Straßenverkauf

Hera Klit

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Straßenverkauf

Männlein und Weiblein trinken heutzutage viel am Vatertag.
Das Wetter ist herrlich mild und blau und somit zum Anlass passend.
Die Bedienung schafft zahllose leere Sektpullen in einen
hinteren Verschlag ihrer Verkaufsbude.
Sekt hebt die Laune, aber ich trinke ja nicht.
Oben liegt die Clingenburg im hellblauen Dunst.
Ich, der Vereinzelte, ziehe wie eine an Drähten geführte
Kamera an lauter ausgelassenen Gruppen vorbei.
Alle tragen die gleichen Turnschuhe.
Ich ärgere mich, meine braunen, spitzen Lederschuhe angezogen zu haben.
Wieso mache ich mich immer lächerlich?
Wieso passe ich mich nicht an?
Meine Turnschuhe waren schmutzig gewesen, weiter nichts.
Der Main steht hoch und fließt so sanft, dass
kaum ein Fließen erkennbar ist.
Ich hatte lange nach einem Parkplatz
gefahndet, jetzt suche ich einen guten
Grund für meine Mühen.
Vielleicht ein Eis holen drüben am Straßenverkauf?
Die schier endlose Schlange zwingt zum Verzicht.
Ziemlich alle hier sind verpartnert.
Die Single beneiden die Verpartnerten an
solchen Vatertagen ganz besonders und
manche Verpartnerte wünschen sich mehr Freiheit.
Ich habe mir in letzter Zeit angewöhnt, sehr langsam zu gehen
und meinen Blick sehr langsam über die Dinge gleiten
zu lassen, um einen maximalen Gewinn aus kurzen Momenten
zu ziehen.
Die Hetze und Ruhelosigkeit meiner Jugend ist verflogen.
Nochmal betrachte ich die bunten Graffitis unter der Mainbrücke,
dann gehe ich hinüber in die Altstadt und fotografiere
zum x-ten mal die schönsten Fachwerkhäuser.
Vielleicht lade ich einige auf Facebook.
Eins, zwei Likes sind dann sicher drin.
Als ich zurückfahre, fällt mir auf, dass ich
kein einziges Gesicht wahrgenommen habe.
Auf der Heimfahrt kommt es mir vor, als hätte
ich ein Bild dieses Malers betrachtet,
der lauter ausgelassene Menschen im Park
malte und alle ohne Gesichter.
Wie hieß der noch?
Ist ja auch egal.
 
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