Teil 1

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losvu

Mitglied
Donnerstag, 24. Juni 1982, kurz nach 19 h

Wir hatten gerade zu Abend gegessen, als der Anruf kam:
Eine junge Frau war tot in ihrer Wohnung gefunden worden.
Es gab Hinweise auf ein Sexualverbrechen.
Während des Gesprächs sah ich meine Familie an: meine
älteren Töchter Liberty und Lorelei, Loris Freund Chris,
meine Kollegin Leigh Scavo, unseren Sohn Clark und
unsere jüngeren Töchter Olivia und Hannah. Scavo und
ich würden sie heute abend nicht zu Bett bringen.
"Ihr müsst arbeiten", stellte Lori fest, als ich aufgehängt
hatte.
"Ja, und eine von euch muss hierbleiben und auf Clark,
Livy und Hannah aufpassen."
"Aber, Dad ! Chris und ich wollten ins Kino und danach
noch... was essen. Und Libby hat sicher auch was vor..."
"Ist schon okay", sagte Liberty. "Geht ruhig."
"Wirklich ?"
"Mir geht's nicht so gut. Ich bleibe hier und ruhe mich
etwas aus."
Lori zögerte.
"Nun hau schon ab, bevor ich's mir anders überlege",
sagte meine älteste Tochter und grinste.
Leigh und ich verabschiedeten uns von den Kindern
und gingen ebenfalls.
Vor der Haustür rief ich Lori zurück. Sie kletterte aus
Christophers Pick-Up und kam zu mir. Ich bat sie, ihre
Handtasche zu öffnen und sie tat es. Make-Up, Schlüs-
sel und ihr Portemonnaie kamen zum Vorschein. Und
zwei Kondome. Sie wurde rot.
Ich sah sie an. Sie wurde siebzehn und war seit etwas
über einem Jahr mit Chris zusammen. "Bist du dir sicher,
Lorelei ?" - "Hmhm." - "Benutzt sie auch. Ich will nicht
nächstes Jahr jüngster Großvater San Franciscos sein."
Erleichtert schloss sie die Handtasche, gab mir einen
Kuss und ging zu ihrem Freund.
"Verstehst du so was unter Erziehung, Clark ?", fragte
Leigh vorwurfsvoll, nachdem wir losgefahren waren.
"Was regst du dich denn auf, Kleine ? Es funktioniert
doch prima."

Das Opfer lag in der Dachgeschoss-Wohnung eines
dreistöckigen, gelben Hauses im Queen Anne-Stil.
Das Haus gehörte dem Ehepaar Shepard. Peter war
bis vor drei Jahren Polizist gewesen und arbeitete nun
als Einsatz-Koordinator in der Notrufzentrale. Seine
Frau Edith war Dozentin für Strafrecht an der Univer-
sität von San Francisco.
Auf der Straße vor dem Haus drängten sich Schau-
lustige. Mehrere Streifenwagen, ein Geländewagen
und ein ausgemusterter Krankenwagen hatten vor
dem Haus geparkt und versperrten den Zugang. Die
uniformierten Kollegen wiederholten immer wieder
dieselben Worte wie ein Mantra: "Bitte gehen Sie
nach Hause. Es gibt hier nichts zu sehen."
Leigh und ich begannen, uns durch die Menge zu
drängen. "Polizei", sagte Scavo und hielt ihre Marke
hoch, "bitte lassen Sie uns durch."
"Was ist denn passiert ?"
Da drin soll eine Leiche liegen. Stimmt das ?"
"Ist in dem Haus jemand umgebracht worden ?"
"Leute", sagte ich, "ich weiß nicht, was da drin
passiert ist. Ich bin hier, um es rauszufinden. Viele
von Ihnen habe ich hier schon gesehen. Also zeigen
Sie ein bisschen Rücksicht. Denken Sie an die She-
pards. Sie sind immerhin Ihre Nachbarn."
Betretenes Schweigen breitete sich aus. Ich ging zu
einem der uniformierten Cops. Vor sieben Jahren
war Randy Fagin mein Ausbilder im Streifendienst
gewesen.
"Randy, befragt die Leute. Vielleicht hat jemand
was gesehen oder gehört."
"Okay, Craig. Tja, so sieht man sich wieder. Mein
Partner Tom und ich haben sie gefunden. Wir waren
gerade in der Nähe als der Notruf kam. Es war
wirklich hässlich. So was hab ich in meinen ganzen
achtzehn Dienstjahren noch nie gesehen." Er schüt-
telte den Kopf. "Sie wurde... niedergemetzelt. Über-
all war Blut. Wer macht sowas ?"
Er schien keine Antwort darauf zu erwarten und so
gab ich auch keine. "Und noch was, Randolph.
Egal, wer zum Tatort will-"
"Jaja, wir lassen ihn nicht rein. Das hat uns auch
schon die Dame von der Spurensicherung gesagt."
Leigh und ich gingen an einem kleinen Vorgarten
vorbei und stiegen die niedrige Treppe zur Eingangs-
tür hinauf. Wir betraten die Wohnung der Shepards
und gingen direkt ins Wohnzimmer.
Edie Shepard saß zusammengesunken auf der Couch
und weinte. Peter hielt sie im Arm sprach beruhigend
auf sie ein.
"Shep."
Er sah auf und kam zu uns.
"Was ist hier passiert ?"
"Als ich heute morgen zur Notrufzentrale fuhr und
Edie sich für die Universität fertig machte, stand ihr
Auto noch auf seinem Platz um die Ecke. Ich hab
es gesehen, als ich daran vorbeifuhr. Das war kurz
nach halb acht. Ich fand es merkwürdig. Normaler-
weise ist Laura schon weg, wenn ich losfahre. Ich
dachte, sie sei vielleicht krank oder hat verschlafen.
Als ich gegen fünf von der Schicht heimkam, stand
das Auto immer noch da. Da war ich mir sicher,
dass sie krank war und schlief. Sie kommt sonst nie
vor sechs, halb sieben nach Hause. Ich bin nicht zu
ihr gegangen. Wollte sie nicht stören. Sie hatte vor
ein paar Monaten die Grippe. Da ist sie auch nicht
vor die Tür gegangen und hat viel geschlafen. Zehn
Tage später war sie wieder putzmunter. Als Edie
von der Universität nach Hause kam, fragte sie, ob
ich schon etwas von Laura gehört habe. Das war
gegen halb sechs. Ich sagte nein. Plötzlich hat sie ge-
schnuppert. Wie ein Hund, der Witterung aufnimmt.
Ich fragte sie, was los sei und Edie sagte, es rieche
ziemlich streng. Wie wenn eine Toilette defekt sei
und nach etwas anderem, was sie nicht kenne. Ich
habe nichts gerochen, bin ziemlich verschnupft. Edie
sagte, sie wolle mal nach Laura sehen und nahm den
Notfallschlüssel, den sie uns einmal gegeben hat.
Normalerweise gehen wir nicht in die Wohnung der
Mieterinnen, doch Edie machte sich Sorgen. Ich hörte
sie ein paar Mal rufen, als sie Lauras Wohnung betrat.
Laura hat nicht geantwortet. Dann hat Edie geschrien.
Ich bin noch nie so schnell zwei Treppen raufgerannt.
Edie war im Schlafzimmer und starrte auf das Bett.
Laura lag darauf." Er holte tief Luft. "Sie war nackt.
Ihr Hals... Er war durchgeschnitten. Überall Blut...
Ich habe zwölf Jahre bei SAD gearbeitet."
Das war die Abteilung für Sexualdelikte der Polizei.
"Ich habe so ziemlich jedes Sexualdelikt gesehen
und bearbeitet, das ich mir vorstellen kann, aber
das... Das war eines der hässlichsten, brutalsten,
die ich je gesehen habe."
"Hat eure andere Mieterin nichts bemerkt ? Wie
heißt sie noch gleich ? Abby ?"
"Abby war die Nacht über weg und ist noch nicht
wieder da. Sie ist gestern abend gegen fünf wegge-
fahren."
"Okay. Habt ihr irgendetwas mitbekommen ? Ge-
räusche, Schreien oder so was ?"
"Ich habe so etwas wie einen Schuss gehört, ziem-
lich nah. Er klang seltsam gedämpft. Ich kann mich
aber auch täuschen. Ich habe ziemlich heftig ge-
träumt. Von Korea. Von dem Geräusch bin ich
zwar aufgewacht, aber wahrscheinlich existierte
es nur in dem Traum."
Ich sah zu Edie hinüber. "Du weißt, dass ich sie
auch befragen muss ?"
"In diesem Zustand ? Vergiss es, Clark !", sagte er
in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
"So bald wie möglich. Je länger wir warten, desto
mehr verwässert ihre Erinnerung."
"Ich glaube, das wird nie geschehen."
"Wer ist die Tote ?"
"Laura Bellini. Sie ist... war Stellvertretende Staats-
anwältin. Abteilung Sexualdelikte."
O Scheiße, dachte ich. "Könntest du dir vorstellen,
dass die Tat irgendwas mit ihrem Job zu tun hat ?"
"Rache, meinst du ?"
"Ja."
"Der Täter ging äußerst brutal vor. Die Chancen
stehen nicht schlecht."
Laura Bellini hatte sieben Jahre bei der Abteilung
Sexualdelikte der Staatsanwaltschaft gearbeitet.
Sie hatte Hunderte, nein, Tausende von Sexual-
straftätern hinter Gitter gebracht. Wie viele von
denen waren wohl gerade auf Bewährung draus-
sen oder wegen guter Führung oder "erfolgreich"
abgeschlossener Therapie aus dem Gefängnis
entlassen worden ?
Und die Medien ? Was würden sie berichten,
wenn rauskam, wer hier ermordet worden war ?
San Franciscoer Sex-Staatsanwältin einem
Sexualverbrechen zum Opfer gefallen ? Bei
diesem Gedanken schüttelte ich mich.

Der betäubende Geruchscocktail von sich zerset-
zendem Fleisch, Fäkalien und die metallische
Schärfe von Blut bzw. den Eisenanteilen darin, ist
einzigartig. Wenn man ihn einmal gerochen hat,
vergisst man ihn nie wieder.
Wir betraten dann einen etwa fünf mal vier Meter
großen, hellen Wohnraum, dessen Fensterfront
zum Golden Gate Park hinausging.
Darin befanden sich zwei weißlackierte Bücher-
regale, eine rote Couch mit einem gläsernen Bei-
stelltisch und ein Fernseher. Zwei metallene
Aktenschränke und ein Schreibtisch standen vor
den Fenstern. Auf dem Schreibtisch befanden
sich ein Telefon, eine Lampe, eine Schreibunter-
lage, ein Notizblock mit Stift und ein gerahmtes
Bild, das sie mit einem großen, dunkelhaarigen
Mann zeigte. Beide lächelten.
Wir folgten dem Geruch. Die in Weiß gehaltene
Küche wirkte so ordentlich und unberührt war
wie der Wohnraum. An der Wand im Flur waren
blutige Handabdrücke und Blutschmierer. Am
Türrahmen war ebenfalls ein blutiger Handab-
druck, als hätte sich jemand daran abgestützt.
Blutstropfen auf der Türschwelle. Blutige
Schleifspuren und Blutspritzer auf dem hellen
Parkett. Die Handabdrücke waren klein. Von
einer Frauenhand. Ich schaute in die Küche
hinein. Auf der Anrichte neben einem kleinen
Fenster stand ein Messerblock. Ein Messer
fehlte. Ich folgte mit den Augen den Blut-
spuren bis zu dem Raum am Ende des Flures.
"Mein Gott", stieß Leigh hervor, als sie die blu-
tigen Handabdrücke sah.
"Sie war verletzt, hat geblutet und musste sich
abstützen, um gehen zu können. Sie wollte wahr-
scheinlich zu den Messern, sich eine Waffe be-
schaffen. Es sind aber keine keine Blutspuren in
der Küche. Die Schmierer hier" - ich zeigte auf
den Türrahmen und Schleifspuren auf dem
Boden - "ich glaube, sie ist zusammengebrochen..."
"... und er hat sie sich geschnappt und zurück ins
Schlafzimmer geschleift." Sie nickte. "Das könnte
passen. Ob ein paar der Blutspuren vom Täter
sind ?", fragte sie dann. "Ich kann mir nicht vor-
stellen, dass sie, was immer er mit ihr gemacht hat,
einfach über sich hätte ergehen lassen. Sie hat sich
gewehrt, da bin ich mir sicher. Sie wollte nicht
sterben." Sie schüttelte den Kopf. "Warum ist sie
nicht zum Telefon gegangen ? Es hängt doch direkt
neben dem Fenster."
"Wahrscheinlich wollte sie erst versuchen, ihn so-
weit wie möglich außer Gefecht zu setzen und
dann die Polizei rufen. Er hätte sie garantiert nicht
zum Telefon spazieren und die Polizei rufen lassen."
"Und dann hat er sie außer Gefecht gesetzt."
Ich nickte.
"Aber wie wollte sie ihn außer Gefecht setzen ?
Sie war verletzt. Und noch dem ganzen Blut zu
urteilen ziemlich schwer."
"Sie stand unter extremem Stress und hatte Angst.
Stresshormone unterdrücken Schmerzen und
können Menschen riesige Kräfte verleihen. Sie
hätte es durchaus schaffen können."
Ich sah in die Küche. Den Messerblock und/
oder das Telefon hätte ich mit drei, vier Schrit-
ten erreicht, sie vielleicht mit ein paar mehr.
Ein paar Sekunden nur. Ich schüttelte den
Kopf. Manchmal sind drei Meter eine nicht
zu überwindende Entfernung.

Im gegenüberliegenden Badezimmer beugte
sich eine kleine, drahtige Frau mit blonden
Haaren über den Badewannenrand.
"Hallo, Linda. Haben Sie was ?"
"Ja, Blut und Haare im und um den Abfluss
herum. Die Haare sind dunkel, kurz, teils glatt
und teils kraus. Kopf- und Schamhaare."
Das konnte nur eins bedeuten... "Der Täter
hat sich gewaschen ?", fragte Leigh ungläubig.
"Schaut ganz so aus. Entweder ist er hirnver-
brannt oder verdammt dreist."

Als nächstes gingen wir in den Raum, aus
dem der Geruch drang. Vier Menschen hiel-
ten sich im Raum auf: der Gerichtsmediziner,
der Polizeifotograf und zwei Techniker der
Spurensicherung. Und das Opfer.
Laura Bellini war nackt, ihre Beine gespreizt.
Sie lag auf einem komfortablen Doppelbett,
das einen Großteil des Raumes einnahm. Das
Kopfende war voller Blut. An den Fenstern,
auf dem Nachtkästchen, sogar an der Decke
und an der halb geschlossenen Tür des be-
gehbaren Wandschrank links vom Bett
waren Blutspritzer. Das Kissen, auf dem ihr
Kopf ruhte, war blutgetränkt. Sie hatte eine
tiefe Halswunde, wie Shep gesagt hatte.
Das Blut war einer Springbrunnenfontäne
gleich aus der Wunde herausgespritzt. Wir
blieben am Fußende des Bettes stehen. Ich
betrachtete die Tote genauer. Ihr Gesichts-
ausdruck war völlig leer. Das ist ein Effekt
der allgemeinen Muskelerschlaffung nach
Todeseintritt. Wie auch die Exkremente und
der Urin, die abgegangen waren und gelb-
braune Ablegerungen auf der Überdecke
hinterlassen hatten. Letzteres kann natürlich
auch bei extremer Angst oder unter Folter
passieren. Beides schien hier durchaus vor-
zuliegen.
An Händen und Unterarmen, Brust und
Unterleib sah ich Schnitt- und Stichwunden.
Solche Wunden an Brust und Unterleib
sprachen eindeutig für ein Sexualdelikt.
Etwas anderes lenkte mich ab. Leigh zog
scharf die Luft ein. Ich folgte ihrem Blick.
Zwischen Lauras Beinen steckte... ein
Revolver.
"Herrgottscheißenochmal !", stieß ich hervor.
Der Gerichtsmediziner sah auf. "So was
ähnliches habe ich auch gesagt."

Die Gesichtsfarbe des Polizeifotografen
wechselte von blass zu einem ungesunden
Grün, als er den Revolver sah.
"Wag' es nicht, meinen Tatort vollzureihern,
Dean !", sagte Cora Hernandez von der
Spurensicherung drohend.
"Nein", murmelte der Polizeifotograf. "Das
Beste hebe ich mir immer bis zum Feier-
abend auf."
"Willst du rausgehen ? Ich kann die rest-
lichen Fotos machen."
Er schluckte ein paarmal und seine Ge-
sichtsfarbe wurde wieder normal. "Nein,
es geht schon. Nur lass uns schnell machen,
ja ? So schnell es geht."

"Gabe, was hast du bis jetzt ?", fragte ich
den Gerichtsmediziner.
"Die Totenstarre ist vollständig ausgeprägt
und die Leichenflecken lassen sich nicht
mehr wegdrücken. Die Körpertemperatur
hat sich der Raumtemperatur angeglichen.
Sie liegt seit mindestens zwanzig Stunden
hier."
Ich sah auf meine Uhr. "Dann wäre sie um
Mitternacht herum ermordet worden."
"Das kommt etwa hin", bestätigte Gabe.
"Todesursache war der Schnitt am Hals.
Beide Carotiden wurden durchtrennt.
Das hätte sie nicht überleben können."
"Ich habe ein blutverschmiertes Steak-
messer sichergestellt." Cora Hernandez
hob einen Asservatenbeutel hoch. "Das
war wahrscheinlich die Tatwaffe. In der
Küche steht ein Messerblock und-"
"... eins fehlt", beendete ich ihren Satz.
Sie nickte und wandte sich dann dem
Revolver zu. Dean machte mehrere
Fotos, dann zog Cora den Revolver
langsam aus der Vagina der Toten. Mit
einem widerlich schlüpfrigen Geräusch
rutschte er heraus. Cora packte ihn in
einen Asservatenbeutel, den sie sorg-
fältig beschriftete. Dean wandte sich ab.
Cora fuhr mit der Spurensicherung fort.

"Der Schnitt wurde von rechts unten
nach links oben ausgeführt", sagte Gabe.
"Der Täter muss auf ihr gesessen haben,
als er ihn machte. Darauf weisen auch
Prellungen am Brustkorb und auf dem
Bauch hin. Das könnte darauf hindeuten,
das er Linkshänder ist. Ich habe ferner
Stauungsblutungen in ihren Augenbinde-
häuten gefunden. Er hat sie vor ihrem
Tod gewürgt."
"Die Schnittwunden an ihren Händen
und Unterarmen", sagte Leigh. "Sind das
Abwehrverletzungen ?"
"Ja. Aktive wie passive. Die Schnitte an
ihren Händen deuten darauf hin, dass sie
mindestens einmal versucht hat, das
Messer an sich zu bringen. Die Schnitte
und Stichwunden an ihren Armen zeigen
mir, dass sie sie erhoben hatte, um ihren
Körper zu schützen. Wahrscheinlich als
er mit dem Messer auf sie losging."
"Und die an Brust und Unterleib ?"
"Quälerei", sagte ich. "Purer Spaß am
Quälen. Er wollte ihr vor ihrem Tod ein
Maximum an Schmerzen zufügen. Ich
glaube auch, dass er sie nicht erwürgt
und dann den Schnitt am Hals gesetzt
hat, sondern dass sie bei vollem Bewusst-
sein war. Es braucht drei bis fünf Minuten
und konstanten Druck auf den Hals, bis
man jemanden zu Tode gewürgt hat.
Außerdem schlägt das Herz danach noch
bis zu einer Viertelstunde weiter, bis es
aussetzt. Und ihr Herz hat noch geschla-
gen, sonst wäre das Blut nicht so gespritzt.
Nein, er wollte, dass sie wusste, dass sie
sterben muss. Er wollte, dass sie es miter-
lebte."
"Bei dieser Wunde ging es sicher schnell.
Gott, man kann sogar den Knochen sehen."
Sie hatte recht. Der Schnitt war so tief, dass
die Halsknorpel und der Halswirbel zu
sehen waren.
"Die letzte Minute in ihrem Leben hat eine
Ewigkeit gedauert",widersprach ich ihr.
"Der Täter hat sie fast enthauptet. Er muss
voller Blut gewesen sein. Man braucht eine
Riesenkraft, um jemandem so eine Wunde
zu verpassen. Es muss ein Mann sein. Ich
glaube einfach nicht, dass eine Frau so eine
Kraft entwickeln kann."
"Er muss sie gehasst haben", sagte Leigh.
"Niemand würde sich eine derartige Mühe
machen, jemanden auf diese Weise zu
töten, wenn er ihn nicht kennen und hassen
würde."
Cora sagte: "Du hast Recht, Sarge. Es war
ein Mann. Ich habe Spermaspuren auf ihrem
Gesicht gefunden und Abstriche von Mund,
Vagina und Anus gemacht. Abgebrochene
Fingernägel und -schmutz." Sie hob mehrere
kleine Papierbeutel. "Außerdem habe ich
ihre Schamhaare ausgekämmt."
Sie zeigte auf einen weiteren papiernen
Beweismittelbeutel.
Gabe betrachtete die Tote und wandte
sich an Cora: "Bist du soweit fertig ? Sie
wird nicht besser, wenn sie noch lange
hier liegt."
"Ja, von mir aus kannst du die Jungs
holen."
"Die Jungs" waren Tyrone Becket und
Hector Sanchez, beide Pathologie-
Assistenten.

In diesem Moment kam ein triumphie-
rendes "Ja !" aus dem begehbaren Klei-
deschrank. Cora, Dean, Leigh und ich
fuhren herum. Sogar Linda Seger unter-
brach ihre Arbeit im Bad.
"Hast du was gefunden, Archie ?", fragte
Cora.
"Jaaa... Ich hab den Jackpot geknackt !
Komm her, Dean. Das ist wirklich toll."
"Wenn es eine Leiche ist, kotze ich !",
drohte Dean.
"Nein, es ist noch viiiiel besser."
Ein großer, schlaksiger junger Mann
mit dunklen Haaren und Augen kam aus
dem Schrank. An der Innenseite der Tür,
in Höhe des Griffes, waren fünf wunder-
schöne Fingerabdrücke. Archie hockte
sich hin und hob eine behandschuhte
Hand zu den Abdrücken. "Der Typ
hockte da drin und ist rausgesprungen
wie ein Schachtelteufel, als sie den
Schrank öffnete." Archie war äußerst
zufrieden.
Dean machte mehrere Aufnahmen von
den Abdrücken.

Kurz darauf kam Gabe mit seinen
beiden Assistenten zurück; einem rie-
sigen Schwarzen mit einem Faible für
ausgefallenen Ohrschmuck und einem
kleinen, sehr kräftig gebauten Mexika-
ner. Beide trugen Schutzkleidung und
Handschuhe. Während Tyrone den
Leichensack ausbreitete und öffnete,
starrte Hector ungläubig auf die tote
Frau und bekreuzigte sich. Dann hoben
beide die Tote vorsichtig vom Bett in
den Leichensack und trugen sie weg.
Gabriel verabschiedete sich ebenfalls.
"Die Autopsie findet morgen früh um
neun statt. Wenn ihr dabei sein wollt,
seid pünktlich."
Scavo und ich wollten nicht, doch es
war unser Job. Noch dazu, weil das
Opfer jemand war, den wir gekannt
hatten. Und bewundert. Ich dachte an
Rafael. Ich musste ihm sagen, was mit
seiner Kollegin passiert war...

Leigh und ich verabschiedeten uns von
den anderen. Die Spurensicherung
würde noch länger dauern.
Wir würden noch aufs Revier fahren
und mit dem Papierkram anfangen.
Doch zuerst wartete Wichtigeres auf
mich. Mein älterer Bruder.

Als wir das Haus der Shepards verließen
hielten zwei groß gewachsene Cops einen
noch größeren Mann fest, während Randy
auf ihn einsprach. Der Mann hatte dunkle
Haare und Augen, trug einen schlichten
dunklen Anzug und war noch ein bisschen
größer als ich. Zwei Meter. Er war es, den
ich auf dem Bild auf Lauras Schreibtisch
gesehen hatte.
"Scavo, sei so gut und fahr ins Büro und
fang schon mal mit dem Papierkram an.
Ich werde mit Rafe reden."
"Okay. Aber ich hab kein Auto."
Ich nahm einen jungen Cop zur Seite.
"Würden Sie Inspector Scavo zum
Revier im Tenderloin fahren, Officer ?
Danke. Bis später", sagte ich zu Leigh
und ging dann zu meinem Bruder.
 
Hallo Losvu,

ich kann nur sagen: Prima und um Längen besser als die Urversion. Ich war voll dabei und freue mich schon auf die Fortsetzung.


Über einige Kleinigkeiten bin ich noch gestolpert:


Er holte tief Luft. -
Ihr Hals... Er war durchgeschnitten. Überall Blut...
VorschLag: Ihr Hals ... durchgeschnitten. - damit würdest du die WW *Er* vermeiden, die sich einmal auf die Person und dann auf den Hals bezieht.

Ich habe zwölf Jahre bei SAD gearbeitet."
Das war die Abteilung für Sexualdelikte der Polizei
Den Zusatz/die Erklärung würde ich streichen. Die kannst du besser einbringen bei:

"Laura Bellini. Sie ist... war Stellvertretende Staats-
anwältin bei der SAD - der Abteilung Sexualdelikte."

Wahrscheinlich wollte sie erst versuchen, ihn so-
weit wie möglich außer Gefecht zu setzen und
dann die Polizei rufen. Er hätte sie garantiert nicht
zum Telefon spazieren und die Polizei rufen lassen."
"Und dann hat er sie außer Gefecht gesetzt."
Ich nickte.
"Aber wie wollte sie ihn außer Gefecht setzen ?
Hier hast du 3 x *außer Gefecht gesetzt* das stößt mir beim Lesen auf.
 

F Fuller

Mitglied
Hi losvu,

habe wieder etwas Zeit gefunden, hier rein zu schauen. Diese Version ist sehr erfreulich und hat mir viel Spaß bereitet. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung!

Gruss
F.
 



 
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