Südafrika für Anfänger

Südafrika für Anfänger

Das ist kein Reiseführer, auch wenn es an manchen Stellen ungewollt einem ähnelt …


Vorwort

Südafrika lockt Touristen mit der Garden Route und das völlig zu Recht. Die Route erstreckt sich entlang der Südküste von Mosselbaai (Westkap) bis fast nach Port Elisabeth (Ostkap). Man wünscht sich, an diesen Orten für immer zu bleiben. Das Glücksgefühl übersteigt jedes annehmbare Maß. Die Sonne spendet reichlich Vitamin D. Das Meer blendet mit seinem intensiv glänzenden Azurblau. Die fleißigen Gärtnerinnen und Gärtner nutzen hemmungslos die immense Vielfalt an exotischer Flora aus. Alles wirkt wie ein Zaubercocktail auf den Besucher. Das Land hat jedoch viel mehr zu bieten.

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Es war Ende September 2018. Wir saßen auf unserer Bierbank mit einem Reiseführer in der Hand und schmiedeten Pläne. Wir wollten nicht da und nicht dorthin, wir wollten nach Südafrika.
„Dafür brauche ich mindestens drei Wochen Urlaub. Steht unser Plan nun fest?“, vergewisserte ich mich. „Dann reiche ich am Montag den Urlaubsantrag ein.“
„Ich habe mich ausführlich informiert. Südafrika ist wunderschön“, meinte daraufhin mein Mann René. „Die einzige Unannehmlichkeit sind die Townships. Du weißt doch, wegen der hohen Kriminalität und so.“
„Dort müssen wir nicht hin. Der Rest klingt verlockend: atemberaubend, mitreißend und grenzenlos inspirierend …“, las ich aus dem Reiseführer. „Es ist höchste Zeit, uns unsere eigene Meinung darüber zu bilden.“
„Südafrika reißt mit … Man wird zum Wiederholungstäter …“, zitierte René mit Begeisterung weiter aus dem Reiseführer. Die Sache war geritzt.

Mein Mann ist ein toller Reiseorganisator. Auf ihn ist Verlass. Er nimmt generell gern die Führung in seine Hand. Von mir wird verlangt, pünktlich mit meinem gepackten Koffer startklar zu sein und ab dem Moment immer gehorsam meinem Mann zu folgen. Und ich folge ihm, auch wenn nicht immer ohne Kritik. Der Spruch „Wenn ich gleich so schlau gewesen wäre, wie meine Frau im Nachhinein“ trifft bei uns 100% zu. In der Tat gestehe ich gern, dass ich es nicht besser machen könnte.

„Die wichtigen Reservierungen habe ich getätigt. Der erste und der letzte Übernachtungsort ist gebucht. Zum Schluss sind wir in Kapstadt. Für die Weihnachtsfeiertage habe ich auch vorgesorgt“, berichtete René.
„Prima. Den Rest können wir spontan vor Ort planen“, meinte ich.
„Ich nehme mein Tablet mit. In jedem Hotel steht uns WLAN zur Verfügung. Wir können flexibel entscheiden und buchen.“

Südafrika riss uns mit, faszinierte und machte süchtig nach Sonne, Meer, Hitze im Dezember sowie nach guten Weinen. Die Urlaubsstimmung im sonnigen Paradies wirkte auf uns magisch. Die Menschen waren warmherzig und entspannt. Das steckte uns an, machte glücklich, lustig, aufs Neue verliebt und dadurch etwas durcheinander. Wir wurden zu Wiederholungstätern.

Auf unseren Südafrikareisen hatten wir mindestens zweimal das Gefühl, wieder in den Flitterwochen zu sein. Unsere Unterkunft in Stilbaai war sehr geschmackvoll in Blau-Weiß gehalten. Der für uns ungewohnte, eher altmodische Kolonialstil wirkt in Südafrika ganz passend, nicht störend kitschig und sehr einladend. Im großen Raum des kombinierten Küchen- und Wohnbereichs gab es ein weites Fenster oder eher eine hohe bogenförmige Tür, zur Hälfte mit aufklappbaren Läden versehen, die diese Tür zu einem Fenster zauberten. Am Abend war es angenehm, mit einem Glas Wein und Kerzenlicht, die Straßenlichter anzuschauen. Am Morgen kam die Sonne ins Spiel und verlieh dem Ganzen eine neue Magie. Die weiße Terrasse mit den weißen Möbeln, die an den Seiten rankenden Pflanzen, voll in Blüte, das Blau des Meeres im Hintergrund und ein Kauz am Zaun direkt vor unserem Fenster ergaben ein märchenhaftes Bild und flößten uns ein tolles, romantisches Gefühl ein. Unsere Begeisterung stieg über alle Maßen.

René kam gerade aus dem Bad mit nassen, wuscheligen Haaren und dem Badetuch um die Hüfte.
„Was machst du da? Nicht fotografieren!“, protestierte er. „Und schon gar nicht posten!“
„Der Anblick ist goldwert! Dein Outfit und dein Gesicht, während du den Vogel mit der Kamera abpasst, ha-ha-ha!“

„Möchtest du noch ein Bier?“ René hat die Bierflasche gerade in der Hand. „Ja, gern“, antworte ich. Wir sind zu Hause in Deutschland bei einem gemütlichen Zweierstammtisch. In unseren Gedanken sind wir aber in Südafrika, nämlich in Knysna.
„Das war ohne Zweifel unsere beste spontane Last-Minute-Buchung. Weißt du noch? Das Frühstück wurde für uns auf der Terrasse mit einem überwältigenden Ausblick aufs Meer und die Felsen gedeckt.“ René lehnt sich zufrieden auf dem Stuhl zurück.
Ich: „Romantik pur mit Stil. Ich fragte noch, ob der Tisch extra für uns dort gedeckt worden war. Das kam mir für den Preis viel zu aufwendig vor. Das Preis-Leistungs-Verhältnis war umwerfend.“
René: „Das war das einzige Hotel in Südafrika, wo uns Lachs serviert wurde. Er ist ja sehr teuer. Den gibt´s dort einfach nicht.“
Ich erinnerte mich an die winzigen Röllchen: „Man durfte keine Zwischenräume zwischen den Zähnen haben, ha-ha-ha. Sollten wir nochmal dort übernachten, würde ich der Wirtin gern eine Packung Wildlachs schenken.“

Unten am Wasser war es nicht weniger spannend. Während der Ebbe warteten die „Meeresbewohner“ – Seesterne, Seeigel und Austern - in kleinen Pfützen geduldig auf die Flut. Mit Austern musste man gut die Gezeiten kennen und pünktlich vor Ort sein. Austernjäger gab es verständlicherweise mehr als gestrandete Austern.

Ich schaue verträumt aus dem Küchenfenster auf unsere Wiese: „Ich würde gern im dortigen Frühjahr nochmal hinfliegen, wenn die Wiesen blühen und die Wale nach dem Überwintern in den wärmeren Gewässern um Mosambik die Küste entlang ziehen. Erinnerst du dich noch an das große Panorama-Fenster im Hotel in Knysna? Die beste „Leinwand“ für ‚Whale watching‘. Das ‚Whale Festival‘ soll ein einmaliges Erlebnis sein.“

Während unserer ersten Reise hatten wir Anfängerglück und sahen einen Wal in der Bucht von Hermanus. Warum dieser einzige Wal sich verirrt hatte und sich zur ungewöhnlichen Dezember-Zeit in der Nähe des Ufers aufhielt, konnte niemand erklären. Das war auch nicht wichtig. Wir sahen ihn. Punkt. Auch wenn er auf dem schlecht geschossenen Bild kaum zu erkennen ist. Das war ein Wal.

„Eine ‚Schwalbe‘ müsste man sein“, wird mein Mann nicht müde, zu wiederholen. „Dann könnte man in Südafrika überwintern und vom Oktober bis April das dortige schöne, milde Klima genießen.“
„Es gibt da ein kleines Hindernis für unsere weitgehenden Pläne“, verderbe ich meinem Mann den Spaß am Spekulieren, „Ich muss zuerst das Rentenalter erreichen. Und das Virus COVID-19 sollte langsam aufhören, sich in das Geschehen einzumischen. Also ‚wir werden sehen‘, - würde ein Blinder sagen.“ Bis dahin bleiben uns die schönen Erinnerungen.

„Sollten wir wieder nach Südafrika fliegen“, in Renés Stimme hört man die Hoffnung und gleichzeitig den Zweifel heraus, „würde ich nach wie vor den ersten Stopp in Stellenbosch einlegen. Reisetechnisch fällt mir nichts Besseres ein“.
“Die Stadt ist klein genug, um sich auch ein Jahr später an Vieles erinnern zu können und sich nicht zu verlaufen“, füge ich hinzu. „Das zweite Mal war es trotzdem anders. Weißt du noch? Der unbekannte Begriff „load-shedding“ drohte, das Paradies, wenn nicht ganz zu zerstören, dann merklich zu beeinträchtigen.“
„Lastabwurf … zu Deutsch: geplante Stromabschaltung …“, hantiert René ‚sachkundig‘ mit Fachbegriffen.

Das ganze Land ist in Zonen aufgeteilt. Je nach Zone wird Strom mit differenzierter Häufigkeit und Dauer abgeschaltet. Die großen Geschäfte kämpfen sich durch. Die kleineren können auf Dauer ganz schließen. Umsatzfördernd ist es auf gar keinen Fall. Die Effektivität der Maßnahme ist zweifelhaft. Wenn Strom da ist, brennen überall unnütz die Lampen die Nacht durch. Haben die alten, guten Bewegungsmelder den südafrikanischen Binnenmarkt noch nicht erreicht? Ein höherer Strompreis wäre eine effektivere Sparmaßnahme. Obwohl dann würden die Ärmsten des Landes ganz auf der Strecke bleiben.

Das Stromnetz in Südafrika ist alt und marode. Ein Lastabwurf soll das Netz von dem Zusammenbruch schützen. Und wenn dazu noch Regenfälle kommen, ist die Katastrophe vorprogrammiert. Alles ist eine Frage der Zeit. Wenn am Strom gespart werden muss, dann ist es halt so. Es gibt Schlimmeres. Wir mussten nur in jeder nächsten Unterkunft die Abschalttermine klären. Der Urlaub ging weiter. Für uns war es irgendwie romantisch und fast intim, im Halbdunkeln einzukaufen. Am Strom durfte es bei der Lebensmittelversorgung nicht scheitern.

Da fällt mir ein: „Momentan sind die Meiers in Südafrika. Ich hatte neulich zu Tine Kontakt. Load-shedding ist weiterhin ein Problem. Sie mussten sich einen Generator anschaffen. Jetzt sind sie autark.“
René findet: „Autark ist immer gut. Unsere Weihnachtsgans hat letztes Jahr der gute, holzbeheizte Küchenofen gerettet. Was Claudia mit ihrer Ente gemacht hat, wissen wir nicht …“
„Claudia hat als Einzige darüber geredet. Betroffen war aber bestimmt das halbe Dorf. Stromausfall am ersten Weihnachtstag pünktlich um 11:00 Uhr ist echt eine ‚Glückssache‘. Es ist nicht verkehrt, sich von Zeit zu Zeit daran zu erinnern, dass Komfort im Leben keine Selbstverständlichkeit ist. Die durchgängige Stromversorgung ist ein Luxus“, gebe ich kund.

„Apropos eine Glückssache“, höre ich René im Bad beim Händewaschen sagen. Er kommt mit einem Handtuch in den Händen zu mir in die Küche und kann sich das Lachen nicht verkneifen: „Eine Tür zum Bad ist auch keine Selbstverständlichkeit in Südafrika, ha-ha-ha.“
„Ich weiß nicht, wie wir es schafften, während der ersten Reise keine einzige Unterkunft mit einer für uns eher gewöhnungsbedürftigen Ausstattung zu erwischen“, wundere ich mich.
„Besser gesagt mit gewöhnungsbedürftiger Fehlausstattung“, präzisiert René.
„Ja, das zweite Mal waren wir in dieser Hinsicht ‚erfolgreicher‘.“

Die Unterkunft in Stellenbosch war sehr gut, fast lückenlos eingerichtet. Fast. Eine Lücke im wahrsten Sinne des Wortes gab es: Wir vermissten die Tür zum Bad. Da diese Kleinigkeit uns gewissermaßen störte, entschieden wir uns, in Zukunft bei der Auswahl jeder nächsten Unterkunft besser aufzupassen.
„Wie heißt es nochmal? Für jeden Schlauen findet sich immer ein noch Schlauerer?“, fange ich auch an zu lachen.
„Und dieser Schlauerer lauerte auf uns in Klainmond.“

In der schicken Unterkunft in Klainmond waren, Gott sei Dank, alle Türen dran. Ich schaute mich um und blickte beruhigt zur Decke. Meine Güte! Die Trennungswand zum Zimmer ging nicht bis nach oben. Dadurch fehlte im Bad die Decke. Und jetzt alle gut aufgepasst. Direkt hinter der Kloschüssel wurde ein schönes, hölzernes Gitterfenster platziert, unverglast, mit dem Durchblick zum Bett. Wofür bitteschön? In diesem Fall bin ich echt überfragt.
René: „Auf dem Bett begrüßten uns aber echte Orchideenblüten.“
Ich muss schmunzeln: „Ja, sie machten alles wieder viel erträglicher.“

Blumen sind wichtig. Wir unterschätzen oft ihre Wirkung auf uns. Sie machen unser Leben schöner, bunter, heiterer. Mit Blumen schmückt man, setzt Akzente, bringt Farbe ins Farblose, bereitet Freude, heißt willkommen und überrascht. Wie zum Beispiel in Bredersdoorp. Die Überraschung war voll krass. Blumen schmückten die Kloschüssel von innen. Total zweckentfremdete Verwendung von Blumen. Die Übertreibung war offensichtlich. So einen qualvollen Tod haben nicht mal Blumen verdient.
„Nein, ich meckere nicht.“ Ich lese einen Vorwurf in Renés Augen und will alles wiedergutmachen. „Das Bad war klasse eingerichtet. Der Kolonialstil in seiner Perfektion.“

René serviert Straußensteaks zum Abendessen und kann seinen scherzhaften Vorwurf mir gegenüber nicht lassen: „Bei n-tv steht heute, dass sich die Straußenpopulation in Südafrika immer noch nicht erholen konnte, nachdem du das ganze Straußenbiltong ‚vernichtet‘ hattest.“
Ich lasse mich nicht provozieren: „Jetzt ernsthaft. Abgesehen vom Trockenfleisch hatten wir das beste Straußenfilet aller Zeiten in Oudtshoorn serviert bekommen. Erinnerst du dich an den Kellner Cyril?“

Eine ansprechende Bedienung trägt zum Geschmack mindestens 30% bei. Das ist meine persönliche Meinung, die ich niemandem aufzwingen möchte. Cyril wurde sofort zu einem „alten Kumpel“. Er scherzte, beriet bei der Auswahl des Gerichtes und passte auf den Weinstand in unseren Gläsern auf. Er war in seinem Element, sozusagen am richtigen Fleck. Ich wollte ihn ständig auf slawische Art und Weise mit ‚Kiril‘ ansprechen, was ihm eigentlich auch recht war, wenn ich das unbedingt wollte – der Kunde ist König – obwohl er schottischer Abstammung war und dementsprechend ‚Sirel‘ hieß. Das Essen schmeckte. Die Atmosphäre war perfekt. Die Weihnachtskugeln hingen an den Laubbäumen über dem Kopf. An jedem Besteckset gab es einen Zettel mit einem ‚Stichwort des Tages‘. Ich war ‚pragtig‘ (schön). Mein Mann bekam ‚vergifnis‘ (Vergebung). Alles verlief bestens.

Am nächsten Tag hätten wir vielleicht doch woanders essen gehen sollen, so wäre der Zauber nicht verflogen. Die Kellnerin, die uns am nächsten Abend bediente, war äußerst nett und freundlich, aber für den Job eher untalentiert. Irgendwo auf dem Weg in die Küche gab es einen „Speisedreher“. Ich bekam nicht das, was ich bestellt hatte. Die Stimmung kippte. Die Magie verschwand.

Vom Gutessengehen in Südafrika kann man ein Lied singen. Habt ihr schon mal Spareribs gegessen? Na klar, was für eine Frage? Das waren aber nicht die besten. Die gibt es in Clanwilliam im Pub ‚De Kelder‘. Die besten Spareribs, die ich je gegessen habe. Unser Stammsteakhaus ‚Kuhstall‘ in Glövzin kann mir hoffentlich verzeihen.

Der Pub war geschmackvoll eingerichtet: ein Pizzaofen, alte Weinfässer, schöner Ausblick auf die Berge. Man sollte allerdings nicht nach unten, sondern sofort in die Ferne schauen. Unten war leider eine ziemlich laute Straße, eine Tankstelle, irgendwelche landwirtschaftlichen Anlagen und Lagerhallen. Man hat halt nie alles beisammen.

René: „Vergiss unser Lieblingslokal in Stellenbosch ‚Kitchen / Kombius‘ nicht.“
Ich: „Wir kehrten an unseren „Tatort“ ein Jahr später zurück …“
René: „… und wurden nicht enttäuscht.“

Die traditionelle südafrikanische Küche und das Flair des am Ende des 17. Jahrhunderts im kapholländischen Stil erbauten Gebäudes lassen die Gäste, entspannt den Abend mit gutem Essen genießen. Sei es draußen auf der Terrasse oder in den Innenräumen. Der eine oder andere witzige Kellner verhilft geschickt zur Wahl eines besseren Weines. Jeder Abend dort ist einfach zum Gelingen verurteilt.

Auch ‚Kokkermans Traditional Kitchen‘ in Montagu darf nicht unerwähnt bleiben. Montagu selbst ist ein ziemlich verschlafener Ort mit einer cremefarbenen Kirche und angeblich mit Verkehrsschildern, die vor den die Straße überquerenden Katzen warnen. Die weiße Farbe blendet Leute in der prallen Sonne. Das kann ich nachvollziehen. Die Schilder mit den Katzen blieben mir leider verborgen. Gegessen haben wir im ‚Kokkermans Kitchen‘ jedenfals sehr gut. Die Räume waren mit viel südafrikanischer Liebe eingerichtet. Das Auge aß auch mit.

„Das war ein köstliches, kulinarisches Fleischerlebnis“, sagt René und schaut verträumt aus dem Fenster, „in großen Portionen.“
„Satt wird man dort auf jeden Fall“, runzele ich die Stirn, mich an die Auswahl erinnernd, „Lammkeule, Schweinerippchen, Steaks und vieles mehr, inklusive Pizza.“
„Gut, dass wir zu Fuß unterwegs waren. Der Weg zum Hotel war zwar nicht lang, aber so konnten wir die aufgestockten Kalorien zumindest teilweise verbrennen.“

„And the Oscar goes to …“, lege ich absichtlich eine Pause ein.
René ergänzt den Satz, ohne lange nachzudenken: „… an das Rosemary’s Country Kitchen in Gansbaai.“

Es war um die Mittagszeit. Wir hatten Hunger. Wir konnten in De Kelders auf die Schnelle nichts finden. Wir überließen dem ‚Dr. Google‘ die Entscheidung, nahmen das nächst beste Restaurant mit besseren Rezensionen und landeten bei Rosemary in einem wunderschönen Garten.

„Das war das beste Kudu-Carpaccio, das ich je gegessen habe“, schwärmt mein Mann immer noch.
„Uns passte alles, außer den Preisen“, hole ich ihn zurück auf den Boden. „Der Laden wäre perfekt zum Ausgehen am Abend. Für eine Kleinigkeit zwischendurch mittendrin in Südafrika waren die Preise wirklich etwas gepfeffert. Ich würde aber jedem empfehlen, sich seine eigene Meinung einzuholen.“
„Und wie wäre es mit Braaien am Wochenende?“
„Gute Idee! Braaien geht immer!“

Braaien ist quasi eine Art Nationalsport in Südafrika. Es wird viel gegrillt, wie eigentlich überall auf der Welt und in Deutschland sowieso. In Südafrika sind die extra dafür eingerichteten Plätze mit mehreren Feuerstellen an den Stränden keine Ausnahme. Die Einheimischen nutzen gern die Möglichkeit, einfach privat mit Freunden und im Kreis der Familie am Meer zu braaien.

Ich muss sofort an ein Strandrestaurant in Mosselbaai denken: „In ‚Kaai 4 Braai‘ haben sie es schön eingerichtet.“
„Der Laden ist zwar kein Geheimtipp und von Touristen überlaufen …“
„Es kommt aber einem dort so vor, als ob man einfach auf einer Grillparty am Strand wäre.“
„In Mosselbaai hatten wir eine echt tolle Unterkunft mit einer großen Terrasse und einem fantastischen Ausblick aufs Meer“, fügt René nostalgisch hinzu.

Wenn man schon so weit nach unten auf der Weltkarte gekommen ist, geht man auch ganz an den südlichsten Punkt Afrikas. Kap Agulhas liegt in etwa auf dem 20. Meridian, der die geografische Grenze zwischen Atlantischem und Indischem Ozean darstellt. Der erste Europäer, der das Kap Agulhas bereits 1488 erreichte, war der Portugiese Bartolomeu Dias. Vasco da Gama kam dort 10 Jahre später während seiner Expedition in Richtung Indien vorbei. Er griff aber als Erster zur Feder, um den warmen Agulhasstrom zu beschreiben. Der Weg zum südlichsten Punkt geht durch einen Nationalpark mit vielen blühenden Sukkulenten. Ich hätte sie alle gern bei mir im Garten gehabt, aber natürlich genauso schön blühend und gedeihend wie in Südafrika.

„Der Ort selbst hatte leider nichts Gescheites zu bieten. Gegessen haben wir dort auch ungewöhnlich schlecht“, muss ich leider an dem Nest aussetzen.
René: „Wir waren froh anschließend in einer Kneipe, den ‚Jägermeister‘ entdeckt zu haben. Wir wiederholten mehrmals die Prophylaxe. Die Bardame wollte uns nicht glauben, dass der Tropfen die pure Medizin war.“
Ich: „Wir haben sie ganz schön veräppelt.“
Wir lachen beide herzhaft.

„Unser Gastgeber in Kap Agulhas Gerald war top“, erinnert sich René an seinen interessanten Gesprächspartner. „Er war Taucher wie ich.“
„Er machte uns einen klasse Fruchtsalat zum Frühstück“, füge ich meine Erinnerung an ihn hinzu.
„Und er gab uns einen guten Tipp auf den Weg, das Fischerdorf Struisbaai zu besuchen. Die Fischer kehrten gerade mit einem guten Fang aus dem Meer zurück.“

„Schau mal auf den Tacho, Struppi.“ René gähnt und streckt sich im Sessel. „Lass uns schlafen gehen. Morgen Abend können wir sehr gern an der Stelle weitermachen.“

In der Nacht träume ich von Südafrikas Ureinwohnern, die vor Jahrtausenden ihre Malereien auf den Felsen in Sevilla hinterlassen hatten. Dann schwebe ich nach Lamberts Bay. Und schon bin ich von Tausenden Kaptölpeln auf Bird Island umgeben. Auf einmal fallen die Seelöwen über die Vogelkolonie her. Sie zerquetschen und fressen die Vögel. Alle Tölpel sind weg. Dann kommen Menschen mit Vogel-Plastik-Attrappen und platzieren sie in die leeren Nester. Und siehe da. Schon setzen die ersten Kaptölpel zur Landung an und verwerfen die vermeintlichen Rivalen aus ihren Nestern. Das Gegacker wird mit der zunehmenden Vogelzahl immer lauter. Ich werde davon wach. Ich freue mich auf den bevorstehenden Abend. Ich würde gern noch einmal gedanklich mit Shaun auf Safari gehen.

Südafrika und Safari sind ohne einander nicht denkbar. Das größte Schauspiel bietet zweifellos der Krüger Nationalpark. Sein Besuch passte uns leider nicht in das zeitliche Konzept. Wir wollten im Dezember das schöne, sommerliche Wetter haben. Diese Zeit ist für den Krüger Nationalpark uninteressant. Die Hitze über 40 °C ist für die Tiere genauso unangenehm wie für die Menschen. Sie verstecken sich tagsüber im Schatten der Büsche und Bäume. Man bekommt sie nicht zu Gesicht. Wir suchten eine Alternative und entschieden uns für den Addo Nationalpark.

„Huhu!“, höre ich René rufen. „Struppi, wo bist du in deinen Gedanken? Du reagierst gar nicht.“
„Ich bin bei ‚Happy Jackal‘ in Colchester“, lächele ich zurück. „Das Hotel war ein Juwel. Wir fühlten uns dort sehr wohl, nicht wahr?“
„Doch, doch, du hast recht. Es gab damals nur eine Unbequemlichkeit. Sie konnten beziehungsweise wollten kein Abendessen anbieten. Und in Colchester selbst war leider auch wenig los“, bemängelt René.
„Das haben sie mittlerweile geschnallt. Jetzt kann man vor Ort zu Abend essen und den Tag fantastisch ausklingen lassen. Der Ort ist phänomenal dafür.“

Wir wollten aber nicht (nur) unsere Ruhe haben. Wir wollten auf Safari. An einem schönen, sonnigen Morgen packten wir den Ranger Shaun am Arm und es ging mit seinem Land Rover auf Safari.

„Ein toller Tag“, versetze ich mich wieder in Gedanken in den Addo Nationalpark. Shaun war bemüht, uns alles zu zeigen, was der Park zu bieten hatte. Die Gegend ist reich an Büffeln, Elefanten, Kudu, Zebras und Antilopen; unzählige Warzenschweine dürfen auch nicht unerwähnt bleiben. Shaun nannte sie liebevoll ‚crasy pigs‘.

„Es lässt sich darüber streiten, ob es sich lohnt, für eine geführte Safaritour zu zahlen“, erinnere ich mich an den Austausch mit anderen Hotelgästen während des Frühstücks. „Wenn Tiere da sind, sieht man sie so oder so.“
„Jein“, bezweifelt René. „Man sitzt ganz entspannt in einem dazu geeigneten Fahrzeug. Das sorgt schon gleich von Anfang an für die richtige Stimmung. Man muss sich keinen Kopf machen, wie, was und wo?“
„Du hast recht. Und außerdem bleiben die Ranger ständig im Kontakt und verraten einander, wo und was sie zu Gesicht bekommen konnten.“

Unser persönlicher Höhepunkt war eine Ansammlung von mindestens 100 Elefanten an einer Wasserstelle. Das Bild war beeindruckend und gleichzeitig ein wenig beängstigend.
„Gut, dass wir nicht auf eigene Faust unterwegs waren. Was wäre zu tun, sollte die Herde auf uns zulaufen?“, versuche ich mir die Situation vorzustellen und bekomme Gänsehaut.

Alles verlief sehr friedlich. Die Elefanten kamen auch sehr nahe an die Fahrzeugen heran. Die Tiere waren das gewohnt. Es ging von beiden Seiten keine Gefahr aus.

„Das war aber Ruhe vor dem Sturm im wahrsten Sinne des Wortes. Auf einmal ertönte von allen Seiten: töröö töröö!“, mache ich das Elefantentröten nach.
„Die Tiere spürten den auf uns zukommenden Sandsturm offensichtlich früher als wir“, sagt René anerkennend.

Die Herde wurde laut und geriet in Bewegung. Die Tiere wirbelten noch mehr Sand auf. Es herrschte Panik in der Elefantenmenge. Sie rannten weg. Die Erde „bebte“. Der Sturm legte sich in Kürze, hinterließ jedoch eine Schicht Staub und Sand auf allem. Wir brauchten noch zwei bis drei Tage, uns vom Sand zu befreien. Er war einfach überall.

An dem Tag konnten wir leider keinen Löwen sehen, obwohl das abgefressene Antilopenskelett uns seine Anwesenheit in unmittelbarer Nähe verriet. Shaun bedauerte das Wegfallen des Löwen aus dem Programm. „Du schickst uns ein Bild mit dem Löwen von einer nächsten Safari-Tour per E-Mail“, schlug ich ihm vor. „Der war gut“, lachte Shaun. Wir fanden den Witz auch gut.

„Möchtest du noch ein Rauchbier?“, fragt René.
„Ja, eins geht noch, zur Feier des Abends“, antworte ich. „Dunkles Bier geht immer. Das gab es sogar in Südafrika, in Franschhoek.“

Die beste Überraschung hielt die Mikrobrauerei ‚Tuk Tuk‘ für uns parat. Dort bekamen wir überraschenderweise dunkles Bier vom Fass. Na, geht doch! Das Lokal war ganz in unserem Sinne mit den großen, zur Schau gestellten Kupferkesseln dekoriert.
„Und von wo kamen die Kessel?“, schmunzelt René verschwörerisch. „Aus Deutschland. Noch besser. Die Anlage kam aus Bamberg!“
„Auch wenn es dort kein Rauchbier gab, war das Ganze eine Genugtuung. Die Welt ist ein großes Dorf“, schlussfolgere ich mit der alten Weisheit.

Südafrika ist, sei wohl angemerkt, ein fantastisches Weinland. Die klimatischen Bedingungen sind für den Weinanbau perfekt. Die Weinreben bekommen hier viel Wärme und Sonne, aber auch Erfrischung vom kühlen Meereswind. Die Weine sind gehaltvoll, fruchtig, herrlich von der Sonne verwöhnt.

Wir schwärmen immer noch von unserem Ausflug nach Boschendal auf eine 1685 gegründete und damit eine der ältesten Weinfarmen der Neuen Welt. In den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts erfuhr die Farm eine Wiederbelebung. Der alte Komplex mit historischen Gebäuden wurde wiederhergestellt: ringsherum ein wunderschöner Garten nach alten Plänen neu angelegt.

Ich: „Alles war ganz nach unserem Geschmack.“
René: „Ja, zwei unverbesserliche Romantiker…“

Wir versetzten uns wieder einmal in die unvergessliche Atmosphäre. Das saftige Grün des Gartens, das strahlende Weiß der Häuser sowie Gartenmöbel und die vielen Blumen verleihen ein himmlisches Gefühl. Das Blau des Himmels vollendet das Bild. Der Wein verhilft zum Erwecken der Sinne. Das Leben kann so unbeschwert und wolkenlos sein!

Weinverkostung ist ein perfekter Zeitvertreib in Südafrika. Es ist unmöglich, stets auf Trab und auf der Suche nach Neuem und Sehenswertem zu sein. Von der Sonne ermüdet hat man immer wieder die Lust, sich in unbestimmter Richtung treiben zu lassen und einfach nichts zu tun. Man kann natürlich auch ein Buch lesen. Ich: „Zeitverschwendung! Dafür gibt es den grauen, verregneten November zu Hause.

René: „Du hast recht. In Südafrika driftet man am besten mit einem leichten, spritzigen Weißwein davon.“
Ich: „Am besten, wenn man selbst nicht fahren muss.“ An dieser Stelle muss ich wieder einmal zugeben, dass ich es sehr gut bei meinem Mann habe.

Apropos das Fahren. In Südafrika waren wir die höflichsten und die zuvorkommendsten Ehepartner, die die Welt je gesehen hatte. Das lag bestimmt an der Luft oder aber am Linksverkehr. Wir wollten uns ständig einander die Autotür zum Einsteigen offenhalten. Jetzt ganz im Ernst, man glaubt gar nicht, wie oft man einfach automatisch nach einem Schema handelt. Man versucht ständig, von der falschen Seite einzusteigen.

Ich zu meinem Mann: „Weißt du noch? Einmal stiegst du in Eile falsch ein, machtest die Tür zu, legtest den Gurt um und erst dann stelltest du fest, dass jemand dir das Lenkrad gestohlen hatte.“ Wir müssen jedes Mal herzhaft darüber lachen.

Aber zurück zum Treibenlassen mit einem guten Glas Wein in der Hand. Zum Beispiel auf dem Weingut Karusa nicht weit von Oudtshoorn. Wir genossen die zur Probe ausgewählten aromatischen Karusa-Weine mit Blick auf die Weinberge. Die Weißweine wiesen eine knackige Frische auf. Die eleganten Rotweine beeindruckten mit ihrer tiefen Farbe.

Zufrieden mit den früheren Weinproben steuerten wir eines Tages in die Richtung des Weinguts ‚Groot Constantia‘. Wir versprachen uns viel von seiner schönen Lage an den Südhängen des Tafelbergs in der ältesten Weinregion Südafrikas. Die Begeisterung hielt aber bedauerlicherweise nicht an. Die Halle war überfüllt und die Geräuschkulisse ging über die für uns verträgliche Messskala hinaus. Es gab kaum eine Chance, dem Ganzen zu entkommen. Zu unserem Erstaunen gab es draußen keine Sitzmöglichkeiten. Wir nahmen Platz auf einer Steinmauer, was an sich kein Problem bedeutete, aber es war sehr windig an dem Tag. Das hat zum guten Eindruck noch weniger beigetragen. Vielleicht schnitten bei uns deswegen auch die Weine geschmacklich schlecht ab.

Kapstadt war der letzte Aufenthaltsort unserer beiden Südafrikareisen. Da wir die Großstadt nicht mehr gewohnt sind, brauchten wir auch in Südafrika keinen andauernden Trubel. In Kapstadt suchten wir eher ruhigere Ecken. Schön war es, entlang des Ufers zu Fuß in die Stadtmitte zu gehen, später am Abend einen Drink an der Bar bei ‚Tiger‘s Milk‘ zu genießen oder eine schöne grüne Terrasse aufzusuchen.

Es gibt jedoch ein trubeliges Muss in Kapstadt - die Waterfront. Dort dreht und wälzt sich das Einheimische und Auswärtige. Das Einkaufszentrum ist immer überfüllt. Die Läden sind überteuert. An mehreren Stellen wird mitreißende afrikanische Musik gespielt. Man hält es dort nicht lange aus. Wir flüchteten vor dem ganzen Gelärm ziemlich schnell in eine wohltuende Oase eine Reihe weiter, in ein Brauhaus.

Aber es gab noch etwas, was uns an der Waterfront interessierte. Von dort aus fuhren die Boote zu Robben Island. Die Touren sind sowohl von den ausländischen als auch den einheimischen Touristen sehr begehrt. Einfach eines sonnigen Morgens an die Kasse zu kommen und eine Fahrkarte zu kaufen, ist so gut wie unmöglich.

„Man muss schon zugeben“, meine ich, „dass die Weihnachtszeit nirgendwo buchungstechnisch günstig ist.“
„Ja, du hast recht“, bestätigt René meine Worte. „Das erste Mal wussten wir es nicht besser. Das zweite Mal waren wir schlauer.“

Das zweite Mal sorgten wir vor. Wir reservierten die Karten bei einem Reisebüro. Da wir etwas weiter von der Waterfront entfernt übernachteten, kam der im Preis inbegriffene Transfer sehr gelegen. Die Fahrt durch Kapstadt dauerte mindestens eine Stunde. Alle Angemeldeten wurden eingesammelt. Der Wind frischte auf. Das etwas unruhige Meer beunruhigte uns ein wenig. Und dann klingelte das Handy beim Busfahrer. Das war ein schlechtes Zeichen. Alle Fahrten wurden an dem Tag wegen instabiler Wetterlage gestrichen.

Unser Fahrer schaffte es noch, uns über einen tragischen Vorfall von früher zu berichten.
„Das Wetter schlug um, während sich die Gäste auf der Insel aufhielten. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es dort nicht.“
Die leerstehenden Zellen waren wohl keine Option.
„Der Kapitän entschloss sich, die Rückfahrt anzutreten. Es folgte eine Rettungsaktion mit Hubschraubern. Leider überlebten nicht alle. Viele Gäste hatten keinen Personalausweis dabei.“
Das Chaos war perfekt.
„Der Kapitän wurde gefeuert.“
Unser Busfahrer war ein netter, lustiger Typ. Und so freudig und lustig wie er war erzählte er uns diese Geschichte.
„Seitdem wird nichts mehr riskiert und die Touristen sind verpflichtet, den Personalausweis mitzuführen.“

Noch einen Tag hatten wir für einen zweiten Versuch. Am nächsten Tag klappte es. Wir steuerten Robben Island an, wo der prominenteste Häftling – der erste schwarze Präsident Südafrikas, Nelson Mandela, einsaß und im Steinbruch arbeiten musste. In einer fünf Quadratmeter großen Zelle verbrachte er achtzehn Jahre von 1964 bis 1982. Es gab leider kein Schild dafür. Alle Zellen waren gleich. Man wollte unangenehme Szenen vermeiden. Der eine oder andere Besucher war in der Vergangenheit schon mal kräftig in Tränen ausgebrochen.

„Im Grunde ist es egal, auf welchen fünf Quadratmetern Mandela sitzen musste“, fügt zu Recht René hinzu.

Ein früherer Insasse führte uns durch das Gefängnis. Er erzählte viel zu lange, nach meinem Empfinden, sang ein Lied und organisierte ein paar Gruppenteilnehmer zum Tanzen. Er legte sich auf den Fußboden, konnte aber ohne fremde Hilfe nicht hochkommen, weil er an einem Bein behindert war.

René: „Weißt du noch? Damit die Gruppe die Konzentration nicht verlor und nicht einschlief, fragte er in ziemlich kurzen Zeitabständen: ‚Are you with me?‘
Ich: „Wir konnten ihm noch folgen, aber nicht mehr lange, hahaha.“
René: „Von Robben Island gab es einen schönen Ausblick auf den Tafelberg. Erinnerst du dich?“
Ich muss schmunzeln: „Na klar. Ich erinnere mich sogar auf dem Tafelberg oben gewesen zu sein.“
René: „Schönes Wetter vorausgesetzt ist der Blick vom Tafelberg nach unten auf jeden Fall die Gondelfahrt nach oben lohnenswert.“

Wir durften sehr zufrieden sein, weil wir dem Pech um ein Haar auszuweichen vermochten. Wir waren oben, genossen die schöne Aussicht und konnten mit bloßem Auge sehen, wie uns die Wolkendecke wortwörtlich verschluckte. Danach blieben nur der Nebel, die maximale Sichtweite von etwa einem Meter und die Kälte.

Das Phänomen der ‚Tischdecke‘ ist bekannt. Egal wie schön das Wetter unten ist, man muss nach oben blicken. Wenn der Tafelberg eine ‚Tischdecke‘ hat, lohnt es sich nicht, hochzufahren. Vom Hochgehen rate ich auf jeden Fall ab. Es ist sehr anstrengend und vor allem lebensgefährlich. Die Nachrichtenagentur Ukrinform berichtete 2019 über den Raubüberfall auf einen ukrainischen Touristen. Er wurde auf dem Weg Hout Bay wegen seines Rucksacks, den er nicht hergeben wollte, erstochen. Er starb an Blutverlust.
Ich: „Wahnsinn! Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher, ob die freiwillige Abgabe des Rucksacks sein Leben gerettet hätte.“

Ein sonniger, sommerlicher Dezember ist zwar für uns nicht üblich, aber glaubt mir, es ist nichts Unnatürliches und man gewönnt sich daran schneller, als man denkt. Das Einzige, was ich in diesen zwei Jahren zu Weihnachten vermisste, war mein persönliches Schmücken und die weihnachtliche Atmosphäre in unserem Haus. Das blieb auf der Strecke. Wenn man unterwegs war, genoss man die Atmosphäre, die die Anderen geschaffen haben. Man blieb Beobachter und trug wenig bis gar nichts dazu bei.

Ich bedauerte: „Und zu Hause hatte ich endlich einen Stromanschluss für die Weihnachtsbeleuchtung im Vorgarten. Und hinten im Wäldchen waren so viele Weihnachtsbäume.“
René: „Das alles lief uns nicht weg. Dafür sammelten wir spektakuläre Erlebnisse und erlebten Weihnachten einmal anders.“

Ich überlegte mir die ganze Zeit die Gestaltung der Weihnachtskarte. Ich kombinierte zig Mal verschiedene Bilder in Collagen. Jeden Tag ergaben sich selbstverständlich neue Bilder und das Kombinieren ging von Neuem los. Jeder hat so eigene Schwerpunkte im Leben. Mir war halt die „perfekte“ Weihnachtskarte wichtig.

An heißen Wintertagen sorgt die Bedienung in Lokalen für die Weihnachtsstimmung. Alle Kellner tragen eine Nikolausmütze und lächeln für Aufnahmen mit den Gästen. Ob sie das den ganzen Tag gern machen, ist eine rhetorische Frage. Das gehört zum Job. Punkt. Ich kann mir vorstellen, dass viele von ihnen die Mütze zum Feierabend vom Kopf reißen und auf den Boden schmeißen.

Eine gute weihnachtliche Stimmung hielten auch die Gastgeber in ‚Somerset Sights‘ für uns parat. Im Angebot war ein Neun-Gänge-Menü der thailändischen Küche. Zu Weihnachten waren drei (Ehe)Paare als Gäste im Hotel und die Schwester des Gastgebers aus München. Die Runde war international, deutsch-schwäbisch-italienisch-thailändisch-ukrainisch. Es war ein schöner Abend. Wir kannten einander kaum und werden uns mit hoher Wahrscheinlichkeit nie wieder sehen. An jenem Abend kamen wir uns jedoch vor, als ob wir alte, gute Freunde wären.

„Ich sage nur Camps Bay“, René lächelt verschmilzt.
Ich gebe mir Mühe, seriös zu bleiben: „Was ist mit Camps Bay?“
René: „Nichts, nur so …“

Die Anspielungen von René sind eindeutig. Wenn jemand mich nach meinen Assoziationen zu Camps Bay fragen würde, werde ich nicht lange überlegen müssen: Strand; Party; Sonnenuntergang; ein Sundowner, nein zwei; ich bin 20 maximal 22 Jahre alt; „if tomorrow never comes“; der Heiligabend 2018. Das war ein Heiligabend wirklich mal anders. Es herrschte ein Gedränge und Geschubse in den überfüllten Bars mit Meeresblick. Der Ausblick war fantastisch. Die Sonne ging direkt vor unseren Augen immer tiefer. Alle wollten dazu gehören und nur eins erleben: wie die Sonne ins Meer fiel.

Am Nebentisch lief eine rege Unterhaltung zwischen jungen Leuten. Zwei Jungs machten zwei Mädels offensichtlich an. Die Mädels schienen nichts dagegen zu haben. Etwas harmonierte in der Szene nicht. Ich hätte gemeint, dass die Jungs üblicherweise nicht unbedingt auf Mädels standen. Egal, nicht mein Bier. Ein Mann kam mit einem Hund. Der Hund hatte einen Schlips um den Hals. Wir brachen in Lachen aus. Später fiel mir ein, dass das ein lustiges Halsband sein könnte. In dem Moment wurde aber alles eins zu eins wahrgenommen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sang und tanzte eine Gruppe einheimischer Kinder mit zwei Betreuerinnen. Eine Betreuerin lief immer wieder über die Straße und sammelte Geld. Die Kinder wurden nach und nach müde. Ein Junge am Rand schlief schon. Das war ein Irrenhaus und das Paradies gleichzeitig. Dann kam der bezaubernde Moment des Verschwindens der Sonne im Meer. Das, was uns alle zu verbinden schien, war vorbei. Alle bewegten sich nach und nach in verschiedene Richtungen und wechselten zu anderen Lokalen. Wir suchten für uns auch ein Restaurant auf, wo wir das Glück hatten, einen Tisch in der ersten Reihe zu bekommen. Das Essen war lecker, die Eindrücke vom Abend unvergesslich.

In Camps Bay gibt es ein Fischrestaurant, das in jedem Reiseführer erwähnt wird. Man nimmt sich vor, es unbedingt auszuprobieren. Stellt euch vor, wie wir im brandenburgischen Perleberg in einer Kneipe an der Theke sitzen. Daneben ein Arzt, der schon lange in Deutschland ist, ursprünglich aber aus Togo kommt. Er kennt sich gut in Südafrika aus. Wir erzählen ihm, dass wir eine Reise planen. Er empfiehlt uns das vermeintlich beste Fischrestaurant Kapstadts ‚Codfather‘ (Kabeljau). Wenn es so ist, müssen wir einfach hin!

Das Restaurant war am 25. Dezember 2018 proppenvoll. Ob das an den Feiertagen lag, bezweifele ich. Wir mussten warten, Gott sei Dank nicht lange, dann bekamen wir einen kleinen Tisch für zwei. Die Auswahl an Fisch war beeindruckend. Noch beeindruckender waren die Preise. Man zeigte mit dem Finger, mit welchem Stück man liebäugelte. Berechnet wurde nach Gewicht. Lange Rede, gekürzter Sinn: es war gut, es war interessant mitzuerleben, um mitreden zu können. Der Fisch war lecker und teuer. Ein Jahr später aßen wir nicht weniger lecker in unserem „Heiligabend-Restaurant“ für die Hälfte.

Camps Bay ist ein schöner Ort zum Sich-wieder-einmal-jung-Fühlen. Wir kommen auf jeden Fall wieder und lassen es krachen. Ganz gleich, was sich jeder unter ‚Krachen‘ so vorstellt.
 
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Hallo Liselotte,
Ich find's klasse wie du Transkei und die anderen Homelands beschrieben hast.
Endlich mal ein kritischer Reisebericht.
Beislgrüße
 
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