talwärts

4,30 Stern(e) 12 Bewertungen
wer will nicht gelegentlich ein baum sein
sich selbst schatten spenden
verzweigt und verästelt lebensstürmen trotzen
jahrhunderte bemoost überdauern und
mit efeu berankt nistplätze anbieten

am liebsten wär ich auf einem hügel solitär
an dem sich wilde pferde scheuern
nur kein mischwaldbewohner
der schlank dem licht entgegenwächst
um schrankmöbel zu werden

blätter will ich keine nadeln
den frühling mit lichtem grün ankünden
meine rinde verliebten überlassen
für ihre herzen und namen
den viel versprechenden tag

eine bank soll stehen an meinem stamm
für den blick ins Tal
wenn sie im alter wieder kommen
und am liebsten neben mir
begraben sein wollen
 

Perry

Mitglied
Hallo Karl,

schöne Vorstellung, aus der einerseits eine abgeklärte Lebenshaltung spricht, andererseits aber auch eine Resignation spürbar ist.
Sich auf einen ruhigen Beobachterposten zurückzuziehen ist meist eine altersbedingte Entscheidung, doch auch aus dieser kann immer wieder neues Blühen entstehen.
Gern gelesen!
LG
Manfred
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo karl,

ein "wunderbares" idyll,daß du hier
in einer eher unromantischen sprache
darstellst.

gefällt mir sehr...
ralf
 
A

AchterZwerg

Gast
Lieber Karl,
ich bin ebenfalls sehr angetan und verstehe LyrIs Haltung gut. Leider kann man sich dem Mischwald nicht immer & überall entziehen. :D;)
Aus dem Schrankmöbel würde ich ein Schrankwandmöbel (Klang) oder eine Schrankwand machen. Schrankwände, vornehmlich in Altdeutsch, sind zudem das Grässlichste, was der Markt so bietet. Passt also.
Herzlichst
Heidrun
 
Lieber Ralf,
ja, im Alter werde ich offenbar doch noch idyllisch.
Ist mir eigentlich ein wenig peinlich.
Dennoch danke für dein Lob.
Gruß
Karl
 
wer will nicht gelegentlich ein baum sein
sich selbst schatten spenden
verzweigt und verästelt lebensstürmen trotzen
jahrhunderte bemoost überdauern und
mit efeu berankt nistplätze anbieten

am liebsten wär ich auf einem hügel solitär
an dem sich wilde pferde scheuern
nur kein mischwaldbewohner
der schlank dem licht entgegenwächst
um schrankwandmöbel zu werden

blätter will ich keine nadeln
den frühling mit lichtem grün ankünden
meine rinde verliebten überlassen
für ihre herzen und namen
den viel versprechenden tag

eine bank soll stehen an meinem stamm
für den blick ins Tal
wenn sie im alter wieder kommen
und am liebsten neben mir
begraben sein wollen
 

Carina M.

Mitglied
Hallo Karl,

für mich ist es das schönste Gedicht, was ich bisher von dir gelesen habe.
Einfach wundervoll.
Ich werde es bestimmt noch öfter lesen.

Lieben Gruß,
Carina
 
M

mirami

Gast
hallo karl,

mir gefällt’s auch gut. es kommt so erfrischend ungekünstelt,
und ohne übertriebene fragwürdige finessen daher.
erst stutzte ich beim „verzweigt und verästelt“, weil ich mich fragte
wo da der unterschied ist, und ob es statt dessen nicht sinn macht
eines der worte durch z.b. verwurzelt zu ersetzten. (im hinblick auf
die lebensstürme, denen getrotzt werden soll)

aber mittlerweile gefällt es mir das verzweigt und verästelt ausgesprochen gut, denn
es beschreibt den umfassenden und unausbleiblichen wachstumsprozess,
dem jedes leben unterworfen ist.

das mit dem herzen einritzen ist mir persönlich einen tick zu kitschig.
mir hätte an dieser stelle die bank genügt. die finde ich großartig.

„eine bank soll stehen an meinem stamm
für den blick ins Tal“

wäre ein schöner offener schluß, der raum zum nachklingen geben würde.

lg
mirami
 
Liebe mirami,
ja, es war auch meine Sorge, dem Kitsch zu nahe zu kommen.
Aber in meinem Alter bleiben Gedanken an den Tod einfach nicht aus.
Über die Herzen in der Rinde denke ich aber gern noch einmal nach.
Danke für deine Kritik
und herzlichen Gruß
Karl
 
wer will nicht gelegentlich ein baum sein
sich selbst schatten spenden
verzweigt und verästelt lebensstürmen trotzen
jahrhunderte bemoost überdauern und
mit efeu berankt nistplätze anbieten

am liebsten wär ich auf einem hügel solitär
an dem sich wilde pferde scheuern
nur kein mischwaldbewohner
der schlank dem licht entgegenwächst
um schrankwandmöbel zu werden

blätter will ich keine nadeln
den frühling mit lichtem grün ankünden
meine rinde wahren und falschen
verliebten überlassen für herzen
namen und den viel versprechenden tag

eine bank soll stehen an meinem stamm
für den blick ins Tal
wenn sie im alter wieder kommen
und am liebsten neben mir
begraben sein wollen
 



 
Oben Unten