towel_brigade
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Empfohlener Beitrag
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Kichern schallte durch die Küche des ehemaligen Bauernhauses während im Holzofen das Feuer knackte und krachte. Meine Oma führte einen mir unzugänglichen, grazilen Tanz mit Töpfen und Pfannen auf, um die unterschiedlich heißen Herdstellen auszunutzen.
Mit den nackten Füßen von der Eckbank baumelnd war ich mit meinem bunten Kinderbuch beschäftigt, sah allerdings alle paar Sekunden auf: Nach schräg gegenüber zu meinem seriös, mit gefurchter Stirn Zeitung lesenden Opa. Blätterte er, blätterte ich. Er ein geübter allmorgendlicher Tagblattleser, ich gerade an den Anfängen einer noch stolpernden, stotternden Lesekarriere. Nicht nehmen ließ ich mir allerdings das einseitig getaktete Synchronschwimmen der raschelnden Seiten, obwohl ich selten bereits zuende gelesen hatte. Kichern schallte durch die Küche. Endlich war das Essen fertig - Kaiserschmarrn oder Schnitzel, oder was auch immer ich an diesem Tag beorderte - der Tanz der Pfannen von der Herdplatte auf die Korkuntersetzer wesentlich weniger grazil als beim Kochen an sich, aber da Augen und Magen bei mir um 11 Uhr 59 schon gleich groß waren, entging mir dies fast komplett.
Mein Kichern schallte erneut durch die Küche, als Opa nach dem Weglegen seiner Synchronlektüre zu Messer und Gabel griff. Zuerst beherzt, den lang bezinkten Vierzack und das nutzlose Buttermesser in geballten Fäusten haltend, am Tellerrand bereit zum Absprung. Stutzen. Unsichere Blicke. Herz sank in die Hose. Handwechsel, Messer links, Gabel rechts. "Opa weiß nicht, wie man isst!" unterbrach ich mein eigenes einsames Gelächter. Der beherzte, selbstsichere Griff zum Mostkrug war die einzige Erwiderung. Vielleicht wurde diese. neuronale Verbindung genauso oft befahren wie die zum Halten von Besteck, war aus einem unerfindlichen Grund aber noch besser erhalten.
Die kurze Überlegenheit über einen Menschen, der schneller lesen konnte als ich und mir beigebracht hatte, wie man Holz lackiert (grün wie die Gartenbank, und so waren danach auch meine Hände) ließ mich nicht los. Meine Beine waren nun unter mir zusammenfaltet, um das hieven meiner Ellbogen über die Tischkante zu erleichtern und somit den Anteil der selbstständig essenden Menschen im stickig dampfenden Raum auf akzeptablere 2/3 zu erhöhen.
Überlegenheit wich später Verwirrung und diffus als Trauer verschleierter Gleichgültigkeit. Lesen konnte ich besser, seit ich lesen konnte, wie sich auch für mich herauskristallisierte. Der Schnellere von uns beiden war mir nur im Vortäuschen voraus: Während ich mich mit dem Erwerb meiner Lesefertigkeiten abmühte, tat er es mir mit dem Erinnern an eben diese gleich. Die Stirn gefurcht, in den Gräben nicht Nachdenklichkeit, sondern die Leichen der Gehirnzellen, welche dem Verfall nach langer Schlacht erlangen. Ich erinnerte mich nun daran, wie die glasigen blauen Augen früher von links nach rechts ihre Bahnen zogen, ohne Erkenntnis des Schwarzen auf dem Weiß, nur die Nuancen des roten, blauen, gelben Spektrums gelangten von seiner Netzhaut ins Gehirn, Bilder ohne Kontext.
An essen war nun nicht mehr zu denken, aber auch an den Mostkrug nicht mehr - im Liegen trinken erwies sich mit Babybrei am Kinn als doppelt schwer.
Mit den nackten Füßen von der Eckbank baumelnd war ich mit meinem bunten Kinderbuch beschäftigt, sah allerdings alle paar Sekunden auf: Nach schräg gegenüber zu meinem seriös, mit gefurchter Stirn Zeitung lesenden Opa. Blätterte er, blätterte ich. Er ein geübter allmorgendlicher Tagblattleser, ich gerade an den Anfängen einer noch stolpernden, stotternden Lesekarriere. Nicht nehmen ließ ich mir allerdings das einseitig getaktete Synchronschwimmen der raschelnden Seiten, obwohl ich selten bereits zuende gelesen hatte. Kichern schallte durch die Küche. Endlich war das Essen fertig - Kaiserschmarrn oder Schnitzel, oder was auch immer ich an diesem Tag beorderte - der Tanz der Pfannen von der Herdplatte auf die Korkuntersetzer wesentlich weniger grazil als beim Kochen an sich, aber da Augen und Magen bei mir um 11 Uhr 59 schon gleich groß waren, entging mir dies fast komplett.
Mein Kichern schallte erneut durch die Küche, als Opa nach dem Weglegen seiner Synchronlektüre zu Messer und Gabel griff. Zuerst beherzt, den lang bezinkten Vierzack und das nutzlose Buttermesser in geballten Fäusten haltend, am Tellerrand bereit zum Absprung. Stutzen. Unsichere Blicke. Herz sank in die Hose. Handwechsel, Messer links, Gabel rechts. "Opa weiß nicht, wie man isst!" unterbrach ich mein eigenes einsames Gelächter. Der beherzte, selbstsichere Griff zum Mostkrug war die einzige Erwiderung. Vielleicht wurde diese. neuronale Verbindung genauso oft befahren wie die zum Halten von Besteck, war aus einem unerfindlichen Grund aber noch besser erhalten.
Die kurze Überlegenheit über einen Menschen, der schneller lesen konnte als ich und mir beigebracht hatte, wie man Holz lackiert (grün wie die Gartenbank, und so waren danach auch meine Hände) ließ mich nicht los. Meine Beine waren nun unter mir zusammenfaltet, um das hieven meiner Ellbogen über die Tischkante zu erleichtern und somit den Anteil der selbstständig essenden Menschen im stickig dampfenden Raum auf akzeptablere 2/3 zu erhöhen.
Überlegenheit wich später Verwirrung und diffus als Trauer verschleierter Gleichgültigkeit. Lesen konnte ich besser, seit ich lesen konnte, wie sich auch für mich herauskristallisierte. Der Schnellere von uns beiden war mir nur im Vortäuschen voraus: Während ich mich mit dem Erwerb meiner Lesefertigkeiten abmühte, tat er es mir mit dem Erinnern an eben diese gleich. Die Stirn gefurcht, in den Gräben nicht Nachdenklichkeit, sondern die Leichen der Gehirnzellen, welche dem Verfall nach langer Schlacht erlangen. Ich erinnerte mich nun daran, wie die glasigen blauen Augen früher von links nach rechts ihre Bahnen zogen, ohne Erkenntnis des Schwarzen auf dem Weiß, nur die Nuancen des roten, blauen, gelben Spektrums gelangten von seiner Netzhaut ins Gehirn, Bilder ohne Kontext.
An essen war nun nicht mehr zu denken, aber auch an den Mostkrug nicht mehr - im Liegen trinken erwies sich mit Babybrei am Kinn als doppelt schwer.