weitere Begebenheiten meiner nachgesonnenen Tagträume kann ich mich nicht erinnern, ich muss dann eingeschlafen sein.

6

Nach den Weihnachtstagen muss ich für die Behandlung mit den ionisierenden Strahlen ein Zentrum aufsuchen. Auch bestimmte Chemikalien werden mittels Infusion in meinen Körper eingeführt. Sie werden die Tumorzellen töten aber gleichzeitig auch die gesunden Zellen angreifen. Mein Körper wird eine kolossale Reparaturarbeit leisten müssen.

Ich reihe mich in der Klinik in die Wartenden ein. Am anderen Gangende sitzen die Bestrahlten in der Abklingzeit mit Schalen in der Hand. Einige übergeben sich. Nach dem Aufruf meines Namens werde ich durch eine Kabine in einen Raum mit der großen Maschine, ein Übermoster, geleitet. Man sagt mir, dass die Strahlendosis am Anfang niedrig sei und allmählich gesteigert werde. Ich erhalte auch eine Plastikschale, die für den Hals eine Einbuchtung hat. In den Mund über die Zähne wird die gefertigte dicke Zahnschiene geschoben. Auf einer Pritsche liegend, wird mir der Kopf in einer Vorrichtung positioniert. Wie in der Haltung des Maikäfers, in Rückenlage, alle viere von mir gestreckt, muss ich erstarrt das Procedere über mich ergehen lassen. Eine große Maske, die die Form eines Motorradhelms und in der Mitte ein Mundloch hat, wird über meinen Gesicht gestülpt. An Hals und Kiefer werden die Haltebacken festgezurrt. Die Schultergegend wird fixiert. Es drückt. Ich darf mich nicht bewegen. Ich bekomme Angst. Ich komme mir vor, als würde ich von einer Lawine erdrückt. Festgeschnallt mit Haltegurt, eingeschränkt, fühle ich mich eingesperrt, leichter Schweiß bricht aus. Die ungewöhnlichen Betriebsgeräusche verstärken meine Beklemmung. Aber ich muss mich ganz ruhig verhalten und ausharren, bis die mir unendlich vorkommende Zeit vorbei ist. Ich muss lernen, an etwas Bestimmtes, an etwas Schönes, vielleicht an ein Sommererlebnis zu denken, um mich abzulenken, denn ich muss nun viele Wochen überstehen. Ein Signal beendet die Prozedur. Ich bin wieder frei. Nach der Bestrahlung darf ich wieder nach Hause. In den folgenden Tagen schwellen die bestrahlten Körperpartien an.

Fast zwei Monate, wochentags täglich, werden die Strahlen das Gewebe an meinem Hals treffen und die Erbsubstanz der Zellen schädigen. Ich hoffe, dass die entstehenden hochtoxischen freien Radikale weitestgehend nur die Erbsubstanz der bösartigen Zellen zerstören. An diesem Ort der Auseinandersetzung, auf dem Kampfplatz sollen die bösartigen Zellen gehindert werden, dass sie sich weiter auf gesunde Gewebezellen stürzen und diese im Wachstum umprogrammieren. Das darf mein Immunsystem nicht zulassen. Mein Körper soll meine Kräfte sammeln, er soll gemeinsam mit den chemischen Kriegern das Heer der Widerwärtigen vernichten.

Täglich werde ich ins Zentrum gebracht und bestrahlt. Jeweils Mitte der Woche erfolgt die Behandlung mit den chemischen Stoffen, die die krankheitsverursachenden Zellen abtöten und die schnelle Teilung der bösartigen Zellen unterbinden sollen. Aber diese chemischen Killer wirken auch auf gesunde Zellen. So entstehen die Nebenwirkungen.

In der dritten Woche nach Beginn der kombinierten Radiochemotherapie belastet mich abends Übelkeit. Wir mörsern den Säureblocker ganz fein, suspendieren mit Wasser und flößen über die Magensonde ein. In den folgenden Nachtstunden macht sich im Hals ein Engegefühl bemerkbar. Die Atmung wird beeinflusst, Röcheln ist hörbar. Ich bekomme Atemnot und Angstgefühle. Der Rettungsdienst muss mich in die Notaufnahme des Klinikums bringen. Mir wird sofort die Atemmaske mit Sauerstoffzufuhr übergestülpt. Ich erhalte ein Bett in der Strahlentherapie.

In den Vormittagsstunden wird wieder die Luftröhre geöffnet und ich muss erneut über Kanüle atmen. Tracheostoma. Geblockte Kanüle. Kein Laut kann aus meiner Kehle kommen. Die Kommunikation erfolgt wieder über Notizen in meinem Konversationsheftchen.

Als ich aus dem OP-Saal zurück in mein Zimmer im Erdgeschoss, gebracht werde, ist das Nachbarbett belegt. Die Frau wartet auf ihre radioonkologische Behandlung. Für sie steht Normalkost bereit. Sie stöhnt über die kugeligen, mehligen Erbsen auf ihrem Teller, die sie anscheinend nicht mag. Wie gern würde ich die Mahlzeit, langsam genießerisch kauend, zu mir nehmen. Aber ich kann es nicht. Mein Kau- und Schluckapparat streikt ja.

Mit steigender Strahlendosis nehmen in der Folgezeit, in den folgenden Wochen die Begleiterscheinungen zu. Die ständige Übelkeit initiiert in mir Abneigung gegen eine Nahrungsaufnahme. In meinem Mund beginnt es zunehmend zu schmerzen, die Mundschleimhaut hat sich entzündet. Die Haut am Hals färbt sich dunkel, an Stomaeingang bilden sich Schmerzzonen. Ein Pflaster hinter dem Ohr mit einem Opiat vermindert die Beschwerden etwas. Ich frage mich, wann gehen die ersten Haare aus. Ich mache mich in der Klinik in einem Shop mit Perücken vertraut. Welcher Haarschnitt würde mir stehen? Welche Haarfarbe soll ich wählen?

Man sagt mir, dass bei zunehmenden Schmerzen im Mundbereich Morphiumgaben Entlastung bringen würden.

Die Schwellungen am Hals nehmen zu. Schlucken ist nicht möglich. Werde ich jemals wieder ein Stück Brot kauen können? Wird in Zukunft noch etwas köstlich sein?

Gedanken an die Vergangenheit, an genussfreudige Momente flammen in mir auf. Der Erste Mai war für mich etwas Besonderes. Nicht etwa der rote Anstrich zum Inhalt des Tages war das Bemerkenswerte, denn im Kalender war der Tag als Kampf- und Feiertag der Werktätigen ausgewiesen. Für mich war das Datum in kulinarischer Hinsicht eine Besonderheit. An vielen Plätzen hing der schon von weitem wahrnehmbare auffallend charakteristische Duft nach Erbsensuppe aus dem fahrbaren Kochgerät der militärischen Truppe in der Luft. Diese markante Geschmacksnote der Zubereitung aus dem speziellen Behältnis, auf der Straße gekocht, war nicht ohne weiteres von einem Wald- und Wiesenkoch zu kreieren. Wenn manche meinten, das Gericht stinke, war für mich der Verzehr der Speise und die Wahrnehmung durch mein Riechorgan ein Hochgenuss, etwas Nichtalltägliches, eine genussfreudige Spezialität.

Aus lukullischer Sicht zehre ich jetzt von der Erinnerung. Bleibend in meiner Rückschau sind auch die Grillabende auf der Wiese hinter unserem genossenschaftlichen Wohnhaus. Eingehaust von Bäumen und Sträuchern gab der Grill die mit dem Duft gebratenen Fleisches und brutzelnder Zwiebeln vermengten Rauchschwaden an die Umgebung ab. Mit viel Appetit und in heiterer Stimmung verschlangen wir förmlich die Köstlichkeiten. Mit Gemeinschaftssinn saßen alle Mitbewohner um die wohlige Wärmequelle. Von diesem Miteinander und dieser Verbundenheit war bald nach der Wende nichts mehr zu spüren. Der Individualismus triumphierte dann.

Auch die Treffen mit Freunden, an denen Kalbsrouladen, mit eingerollter Gewürzgurke, Zwiebeln, Senf, Pfeffer, braungebraten, mit gehaltvoller Soße, gereicht wurden, sind noch zurückblickend labend in meinem Gedächtnis.

Um nicht kleinherzig zu werden, rufe ich lieber solche Erinnerungen nicht mehr wach. Ich brauche mir keine Gedanken über die Zubereitung von Speisen, über schmackhafte, abwechslungsreiche Kost zu machen.

Eine Ärztin sagte vor einigen Tagen, dass auch ein Geruch aromatisch, delikat, erfrischend sein könne. Wie soll ich das verstehen? Geruch als Ersatz für schmackhaftes Essen? Nur Zufuhr von Kalorienträgern? Dies womöglich dauerhaft nur über Sonde?

Klar. Mein Körper wird über die Sonde mit allen notwendigen Stoffen, mit den Bausteinen, den Energiespendern, den Regulatoren, den Vitalstoffen versorgt. So wird das reibungslose Funktionieren der Abermillionen Zellen in meinem Körper gewährleistet.

Schwermütig liege ich auf meiner Lagerstätte. Die Infusionslösung mit der Killersubstanz ist an meinem Körper angeschlossen. In der Tropfenkammer des Schlauchsystems sehe ich, wie im mäßigen Abstand die Tropfen fallen. Die Zufuhr der chemischen Keule ist für mich stets eine außergewöhnliche Belastung. Ich schließe die Augen.

Im Nachbarbett wird eine junge Frau platziert, die auf den medizinischen Eingriff wartet. Sie erscheint hektisch, lebhaft. In kurzen Abständen steht sie auf, zockelt durch den Flur, kommt zurück, wirft sich auf die Matratze, hört Radio, telefoniert und verlässt wieder den Raum. In den späten Nachmittagsstunden erhält sie Besuch.

Blinzelnd durch meine fast geschlossenen Augenlider sehe ich eine nicht enden wollende Menschenschlange, die durch die Tür quillt und sich ringsherum auf dem Rand ihres Bettes gruppiert. Ein sehr Korpulenter mit einer Wampe, wie in Bayern gesagt wird, quetscht sich zwischen die Aufgereihten. In der Normalbevölkerung zeugt der Bierbauch von alkoholischer Disziplinlosigkeit. In Bayern werden damit Standpunkt und Überzeugung verteidigt, Lebensfreude und Bodenständigkeit signalisiert. Auch Luther mit seinem Weinbauch konnte bis zu vier Karpfen zu einer Mahlzeit vertilgen. Im sehr lauten Redeschwall berichten die Besucher über ihre Tages- und Nachterlebnisse. Ein Schwarzhaariger mit Sonnenbrille zieht seine Jacke aus und lässt seine neueste Tätowierung bestaunen. Ich denke, böse Jungs lieben Sonnenbrillen. Laut und ausführlich berichtet er über seine jüngste Anschaffung eines Gefährts mit hohem PS-Antrieb und erquickendem Fahrgefühl.

Diese detaillierten Schilderungen dringen zwar in meine Ohren, aber gleichzeitig kommen mir Gedanken an unsere Fahrten mit dem Trabant, unsere ersten Benzinkutsche, dem ostdeutschen Vehikel der breiten Masse, in den Sinn. Ein Fortbewegungsmittel ohne Fahrkomfort.

Es war an einem Gründonnerstag vor Ostern, für uns das Fest des zunehmenden Lichtes im Frühling. Der Bezug auf die germanische Frühlingsgöttin, auf die Lichtgöttin, auf das Licht überhaupt, entsprach unserem philosophischen Empfinden. Wir fuhren zu den Sorben, bei denenzahlreiche volkstümliche Bräuche gepflegt wurden. Osterfeuer, Osterhase, Ostergebäck, Eierbemalen, österliches Eierverstecken, Osterreiten waren für uns Symbole dieses Frühlingsfestes.

Wir hatten uns als Familie in den Trabant gezwängt und fuhren auf der Autobahn in Richtung Bautzen. Mein Mann mit seiner großen Gestalt musste beim Fahren stets stark die Beine anziehen, so dass, sarkastisch ausgedrückt, die Knie nur wenig von den Ohren entfernt waren. Kaum waren wir eine Stunde gefahren, musste er aufgrund der ungewohnten Körperhaltung aussteigen, um sich strecken und gymnastische Übungen machen zu können. Erholungswert hatten solche Fahrten nicht, es war durch die Enge eine Qual, mit dem Trabant zu fahren. Um den fehlenden Fahrkomfort vorzuführen, musste man nicht über Feldwege fahren. Es reichte aus, Straßenbahnschienen zu überqueren, um das Fehlen jeglicher Annehmlichkeit wie brauchbare Stoßdämpfer zu demonstrieren. Der Wirbelsäule wurde dann stets ein kräftiger Schlag versetzt. Die aus geschichtetem Flachstahl gefertigte Federung des Trabants hatte nur geringe Federwirkung, jede Unebenheit übertrug sich auf die harten Sitze und so direkt auf die Insassen und deren Knochengerüst. In diesem Gefährt fuhr man nicht – man ritt. Oft wurden die Mitfahrenden kräftig durchgeschüttelt. Löcher, Straßenerhebungen, ausgebesserte Vertiefungen auf den Straßen zwangen, das Tempo auf zwanzig und darunter zu drosseln, sie waren Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit. Jeder Orthopäde – sein Einfluss im Lande vorausgesetzt - hätte das Wägelchen auf den Index gesetzt. Bei Fahrten in den Urlaub wurde der gesamte Platz im Fahrzeug ausgenutzt. Unter den Sitzen steckten Kochgeschirr, Schuhe, Klapphocker; die Rückbank war mit Koffern und Kleidungsstücken, mit Zelt und Luftmatratzen hoch belegt. Nach Bautzen hätte man die Fahrstrecke in einer halben Stunde bewältigen können. Aber in Vorwendezeiten waren an dieser Autobahn keine Ausbesserungen vorgenommen worden. Die Autobahn hatte fast schon Schrottwert, die Verbundmasse zwischen den Platten fehlte, die Spalten zwischen den Betonplatten waren tief ausgewaschen, die Platten hatten die Lage verändert, an vielen Stellen war die Betonfläche so schadhaft, dass die Metallverstrebungen zu sehen waren. Es hatte den Anschein, als würde man sich auf Bahnschwellen fortbewegen, ein ständiges Rumpeln, Schütteln, Hoppeln.

Aber die Strapaze wurde belohnt. Wir wohnten im Schloss Rammenau, das vom Fichte-Museum verwaltet wurde. Nach mehrmaligem Besitzerwechsel im achtzehnten-neunzehnten Jahrhundert wurde es im barocken Architekturstil umgebaut, innen war es klassizistisch eingerichtet. Es diente als Sommerresidenz.

Die Zimmer wurden von der Museumsleitung für zehn Mark die Nacht vermietet. Ein Schlossrestaurant sorgte für die Bewirtung. Unsere Tochter erhielt ein Turmzimmer und war glücklich, wie eine Märchenfigur nächtigen zu können. Es war innen mit Blumenmotiven und Ranken bemalt und hatte ein Himmelbett mit Tüll. Die durch Sprossen in mehrere kleine Fensterflächen unterteilten Fenster verliehen den Eindruck, als befände man sich im Turmzimmer von Dornröschen. Also wurde das Zimmer Märchenzimmer getauft.

Zum Leben von Johann Gottfried Fichte, der in Rammenau geboren war, gaben viele Schaukästen Auskunft. Wir lasen eine sehr interessante Episode, wie aus dem kleinen Gänsehirten Johann Gottfried, der aus sehr armen Verhältnissen stammte, ein weltbekannter Professor und Philosoph wurde. Es wurde berichtet, dass der ansässige Freiherr von Miltitz einmal verspätet zum Gottesdienst in die Rammenauer Kirche kam, die Predigt war schon vorbei. Man brachte ihn mit einem Jungen zusammen, der Gänse hütete. Es wurde nachgesagt, der Junge hätte ein ausgezeichnetes Gedächtnis, dieser konnte zum Erstaunen des Freiherrn nicht nur wörtlich, sondern auch mit guter Gestik und Mimik die Predigt bis ins Detail wiedergeben. Und dieser Freiherr von Miltitz hatte den jungen Fichte an die Fürstenschule gebracht und ihm danach ein Studium in Jena finanziert.

Für das Ostereiersuchen versteckten wir im Schlosspark hinter Sträuchern, neben Parkbänken, hinter Baumstümpfen Schokoladeneier, die in glänzender farbiger Aluminiumfolie eingewickelt waren, und andere mit Folie umhüllte süße Figuren - eben alles, was so zu Ostern verschenkt werden konnte. Als nach der Einnahme des Frühstücks unsere Tochter animiert wurde, im Park nach Osterpräsenten zu suchen, und die Familie die Parkwege entlang ging, war ein wildes Vogelzwitschern und Krächzen zu vernehmen. Die Vögel stritten sich. Schnell hatten wir entdeckt, dass überall dort, wo wir etwas versteckt hatten, die Vögel wie wild umher hüpften, pickten und versuchten, sich gegenseitig von der Beute zu vertreiben. Viele Amseln waren zu den jeweiligen Verstecken gekommen und pickten dort auf die bunten Eier und Figuren. Es dauerte einige Sekunden, ehe unsere Tochter begriff, dass die Amseln über ihre Ostergaben herfielen. Sie gestikulierte und wedelte mit den Armen und schimpfte laut, dass es ihre Süßigkeiten seien.

Am Sonntagmorgen wurde nicht lange getrödelt und zügig das Frühstück eingenommen, um beim Osterreiten im Bautzner Land, beim Flurumritt am nicht weit entfernten Kloster in Panschwitz, einen guten Zuschauerplatz zu ergattern, ehe die Massen, meist mehrere tausend an Zuschauern aus den weiter entfernten Orten eintrafen.

Auf dem Hof des Zisterzienserklosters St. Marienstern und in anderen Einfahrten zu Gehöften standen Männer im Frack und Zylinder, mehrere mit weißen Handschuhen neben ihren festlich, sehr phantasievoll geschmückten Pferden, die sorgsam gebürstet und gestriegelt waren. Die Mähnen waren geflochten, um den Schweif waren Schleifen mit bunten Stickereien gebunden. Mehrere Pferdegeschirre waren mit Metallbeschlägen und weißen Muscheln verziert. Auf vielen Pferderücken sah man bunt bestickte Decken. Alle Pferde standen ruhig an ihrem Fleck und warteten geduldig. Wegen Pferdemangels wurde eine größere Anzahl an Pferden von umliegenden, oft fünfzig bis einhundert km entfernten Orten für diesen festlichen Anlass ausgeliehen. Dann formierten sich mehr als hundert Reiter und Pferde zu dem Prozessionszug, vorneweg ritten die Fahnenträger. Die Reiter stimmten Kirchenlieder an, sie ritten zur Nachbargemeinde, um die Osterbotschaft zu überbringen. Von der benachbarten Pfarrgemeinde ritt ebenfalls ein Zug los, beide durften sich nicht begegnen. Das Osterreiten würde schon seit dem sechzehnten Jahrhundert praktiziert, erzählte ein Reiter, mit dem wir sprachen. Es sei ein alter sorbischer, vorchristlicher Brauch, bei dem durch einen Umritt ein magischer Kreis um die Felder gezogen werde, um so eine reiche Ernte zu erwirken.

7

Die sich in meinem Körper ausbreitende, durch alle Blutbahnen fließende Lösung der zelltötenden Substanzen lässt alle Glieder erschlaffen. Ich liege kraftlos, schwach auf meiner Krankenmatratze. Ich kann den Inhalt des Begriffes wie gerädert in all meinen Körperteilen spüren. Kurzzeitig flammen in mirAssoziationen zur wortanalogen Foltermethode des Mittelalters auf. Der Wortsinn dieser peinigenden Praktik hat sich über Jahrhunderte erhalten. Jeder weiß damit Empfindungen wie entkräftet, schachmatt, erschöpft, eben gerädert zu verbinden.

Ich möchte meine Ruhe, ich will etwas schlafen. Ich möchte ein wenig Kraft zurückgewinnen. es ist unruhig in meinem Zimmer.

Im Halbschlaf blitzen in mir Erinnerungen an die Zeit während meines Studiums in dem Gebäude des ehemaligen Königlichen Lehrerseminars im Tal der Freiberger Mulde im Erzgebirgischem Vorland auf, als es permanent Unruhe gab und ich keinen Schlaf finden konnte.

Wir waren in einem riesengroßen Schlafsaal untergebracht. Über dreißig aus dem elterlichen Gefilde entflohene junge Weiblichkeiten waren hier eingepfercht. Es gab keine Individualität. In einer permanentenGeräuschkulisse fand ich keine Entspannung, ich konnte abends nicht einschlafen, nachts nicht durchschlafen. Eine überaus stressige Situation. Die Tür zum Schlafsaal fiel sehr hart ins Schloss. Mit lautem Schlag prallte das Türblatt in den Rahmen. Permanent belasteten mich die Geräusche von Schritten. Bei manchen klang der Schritt, als hätten sie wie die Niederländerinnen Holzpantinen an den Füßen. Andere erzählten in ihren Pritschen noch längere Zeit. Manchen schien die Unruhe nichts anzuhaben, sie schliefen sehr schnell ein. Einige schnarchten wenig später. Aus allen Richtungen drangen Schallwellen an mein Ohr. Manch eine der wilden Hummeln redete im Traum: Nee Jonas - das globsch dir nisch. Küss misch lieber.

Manchmal begab ich mich auf den Innenhof, wenn ich nicht einschlafen konnte, setzte mich auf eine Bank und betrachtete den Mond. Ein Mondaufgang konnte schon sehr romantisch sein. Dunst und Wolkenschleier erzeugten eine stimmungsvolle Atmosphäre, in der wohl gern Gustav Carl Carus die Silhouette Dresdens an der Elbe gemalt hat.

Ich ging zurück in mein Bett und lauschte. Es war still. Wann kämen die Schlafkiller, wann gingen sie über den langen Holzdielenfußboden zur Tür, die immer hart und derb auf Holz schlug, wenn sie geschlossen wurde. Wann würde die Lady mit den Plastiksohlen zur Toilette gehen. Wann werde ich das schlürfende, quietschende Geräusch von Badesandalen hören? Wann wird der Schall von Holzpantinen ertönen? Wann wird die Stampfende mit dem militärisch derben, donnernden Schritt, wahrscheinlich von Pantoffeln mit sehr harter Ledersohle herrührend, durch den Raum staksen? Wo waren diese schlafraubenden Geräusche? Vorerst herrschte Ruhe. Aber viele Tage in der Woche raubten sie mir zahllose Stunden kostbaren erholsamen Schlafes. Sie hatten mich um die aktive Erholung der Stoffwechselvorgänge in meinem Gehirn gebracht. Wie sollte ich am folgenden Tag aufmerksam dem Seminargeschehen folgen, konzentriert Beiträge im Unterricht liefern und stundenlang nachmittags in trockener Literatur lesen und Aufgaben erfüllen können, wenn ich nicht ausgeschlafen war, wenn mir ständig vor Müdigkeit die Gedanken wegrutschten und vielleicht die Augen zufielen. Ich hätte mir gewünscht, dass jede von uns Mädels Filzpantoffeln anziehen sollte, wie es in manchen Museen üblich war. So wäreeinem Schlafentzug entgegengewirkt worden. Schlafentzug war Folter. Ich wurde quasi permanent gefoltert. Schädigung meinesImmunsystems und meiner Gesundheit konnte die Folge sein. Sonntags musste ich das Schlafdefizit ausgleichen.

Aber jetzt in meinem Klinikbett habe ich keine Möglichkeit zum Ausgleich. Mein Körper braucht augenblicklich Erholung.

Am Folgetag habe ich das Bedürfnis, frische Luft zu atmen. Ich fahre mit dem Aufzug ins Erdgeschoss, verweile kurzzeitig auf einem seitlich stehenden Stuhl und wackle dann langsam weiter, durch den Ausgang in den Park. Mein Blick streift über das Gelände. Ich suche einen freien Platz auf einer Bank. Ich setzte mich neben einen Mann mittleren Alters. Kurze Zeit darauf kramt er in seinem neben ihm liegenden Beutel, holt eine Blechschachtel heraus und öffnet sie. Er müsse eine seiner Krautwickel probieren, die ihm ein Freund gebracht habe. Verdutzt über das Wort schaue ich quasi fragend zu ihm. Ich zucke mit den Achseln. Den Begriff habe er aus einem Roman von Thomas Mann. Er zündet sich eine der Zigarren an. Eine kräftige Qualmwolke weht mir entgegen. Ich springe auf und deute mit Gesten den Platzwechsel an. Genießerisch zieht er dann an seinem Kraut. Es sei eine handmade Kubanische. Er schaut in Richtung Alpen. Er habe ein Bett in der sechsten Etage. Von dort könne man bei klarem Wetter das breite Panorama, die Gebirgskette mit den zerklüfteten Felswänden und den weißen Spitzen sehen. Es sei ein herrlicher Anblick. Er habe eindrucksvolle Aufstiege erlebt. Ich hebe einen Stein auf, halte ihn an meine Wange und schüttele mich, um die von dem Gestein ausgehende Kälte zu demonstrieren. Er kapiert und berichtet von seinen Bergwanderungen. Für ihn sei das Gebirge mit der besonderen Pflanzenwelt immer ein wunderbares, sinnliches Erlebnis gewesen. Ich weiß. In den gesunden Jahren war ich immer begeistert von der Vielfalt der blühenden Gewächse. Aber jetzt ist das Gebirge für mich nur eine leblose, anorganische Masse.

Tags darauf höre ich in meinem kleinen schwarzen Radio, dass die Maßnahmen während der Viruspandemie verschärft würden. Dies hat auch Einfluss auf die Besuchsmöglichkeiten im Klinikum. Mein Mann darf nur noch sonntags für eine Stunde kommen. Er legt in den Folgetagen nachmittags einem kontrollierenden Pfleger etwas Süßes auf den Tisch. Daraufhin darf er mich jeden Tag besuchen. Ich bin allein im Zimmer, im Kellerverlies der strahlentherapeutischen Klinik. An einem Tag kommt er bereits vor Schichtwechsel, vorschriftsmäßig mit Maske. Auf dem Flur der Station stürmt ein Geschwader von Pflegerinnen auf ihn zu und weist ihm den Weg nach außen. Teils wird er am Arm gezogen, teils wird er unter lauten Aufforderungen geschoben. Ich öffne meine Tür einen Spalt. Blitzschnell kann der Beutel mit Schmutzwäsche gegen den mit Frischwäsche gewechselt werden. Dann wird er durch die Außentür katapultiert.

Mir bleibt nur mein kleines schwarzes Radio, um etwas über die Außenwelt zu erfahren. Ich bin in meinem Zimmer eingesperrt. Deprimierende Atmosphäre. Ich bin mutlos. Lautlos. Ohne Stimme. Nur schriftliche Notizen im Konversationsheft für die Pfleger und die Ärztin. Es ist für mich belastend, der gesprochenen Sprache beraubt zu sein. Das einfache Mittel, sich mit anderen zu verständigen, Gedanken zu übermitteln, ja, Gefühle, Wünsche auszudrücken, steht mir nicht zur Verfügung. Ich bin eingeschränkt, die Welt, meine Umwelt zu erfassen, meine Meinung, meine Auffassung, meine Denkweise zu äußern. Mir bleibt nur die nichtsprechende Mitteilung. Welche Gesten, Blicke, welches Gebärdenspiel muss ich anwenden, um mich ohne Worte zu verständigen? Über WhatsApp kann ich schriftliche Korrespondenz mit meinem befreundeten und verwandten Umfeld führen. Hin und wieder erhalte ich Fotos von vertrauten Freunden. Aus meinem Kellerfenster sehe ich einige Sträucher vor einer Steinmauer. Von meinem Bett aus blicke ich auf weiße Wände. Keine Farben, die mich aufheitern könnten. Abgeschnitten vom pulsierenden, lebhaften Treiben.

Viele Tiere haben es gelernt, mithilfe bestimmter Erkennungszeichen zu interagieren. So praktizieren die Bienen eine bestimmte Tanzsprache. Andere Tiere geben kurze, eingliedrige Signale ab. Aber mir hat es im direkten Sinn die Sprache verschlagen - nicht nur als Redewendung. Ich bringe keine Worte hervor. Ich kann nicht schlagfertig, sprachgewandt, wortgewandt sein, Nicht, dass mir die Worte fehlen. Sie sind in meinem Kopf, aber ich kann keine Worte hervorbringen. Gern würde ich mit der Sprache rausrücken.

In den Nachtstunden finde ich keinen Schlaf. Ich muss mich bemühen, bestimmte Gedanken nachts nicht zu denken. Ich möchte noch einmal etwas Wirkliches erleben. Freude haben. In den Morgenstunden schlafe ich ein. Träume ich im Halbschlaf oder ist es schon ein Nachdenken? Wie viel Leid, Qual und Schmerzen wären mir erspart geblieben, wenn der zuerst behandelnde Arzt seinen Job sachkundig gemacht hätte? Die aggressiven Zellen haben ein rasantes Wachstum. Nach wenigen Tagen verdoppelt sich die Zahl der bösartigen Zellen. Was wäre mir alles erspart worden, wenn Monate früher, also zur ersten Untersuchung, die lebensbedrohliche Situation erkannt worden wäre. Vielleicht hätte eine kleine Operation ausgereicht? Es hätten höhere Heilungsaussichten bestanden. Ich hätte zum jetzigen Zeitpunkt bereits wieder Freude am Leben. So weiß ich nicht, welche bleibenden Schäden mich belasten werden.

Die Ärzte malen keine rosigen Aussichten. Ich werde wohl bleibend mit der Kanüle leben müssen und dauerhaft die Nahrung über die Sonde eingeflößt bekommen. Aber kennen die Ärzte die Wahrheit? Können sie die Zukunft voraussagen?

Ich habe meine Augen geschlossen. Im Halbschlaf liegend, höre ich in meinem kleinen schwarzen Radio ein Feature, in dem Goethe Mephisto zu Faust im Hochgebirge sagen lässt, dass der Lebende hoffen soll. Ich will wie Goethes Tasso in allen Dingen immer hoffen. Hoffen ist besser als Verzweifeln. Ich will leben. Leben bringt Hoffnung. Aber Hoffnung hilft auch zu leben. Ich bin innerlich fest entschlossen, wieder eine akzeptable Lebensqualität mit täglichen Freuden zu erlangen. Ich fokussiere dieses Ziel, auch wenn die Ärzte noch nicht den Weg wissen, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Ich lasse mich nicht entmutigen. Vielleicht lassen sich doch störende Hindernisse beseitigen.

Für mich ist die Hoffnung ein Glaube. Ich glaube, dass ein Weg gefunden werden kann, dass ich wieder frei mit anderen kommunizieren kann, dass ich wieder frei heraus lachen und auch mal fröhlich singen kann, dass ich eine Speise durch meinen Schlund befördern kann. Ich bin voller Erwartung, Zuversicht und Hoffnung. Ich halte fest an dem, was ich hoffe.

Über die Kopfhörer meines kleinen schwarzen Radios höre ich ruhige getragene Klaviermusik dahinfließen. Violine und Violoncello geben feinfühlig und heiter die Obertöne an.

Bei Beethovens Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande kommt Wohlbehagen in mir auf. Bei der Szene am Bach fühle ich mich in die Atmosphäre der freien Natur versetzt und erfahre durch die Streicherstimmen in der Fantasie die Wellenbewegungen des fließenden Baches. Wie auf einer Waldwiese liegend, nehme ich die von der Flöte imitierten Vogelstimmen wahr. Der Ablauf eines Gewitters mit Regen, Sturm, Blitz, Donner bringt in mir Naturassoziationen hervor. Kurzzeitig fühle ich mich in der offenen natürlichen Umwelt - in Wald und Flur.

8

Nach sieben Wochen ist die Radiochemotherapie beendet. In einer Anschlussbehandlung in einer Klinik am Rand der Alpen soll die Heilung fortgesetzt werden.

Wir fahren in Richtung Chiemgauer Alpen. Gedankensplitter kreisen in meinem Kopf. Vor Jahrzehnten nach der gesellschaftlichen Umwälzung im Osten sah ich das erste Mal das hügelige Voralpenland mit den kräftig grünen Wiesen, zwiebelförmig gedeckten Kirchtürmen, grasenden Kühen und im Hintergrund das Bergpanorama mit teils schroffen, gezackten, weißen Gipfeln und darüber den blauen Himmel. Damals kam in mir Freude und Begeisterung, innerer Jubel, ein verzückendes Gefühl auf. Es war für mich ein atemberaubender Blick. Alles erschien mir traumhaft schön und lieblich.

Jetzt, während der Fahrt zur Klinik, sind die riesenhaften Bergspitzen für mich kalte Berge. Teile der Erdkruste, Mineralien, leblos.

In der Heilstätte, in einem Tal zwischen hohen unbewaldeten Berggipfeln gelegen, erhalte ich ein Patientenbett mit verstellbarem Kopfteil in einem kleinen, spartanisch mit zusammengewürfelten älteren Möbeln eingerichteten Krankenzimmer. Nach einer ersten Untersuchung wird die geblockte Kanüle an der Öffnung der Luftröhre gegen eine andere ausgetauscht, die einen Aufsatz mit einer Membran hat und es ermöglicht, dass ich blechern, krächzend klingende Laute von mir geben kann.

Nach Tagen, an denen Sprech- und Schluckübungen durchgeführt wurden, ergibt die Kontrolle, dass eine Schluckstörung vorliege. So hat eine Untersuchung mit einem sogenannten Blauschluck, einem stark gefärbten, eingedickten Getränk, ergeben, dass die Speiseröhre durch die Bestrahlung geschädigt wurde und so stark verengt ist, dass keinerlei Material durch sie transportiert werden kann. Man erklärt mir aber auch, dass für den Schluckvorgang mehrere Muskeln im Mund- und Rachenbereich zusammenwirken müssen. Die Zunge drücke sich an den Gaumen und mache wellenartige Bewegungen, der Gaumensegel werde angehoben, es bilde sich ein Wulst und beide verschließen die oberen Luftwege, der Kehldeckel werde an das Zungenbein gezogen und überdecke den Eingang zu den unteren Luftwegen. Huh, mache ich. Das klingt sehr kompliziert. Normalerweise laufe alles automatisch ab. Aber jetzt sei der Vorgang gestört. Die vielen kleinen Muskeln arbeiteten nicht zusammen. Sie hatten monatelang Ruhepause und wurden auch durch die Bestrahlung geschädigt. Ich frage mich, haben sie ihre Funktion eingestellt? Sind sie nur in einer Schlafphase? Müssen sie aufweckt werden? Oder sind sie durch die Operation geschädigt? Sind Nerven geschädigt? Und ich werde nie wieder schlucken können? Nie wieder köstliche Speisen genießen können? Ich soll meine Zunge nach unten rechts und nach oben links bewegen. Aber sie will nicht. Sie ist träge. Sie kann keine wellenartigen Bewegungen zum Rachen vollziehen. Sie liegt fast unbeweglich in meinem Mund.

Ich bin niedergeschlagen. Mit steil hochgestelltem Kopfteil sitze ich in meinem Bett, in dieser Stellung Tag und Nacht, und schaue aus dem Fenster auf die unweit entfernte Felswand, die oben mit Schnee bedeckt ist. In den Mittagsstunden scheint für kurze Zeit seitlich die Sonne auf die Gesteinswände und gibt ihnen ein plastisches Aussehen.

Täglich zur Mittagszeit, in der für wenige Stunden die Sonnenstrahlen längs ins Tal fallen und auf die Passanten scheinen, tausche ich den Sprechaufsatz an der Kanüle gegen eine sogenannte feuchte Nase, die durch den enthaltenen Schaumstoff die eingeatmete Luft anwärmen und anfeuchten soll, aus. Ich nehme meine Stöcke und wackele, mich auf die Stöcke stützend, langsam, Schritt für Schritt, die Straße an der Klinik entlang Richtung Kirche und dem angrenzenden Kloster. Auf der Strecke verweile ich, ausruhend für einige Zeit, auf der Sitzgelegenheit an der Bushaltestelle, um dann leicht wippend, weiter zu gehen. Ich bin noch schwach. Im Klostergarten setze ich mich auf eine Bank. Die Glocke der Kirchturmuhr schlägt zweimal, also zur halben Stunde. Es herrscht Ruhe und Stille. Zeit zum Besinnen. Einige Vögel flattern im Klostergarten von Baum zu Baum. Eine Amsel mit gelbem Schnabel, also ein Männchen, pickt in lockerer Erde. Eine zweite fliegt herbei, wohl das Weibchen. Fliegen. Ich fühle mich in Gedanken wie ein Vögelchen, das aus dem Nest geschubst wurde. Verklebtes Federkleid. Nur angedeutetes Flattern möglich. Ich möchte zurück in ein freies unbeschwertes Leben. Wieder frei fliegen können.

Die Uhr schlägt zur vollen Stunde, erst viermal, dann ertönt die Anzahl Schläge für die gültige Stunde. Danach ist das Geläut einer anscheinend kleinen Glocke zu hören. Ein heller Klang. Vielleicht wird das Signal zum Nachmittagsgebet gegeben. Als Jugendliche durfte ich in der Kirche meines Geburtsortes die Glocken läuten. Ich brauchte viel Kraft, die großen Metallkolosse in Schwingungen zu bringen. Für mich sind Glocken faszinierende Musikinstrumente. Sie sollen die ältesten Musikinstrumente der Menschheit sein. Schon vor über fünftausend Jahren sollen sie im fernen Asien, anscheinend in China, bekannt gewesen sein. Viele haben die Jahrtausende überstanden. Mir geht eine Geschichte durch den Kopf, die über Napoleon erzählt wird. Einerseits soll er einer der Eifrigsten gewesen sein, der Glocken zu Kanonen umschmelzen ließ. Andererseits war er glühender Verehrer dieser Klanggeber. Auf seinen Feldzügen soll er ganze Armeen stillstehen lassen haben, um einem Geläut zu lauschen.

Ich kehre zurück, verweile wieder für kurze Zeit im Wartehäuschen. Dann sitze ich im Bett und konzentriere mich mit den bedruckten Blättern mit Anweisungen auf die täglich mehrmals durchzuführenden Übungen. In verschiedenen Tonlagen – tief – hoch:

Ku – ki – ke

Piti – putu – pete

Ti – ne – ku

Kek –hok – hik – huk

Ich muss singen: alle meine Entchen schwimmen auf dem See.

Mein Mann öffnet zum Besuch die Tür und hört mein Krächzen. Draußen, in der Natur sei es reizvoll und schön, sagt er. Die Sonne blinke auf meinen imaginären See. Nicht weinen. Er deklamiert die nächste Strophe.

Alle meine Täubchen gurren auf dem Dach,

gurren auf dem Dach.

Fliegt eins in die Lüfte,

fliegen alle nach.

Ich solle mir die Taube als Symbol für die fernen Tage vorstellen. In der biblischen Sintflut-Erzählung komme der Taube die Rolle der frohen Botschaft zu.


- Ende -
 
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