Tafelfreuden

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Mein Freund Svoboda in Wien – Gott hab ihn selig – war gelernter Koch. Nur ungern ging er mit mir in Restaurants essen. Er sagte, er habe zu viele Küchen von innen gesehen. So habe einmal eine Chefin von ihm verlangt, dass er von verdorbenem Fleisch das Grüne wegschneide: Die merken das gar nicht … Das kann man doch nicht alles fortwerfen, wär ja eine Sünd …

Auf dem Land kannst du in Österreich noch mehr erleben. Eine Kellnerin in Tirol, aufgerüscht in Dirndl und Bluse, vereinte Grazie mit Geschäftstüchtigkeit. Als du schon sehr hungrig warst, stellte sie dir einen Teller mit Zanderfilet hin. Dabei hattest du Schweinebraten bestellt … Wo ist da der Unterschied – essen kann man beides. Schon hat deine Gabel ein Kartöffelchen aufgespießt … Und hast du nicht auch schon den Fisch beträufelt? Da kommt die Kellnerin zurück, sehr charmant, und zieht dir den Teller unter dem Besteck fort: „Nur ein kleines Versehen. Das bringen wir gleich wieder in Ordnung … So, bitte sehr, der Herr …“ Und hurtig stellt sie den Teller dem anderen Gast hin, der mit dem Rücken zu dir sitzt und nichts gesehen hat. Wer hat von seinem Tellerchen gegessen? Er weiß es nicht.

Im Waldviertel trug sich einmal Folgendes zu: Wir saßen am Frühstückstisch und sahen die Bedienung hereinkommen. Sie ähnelte einer alten Magd und verhielt sich auch so. Ihr Blick war zu Boden gesenkt – und was entdeckte er da unten: Erdklumpen aus den Profilsohlen unserer Schuhe. Wir waren am Vortag in sehr feuchten Gegenden unterwegs gewesen. Sie sagte nichts, schlug ihre weiße Schürze vorne um und sammelte die Erde ein, um sie in der Schürze zu verwahren. Dann kam sie mit ihrer Fracht zu uns herüber und fragte, was wir wünschten. – Jedenfalls keine Erdklumpen. Wir sind nämlich keine Erdesser.

Und wie geht es bei uns Piefkes zu? In Berlin aß ich oft in einem großen SB-Restaurant. Die Qualität des Essens dort war ziemlich umstritten, auch nach Meinung des Personals. Es kam sogar vor, dass sich die Angestellten heimlich mit dem Gast gegen die Geschäftsführung solidarisierten. Das ging so vor sich: Verlangte ich ein Steak, wurde mir nicht selten rein pantomimisch, durch Kopfschütteln und mit angeekelter Miene, davon abgeraten. Dann bestellte ich etwas anderes. Einmal bestand ich auf Kroketten als Beilage und wurde so aufgeklärt: „Och, was wollnse denn mit den ollen Dingern …“ Nur Salzkartoffeln seien heute genießbar.

In einer kleinen Stadt an der Lahn ließen die Wirtsleute, Italiener, glaube ich, ihr Söhnchen von vier Jahren gern im Lokal spielen. Er hatte sich etwas ausgedacht und es wohl schon öfter ausprobiert. Er kam zum Gast, strahlte ihn aus großen Kinderaugen an und grapschte dabei nach dem Salatteller. Als der Gast, schon abgelenkt, den Salat zu sich heranziehen wollte, schnappte sich der Kleine blitzschnell ein Pommes frites-Stäbchen und warf es ihm juchzend ins Weißbierglas. An den Tischen rundum wurde gelacht. „Wie niedlich.“ – „Aber dafür müsste er ein neues Bier bekommen.“ Was natürlich nicht geschah.
 
Hallo Arno,
was zum schmunzeln. Ich weiß nicht, hast Du vor der Wende mal unser schönes Ländle besucht? Ich meine natürlich die DDR. Da herrschten gastronomische Tiefpunkte, tiefer ging es nicht. Vielleicht außer Rumänien. Da haben sie gar nichts Essbares gehabt.
Ein Schnitzel war unter Garantie panierter Schweinebauch, die Kellner waren superunfreundlich, meist wurde man erst nach einer Stunde warten bedient, die selbe Zeit brauchten sie für das Essen und dann wartete man verzweifelt darauf, bezahlen zu können.
Das Lustigste, wenn Du Abendbrot essen wolltest, musstest Du Dich sputen. Denn spätestens um sieben war Küchenschluss. Eigentlich fängt die Abendbrotszeit dann ja erst mal an.

Wie durch Zauberhand hat sich nach dem Fall der Mauer alles ins Gegenteil geändert.

Aber es gibt noch Enklaven der Ost Restaurantkultur. Hab ich mich mal schiefgelacht, als ich nach dem Brocken, der höchste Berg im Harz, im www. gesucht habe. Dort gibt es nur eine einzige Gaststätte, und der Betreiber kann mit seinen hungrigen Gästen machen, was er will. Alles sauteuer übrigens.

Dort werden alte Pommes vom Vortag noch mal frittiert. Die Suppe ist kalt. Wenn sich jemand beschwert, erhält er Gaststättenverbot, das sehr beliebt war im Osten.
Wenn draußen steht, dass bis sechzehn Uhr geöffnet ist, lassen sie schon um zwei keinen mehr rein. Das weckt alte Erinnerungen in mir an die Kindheit, wenn ich mit meiner Mutter im Urlaub war.

Und das Beste: Ein Gast wurde von einer Kellnerin so heftig zusammengestaucht, dass er dachte, er hat es mit der Brockenhexe persönlich zu tun. So bedrohlich habe ich die Kellner früher auch wahrgenommen.
Gruß Friedrichshainerin
 
Da muss ich passen, Friedrichshainerin, DDR-Restaurants oder ostdeutsche danach sind mir allgemein nicht negativ aufgefallen, Was ich ab 1991 in Sachsen und Thüringen erlebt und serviert bekommen habe, hat mich fast immer zufriedengestellt. Vielleicht bin ich zu wenig anspruchsvoll? - In Ost-Berlin war ich lange davor mal mit einem Freund im Restaurant im Bahnhof Friedrichstraße essen. Zuerst anstellen am Ende einer langen Reihe, aber bald wurden wir vom einweisenden Kellner vorgezogen, im wörtlichen Sinne, und schnell placiert. Das war etwas peinlich.

Schöne Abendgrüße
Arno
 



 
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