Tipp: Packe die wichtigen Aussagen (gewissermaßen die Perlen der Gedankenkette) nicht in die BEIwörter (Adjektive und Adverbien), sondern in die HAUPTwörter (Substantive) und TUwörter (Verben).
Schon in der Prosa gilt, dass man mit Adjektiven (und Adverbien) sehr bewusst umgegehen soll, weil sie gewissermaßen die Kraft auf dem Text saugen. Nicht umsonst findet man sie vor allem in romatischen, weichen, stimmungsvollen Passagen (und bei Kitsch). Man soll sie vor allem nicht anhäufen - nicht nur nicht an einem Wort (mehrere Bestimmungswörter für ein Substantiv) sondern auch nicht in einem Satz. Deine Sätze strotzen von Adjektiven - oft genug, weil du dich zu sehr ans Präzis-Reale klammerst, statt die Übertragung als Verdichtungsmittel zu nutzen.
Du hast ein großes Herz und einen wundervollen Verstand
Das sind oft benutzte Phrasen. Aber okay, so als Einstieg, aus dem heraus man sich steigern kann, finde ich das nicht "schlimm". Trotzdem der Vollständigkeit halber: Die wichtigen Aussagen sind bei der Konstruktion hier nicht "Herz" und "Verstand" sondern "groß" und "wundervoll". Man könnte - so ganz prinzipiell - einen Satz suchen, in dem "Herz" und "Verstand" ohne Adjektiv auskommen. Das "ein Mensch mit Herz und Verstand" z. B. wird ja auch nicht als "nun ja, jeder hat schließlich so ein Organ und kann denken" gelesen.
Die liebevolle Berührung deiner zärtlichen Finger ist zu sanft, um durch das harte, kalte Glas zu stoßen
Hier ist es ganz heftig: Das Bild bezieht sich auf das Berühren von Glas. Das Unterstrichene steht dabei schon mal dreifachgemoppelt für das Berühren. Glas wird (u. a.) immer mit hart und kühl/kalt assoziiert - die Adjektive sind also auch nur Dopplungen dessen, was man bei einem "dichten Text" beim Wort Glas mitliest. Die einzige Spezifizierung, die gebraucht wird, ist das "liebevoll", denn Berühren kann auch Sorge, Vorsicht, Angst ... ausdrücken. Die verdichtete Zeile sähe also z. B. so aus:
Deine liebevolle Berührung kann das Glas nicht durchstoßen.
Das könnte man sogar noch weiter treiben, aber das würde jetzt zu weit von deinem (noch) sehr prosanahen Stil wegführen.
Ob dieser Satz rhythmisch und klanglich zum neuen Rest passen würde, ist natürlich nicht gesagt; es soll wirklich nur ein Beispiel dafür sein, was ich meine.
Deine aufmunternden Worte verzerren, deine erotische Stimme wird blechern durch die abgenutzte Telefonleitung
Hier gibt es Sach- und Bildfehler: Die Worte verzerren was? Bei Handys gibt es keine Telefonleitung, die sich abnutzen könnte. (Ich glaube auch nicht, dass der "Entsinnlichungseffekt" durch Abnutztung ausgelöst wird, eher durch die verlorene Unmittelbarkeit. Aber das ist nur eine Vermutung, vielleicht meinst du ja tatsächlich die Gewöhnung als Stimmungskiller, nur hat das mit dem Bild vom Handy gar nichts zu tun.)
Deine farbenfrohen Bilder verblassen durch meinen sterbenden Akku
Hier verblassen vor allem die Farben (der Bilder). Oder du benutzt nur ds Wort "Bilder" - wenn sie verblassen, ist klar, dass sie vorher farbenfroh waren, sonst wäre das Verblassen nicht mitteilenswert.
Doch niemand schreibt mehr Briefe
Gefällt mir, auch in dieser Ausweitung über das Persönliche hinaus. Es erklärt nämlich, warum die beiden sich nicht schreiben - nicht, weil sie schon am Ende mit ihrer Bezeihung sind, sondern weil es "man es eben so macht". Das gibt dem Ganzen noch eine weitere Dimension.
Passt gut zum Handymotiv; Briefeschreiben würde aber an den "Kritikpunkten" (kein Strahlen, fehlende Berührung, nicht der originale Klang der Stimme etc.) auch nichts ändern
Also: Mut zu Verdichtung!