Teenagerträume

fehlerfee

Mitglied
Teenagerträume


Ein Autokorso rollt in der Nacht mit Martinshorn und Blaulicht in den Kiez von Vogtlandgrün. Tatü tata! Tatü tata! Diese lauten Geräusche gehen mir durch Mark und Bein. Ich drücke beide Handflächen an meine Ohren.
Grelle Scheinwerfer erhellen unsere Wohnstraße mit ihrem maroden Charme. Die Herren des Bereitschaftsdienstes stürzen aus ihren Fahrzeugen. Eine gespenstige Kulisse baut sich vor mir auf. Aus diffusen Umrissen erkenne ich vertraute Ge-sichter. Li steht im Arztkittel an einem Abhang. Mama hebt warnend ihren Zeige-finger. Meine Freundinnen Mona, Margit und Tina reden heftig auf mich ein. Dann lachen sie wieder und schütteln mir Glückwunsch bringend die Hand. Großmama sitzt in ihrem schönsten Kleid auf einer Nebelbank und nimmt mich liebevoll in die Arme. Plötzlich stürze ich in Wasserwogen. Es scheint, als würden mich die Pforten der Hölle verschlingen.
Im nächsten Moment gehen zwei schwarz gekleidete Personen mit Trauermiene bedächtig auf mich zu. In ihren Händen tragen sie ein weißes Tuch. Sie sehen Alf und Bertl, meinen derzeitigen Herzbuben, ähnlich. Das Gesicht eines Dritten zeigt sich schemenhaft, als ein abrupter Szenenwechsel folgt.
Drei männliche, gut aussehende Wesen reiten im halsbrecherischen Galopp zum Ufer. Ihre lockigen Haarmähnen wehen im Wind. Sie bewegen sich rasant auf mich zu. Näher und näher. Gerade so, als wollen sie mich mit ihren Pferden niedertrampeln. Ich will schreien, jedoch meine Stimme versagt.
Ein goldener Schein umhüllt dieses schauderhafte Szenario, als ein engelhaftes Geschöpf mit Bambiaugen auf mich zukommt. Es greift rettend ein, bevor der Teufel sein Licht für mich zündet.

Mit einem Mal sitze ich schweißgebadet im Bett meiner Mädchenkammer. Was war das? Ich fühle mich wie gerädert und im Dämmerzustand verbringe ich die restliche Zeit bis zum Weckerläuten. Danach taumle ich über die knarrenden Erkerdielen zum Außenwaschbecken. Seit Tagen meide ich die elterliche Woh-nung in der dritten Etage. Bewusst. Das Kommunikationsband zu meiner Mutter ist derzeit arg porös.
Die Erinnerung an meinen verwirrenden Traum verblasst innerhalb weniger Stunden am Arbeitsplatz. Ich bin an diesem Freitagvormittag unkonzentriert. Mehrmals unterbreche ich das Fakturieren der Rechnungen, über diverse Spitzen- und Gardinenlieferungen unserer Versandabteilung. Spontan wandert mein Blick durchs Fenster, in das grüne Areal des Hinterhofes unserer Firmenzweigstelle. Dabei trifft mich der vorwurfsvolle Blick meiner sympathischen Chefin. Flugs widme ich mich wieder meiner Aufgabe als Sachbearbeiterin.
In der Mittagspause gehe ich ausnahmsweise nicht mit meinen Kollegen in die Kantine. Stattdessen verlasse ich das Großraumbüro im Souterrain und trete durch die nächste Tür in den beschaulichen Betriebsgarten. Ich hocke mich auf die rustikale Holzbank unter einer schattenspenden Birke, kicke mir die Riem-chensandaletten von den Füßen und lasse meine Beine über den Rasenteppich baumeln. Meine Zehenspitzen berühren die Blütenkelche der Gänseblümchen. Herrlich! Im Wolkenorchester spielt heute die Sonne die erste Geige.
Ich setze mich gedanklich mit diesen dämonischen Traumschlieren auseinander. Was bedeutet diese nächtliche Bildersprache meines Gehirns? Wie soll ich diese pseudonymen Botschaften meines Unterbewusstseins interpretieren? Missgeschi-cke? Katastrophen? Damit bin ich derzeit reichlich bedient. Das wische ich mir schnell von der Backe.

Schicksal halte dich zurück. Bereits als Kindergartenknirps hast du mir einen tiefen Kratzer in meine Seele geratzt. Inzwischen habe ich mich mit meinem Handicap arrangiert, das sicher irgendwann verschwindet.
„Herrje! Welche Macht bestimmt, was mit uns Menschen passiert? Stell dich, du imaginäre Person!“ sage ich laut und schlage mit der offenen Hand auf den Sitz.
Mir wird angst und bange. Aus Erfahrung weiß ich, dass ein Teil meiner Träume stets Wirklichkeit wird. Trotzdem - ich bin Optimist. Die Dinge werden sich in meinem verzwickten Lebenshaus zur rechten Zeit entwickeln. Jawohl!
Nichts wünsche ich mir mehr, als Harmonie im Elternhaus. Das Vertrauen gegenüber meiner Mutter ist durch ihre diversen Schnüffeleinsätze in meinen Freizeitaktivitäten arg geschädigt. Für diesen irreparablen Konflikt muss ich eine Lösung finden, die uns beiden gerecht wird. Es ist doch absehbar, dass ich mein Single-Dasein beende, meine eigene Familie gründe, sobald Mister Right vor mir steht. Hola! Was ist, wenn ich ihn nicht erkenne, machen sich Zweifel breit.
Die Zeit ist mein Freund. Sie führt mich ins ersehnte Ziel. Am Tag X habe ich ein Rendezvous im Standesamt. Hoppla, ohne Bräutigam? Mein Bauchhirn spielt verrückt. Tzas, Klein-Cleo, geht’s noch? Nix überstürzen. Was soll diese Tor-schlusspanik? Ich bin Neunzehn!
Warum ist es so verdammt schwer erwachsen zu werden. Ein Seufzer löst sich aus meiner Kehle. Oh, ich schau auf die Armbanduhr, meine Pause ist vorbei.




Stunden später stürme ich aus dem Betriebstor. Juchhu! Feierabend. Wochenende heißt das Zauberwort.
Meine Füße tragen mich durch die pulsierende Innenstadt. Auf dem steil abfallen-den Fußgängerboulevard, der Bahnhofstraße, quietschen Straßenbahnen, die vom zentralen Gleisdreieck, dem Tunnel, Fahrgäste in alle Stadtteile chauffieren.
„Hei, Cleo.“ Margit wedelt mir aufgeregt am Mühlberg, unweit meines Zuhauses, entgegen.
Die älteren Gebäude links und rechts des Gehweges sehen aus wie Puppenhäuser. In ihren Minifenstern spiegelt sich die pralle Nachmittagssonne.
„Alles im grünen Bereich? Was macht dein Liebes-Roulette?“ Sie stöhnt beim Heraufkraxeln des fast senkrechten Hausberges in unserem Wohngebiet.
„Ach. Es dreht sich. Nur mit meiner Erziehungsberechtigten liege ich derzeit arg im Clinch. Sag mal, kann man seine Mudds zur Adoption freigeben?“ antworte ich im komödiantischen Tonfall.
„Waaaas? Naja, nach all dem Zoff mit deinen rosafarbenen Briefchen und Tage-buch, kann ich deinen Zynismus nachvollziehen. Glücklicherweise hast du deinen Humor nicht verloren.“
„Schade, seit dem Ende unserer Azubi-Ära, sehen wir uns wochentags selten.“
„So ist das Leben, auch uns hat jetzt die Alltagskralle voll im Griff.“
„Stimmt das neueste Freund-wechsel-dich-Gerücht über dich und deinen Ersti-Lover?“ will Margit wissen.
„Das da heißt?“
„Derzeit aus.“
„Derzeit? Diesmal ist Li für immer aus meinem Herzen verbannt“, bejahe ich überzeugt.
„Toi, toi, toi für deine prekäre häusliche Lage. Ich fahre dieses Wochenende zu meiner Schwester. Vielleicht sehen wir uns zum nächsten Tanzknüller“, ruft mir Margit im Weitergehen noch zu.


Versonnen winke ich meiner Schulfreundin nach. Beim Überqueren des Stegs über dem Mühlgraben kann ich mir ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen. Dieser fesche Haudegen Li ist vor Jahren genau an der Stelle stehen geblieben, halte ich am Brückengeländer inne. Ein Mosaik der Erinnerungen zeichnet sich hinter meiner Stirn ab. Jugendliebe ist ein Phänomen, weiß ich heute. Das alte Mühlenrad starrt mich an, während das Bächlein wie eh und je vor sich hinplät-schert. Eilig gehe ich über das Kopfsteinpflaster, bis zu meinem Wohnhaus mit der Nummer 6. Die roten Ziegel der Hoffront blinken hinter der großen Erle im Garten hervor.
In wenigen Monaten begrüßen wir mit Pauken und Trompeten das neue Jahr-zehnt: 1970. Mit welchem männlichen Juwel werde ich wohl zur Silvester-Fete anstoßen? Es gibt da schon ein paar Anwärter …

Als ich meine Giebelkammer betrete, löst dieser Plausch mit meiner ehemaligen Mitschülerin eine Gedankenwulst aus. Mir schwirren die Ereignisse vergangener Jahre durch den Kopf. Im Schnelldurchgang. Ein Bild jagt das andere.
Tja, bisher erlebte ich Liebe und Beziehungen als vergnügliches Herzflattern. Ich spielte mit Worten und Gesten, meine Art Gefühle auszudrücken. Dabei setzte ich meine weißen Steine im Liebesschach mit der kompletten Skala der Emotionen. Ständig verknallt in irgendeinen maskulinen Typ, gönnte ich meinen verliebten Stirnlappen keine Erholungsphase. Seitenweise füllte ich damit meinen Seelentrös-ter, das Tagebuch.
Ich setze mich in Großvaters Sessel unter meiner urigen Wandschräge. Zusam-mengeringelt gönne ich meinen Wimpernschlägen eine Pause. Aber, im nächsten Moment ziehe ich mein Logbuch des Lebens aus der Nachttischschublade. In ihm sind meine Top Zehn Herzblätter akribisch verewigt.
Oh, oh! Dabei ging es mir nicht in erster Linie um Profilierung oder Erfolg, sondern um die Freude am Tun. Es musste mir ein Lachen entlocken und oft erlaubte ich mir selbst zu dramatisieren.
Ich gebe mich vollkommen meinen geschriebenen Zeilen hin und gönne mir das prickelnde Vergnügen, in meiner Vergangenheit zu blättern. Auf die Seiten, fertig, los! Mitten in den Swinging Sixties beginnen meine chronistischen Aufzeichnun-gen.
 

Raul Reiser

Mitglied
Teenagertäume

Liebe Fehlerfee,

Du bist anscheinend hier recht neu, deshalb: ein herzliches Willkommen!

In Deinem Text ist eine Botschaft, aber voll verwurschtelt. Wer kennt all die Namen und für was stehen sie?
Da kommt eine Mädchenkammer vor und eine Giebelkammer. Wann spielt das?
Am Schluss die Sixtees.
Dazwischen irgendwie Biografie.
Das krieg ich über den Text nicht zusammen.

Irgendwo ist das Gutes verborgen. Aber durch den Text zugeschüttet.
Probiers vielleicht noch mal: Um was geht es Dir?
Gruß
Raul
 

fehlerfee

Mitglied
Teenieträume

Hallo Raul,

richtig erkannt: Ich bin neu hier und versuche mir gerade einen Überblick zu verschaffen.

Meine Texteingabe ist Dir schleierhaft bzw. Du findest sie verwurschtelt?

Es handelt sich um den Anfang eines Romans, der in den 60er und 70er Jahren spielt und zunächst mit einer Traumsequenz der Protagonistin beginnt. Träume sind nun mal oft "undurchsichtig" ....

Die aufgeführten Personen, ebenso der Traum, erlangen im Laufe der Handlung Bedeutung.

Danke Dir, dass Du Dir für meine Textstreusel Zeit genommen hast.

Einen schönen Sonntag wünscht, fehlerfee
 

fehlerfee

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Teenagerträume


Ein Autokorso rollt in der Nacht mit Martinshorn und Blaulicht in den Kiez von Vogtlandgrün. Tatü tata! Tatü tata! Diese lauten Geräusche gehen mir durch Mark und Bein. Ich drücke beide Handflächen an meine Ohren.
Grelle Scheinwerfer erhellen unsere Wohnstraße mit ihrem maroden Charme. Die Herren des Bereitschaftsdienstes stürzen aus ihren Fahrzeugen. Eine gespenstige Kulisse baut sich vor mir auf. Aus diffusen Umrissen erkenne ich vertraute Ge-sichter. Li steht im Arztkittel an einem Abhang. Mama hebt warnend ihren Zeige-finger. Meine Freundinnen Mona, Margit und Tina reden heftig auf mich ein. Dann lachen sie wieder und schütteln mir Glückwunsch bringend die Hand. Großmama sitzt in ihrem schönsten Kleid auf einer Nebelbank und nimmt mich liebevoll in die Arme. Plötzlich stürze ich in Wasserwogen. Es scheint, als würden mich die Pforten der Hölle verschlingen.
Im nächsten Moment gehen zwei schwarz gekleidete Personen mit Trauermiene bedächtig auf mich zu. In ihren Händen tragen sie ein weißes Tuch. Sie sehen Alf und Bertl, meinen derzeitigen Herzbuben, ähnlich. Das Gesicht eines Dritten zeigt sich schemenhaft, als ein abrupter Szenenwechsel folgt.
Drei männliche, gut aussehende Wesen reiten im halsbrecherischen Galopp zum Ufer. Ihre lockigen Haarmähnen wehen im Wind. Sie bewegen sich rasant auf mich zu. Näher und näher. Gerade so, als wollen sie mich mit ihren Pferden niedertrampeln. Ich will schreien, jedoch meine Stimme versagt.
Ein goldener Schein umhüllt dieses schauderhafte Szenario, als ein engelhaftes Geschöpf mit Bambiaugen auf mich zukommt. Es greift rettend ein, bevor der Teufel sein Licht für mich zündet.

Mit einem Mal sitze ich schweißgebadet im Bett meiner Mädchenkammer. Was war das? Ich fühle mich wie gerädert und im Dämmerzustand verbringe ich die restliche Zeit bis zum Weckerläuten. Danach taumle ich über die knarrenden Erkerdielen zum Außenwaschbecken. Seit Tagen meide ich die elterliche Woh-nung in der dritten Etage. Bewusst. Das Kommunikationsband zu meiner Mutter ist derzeit arg porös.
Die Erinnerung an meinen verwirrenden Traum verblasst innerhalb weniger Stunden am Arbeitsplatz. Ich bin an diesem Freitagvormittag unkonzentriert. Mehrmals unterbreche ich das Fakturieren der Rechnungen, über diverse Spitzen- und Gardinenlieferungen unserer Versandabteilung. Spontan wandert mein Blick durchs Fenster, in das grüne Areal des Hinterhofes unserer Firmenzweigstelle. Dabei trifft mich der vorwurfsvolle Blick meiner sympathischen Chefin. Flugs widme ich mich wieder meiner Aufgabe als Sachbearbeiterin.
In der Mittagspause gehe ich ausnahmsweise nicht mit meinen Kollegen in die Kantine. Stattdessen verlasse ich das Großraumbüro im Souterrain und trete durch die nächste Tür in den beschaulichen Betriebsgarten. Ich hocke mich auf die rustikale Holzbank unter einer schattenspenden Birke, kicke mir die Riem-chensandaletten von den Füßen und lasse meine Beine über den Rasenteppich baumeln. Meine Zehenspitzen berühren die Blütenkelche der Gänseblümchen. Herrlich! Im Wolkenorchester spielt heute die Sonne die erste Geige.
Ich setze mich gedanklich mit diesen dämonischen Traumschlieren auseinander. Was bedeutet diese nächtliche Bildersprache meines Gehirns? Wie soll ich diese pseudonymen Botschaften meines Unterbewusstseins interpretieren? Missgeschi-cke? Katastrophen? Damit bin ich derzeit reichlich bedient. Das wische ich mir schnell von der Backe.

Schicksal halte dich zurück. Bereits als Kindergartenknirps hast du mir einen tiefen Kratzer in meine Seele geratzt. Inzwischen habe ich mich mit meinem Handicap arrangiert, das sicher irgendwann verschwindet.
„Herrje! Welche Macht bestimmt, was mit uns Menschen passiert? Stell dich, du imaginäre Person!“ sage ich laut und schlage mit der offenen Hand auf den Sitz.
Mir wird angst und bange. Aus Erfahrung weiß ich, dass ein Teil meiner Träume stets Wirklichkeit wird. Trotzdem - ich bin Optimist. Die Dinge werden sich in meinem verzwickten Lebenshaus zur rechten Zeit entwickeln. Jawohl!
Nichts wünsche ich mir mehr, als Harmonie im Elternhaus. Das Vertrauen gegenüber meiner Mutter ist durch ihre diversen Schnüffeleinsätze in meinen Freizeitaktivitäten arg geschädigt. Für diesen irreparablen Konflikt muss ich eine Lösung finden, die uns beiden gerecht wird. Es ist doch absehbar, dass ich mein Single-Dasein beende, meine eigene Familie gründe, sobald Mister Right vor mir steht. Hola! Was ist, wenn ich ihn nicht erkenne, machen sich Zweifel breit.
Die Zeit ist mein Freund. Sie führt mich ins ersehnte Ziel. Am Tag X habe ich ein Rendezvous im Standesamt. Hoppla, ohne Bräutigam? Mein Bauchhirn spielt verrückt. Tzas, Klein-Cleo, geht’s noch? Nix überstürzen. Was soll diese Tor-schlusspanik? Ich bin Neunzehn!
Warum ist es so verdammt schwer erwachsen zu werden. Ein Seufzer löst sich aus meiner Kehle. Oh, ich schau auf die Armbanduhr, meine Pause ist vorbei.




Stunden später stürme ich aus dem Betriebstor. Juchhu! Feierabend. Wochenende heißt das Zauberwort.
Meine Füße tragen mich durch die pulsierende Innenstadt. Auf dem steil abfallen-den Fußgängerboulevard, der Bahnhofstraße, quietschen Straßenbahnen, die vom zentralen Gleisdreieck, dem Tunnel, Fahrgäste in alle Stadtteile chauffieren.
„Hei, Cleo.“ Margit wedelt mir aufgeregt am Mühlberg, unweit meines Zuhauses, entgegen.
Die älteren Gebäude links und rechts des Gehweges sehen aus wie Puppenhäuser. In ihren Minifenstern spiegelt sich die pralle Nachmittagssonne.
„Alles im grünen Bereich? Was macht dein Liebes-Roulette?“ Sie stöhnt beim Heraufkraxeln des fast senkrechten Hausberges in unserem Wohngebiet.
„Ach. Es dreht sich. Nur mit meiner Erziehungsberechtigten liege ich derzeit arg im Clinch. Sag mal, kann man seine Mudds zur Adoption freigeben?“ antworte ich im komödiantischen Tonfall.
„Waaaas? Naja, nach all dem Zoff mit deinen rosafarbenen Briefchen und Tage-buch, kann ich deinen Zynismus nachvollziehen. Glücklicherweise hast du deinen Humor nicht verloren.“
„Schade, seit dem Ende unserer Azubi-Ära, sehen wir uns wochentags selten.“
„So ist das Leben, auch uns hat jetzt die Alltagskralle voll im Griff.“
„Stimmt das neueste Freund-wechsel-dich-Gerücht über dich und deinen Ersti-Lover?“ will Margit wissen.
„Das da heißt?“
„Derzeit aus.“
„Derzeit? Diesmal ist Li für immer aus meinem Herzen verbannt“, bejahe ich überzeugt.
„Toi, toi, toi für deine prekäre häusliche Lage. Ich fahre dieses Wochenende zu meiner Schwester. Vielleicht sehen wir uns zum nächsten Tanzknüller“, ruft mir Margit im Weitergehen noch zu.


Versonnen winke ich meiner Schulfreundin nach. Beim Überqueren des Stegs über dem Mühlgraben kann ich mir ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen. Dieser fesche Haudegen Li ist vor Jahren genau an der Stelle stehen geblieben, halte ich am Brückengeländer inne. Ein Mosaik der Erinnerungen zeichnet sich hinter meiner Stirn ab. Jugendliebe ist ein Phänomen, weiß ich heute. Das alte Mühlenrad starrt mich an, während das Bächlein wie eh und je vor sich hinplät-schert. Eilig gehe ich über das Kopfsteinpflaster, bis zu meinem Wohnhaus mit der Nummer 6. Die roten Ziegel der Hoffront blinken hinter der großen Erle im Garten hervor.
In wenigen Monaten begrüßen wir mit Pauken und Trompeten das neue Jahr-zehnt: 1970. Mit welchem männlichen Juwel werde ich wohl zur Silvester-Fete anstoßen? Es gibt da schon ein paar Anwärter …

Als ich meine Giebelkammer betrete, löst dieser Plausch mit meiner ehemaligen Mitschülerin eine Gedankenwulst aus. Mir schwirren die Ereignisse vergangener Jahre durch den Kopf. Im Schnelldurchgang. Ein Bild jagt das andere.
Tja, bisher erlebte ich Liebe und Beziehungen als vergnügliches Herzflattern. Ich spielte mit Worten und Gesten, meine Art Gefühle auszudrücken. Dabei setzte ich meine weißen Steine im Liebesschach mit der kompletten Skala der Emotionen. Ständig verknallt in irgendeinen maskulinen Typ, gönnte ich meinen verliebten Stirnlappen keine Erholungsphase. Seitenweise füllte ich damit meinen Seelentrös-ter, das Tagebuch.
Ich setze mich in Großvaters Sessel unter meiner urigen Wandschräge. Zusam-mengeringelt gönne ich meinen Wimpernschlägen eine Pause. Aber, im nächsten Moment ziehe ich mein Logbuch des Lebens aus der Nachttischschublade. In ihm sind meine Top Zehn Herzblätter akribisch verewigt.
Oh, oh! Dabei ging es mir nicht in erster Linie um Profilierung oder Erfolg, sondern um die Freude am Tun. Es musste mir ein Lachen entlocken und oft erlaubte ich mir selbst zu dramatisieren.
Ich gebe mich vollkommen meinen geschriebenen Zeilen hin und gönne mir das prickelnde Vergnügen, in meiner Vergangenheit zu blättern. Auf die Seiten, fertig, los! Mitten in den Swinging Sixties beginnen meine chronistischen Aufzeichnungen ...

Anfangskapitel eines Romans - Teenager-Tragik-Komödie - aus den 60er und 70er Jahren
 

fehlerfee

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Ein Autokorso rollt in der Nacht mit Martinshorn und Blaulicht in den Kiez von Vogtlandgrün. Tatü tata! Tatü tata! Diese lauten Geräusche gehen mir durch Mark und Bein. Ich drücke beide Handflächen an meine Ohren.
Grelle Scheinwerfer erhellen unsere Wohnstraße mit ihrem maroden Charme. Die Herren des Bereitschaftsdienstes stürzen aus ihren Fahrzeugen. Eine gespenstige Kulisse baut sich vor mir auf. Aus diffusen Umrissen erkenne ich vertraute Ge-sichter. Li steht im Arztkittel an einem Abhang. Mama hebt warnend ihren Zeige-finger. Meine Freundinnen Mona, Margit und Tina reden heftig auf mich ein. Dann lachen sie wieder und schütteln mir Glückwunsch bringend die Hand. Großmama sitzt in ihrem schönsten Kleid auf einer Nebelbank und nimmt mich liebevoll in die Arme. Plötzlich stürze ich in Wasserwogen. Es scheint, als würden mich die Pforten der Hölle verschlingen.
Im nächsten Moment gehen zwei schwarz gekleidete Personen mit Trauermiene bedächtig auf mich zu. In ihren Händen tragen sie ein weißes Tuch. Sie sehen Alf und Bertl, meinen derzeitigen Herzbuben, ähnlich. Das Gesicht eines Dritten zeigt sich schemenhaft, als ein abrupter Szenenwechsel folgt.
Drei männliche, gut aussehende Wesen reiten im halsbrecherischen Galopp zum Ufer. Ihre lockigen Haarmähnen wehen im Wind. Sie bewegen sich rasant auf mich zu. Näher und näher. Gerade so, als wollen sie mich mit ihren Pferden niedertrampeln. Ich will schreien, jedoch meine Stimme versagt.
Ein goldener Schein umhüllt dieses schauderhafte Szenario, als ein engelhaftes Geschöpf mit Bambiaugen auf mich zukommt. Es greift rettend ein, bevor der Teufel sein Licht für mich zündet.

Mit einem Mal sitze ich schweißgebadet im Bett meiner Mädchenkammer. Was war das? Ich fühle mich wie gerädert und im Dämmerzustand verbringe ich die restliche Zeit bis zum Weckerläuten. Danach taumle ich über die knarrenden Erkerdielen zum Außenwaschbecken. Seit Tagen meide ich die elterliche Woh-nung in der dritten Etage. Bewusst. Das Kommunikationsband zu meiner Mutter ist derzeit arg porös.
Die Erinnerung an meinen verwirrenden Traum verblasst innerhalb weniger Stunden am Arbeitsplatz. Ich bin an diesem Freitagvormittag unkonzentriert. Mehrmals unterbreche ich das Fakturieren der Rechnungen, über diverse Spitzen- und Gardinenlieferungen unserer Versandabteilung. Spontan wandert mein Blick durchs Fenster, in das grüne Areal des Hinterhofes unserer Firmenzweigstelle. Dabei trifft mich der vorwurfsvolle Blick meiner sympathischen Chefin. Flugs widme ich mich wieder meiner Aufgabe als Sachbearbeiterin.
In der Mittagspause gehe ich ausnahmsweise nicht mit meinen Kollegen in die Kantine. Stattdessen verlasse ich das Großraumbüro im Souterrain und trete durch die nächste Tür in den beschaulichen Betriebsgarten. Ich hocke mich auf die rustikale Holzbank unter einer schattenspenden Birke, kicke mir die Riem-chensandaletten von den Füßen und lasse meine Beine über den Rasenteppich baumeln. Meine Zehenspitzen berühren die Blütenkelche der Gänseblümchen. Herrlich! Im Wolkenorchester spielt heute die Sonne die erste Geige.
Ich setze mich gedanklich mit diesen dämonischen Traumschlieren auseinander. Was bedeutet diese nächtliche Bildersprache meines Gehirns? Wie soll ich diese pseudonymen Botschaften meines Unterbewusstseins interpretieren? Missgeschi-cke? Katastrophen? Damit bin ich derzeit reichlich bedient. Das wische ich mir schnell von der Backe.

Schicksal halte dich zurück. Bereits als Kindergartenknirps hast du mir einen tiefen Kratzer in meine Seele geratzt. Inzwischen habe ich mich mit meinem Handicap arrangiert, das sicher irgendwann verschwindet.
„Herrje! Welche Macht bestimmt, was mit uns Menschen passiert? Stell dich, du imaginäre Person!“ sage ich laut und schlage mit der offenen Hand auf den Sitz.
Mir wird angst und bange. Aus Erfahrung weiß ich, dass ein Teil meiner Träume stets Wirklichkeit wird. Trotzdem - ich bin Optimist. Die Dinge werden sich in meinem verzwickten Lebenshaus zur rechten Zeit entwickeln. Jawohl!
Nichts wünsche ich mir mehr, als Harmonie im Elternhaus. Das Vertrauen gegenüber meiner Mutter ist durch ihre diversen Schnüffeleinsätze in meinen Freizeitaktivitäten arg geschädigt. Für diesen irreparablen Konflikt muss ich eine Lösung finden, die uns beiden gerecht wird. Es ist doch absehbar, dass ich mein Single-Dasein beende, meine eigene Familie gründe, sobald Mister Right vor mir steht. Hola! Was ist, wenn ich ihn nicht erkenne, machen sich Zweifel breit.
Die Zeit ist mein Freund. Sie führt mich ins ersehnte Ziel. Am Tag X habe ich ein Rendezvous im Standesamt. Hoppla, ohne Bräutigam? Mein Bauchhirn spielt verrückt. Tzas, Klein-Cleo, geht’s noch? Nix überstürzen. Was soll diese Tor-schlusspanik? Ich bin Neunzehn!
Warum ist es so verdammt schwer erwachsen zu werden. Ein Seufzer löst sich aus meiner Kehle. Oh, ich schau auf die Armbanduhr, meine Pause ist vorbei.




Stunden später stürme ich aus dem Betriebstor. Juchhu! Feierabend. Wochenende heißt das Zauberwort.
Meine Füße tragen mich durch die pulsierende Innenstadt. Auf dem steil abfallen-den Fußgängerboulevard, der Bahnhofstraße, quietschen Straßenbahnen, die vom zentralen Gleisdreieck, dem Tunnel, Fahrgäste in alle Stadtteile chauffieren.
„Hei, Cleo.“ Margit wedelt mir aufgeregt am Mühlberg, unweit meines Zuhauses, entgegen.
Die älteren Gebäude links und rechts des Gehweges sehen aus wie Puppenhäuser. In ihren Minifenstern spiegelt sich die pralle Nachmittagssonne.
„Alles im grünen Bereich? Was macht dein Liebes-Roulette?“ Sie stöhnt beim Heraufkraxeln des fast senkrechten Hausberges in unserem Wohngebiet.
„Ach. Es dreht sich. Nur mit meiner Erziehungsberechtigten liege ich derzeit arg im Clinch. Sag mal, kann man seine Mudds zur Adoption freigeben?“ antworte ich im komödiantischen Tonfall.
„Waaaas? Naja, nach all dem Zoff mit deinen rosafarbenen Briefchen und Tage-buch, kann ich deinen Zynismus nachvollziehen. Glücklicherweise hast du deinen Humor nicht verloren.“
„Schade, seit dem Ende unserer Azubi-Ära, sehen wir uns wochentags selten.“
„So ist das Leben, auch uns hat jetzt die Alltagskralle voll im Griff.“
„Stimmt das neueste Freund-wechsel-dich-Gerücht über dich und deinen Ersti-Lover?“ will Margit wissen.
„Das da heißt?“
„Derzeit aus.“
„Derzeit? Diesmal ist Li für immer aus meinem Herzen verbannt“, bejahe ich überzeugt.
„Toi, toi, toi für deine prekäre häusliche Lage. Ich fahre dieses Wochenende zu meiner Schwester. Vielleicht sehen wir uns zum nächsten Tanzknüller“, ruft mir Margit im Weitergehen noch zu.


Versonnen winke ich meiner Schulfreundin nach. Beim Überqueren des Stegs über dem Mühlgraben kann ich mir ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen. Dieser fesche Haudegen Li ist vor Jahren genau an der Stelle stehen geblieben, halte ich am Brückengeländer inne. Ein Mosaik der Erinnerungen zeichnet sich hinter meiner Stirn ab. Jugendliebe ist ein Phänomen, weiß ich heute. Das alte Mühlenrad starrt mich an, während das Bächlein wie eh und je vor sich hinplät-schert. Eilig gehe ich über das Kopfsteinpflaster, bis zu meinem Wohnhaus mit der Nummer 6. Die roten Ziegel der Hoffront blinken hinter der großen Erle im Garten hervor.
In wenigen Monaten begrüßen wir mit Pauken und Trompeten das neue Jahr-zehnt: 1970. Mit welchem männlichen Juwel werde ich wohl zur Silvester-Fete anstoßen? Es gibt da schon ein paar Anwärter …

Als ich meine Giebelkammer betrete, löst dieser Plausch mit meiner ehemaligen Mitschülerin eine Gedankenwulst aus. Mir schwirren die Ereignisse vergangener Jahre durch den Kopf. Im Schnelldurchgang. Ein Bild jagt das andere.
Tja, bisher erlebte ich Liebe und Beziehungen als vergnügliches Herzflattern. Ich spielte mit Worten und Gesten, meine Art Gefühle auszudrücken. Dabei setzte ich meine weißen Steine im Liebesschach mit der kompletten Skala der Emotionen. Ständig verknallt in irgendeinen maskulinen Typ, gönnte ich meinen verliebten Stirnlappen keine Erholungsphase. Seitenweise füllte ich damit meinen Seelentrös-ter, das Tagebuch.
Ich setze mich in Großvaters Sessel unter meiner urigen Wandschräge. Zusam-mengeringelt gönne ich meinen Wimpernschlägen eine Pause. Aber, im nächsten Moment ziehe ich mein Logbuch des Lebens aus der Nachttischschublade. In ihm sind meine Top Zehn Herzblätter akribisch verewigt.
Oh, oh! Dabei ging es mir nicht in erster Linie um Profilierung oder Erfolg, sondern um die Freude am Tun. Es musste mir ein Lachen entlocken und oft erlaubte ich mir selbst zu dramatisieren.
Ich gebe mich vollkommen meinen geschriebenen Zeilen hin und gönne mir das prickelnde Vergnügen, in meiner Vergangenheit zu blättern. Auf die Seiten, fertig, los! Mitten in den Swinging Sixties beginnen meine chronistischen Aufzeichnungen ...

Anfangskapitel eines Romans - Teenager-Tragik-Komödie - aus den 60er und 70er Jahren

Wer mag: Fortsetzung folgt
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
nun,

ich bin gespannt auf deinen roman.
verfasse einen "Klappentext" und stelle die kapitel ein, so ist es hier brauch.
lg
 

fehlerfee

Mitglied
Klapptext

Hallo flammarion,

igitt, das stimmt: Den Klapptext habe ich glatt vergessen am Anfang einzublenden. Hole dies gleich nach.

Danke für den Tipp, vor allem Deine Aufmerksamkeit.

Liebe Grüße felerfee
 

fehlerfee

Mitglied
Roman: Teenagerträume


Klapptext:

Cleos Bühne im Vogtländischen Tal der Weißen Elster in den wilden sechziger und siebziger Jahren ist die Tanzpiste. Mit Siebzehn ist das Leben ein Abenteuer. Cleo stürzt sich hinein und spielt die Karte ihrer Jugend voll aus. Dieses Ass verliert schnell seine Gültigkeit, erfreut sie sie sich am uralten Spiel der Geschlechter. Sie mag att-raktive Männer. Ihr Liebeskarussell dreht sich. Sie pokert hoch. Sehr hoch. Cleo kann sich nicht für eine feste Bindung entscheiden. Noch nicht. Als sie bereit ist, verstrickt sie sich in eine brisante Dreiecksbeziehung.
Cleos Ma steht der Lebenslust im Laufe der Jahre skeptisch gegenüber. Sie hat ihre eigenen konkreten Vorstellungen von ihrem künftigen Schwiegersohn.
Intelligent! Gut aussehend! Akademiker bevorzugt! Bereits früh wird Cleo mit den hohen Erwartungen ihrer dominanten Mama konfrontiert. Sie projiziert all ihre unerfüllba-ren Träume auf ihr Mädchen. Abitur! Studium! Prinzgemahl!
Das Mutter-Tochter-Verhältnis spitzt sich zu. Nach einer handfesten Auseinandersetzung zieht sich Cleo in ihre Dachstübchen zurück.
Sie kann zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass sich eine Tragödie anbahnt …


„Cleo öffnet ihr Tagebuch aus den 60er und 70er Jahren. Sie erzählt amüsant, melan-cholisch, spitzzüngig, mit selbstkritischem Spott, geistreich über das damalige Lebens-gefühl und dem Erwachsenwerden, das für familiären Zündstoff sorgt. Sie garniert ihre Textstreusel mit pointenreichen Dialogen, integrierter Atmosphäre und Hintergrundin-formationen. Der reichhaltige Wortschatz, originelle Ausdrücke, abwechslungsreiche, rhythmische Satzkonstruktionen, prägen ihren ganz eigenen Schreibstil. Ein Lesevergnügen. Köstlich frisch, frech, sexy, wild, oft zum Schräglachen, auch zum Weinen wie ein Poesiealbum. Diese Teenager-Tragik-Komödie ist ein Romancocktail für Jung und Alt.“


1. Kapitel

Ein Autokorso rollt in der Nacht mit Martinshorn und Blaulicht in den Kiez von Vogtlandgrün. Tatü tata! Tatü tata! Diese lauten Geräusche gehen mir durch Mark und Bein. Ich drücke beide Handflächen an meine Ohren.
Grelle Scheinwerfer erhellen unsere Wohnstraße mit ihrem maroden Charme. Die Herren des Bereitschaftsdienstes stürzen aus ihren Fahrzeugen. Eine gespenstige Kulisse baut sich vor mir auf. Aus diffusen Umrissen erkenne ich vertraute Gesichter. Li steht im Arztkittel an einem Abhang. Mama hebt warnend ihren Zeigefinger. Meine Freundinnen Mona, Margit und Tina reden heftig auf mich ein. Dann lachen sie wieder und schütteln mir Glückwunsch bringend die Hand. Großmama sitzt in ihrem schönsten Kleid auf einer Nebelbank und nimmt mich liebevoll in die Arme. Plötzlich stürze ich in Wasserwogen. Es scheint, als würden mich die Pforten der Hölle verschlingen.
Im nächsten Moment gehen zwei schwarz gekleidete Personen mit Trauermiene bedächtig auf mich zu. In ihren Händen tragen sie ein weißes Tuch. Sie sehen Alf und Bertl, meinen derzeitigen Herzbuben, ähnlich. Das Gesicht eines Dritten zeigt sich schemenhaft, als ein abrupter Szenenwechsel folgt.
Drei männliche, gut aussehende Wesen reiten im halsbrecherischen Galopp zum Ufer. Ihre lockigen Haarmähnen wehen im Wind. Sie bewegen sich rasant auf mich zu. Näher und näher. Gerade so, als wollen sie mich mit ihren Pferden niedertrampeln. Ich will schreien, jedoch meine Stimme versagt.
Ein goldener Schein umhüllt dieses schauderhafte Szenario, als ein engelhaftes Geschöpf mit Bambiaugen auf mich zukommt. Es greift rettend ein, bevor der Teufel sein Licht für mich zündet.

Mit einem Mal sitze ich schweißgebadet im Bett meiner Mädchenkammer. Was war das? Ich fühle mich wie gerädert und im Dämmerzustand verbringe ich die restliche Zeit bis zum Weckerläuten. Danach taumle ich über die knarrenden Erkerdielen zum Außenwaschbecken. Seit Tagen meide ich die elterliche Woh-nung in der dritten Etage. Bewusst. Das Kommunikationsband zu meiner Mutter ist derzeit arg porös.
Die Erinnerung an meinen verwirrenden Traum verblasst innerhalb weniger Stunden am Arbeitsplatz. Ich bin an diesem Freitagvormittag unkonzentriert. Mehrmals unterbreche ich das Fakturieren der Rechnungen, über diverse Spitzen- und Gardinenlieferungen unserer Versandabteilung. Spontan wandert mein Blick durchs Fenster, in das grüne Areal des Hinterhofes unserer Firmenzweigstelle. Dabei trifft mich der vorwurfsvolle Blick meiner sympathischen Chefin. Flugs widme ich mich wieder meiner Aufgabe als Sachbearbeiterin.
In der Mittagspause gehe ich ausnahmsweise nicht mit meinen Kollegen in die Kantine. Stattdessen verlasse ich das Großraumbüro im Souterrain und trete durch die nächste Tür in den beschaulichen Betriebsgarten. Ich hocke mich auf die rustikale Holzbank unter einer schattenspenden Birke, kicke mir die Riemchensandaletten von den Füßen und lasse meine Beine über den Rasenteppich baumeln. Meine Zehenspitzen berühren die Blütenkelche der Gänseblümchen. Herrlich! Im Wolkenorchester spielt heute die Sonne die erste Geige.
Ich setze mich gedanklich mit diesen dämonischen Traumschlieren auseinander. Was bedeutet diese nächtliche Bildersprache meines Gehirns? Wie soll ich diese pseudonymen Botschaften meines Unterbewusstseins interpretieren? Missgeschicke? Katastrophen? Damit bin ich derzeit reichlich bedient. Das wische ich mir schnell von der Backe.

Schicksal halte dich zurück. Bereits als Kindergartenknirps hast du mir einen tiefen Kratzer in meine Seele geratzt. Inzwischen habe ich mich mit meinem Handicap arrangiert, das sicher irgendwann verschwindet.
„Herrje! Welche Macht bestimmt, was mit uns Menschen passiert? Stell dich, du imaginäre Person!“ sage ich laut und schlage mit der offenen Hand auf den Sitz.
Mir wird angst und bange. Aus Erfahrung weiß ich, dass ein Teil meiner Träume stets Wirklichkeit wird. Trotzdem - ich bin Optimist. Die Dinge werden sich in meinem verzwickten Lebenshaus zur rechten Zeit entwickeln. Jawohl!
Nichts wünsche ich mir mehr, als Harmonie im Elternhaus. Das Vertrauen gegenüber meiner Mutter ist durch ihre diversen Schnüffeleinsätze in meinen Freizeitaktivitäten arg geschädigt. Für diesen irreparablen Konflikt muss ich eine Lösung finden, die uns beiden gerecht wird. Es ist doch absehbar, dass ich mein Single-Dasein beende, meine eigene Familie gründe, sobald Mister Right vor mir steht. Hola! Was ist, wenn ich ihn nicht erkenne, machen sich Zweifel breit.
Die Zeit ist mein Freund. Sie führt mich ins ersehnte Ziel. Am Tag X habe ich ein Rendezvous im Standesamt. Hoppla, ohne Bräutigam? Mein Bauchhirn spielt verrückt. Tzas, Klein-Cleo, geht’s noch? Nix überstürzen. Was soll diese Tor-schlusspanik? Ich bin Neunzehn!
Warum ist es so verdammt schwer erwachsen zu werden. Ein Seufzer löst sich aus meiner Kehle. Oh, ich schau auf die Armbanduhr, meine Pause ist vorbei.


2. Kapitel

Stunden später stürme ich aus dem Betriebstor. Juchhu! Feierabend. Wochenende heißt das Zauberwort.
Meine Füße tragen mich durch die pulsierende Innenstadt. Auf dem steil abfallenden Fußgängerboulevard, der Bahnhofstraße, quietschen Straßenbahnen, die vom zentralen Gleisdreieck, dem Tunnel, Fahrgäste in alle Stadtteile chauffieren.
„Hei, Cleo.“ Margit wedelt mir aufgeregt am Mühlberg, unweit meines Zuhauses, entgegen.
Die älteren Gebäude links und rechts des Gehweges sehen aus wie Puppenhäuser. In ihren Minifenstern spiegelt sich die pralle Nachmittagssonne.
„Alles im grünen Bereich? Was macht dein Liebes-Roulette?“ Sie stöhnt beim Heraufkraxeln des fast senkrechten Hausberges in unserem Wohngebiet.
„Ach. Es dreht sich. Nur mit meiner Erziehungsberechtigten liege ich derzeit arg im Clinch. Sag mal, kann man seine Mudds zur Adoption freigeben?“ antworte ich im komödiantischen Tonfall.
„Waaaas? Naja, nach all dem Zoff mit deinen rosafarbenen Briefchen und Tagebuch, kann ich deinen Zynismus nachvollziehen. Glücklicherweise hast du deinen Humor nicht verloren.“
„Schade, seit dem Ende unserer Azubi-Ära, sehen wir uns wochentags selten.“
„So ist das Leben, auch uns hat jetzt die Alltagskralle voll im Griff.“
„Stimmt das neueste Freund-wechsel-dich-Gerücht über dich und deinen Ersti-Lover?“ will Margit wissen.
„Das da heißt?“
„Derzeit aus.“
„Derzeit? Diesmal ist Li für immer aus meinem Herzen verbannt“, bejahe ich überzeugt.
„Toi, toi, toi für deine prekäre häusliche Lage. Ich fahre dieses Wochenende zu meiner Schwester. Vielleicht sehen wir uns zum nächsten Tanzknüller“, ruft mir Margit im Weitergehen noch zu.


Versonnen winke ich meiner Schulfreundin nach. Beim Überqueren des Stegs über dem Mühlgraben kann ich mir ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen. Dieser fesche Haudegen Li ist vor Jahren genau an der Stelle stehen geblieben, halte ich am Brückengeländer inne. Ein Mosaik der Erinnerungen zeichnet sich hinter meiner Stirn ab. Jugendliebe ist ein Phänomen, weiß ich heute. Das alte Mühlenrad starrt mich an, während das Bächlein wie eh und je vor sich hinplät-schert. Eilig gehe ich über das Kopfsteinpflaster, bis zu meinem Wohnhaus mit der Nummer 6. Die roten Ziegel der Hoffront blinken hinter der großen Erle im Garten hervor.
In wenigen Monaten begrüßen wir mit Pauken und Trompeten das neue Jahr-zehnt: 1970. Mit welchem männlichen Juwel werde ich wohl zur Silvester-Fete anstoßen? Es gibt da schon ein paar Anwärter …


3. Kapitel

Als ich meine Giebelkammer betrete, löst dieser Plausch mit meiner ehemaligen Mitschülerin eine Gedankenwulst aus. Mir schwirren die Ereignisse vergangener Jahre durch den Kopf. Im Schnelldurchgang. Ein Bild jagt das andere.
Tja, bisher erlebte ich Liebe und Beziehungen als vergnügliches Herzflattern. Ich spielte mit Worten und Gesten, meine Art Gefühle auszudrücken. Dabei setzte ich meine weißen Steine im Liebesschach mit der kompletten Skala der Emotionen. Ständig verknallt in irgendeinen maskulinen Typ, gönnte ich meinen verliebten Stirnlappen keine Erholungsphase. Seitenweise füllte ich damit meinen Seelentrös-ter, das Tagebuch.
Ich setze mich in Großvaters Sessel unter meiner urigen Wandschräge. Zusammengeringelt gönne ich meinen Wimpernschlägen eine Pause. Aber, im nächsten Moment ziehe ich mein Logbuch des Lebens aus der Nachttischschublade. In ihm sind meine Top Zehn Herzblätter akribisch verewigt.
Oh, oh! Dabei ging es mir nicht in erster Linie um Profilierung oder Erfolg, sondern um die Freude am Tun. Es musste mir ein Lachen entlocken und oft erlaubte ich mir selbst zu dramatisieren.
Ich gebe mich vollkommen meinen geschriebenen Zeilen hin und gönne mir das prickelnde Vergnügen, in meiner Vergangenheit zu blättern. Auf die Seiten, fertig, los! Mitten in den Swinging Sixties beginnen meine chronistischen Aufzeichnungen ...

Anfangskapitel eines Romans - Teenager-Tragik-Komödie - aus den 60er und 70er Jahren

Wer mag: Fortsetzung folgt
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
M o d e r a t i o n

Hakko fehlerfee,

auch von mir erst einmal ein herzliches Willkommen auf der Leselupe. Ich war es, der deinen ersten Texteintrag freigeschaltet hat. Ich habe lange damit gezögert, weil ich zunächst ähnlich verwirrt war, wie Raul.
Nun erklärst du, dass es sich hier um einen längeren Text handelt, bei dessen Lektüre man schon noch das Knäul entwirren könne.
Also gut, denke ich. Eine Geschichte aus den späten Sechzigern und frühen Siebzigern. Da ich auch zu der Generation gehöre, die diese Zeit genießen durfte, wollte ich gerade auf einige kleine Regiefehler aufmerksam machen, da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren. Die Autorin braucht ja gar keine Vorschläge oder Hinweise mehr. Ihre Geschichte ist längst als Roman veröffentlicht! (siehe engelsdorfer verlag - der ist mir nicht ganz unbekannt)

So - und nun frage ich mich, was du mit deinem Text bzw. Roman hier von den Leselupenmitgliedern erwartest? Lob? Kritik? Dass sie das Buch so toll finden, um es flugs käuflich zu erwerben?

Ich kann es dir nicht verbieten, ein bereits veröffentlichtes Werk hier einzustellen, aber dann bitte ich darum, dies auf einen Ritt zu tun. Der Klappentext kann hier stehen bleiben - den zu sehr beweihräuchernden zweiten Teil würde ich weg lassen - und der Rest in die "Langen Texte".


Gruß Ralph
 

fehlerfee

Mitglied
Roman: Teenagerträume


Klapptext:

Cleos Bühne im Vogtländischen Tal der Weißen Elster in den wilden sechziger und siebziger Jahren ist die Tanzpiste. Mit Siebzehn ist das Leben ein Abenteuer. Cleo stürzt sich hinein und spielt die Karte ihrer Jugend voll aus. Dieses Ass verliert schnell seine Gültigkeit, erfreut sie sie sich am uralten Spiel der Geschlechter. Sie mag att-raktive Männer. Ihr Liebeskarussell dreht sich. Sie pokert hoch. Sehr hoch. Cleo kann sich nicht für eine feste Bindung entscheiden. Noch nicht. Als sie bereit ist, verstrickt sie sich in eine brisante Dreiecksbeziehung.
Cleos Ma steht der Lebenslust im Laufe der Jahre skeptisch gegenüber. Sie hat ihre eigenen konkreten Vorstellungen von ihrem künftigen Schwiegersohn.
Intelligent! Gut aussehend! Akademiker bevorzugt! Bereits früh wird Cleo mit den hohen Erwartungen ihrer dominanten Mama konfrontiert. Sie projiziert all ihre unerfüllba-ren Träume auf ihr Mädchen. Abitur! Studium! Prinzgemahl!
Das Mutter-Tochter-Verhältnis spitzt sich zu. Nach einer handfesten Auseinandersetzung zieht sich Cleo in ihre Dachstübchen zurück.
Sie kann zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass sich eine Tragödie anbahnt …




1. Kapitel

Ein Autokorso rollt in der Nacht mit Martinshorn und Blaulicht in den Kiez von Vogtlandgrün. Tatü tata! Tatü tata! Diese lauten Geräusche gehen mir durch Mark und Bein. Ich drücke beide Handflächen an meine Ohren.
Grelle Scheinwerfer erhellen unsere Wohnstraße mit ihrem maroden Charme. Die Herren des Bereitschaftsdienstes stürzen aus ihren Fahrzeugen. Eine gespenstige Kulisse baut sich vor mir auf. Aus diffusen Umrissen erkenne ich vertraute Gesichter. Li steht im Arztkittel an einem Abhang. Mama hebt warnend ihren Zeigefinger. Meine Freundinnen Mona, Margit und Tina reden heftig auf mich ein. Dann lachen sie wieder und schütteln mir Glückwunsch bringend die Hand. Großmama sitzt in ihrem schönsten Kleid auf einer Nebelbank und nimmt mich liebevoll in die Arme. Plötzlich stürze ich in Wasserwogen. Es scheint, als würden mich die Pforten der Hölle verschlingen.
Im nächsten Moment gehen zwei schwarz gekleidete Personen mit Trauermiene bedächtig auf mich zu. In ihren Händen tragen sie ein weißes Tuch. Sie sehen Alf und Bertl, meinen derzeitigen Herzbuben, ähnlich. Das Gesicht eines Dritten zeigt sich schemenhaft, als ein abrupter Szenenwechsel folgt.
Drei männliche, gut aussehende Wesen reiten im halsbrecherischen Galopp zum Ufer. Ihre lockigen Haarmähnen wehen im Wind. Sie bewegen sich rasant auf mich zu. Näher und näher. Gerade so, als wollen sie mich mit ihren Pferden niedertrampeln. Ich will schreien, jedoch meine Stimme versagt.
Ein goldener Schein umhüllt dieses schauderhafte Szenario, als ein engelhaftes Geschöpf mit Bambiaugen auf mich zukommt. Es greift rettend ein, bevor der Teufel sein Licht für mich zündet.

Mit einem Mal sitze ich schweißgebadet im Bett meiner Mädchenkammer. Was war das? Ich fühle mich wie gerädert und im Dämmerzustand verbringe ich die restliche Zeit bis zum Weckerläuten. Danach taumle ich über die knarrenden Erkerdielen zum Außenwaschbecken. Seit Tagen meide ich die elterliche Woh-nung in der dritten Etage. Bewusst. Das Kommunikationsband zu meiner Mutter ist derzeit arg porös.
Die Erinnerung an meinen verwirrenden Traum verblasst innerhalb weniger Stunden am Arbeitsplatz. Ich bin an diesem Freitagvormittag unkonzentriert. Mehrmals unterbreche ich das Fakturieren der Rechnungen, über diverse Spitzen- und Gardinenlieferungen unserer Versandabteilung. Spontan wandert mein Blick durchs Fenster, in das grüne Areal des Hinterhofes unserer Firmenzweigstelle. Dabei trifft mich der vorwurfsvolle Blick meiner sympathischen Chefin. Flugs widme ich mich wieder meiner Aufgabe als Sachbearbeiterin.
In der Mittagspause gehe ich ausnahmsweise nicht mit meinen Kollegen in die Kantine. Stattdessen verlasse ich das Großraumbüro im Souterrain und trete durch die nächste Tür in den beschaulichen Betriebsgarten. Ich hocke mich auf die rustikale Holzbank unter einer schattenspenden Birke, kicke mir die Riemchensandaletten von den Füßen und lasse meine Beine über den Rasenteppich baumeln. Meine Zehenspitzen berühren die Blütenkelche der Gänseblümchen. Herrlich! Im Wolkenorchester spielt heute die Sonne die erste Geige.
Ich setze mich gedanklich mit diesen dämonischen Traumschlieren auseinander. Was bedeutet diese nächtliche Bildersprache meines Gehirns? Wie soll ich diese pseudonymen Botschaften meines Unterbewusstseins interpretieren? Missgeschicke? Katastrophen? Damit bin ich derzeit reichlich bedient. Das wische ich mir schnell von der Backe.

Schicksal halte dich zurück. Bereits als Kindergartenknirps hast du mir einen tiefen Kratzer in meine Seele geratzt. Inzwischen habe ich mich mit meinem Handicap arrangiert, das sicher irgendwann verschwindet.
„Herrje! Welche Macht bestimmt, was mit uns Menschen passiert? Stell dich, du imaginäre Person!“ sage ich laut und schlage mit der offenen Hand auf den Sitz.
Mir wird angst und bange. Aus Erfahrung weiß ich, dass ein Teil meiner Träume stets Wirklichkeit wird. Trotzdem - ich bin Optimist. Die Dinge werden sich in meinem verzwickten Lebenshaus zur rechten Zeit entwickeln. Jawohl!
Nichts wünsche ich mir mehr, als Harmonie im Elternhaus. Das Vertrauen gegenüber meiner Mutter ist durch ihre diversen Schnüffeleinsätze in meinen Freizeitaktivitäten arg geschädigt. Für diesen irreparablen Konflikt muss ich eine Lösung finden, die uns beiden gerecht wird. Es ist doch absehbar, dass ich mein Single-Dasein beende, meine eigene Familie gründe, sobald Mister Right vor mir steht. Hola! Was ist, wenn ich ihn nicht erkenne, machen sich Zweifel breit.
Die Zeit ist mein Freund. Sie führt mich ins ersehnte Ziel. Am Tag X habe ich ein Rendezvous im Standesamt. Hoppla, ohne Bräutigam? Mein Bauchhirn spielt verrückt. Tzas, Klein-Cleo, geht’s noch? Nix überstürzen. Was soll diese Tor-schlusspanik? Ich bin Neunzehn!
Warum ist es so verdammt schwer erwachsen zu werden. Ein Seufzer löst sich aus meiner Kehle. Oh, ich schau auf die Armbanduhr, meine Pause ist vorbei.


2. Kapitel

Stunden später stürme ich aus dem Betriebstor. Juchhu! Feierabend. Wochenende heißt das Zauberwort.
Meine Füße tragen mich durch die pulsierende Innenstadt. Auf dem steil abfallenden Fußgängerboulevard, der Bahnhofstraße, quietschen Straßenbahnen, die vom zentralen Gleisdreieck, dem Tunnel, Fahrgäste in alle Stadtteile chauffieren.
„Hei, Cleo.“ Margit wedelt mir aufgeregt am Mühlberg, unweit meines Zuhauses, entgegen.
Die älteren Gebäude links und rechts des Gehweges sehen aus wie Puppenhäuser. In ihren Minifenstern spiegelt sich die pralle Nachmittagssonne.
„Alles im grünen Bereich? Was macht dein Liebes-Roulette?“ Sie stöhnt beim Heraufkraxeln des fast senkrechten Hausberges in unserem Wohngebiet.
„Ach. Es dreht sich. Nur mit meiner Erziehungsberechtigten liege ich derzeit arg im Clinch. Sag mal, kann man seine Mudds zur Adoption freigeben?“ antworte ich im komödiantischen Tonfall.
„Waaaas? Naja, nach all dem Zoff mit deinen rosafarbenen Briefchen und Tagebuch, kann ich deinen Zynismus nachvollziehen. Glücklicherweise hast du deinen Humor nicht verloren.“
„Schade, seit dem Ende unserer Azubi-Ära, sehen wir uns wochentags selten.“
„So ist das Leben, auch uns hat jetzt die Alltagskralle voll im Griff.“
„Stimmt das neueste Freund-wechsel-dich-Gerücht über dich und deinen Ersti-Lover?“ will Margit wissen.
„Das da heißt?“
„Derzeit aus.“
„Derzeit? Diesmal ist Li für immer aus meinem Herzen verbannt“, bejahe ich überzeugt.
„Toi, toi, toi für deine prekäre häusliche Lage. Ich fahre dieses Wochenende zu meiner Schwester. Vielleicht sehen wir uns zum nächsten Tanzknüller“, ruft mir Margit im Weitergehen noch zu.


Versonnen winke ich meiner Schulfreundin nach. Beim Überqueren des Stegs über dem Mühlgraben kann ich mir ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen. Dieser fesche Haudegen Li ist vor Jahren genau an der Stelle stehen geblieben, halte ich am Brückengeländer inne. Ein Mosaik der Erinnerungen zeichnet sich hinter meiner Stirn ab. Jugendliebe ist ein Phänomen, weiß ich heute. Das alte Mühlenrad starrt mich an, während das Bächlein wie eh und je vor sich hinplät-schert. Eilig gehe ich über das Kopfsteinpflaster, bis zu meinem Wohnhaus mit der Nummer 6. Die roten Ziegel der Hoffront blinken hinter der großen Erle im Garten hervor.
In wenigen Monaten begrüßen wir mit Pauken und Trompeten das neue Jahr-zehnt: 1970. Mit welchem männlichen Juwel werde ich wohl zur Silvester-Fete anstoßen? Es gibt da schon ein paar Anwärter …


3. Kapitel

Als ich meine Giebelkammer betrete, löst dieser Plausch mit meiner ehemaligen Mitschülerin eine Gedankenwulst aus. Mir schwirren die Ereignisse vergangener Jahre durch den Kopf. Im Schnelldurchgang. Ein Bild jagt das andere.
Tja, bisher erlebte ich Liebe und Beziehungen als vergnügliches Herzflattern. Ich spielte mit Worten und Gesten, meine Art Gefühle auszudrücken. Dabei setzte ich meine weißen Steine im Liebesschach mit der kompletten Skala der Emotionen. Ständig verknallt in irgendeinen maskulinen Typ, gönnte ich meinen verliebten Stirnlappen keine Erholungsphase. Seitenweise füllte ich damit meinen Seelentrös-ter, das Tagebuch.
Ich setze mich in Großvaters Sessel unter meiner urigen Wandschräge. Zusammengeringelt gönne ich meinen Wimpernschlägen eine Pause. Aber, im nächsten Moment ziehe ich mein Logbuch des Lebens aus der Nachttischschublade. In ihm sind meine Top Zehn Herzblätter akribisch verewigt.
Oh, oh! Dabei ging es mir nicht in erster Linie um Profilierung oder Erfolg, sondern um die Freude am Tun. Es musste mir ein Lachen entlocken und oft erlaubte ich mir selbst zu dramatisieren.
Ich gebe mich vollkommen meinen geschriebenen Zeilen hin und gönne mir das prickelnde Vergnügen, in meiner Vergangenheit zu blättern. Auf die Seiten, fertig, los! Mitten in den Swinging Sixties beginnen meine chronistischen Aufzeichnungen ...

Anfangskapitel eines Romans - Teenager-Tragik-Komödie - aus den 60er und 70er Jahren

Wer mag: Fortsetzung folgt
 

fehlerfee

Mitglied
Teenieträume

Hallo Ralf,

danke für Dein Reagieren.

Ralf:
da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren. Die Autorin braucht ja gar keine Vorschläge oder Hinweise mehr. Ihre Geschichte ist längst als Roman veröffentlicht! (siehe engelsdorfer verlag - der ist mir nicht ganz unbekannt)

Wieso nicht? Ich bin ein "Frischling" am Literaturhimmel, suche dort bei dem Überangebot eine kleine Lücke für meine Roman-Babys und Frau/Mann lernt doch nie aus, oder?
Anregungen kann ich dann vielleicht beim nächsten Mal umsetzen bzw. in der überarbeiteten Auflage.

Ralf:
So - und nun frage ich mich, was du mit deinem Text bzw. Roman hier von den Leselupenmitgliedern erwartest? Lob? Kritik? Dass sie das Buch so toll finden, um es flugs käuflich zu erwerben?

Einfach eine konstruktive, ehrliche Einschätzung, da ich Wert auf die Meinung der Leser, wenn sich denn welche finden, schmunzel, lege - schließlich sind die Geschmäcker verschieden und das ist auch gut so.


Ralf:
Ich kann es dir nicht verbieten, ein bereits veröffentlichtes Werk hier einzustellen, aber dann bitte ich darum, dies auf einen Ritt zu tun. Der Klappentext kann hier stehen bleiben - den zu sehr beweihräuchernden zweiten Teil würde ich weg lassen - und der Rest in die "Langen Texte".


Der beweihräuchernde 2. Teil war simple die Einschätzung einer Testleserin ( so steht es auch auf dem Cover) Ich
selbst staple eher tief, weil ich beim wiederholten lesen, ständig verbessern will, also nie zufrieden mit mir selbst bin.

Auf einen Ritt das komplette Buch reinstellen? Stirn runzeln ... Ist denn so viel Platz???? 360 Seiten??????????
Das hätte ich mich nie gewagt - eher kapitelweise und peu a peu dann wieder löschen.


Also dann, schönen Sonntag noch und liebe Grüße von fehlerfee
 

Duisburger

Mitglied
Bleibst immer noch die Frage: Warum?

Wir haben hier einen eigene Rubrik für Veröffentlichungen, da kann man durchaus Leseproben anbieten.
Was bitteschön soll ein Leser mit Fragmenten aus einem kompletten Roman, der schon veröffentlicht ist?
Mache den potentiellen Leser in einer Buchvorstellung neugierig auf deinen Roman, das hilft den Verkauf anzukurbeln.
Wenn du Teile überarbeiten willst, so gibt es hier eine Schreibwerstatt, wo man dir gerne helfen wird.

So aber hat das alles den Stallgeruch der Schleichwerbung. Warum auch nicht, nur geht der Schuss nach hinten los.

lg
Duisburger
 



 
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