Stinklaune

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Manche Frauen sahen aufregend aus, wenn sie wütend waren, sie nicht.
Mit versteinertem Gesicht, in das ein Vorwurf eingemeißelt war, saß sie mit durchgedrückten Armen hinterm Lenkrad ihres Autos.

Sein Magen verkrampfte sich. Sie hatten noch 14 Stunden Fahrt vor sich. Wieso sagt sie nicht offen, worüber sie wütend war? Meinetwegen soll sie auch brüllen! Aber sie und brüllen! Niemals. Sie lehnte Aggression ab und ahndete sie mit Höchststrafe: Liebesentzug.

Er rutschte auf dem Beifahrersitz hin und her und drehte an der Radioskala. Schon während er nach einem Satzanfang suchte, einen Hebel, mit dem er behutsam ihren Panzer knacken könnte, war ihm klar, dass er keinen finden konnte.

Nach zehn weiteren Kilometern entfuhr es ihm: „Was ist denn los, sag doch mal was?“

Ihr starrer Blick auf die Fahrbahn erstickte seine aufkeimenden Kommunikationshoffnungen.
Sie drückte sich vorm Ausdruck, fraß in sich rein. Und das Resultat konnte er in ihren grauen maskenhaften Zügen ablesen. Ein kaltes Gefühl durchlief ihn. Jetzt hätte er gerne eine Zigarette geraucht, aber er hatte ja aufgehört, und sie leidete es sowieso nicht.

Er versuchte locker zu wirken. „Ich konnte deinem Vater nicht mein Auto bringen, weil ich noch packen musste! Verstehst du, die 2 Stunden die es mich gekostet hätte, die brauchte ich, um das Haus zu säubern, zu packen und mich reisefertig zu machen.“

Dann, über 100 Kilometer nach Antritt der Fahrt, entfuhr ihr ein galliger Halbsatz : „Da zählt man schon einmal auf dich ....“

Mehr kam aus ihrem Mund nicht heraus, so sehr er auch hinschaute. In ihrem Kopf schien eine schwere, düstere Symphonie zu toben. Sie streckte die Arme noch straffer durch und sog hörbar Luft durch bleiche Nasenflügel. Die eisige Wucht ihrer Animosität drückte ihn gegen die Seitentür. Überfrierende Blässe, dachte er.

Wie sollte er das aushalten? Sie waren noch nicht mal bei Hannover. Der Mittelstreifen der Autobahn war seine einzige Ablenkung. Jetzt war nicht die Zeit, über Kfz-Zeichen Witze zu machen. Hier herrschte Krieg. Kein offener Grabenkampf, wo man den Gegner einschätzen lernt, sondern aus verborgenen Schießscharten wurden hier Geschosse abgefeuert, die alle nur ein Ziel hatten: Sein Herz!

Diese subtile Form der Aggression empfand er als noch gefährlicher, weil sie nicht einzuschätzen war.

„Wenn du wüsstest, wie enttäuscht ich von dir bin.“, sagte sie mehr zum Rückspiegel. Dann kramte sie einen Pfefferminz aus der Tasche.

Irgendwann hinter Göttingen fuhr sie auf eine Raststätte und wollte Plätze tauschen.
Sie tranken rasch zwei Depressos und sprangen dann wieder ins Auto. Sie setzte sich auf den Beifahrersitz und schlief bald ein, währen er, nun selbst bitter gestimmt, zu ihr rüber schaute und dachte, „Na toll! Jetzt muss ich nur noch zwei Stunden warten, bis ich wieder mit ihr reden kann!“

Er fuhr vorsichtig die Abfahrt zur nächsten Raststätte an und hielt sanft an den Toiletten. Sie zog sich die Jacke über den Kopf und knurrte. Er griff seine Tasche vom Rücksitz und lehnte die Tür nur an. Witternd schaute er über die drei Fahrspuren und war schon bald auf dem Mittelstreifen. Er griff die Tasche noch fester und setzte mit Schwung über die Leitplanken.
 

Zefira

Mitglied
Hallo Doktor,

wo will er denn hin...? Egal, der pfiffige Dreh am Schluß erinnert mich an den schmerzlich vermißten herb :D

Was mir nicht so gut gefällt, sind die wertenden und erklärenden Zwischenbemerkungen.

>Sie drückte sich vorm Ausdruck, fraß in sich rein.< (Die Wortwiederholung in "drückte" und "Ausdruck" ist ohnehin nicht schön)

>In ihrem Kopf schien eine schwere, düstere Symphonie zu toben. <

Und vor allem diese ganze Passage:
<Kein offener Grabenkampf, wo man den Gegner einschätzen lernt, sondern aus verborgenen Schießscharten wurden hier Geschosse abgefeuert, die alle nur ein Ziel hatten: Sein Herz!

Diese subtile Form der Aggression empfand er als noch gefährlicher, weil sie nicht einzuschätzen war. <

Wenn Du insgesamt breiter erzählen würdest, wäre es vielleicht was anderes... aber gerade dieser zugespitzte, pointierte Schluß paßt nicht zusammen mit der vorherigen deutenden Erzählweise. Ich würde alle diese Passagen hinauswerfen, lieber evtl. den Dialog verlängern....

meint
Zefira
 
Danke, Zefira.
Du hast mich einmal mehr auf meine schlechte Angewohnheit hingewiesen, "wertende und erklärende" Hinweise zu geben.
Ich lerne immer mehr, mir die zu verkneifen. Dank für den Tip.

Ja, Herb hat seine Zelte in der Lupe abgebrochen, gell?
Aber ich hab trotzdem noch Kontakt mit ihm.

Liebe Grüße
 
Hallo Zefira!
Es soll nicht so aussehen, als belasse ich es bei meinem vorherigen lapidaren Kommentar. Ich zögere noch, die Passagen rauszunehmen. Und den Dialog zu erweitern ist auch schwierig, weil die Frau ja in der ganzen Geschichte knapp anderthalb Sätze sagt. Es ist ja ein innerer Monolog des Mannes, der da abläuft. Und er denkt halt auch solche Sätze wie: "In ihrem Kopf schien eine schwere, düstere Symphonie zu toben", oder ".....noch gefährlicher, weil sie nicht einzuschätzen war."

Aber ich habe deine Anregung aufgenommen, genau auf die Form zu achten, in der Figuren sich bewegen - und ob man da irgendwie den allwissenden Autor dahinter hört.

Mit freundlichen Grüßen
 
S

Stoffel

Gast
Hallo,

wenn er das dann am Ende macht, dann muss ja schon ziemlich viel vorher schon im Argen gewesen sein. (Jahre lang dasselbe Verhalten von ihr, das ihn zermürbt und stinkig machte)Dann müsste es mehr raus zu lesen sein, wie sehr in das..nicht nur auf dieser Fahrt, sondern IMMER schon, ihn mit nahm.
Du wechselst auch die Erzählweise. Mal aus seiner Sicht, dann gibt es wieder einen Erzähler.
Ich denke auch, wenn man mal laut wird, hat das nicht gleich etwas mit "Aggression" zu tun. Es entläd ja auch und befreit, so das hinterher wieder alles gut sein könnte.

Oh je..da haste mir ja was in rinnerung gerufen.*smile*
Ich war auch mal so blöde, auf einer Fahrt. Statt klar zu sagen, was ist...könnt mir aber heut nicht mehr passieren.

Du nennst es "Krieg".Ist es wohl auch irgendwie. Aber es ist ja nicht ein einmaliges Geschehen..sonst würde "er" ja nicht gehen.
Habe meine Gedanken, Erzählform, Vorschläge einfach mal in Deine Geschichte, rein kopiert. Vieleicht kannst davon ja was verwenden?

lG
Stoffel

Es gibt Frauen, die sogar sehr aufregend aussehen können, wenn sie wütend sind. Aber nicht sie.
In ihrem versteinerten Gesicht war wieder ein Vorwurf eingemeißelt und regungslos saß sie mit durchgedrückten Armen hinterm Lenkrad ihres Wagens.
Sein Magen verkrampfte sich, wie immer. Es lagen noch 14 Stunden Fahrt vor ihnen und es wäre ihm wohler, würde sie offen darüber reden, was sie wütend machte. Aber das tat sie nie! Solch Verhalten ahndete sie mit der Höchststrafe: Liebesentzug.

Unruhig rutschte er auf dem Beifahrersitz hin und her und drehte etwas nervös am Knopf des Radios. Und schon, während er nach der Möglichkeit zu einem Satzanfang suchte, mit dem er behutsam ihren stacheligen Panzer knacken könnte, war ihm klar, dass er keinen finden konnte.

Nach ungefähr zehn Kilometern nahm er sich dann doch ein Herz, atmete tief ein und sah sie an: "Was ist denn los, sag doch mal was?"
fragte er sie ruhig.

Aber ihr Blick ruhte ernst auf der Fahrbahn und erstickte seine aufkeimenden Kommunikationshoffnungen. Statt dessen drückte sie sich vor der Auseinandersetzung mit dem, was sie innerlich zu zerfressen drohte. (Wie immer?) Und das Resultat konnte er in ihren grauen maskenhaften Zügen ablesen. Ein kaltes Gefühl durchlief ihn. Wie gern hätte er in so einem Moment eine Zigarette geraucht. Aber er hatte ja aufgehört und sie konnte es sowieso nicht leiden.

Trotz allem versuchte er locker zu wirken. (Er ahnte, was des üblen Laune Grund war)
"Ich konnte deinem Vater nicht mein Auto bringen, weil ich noch packen musste! Verstehst du, die 2 Stunden die es mich gekostet hätte, die brauchte ich, um das Haus zu säubern, zu packen und mich reisefertig zu machen."
Doch das schien sie nicht zu interessieren und fast hatte er das Gefühl, das sie seine Enmtschuldigung noch wütender machte.

Dann, über 100 Kilometer nach Antritt der Fahrt, entfuhr ihr ein galliger Halbsatz : "Da zählt man schon einmal auf dich ...."

Das traf ihn mehr, als tausend Worte und in ihrem Kopf schien eine schwere, düstere Symphonie zu toben. Sie streckte die Arme nun noch straffer durch und sog hörbar Luft durch die bleichen Nasenflügel. Die eisige Wucht ihrer Animosität drückte ihn gegen die Seitentür. Überfrierende Blässe, dachte er.

Wie sollte er das aushalten? Sie waren noch nicht mal bei Hannover. Der Mittelstreifen der Autobahn bot eine einzige Ablenkung. Jetzt war nicht die Zeit, über Kfz-Zeichen Witze zu machen. Hier herrschte Krieg. Kein offener Grabenkampf, wo man den Gegner einschätzen lernt, sondern aus verborgenen Schießscharten wurden hier Geschosse abgefeuert, die alle nur ein Ziel hatten: Sein Herz!

Diese subtile Form der Aggression empfand er als noch gefährlicher, weil sie nicht einzuschätzen war.

"Wenn du wüsstest, wie enttäuscht ich von dir bin." sagte sie tonlos in den Rückspiegel und kramte anteilnahmslos nach einem Pfefferminz in ihrer Handtasche.
Das traf!Mitten wieder rein.

Irgendwann hinter Göttingen fuhr sie auf eine Raststätte, um die Plätze zu tauschen und nachdem sie beide rasch zwei Depressos getrunken hatten, sezen sie die Fahrt fort.

(sie wollte ja die Plätze tauschen, also ist klar,das sie sich auf den Beifahrersitz setzt)

Schon bald schlief sie ein und er betrachtet ihr lieblich aussehendes Gesicht, das ihn nun nicht mehr .......
Bitter gestimmt sah er auf den Mittelstreifen, dem er stoisch folgte.
"Na toll! Jetzt muss ich nur noch zwei Stunden warten, bis ich wieder mit ihr reden kann!" dachte er.

An der nächsten Ausfahrt zur Raststäte fuhr er raus und hielt vor den Toiletten. Kurz murrte sie auf und zog sich die Jacke über den Kopf. Vorsichtig griff er seine Tasche vom Rücksitz und lehnte die Tür an.
(den folgenden Satz verstehe ich so nicht)

Witternd schaute er über die drei Fahrspuren und war schon bald auf dem Mittelstreifen. Er griff die Tasche fest an sich und setzte mit Schwung über die Leitplanken.
 
Hallo Stoffel!


Die Idee mit dem „wieder“ hab ich mir durch den Kopf gehen lassen. Aber das
wäre mir dann zu explizit. Es ist eigentlich klar, dass das „wieder mal“ passierte. Deshalb wollte ich es nicht so „ausdrücklich“ machen.

Es liest sich in deinem Stil schön flüssig, das muss ich zugeben. Auch der Absatz, in dem er gerne eine geraucht hätte ist durchgängig. (Er ahnte, was des üblen Laune Grund war) hast du in Klammern gesetzt. Find ich aber ganz gut, weil ja vorher gesagt wurde, dass er keinen Satz finden würde....jetzt redet er aber gleich mehrere. Da ist das Bindeglied „Er ahnte....“ passend.

„Doch das schien sie nicht zu interessieren und fast hatte er das Gefühl, das sie seine Enmtschuldigung noch wütender machte.“ Könnte man schön kürzen auf: Doch seine Entschuldigung machte sie nur noch wütender.

„Das traf ihn mehr, als tausend Worte“ passt irgendwie nicht. Da find ich mich näher am Erlebenden, wenn es heißt: ...es kam nicht mehr heraus aus ihrem Mund. So sehr er auch hinschaute. In ihrem Kopf schien.....„Wenn du wüsstest, wie enttäuscht ich von dir bin." sagte sie tonlos in den Rückspiegel und kramte anteilnahmslos nach einem Pfefferminz in ihrer Handtasche.Das traf!Mitten wieder rein.“ Ja. Ich verstehe.

Das „anteilnahmslos“ ist ganz gut, wenn es auch nicht ganz stimmt. Denn sie nimmt ja irgendwie schon Anteil, bloß halt grollend. Aber diese kleine Adjektiv gibt eine gewisse Farbe....Auch der Zusatz: Das traf! – Vielleicht auch : Das saß!

Du hast mit Recht bemerkt, der Fahrerwechsel kommt nicht ganz ohne ein gewisses sprachliches Holpern einher. Ich hab da auch lange überlegt, wie ich das mache. Du hast da eine ganz schlanke Wendung gefunden. „Schon bald schlief sie ein und er betrachtet ihr lieblich aussehendes Gesicht, das ihn nun nicht mehr“Da hörte der Satz auf. Wäre gespannt, was du da noch sagen wolltest: „bestrafen konnte?“ Denn in Anbetracht des Entschlusses, den er ja jetzt gleich fassen würde, auszusteigen, wäre das ein schöner Kontrapunkt noch mal ihren Liebreiz aufblitzen zu lassen.

„Bitter gestimmt sah er auf den Mittelstreifen, dem er stoisch folgte.“

Ich will jetzt mal meine Formulierung gar nicht suchen – es ist ja sowieso ein Ding, die Texte hier immer hin und her zu scrollen – sondern empfinde einfach mal Deinen Satz nach: Er hatte einen pelzigen Geschmack im Mund (im Gegensatz zu ihrem Pfefferminz) und stierte grimmig auf den Mittelstreifen.

Doch, halt. Der Mittelstreifen kommt leider gleich im Schlussabschnitt. Na ja, dann stiert er vielleicht stupide auf Rücklichter....

Mit dem “Wittern“ das kennst du ja von Rehen, wenn die aus dem Wald kommen, die wittern erst mal in den Wind.... Ich wollte hier nicht noch mal Tempo rausnehmen und beschreiben, wie er vom Auto an der Raststätte zu den Fahrbahnen geht und dort nach links – rechts braucht man ja nicht bei Autobahnen – schaut, um zu warten, bis er rüberlaufen kann. Deshalb dies Bild mit dem „Wittern“.

Aber ich find das ganz hervorwiegend, das du die ganze Geschichte noch mal geschrieben hast! Selbst wenn ich die Geschichte jetzt nicht nach deinem Geschmack umschreibe – denn dann kommen vielleicht noch andere Leser, die wieder gerne andere gerne Stellen umgeschrieben sähen, glaube ich doch, dass dieser Diskurs, den wir da führen, uns beide auf eines aufmerksam macht: Man kann immer eine Sache aus verschiedenen Perspektiven beschreiben: Näher dran an der handelnden Person, oder bezogen auf den Fortlauf der Geschichte, kürzer, prägnanter. Keine Füllsel, keine überflüssigen Adjektive.

Dabei bekomme ich das Gefühl, das es wichtig ist, zu spüren, dass man sich von Formulierungen lösen kann. Varianten probiert. Ringend um den richtigen Ausdruck.

Le mot juste, wie der Franzose sagt.

Ja, ganz herzlich Dank.
 
S

Stoffel

Gast
Hallo Doc,

ich hatte Deine Geschichte kopiert und dann bearbeitet, nach meinem eigenen Stil, da bei mir sonst son Kuddelmuddel immer raus kommt und es unübersichtlich wird.:))

Und ich schreibe ja immer schon dazu, das ich meine Gedanken, Ideen und Vorschläge NUR mit einfliessen lasse und das es NICHT dann eine FERTIGE Geschichte ist.

Schön, wenn etwas dabei sein sollte...
und sei es nur, das es eine Neuüberdenkung ausgelöst hat.

Wäre schlimm, wenn Du es GENAU SO..nehmen würdst, oh Gott *lach*
Ich selbst würde die Geschichte, in meinem Stil..auch ganz anders schreiben.

lG
schönen Tag
bin gespannt auf Endergebnis
Stoffel
(bitte denk an die enorme "STINKLAUNE"! Die muss der Leser richtig spüren)
 



 
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