Tauchen
Ich lehnte mit dem Rücken am Beckenrand, auf der schmalen Stufe stehend, die den Rand säumte, gerade so hoch über dem Grund, dass mein Kopf ein Stück aus dem Wasser ragte, Die Arme hatte ich zur Seite gespreizt und führte sie die Rinne entlang, in die beharrlich das Wasser plätscherte. Die Sonne war warm und die Luft ruhig.
Die Kinder lachten vor Vergnügen, sprangen immer wieder ins Wasser und neckten einander. Da war dieser kleine Junge, der so schrill in mein Leben treten sollte, um doch gleich wieder zu verstummen. Zunächst schenkte ich seinem Tun überhaupt keine Aufmerksamkeit. Er hatte schwarze kurze Haare und war ziemlich dünn. Es ist schwer zu sagen, wie alt er war, vielleicht zehn oder zwölf. Jedenfalls war er klein und schwach.
Ich weiß nicht, ob seine Eltern in der Nähe waren. Seine Freunde waren es, doch auf die war kein Verlass. Im Nachhinein zweifle ich sogar daran, dass es überhaupt richtige Freunde waren.
Ich hatte schon mehrere Minuten in dieser Position verharrt und ließ das Treiben um mich herum geschehen, ohne mich von ihm stören zu lassen. Warum sollte es mich auch stören? Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie es war, als ich selbst ein kleiner Junge gewesen bin: Jeden Nachmittag verbrachte ich im Schwimmbad, wenn es das Wetter zuließ. Im Sommer oft bis der Bademeister uns nach Hause schickte. Von der Sonne war mein Haar geradezu bleich geworden und ich schaute den älteren Jungs beim Fußballspielen zu oder schwamm mit meinen Freunden um die Wette. Für Mädchen hatte ich damals noch keinen Blick, außer vielleicht einen kurzen der bloßen Kenntnisnahme.
Und dann stieg dieser Gedanke in mir auf. Oder kam er auf mich herab? Ich bin mir nicht sicher, ob er aus mir heraus kam. Doch muß es wohl so gewesen sein, auch wenn alle die mich kennen, mir das nie zugetraut hätten. Nun, wie gut kannten sie mich? Zu ihrer Verteidigung muß ich allerdings anbringen, dass sie es auch niemand anderem zugetraut hätten, den sie in ihrer Mitte duldeten. Vielleicht war genau das der Grund: Ich wollte sie überraschen. Dabei ist überraschen gar nicht das richtige Wort. Vielmehr wollte ich ihnen einen Spiegel vorhalten, ihnen ihre Unwissenheit vor Augen führen. Mag sein, dass ich auch gar nicht länger in ihrer Mitte geduldet sein wollte.
Immer mehr ergriff diese Idee, dieser Plan von mir Besitz. Ich spürte, wie sie in meinen Körper drang, meine Beine wärmte, mein Herz schneller schlagen machte und meine Lungen mit Luft füllte. Allein für dieses Behagen würde es sich schon lohnen. Und es steigerte sich noch. Schließlich war es ein Verlangen, ein Rausch. Ob ich von Anfang an nicht mehr entrinnen konnte oder ob ich zunächst noch etwas hätte tun können, kann ich nicht beurteilen. Einzig könnte man mir vorwerfen, dass ich es hätte kommen sehen müssen. Doch ich habe es kommen sehen. Ich wollte es nicht verhindern. Ich trotzte der Gier und hielt mein wallendes Blut im Zaum. Je gieriger ich wurde, desto mehr Gewissheit erlangte ich und desto ruhiger wurde ich äußerlich. Diese Spannung zwischen körperlicher Kontrolle und gedanklicher Ekstase ließ mich meine Einsamkeit und Unvollkommenheit vergessen.
Dann ließ ich los. Alles war so natürlich, dass es keiner Anstrengung mehr bedurfte. Unzählige mal vorher hätte ich es tun können, doch es bestand kein Grund zur Eile. Ich hatte gewartet ohne Furcht. Mein rechter Arm löste sich vom Beckenrand, meine Hand schwebte einen Kopf hoch über dem Wasser. Ich war bereit es zu tun. Fast beschrieb sie einen Kreisbogen, als sie sich auf ihn zu bewegte. Der kleine Kopf ragte nur wenig aus dem Wasser. Die Haare fühlten sich stumpf an, als meine Hand über sie strich.
Als es vorüber war, konnte ich mich vor Erschöpfung kaum noch bewegen. Ob es kurz oder lange gedauert hatte, konnte ich nicht sagen. Mir kam es überraschend kurz vor. Doch schmolz für mich die Zeit ohnehin in einen einzigen Augenblick zusammen. So stand ich denn wieder am Beckenrand – genau wie vorher. Mir war kalt. Ich wartete, was nun geschehen würde.
Ich lehnte mit dem Rücken am Beckenrand, auf der schmalen Stufe stehend, die den Rand säumte, gerade so hoch über dem Grund, dass mein Kopf ein Stück aus dem Wasser ragte, Die Arme hatte ich zur Seite gespreizt und führte sie die Rinne entlang, in die beharrlich das Wasser plätscherte. Die Sonne war warm und die Luft ruhig.
Die Kinder lachten vor Vergnügen, sprangen immer wieder ins Wasser und neckten einander. Da war dieser kleine Junge, der so schrill in mein Leben treten sollte, um doch gleich wieder zu verstummen. Zunächst schenkte ich seinem Tun überhaupt keine Aufmerksamkeit. Er hatte schwarze kurze Haare und war ziemlich dünn. Es ist schwer zu sagen, wie alt er war, vielleicht zehn oder zwölf. Jedenfalls war er klein und schwach.
Ich weiß nicht, ob seine Eltern in der Nähe waren. Seine Freunde waren es, doch auf die war kein Verlass. Im Nachhinein zweifle ich sogar daran, dass es überhaupt richtige Freunde waren.
Ich hatte schon mehrere Minuten in dieser Position verharrt und ließ das Treiben um mich herum geschehen, ohne mich von ihm stören zu lassen. Warum sollte es mich auch stören? Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie es war, als ich selbst ein kleiner Junge gewesen bin: Jeden Nachmittag verbrachte ich im Schwimmbad, wenn es das Wetter zuließ. Im Sommer oft bis der Bademeister uns nach Hause schickte. Von der Sonne war mein Haar geradezu bleich geworden und ich schaute den älteren Jungs beim Fußballspielen zu oder schwamm mit meinen Freunden um die Wette. Für Mädchen hatte ich damals noch keinen Blick, außer vielleicht einen kurzen der bloßen Kenntnisnahme.
Und dann stieg dieser Gedanke in mir auf. Oder kam er auf mich herab? Ich bin mir nicht sicher, ob er aus mir heraus kam. Doch muß es wohl so gewesen sein, auch wenn alle die mich kennen, mir das nie zugetraut hätten. Nun, wie gut kannten sie mich? Zu ihrer Verteidigung muß ich allerdings anbringen, dass sie es auch niemand anderem zugetraut hätten, den sie in ihrer Mitte duldeten. Vielleicht war genau das der Grund: Ich wollte sie überraschen. Dabei ist überraschen gar nicht das richtige Wort. Vielmehr wollte ich ihnen einen Spiegel vorhalten, ihnen ihre Unwissenheit vor Augen führen. Mag sein, dass ich auch gar nicht länger in ihrer Mitte geduldet sein wollte.
Immer mehr ergriff diese Idee, dieser Plan von mir Besitz. Ich spürte, wie sie in meinen Körper drang, meine Beine wärmte, mein Herz schneller schlagen machte und meine Lungen mit Luft füllte. Allein für dieses Behagen würde es sich schon lohnen. Und es steigerte sich noch. Schließlich war es ein Verlangen, ein Rausch. Ob ich von Anfang an nicht mehr entrinnen konnte oder ob ich zunächst noch etwas hätte tun können, kann ich nicht beurteilen. Einzig könnte man mir vorwerfen, dass ich es hätte kommen sehen müssen. Doch ich habe es kommen sehen. Ich wollte es nicht verhindern. Ich trotzte der Gier und hielt mein wallendes Blut im Zaum. Je gieriger ich wurde, desto mehr Gewissheit erlangte ich und desto ruhiger wurde ich äußerlich. Diese Spannung zwischen körperlicher Kontrolle und gedanklicher Ekstase ließ mich meine Einsamkeit und Unvollkommenheit vergessen.
Dann ließ ich los. Alles war so natürlich, dass es keiner Anstrengung mehr bedurfte. Unzählige mal vorher hätte ich es tun können, doch es bestand kein Grund zur Eile. Ich hatte gewartet ohne Furcht. Mein rechter Arm löste sich vom Beckenrand, meine Hand schwebte einen Kopf hoch über dem Wasser. Ich war bereit es zu tun. Fast beschrieb sie einen Kreisbogen, als sie sich auf ihn zu bewegte. Der kleine Kopf ragte nur wenig aus dem Wasser. Die Haare fühlten sich stumpf an, als meine Hand über sie strich.
Als es vorüber war, konnte ich mich vor Erschöpfung kaum noch bewegen. Ob es kurz oder lange gedauert hatte, konnte ich nicht sagen. Mir kam es überraschend kurz vor. Doch schmolz für mich die Zeit ohnehin in einen einzigen Augenblick zusammen. So stand ich denn wieder am Beckenrand – genau wie vorher. Mir war kalt. Ich wartete, was nun geschehen würde.