Tantalos 1: Thema

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mondnein

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Tantalos 1
Thema

Nichts reimt sich auf den "Menschen" diesen Tantaliden
In Göttermahl und Hölle ist er aufgegliedert:
Insektenhaft sind Tropfenleib und Sinn geschieden
Die Sucht verbrennt womit sein Herz sich stolz befiedert

Verstand zwar scheint auf alles einen Reim zu finden
Ins Lächerliche zerrt er doch die Oberflächen
Die er versucht mit seinen Witzen zu entzünden
Die Pointe will die Bilder biegen bis sie brechen

So daß die Sterne meinen Augen scheu entweichen
Ein Hohlraum bläht sich auf vor meinen Hungerblicken
Ich kann die violetten Tiefen nicht erreichen
Ich müßte denn mich in den Horizont entrücken

In dem die parallelen Strahlen sich berühren
Dem Punkt der meinem Sehnen gradewegs entflieht
Soll ich in Schmerz verzückt mich in der Lust verlieren
Die der Narkissen und Märtyrer Fleisch durchzieht?
 

Tula

Mitglied
Hallo Hans
Ich bin auf jeden Fall auf die Fortsetzung gespannt.

In Göttermahl und Hölle ist er aufgegliedert:
Insektenhaft sind Tropfenleib und Sinn geschieden


Bemerkenswert! Wie auch die Mystik der violetten Tiefen

LG Tula
 

mondnein

Mitglied
die Mystik der violetten Tiefen
Du triffst in Schwarze, Tula,

insofern ich bei den "violetten Tiefen" an drei Dinge gedacht habe:
1. die "mystische" Farbe bei den Kulturtheoretikern, die etwa an das Ende einer Kulturepoche wie die Metamorphose des Weströmischen Reichs ins christliche Abendland, - wie ich mich blaß zu erinnern glaube (aber ich weiß nicht einmal mehr, bei wem ich das gelesen habe, könnte Klages gewesen sein) - die also in die Regenbogen-Skala der Reifezustände einer Kultur das "Violett" gesetzt haben. Entstammt wohl dem Newtonschen Farbspektrum;
2. das Extrem (bzw. der unerreichbare Grenzwert) der Rotverschiebung beim 14-Millarden-Jahre-Rückblick ins Universum;
3. die Farbe der katholischen Sakralgewänder zur Passionszeit.

grusz, hansz
 

sufnus

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Hey Hansz,
ein äußerst reichhaltiges Einstiegsgedicht, offenbar der Beginn (mit Kopfthema im musikalischen und wortwörtlichen Sinn) eines Tantaloszyklus, ein Beitrag zur Menschheitstheorie aus dem Geist der Sünde.
Vieles könnte man aus dem Büffettangebot dieses Gedichts rühmend herauspicken. Ich verliere mich mal in einem kleinen Gustostückerl, das zunächst etwas randständig scheint: Bei "Märtyrer" in der letzten Zeile liegt auf den ersten, sehr technischen Blick ein metrischer Holperer vor, der aber korrigiert vortragbar ist, indem dieses Wort vorschriftswidrig auf der zweiten Silbe betont wird (Mär-ty-rer => xXx), wodurch sich die Zeile in einen regelmäßigen, sechshebigen Jambus verwandelt " Die der Narkissen und Märtyrer Fleisch durchzieht?". Soweit so angeschrägt. :)
Der Witz ist jetzt, dass dadurch im Wort Märtyrer plötzlich das Wort "Tier" heraushörbar wird. Und ich zumindest musste da an Mephisto und seinen humanen Totalverriss denken: "Er nennt's Vernunft und braucht's allein, nur tierischer als jedes Tier zu sein.".
LG!
S.
 

mondnein

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Ja, Sufnus,

das ist schon ein verrückter Holperer für Stolperer, diese Betonung von "Märtyrer". Das y ist kurz, immerhin leiert es nicht, wenn man die ersten beiden (der drei) Silben von "Märtyrer" in gleicher Betonung schweben läßt.
Wenn das "und" davor abgeschwächt wird, folgen zwei Daktylen aufeinander, der Vers hat insgesamt eine Hebung weniger als die anderen, es ergibt sich eine speziellen Klausel. Mit einem Effekt, vergleichbar der musikalischen Figur, wo drei halbe Noten über sechs Viertelnoten gespannt werden. Oder zwei Triolen (Daktylen) über die unbetonte Senkung des einen Trochäus (kissen und) und die Hebung des folgenden (Märtyrer).
Die ersten und die letzten Verse eignen sich für solche Metrum-Überlagerungen am besten, aber das ist eine ziemlich ästhetizistische Entschuldigung.

(Ich kriegs einfach nicht anders hin.)

grusz, hansz
 
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