Sylt im Dezember

5,00 Stern(e) 2 Bewertungen
Die Peitsche aus Sturm fährt gnadenlos nieder
krümmt den geschundenen Rücken der See
Schreie von Winter entreißt dem Gefieder
der Wolken, die stöhnen von Hagel und Schnee

Da stürzen die Fluten, die schrecklichen Reiter
Sonnenfetzen an Maul und an Sporn
über den Strand und den Deich und noch weiter
und enden erst geifernd vor den Toren

Darauf die Wächter verdrießlich stemmen
sich gegen das Brüllen der brausenden See
Im Barte die Gischt, in den Augen das Brennen
von salzigem Wasser und eisigem Schnee

Die Fluten verneinen mit türmenden Wogen
den Aufstieg der Möwen hinaus auf das Meer.
Die Strahlen der Sonne wie Schreie von Löwen,
zerrissen von Stürmen sie taumeln daher

Wie wütend sich steigern
wie schrecklich sich türmen
die Luft und das Wasser,
das Land.

Wie grausam verweigern
doch selbst die Gezeiten
den Menschen und Tieren
den Strand

Da bersten die Segel, da reißen die Leinen
da tanzt wie ein Irrlicht hin das Boot
Es brechen die Planken unter dem Greinen
der Fischer in all ihrer Not

Zerschellen die Schiffe am schmatzenden Riffe
stürzt Mann um Mann in das Meer
Was Wasser ergriffe, was Felsen zerschliffe
was bliebe wäre zerschlagen und leer

So lehnt doch die Hand, die die Peitsche geführt
endlich einmal sich hinein
Die Hand, die die Meere wie Tropfen berührt
Sie will nicht mehr
zornig sein
 
Zuletzt bearbeitet:

fee_reloaded

Mitglied
Sehr cool, Dionysus!

Das ist wieder einer deiner Texte mit dem für dich so typischen, starken Drive! Ich mag es, wie du mit dem Rhythmus und dem Klang der Wörter spielst und so nicht nur starke Bilder malst, sondern auch eine intensive Melodie webst. Hier lese ich eine Ballade vom Feinsten!

Ein paar kleine Hakler sind mir allerdings aufgefallen und ich habe es gewagt, die nicht nur im Text zu markieren, sondern auch mögliche Alternativen als Anregung bzw. Veranschaulichung mit dazuzustellen.


Die Peitsche aus Sturm fährt gnadenlos nieder
krümmt den geschundenen Rücken der See
Schreie von Winter entreißt dem Gefieder - wie wäre "geraubt" anstelle von entreißt:
Schreie von Winter, geraubt dem Gefieder

der Wolken, die stöhnen von Hagel und Schnee - Vorschlag: unter

Da stürzen die Fluten, die schrecklichen Reiter
Sonnenfetzen an Maul und an Sporen
über den Strand und den Deich und noch weiter
und enden erst geifernd vor/an den Toren - oder: Spor'n und Tor'n


....

Da bersten die Segel, da reißen die Leinen
da tanzt wie ein Irrlicht hin das Boot
Es brechen die Nägel unter dem Greinen - Nägel reißen, vielleicht die "Planken" als Alternative?
bei brechenden Nägeln kommt sofort das Bild von Fingernägeln (also bei mir zumindest)

der Fischer in all ihrer Not

Zerbersten die Schiffe am schmatzenden Riffe - Zerschellen? (Wortwiederholung mit Strophe davor)
stürzt Mann um Mann in das Meer
Was Wasser ergriffe, was Felsen zerschliffe
was bliebe wäre zerschlagen und leer

So lehnt doch die Hand, die die Peitsche geführt
endlich einmal sich hinein

So lenkt doch die Hand, die die Peitsche geführt,
mit einem Male endlich ein

Die Hand, die die Meere wie Tropfen berührt
Sie will nicht mehr
zornig sein

Ich hoff, du nimmst mir das nicht übel. Deine Ballade hat mich auf jeden Fall mitgerissen und ich fände es schade, wenn die paar Stellen, an denen es kurz ins Stocken kommt (metrisch oder wegen nicht ganz klarer Bilder), dem großartigen Ganzen so ein klein wenig was wegnehmen, wo sich sicher noch bessere Lösungen für diese finden ließen. Ich bin sicher, dir fällt da etwas Geniales ein. Meine Anmerkungen sind ja nur zur Veranschaulichung gedacht.

Auf jeden Fall sehr sehr gerne gelesen! Was für ein großartiger Text!

LG,
fee
 
Hi @fee_reloaded ,

vielen Dank für Deine profunde Auseinandersetzung mit dem Text und Deine Vorschläge.

1) geraubt an Stelle von entreißt ist sicher möglich, aber aus zwei Gründen gefällt mir entreißt besser: zum einen entreißt die niederschnellende Peitsche. Sie nimmt nicht etwas im weg, sondern reißt die Wolken nachgerade auseinander.da ist mir reißt mehr action. Zum anderen hat "reißt" eine kantigere Betonung, die mir in diesem stark bewegten Bild besser gefällt.

2) unter Hagel und Schnee statt von Hagel und Schnee: Darüber hatte ich beim schreiben auch nachgedacht, habe mich dann aber für das "von" entschieden, weil es ausdrückt, dass sie zum auseinanderbrechen damit angefüllt sind, wohingegen das "unter" eher ausdrückt, dass die Last ihnen "aufliegt". Das ist aber sicherlich Geschmackssache.

3) Sporn ist hier als ein Werkzeug zum stoßen und stechen, ähnlich einer Lanze gemeint. Da das Maul im Singular steht, passt für mich der Sporn hier im Singular auch besser

4) Nägel reißen vs. brechen: ich denke beides beschreibt einen jeweils anderen Zerstörungsvorgang, wohingegen Du völlig zu Recht darlegst, dass hier die beim Leser angeregten Assoziationen auch sehr persönlich sein können. mit den brechenden Planken indes kann man dieses Risiko völlig beseitigen, weswegen ich diesen Vorschlag sehr gerne umgesetzt habe

5) zerschellen statt zerbersten: Ja Du hast völlig Recht ! Da gibt es eine unschöne Wiederholung, weswegen ich Deinen Vorschlag gerne übernommen habe

6) wäre statt wär: auch das ist korrekt. Das ist mir später auch aufgefallen, dass es sonst holpert - korrigiert

7) Einlenken der Hand statt hineinlehnen: Hier gefällt mir das Bild der einsinkenden (ins Meer sinkenden Hand) besser. Eine "einlenkende Hand" kann ich mir nur schwer vorstellen. Einlenken assoziiere ich eher mit Vorstellungen/Gedanken/Ansichten.

Liebe Fee, eine wunderbarer Beitrag, durch den der Text meine ich, gewonnen hat. Merci !

Hi @mondnein

die Konstruktion ist schon arg schräg. Ob sie in der Verbindung der Wörter bzw Wortgruppe falsch ist, stelle ich anheim. Jedenfalls ist sie sicherlich nicht sehr eingängig. Was besseres ist mir an der Stelle nicht eingefallen. Danke für das aufmerksame Lesen !

mes compliments

Dionysos
 
Zuletzt bearbeitet:



 
Oben Unten