Tерминатор (Terzine)

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Tula

Mitglied
Tерминатор

Du bist die heilige, perfekte Waffe,
der Traum des Kriegers, ein Excalibur,
wenn hehre Diplomaten im Geblaffe

zwar höchst besorgt sind, aber keine Schnur
aus ihrem Irrgang führt, weil die Legende
ein fake ist; denn von Ausweg ... keine Spur.

Da schlägst du zu und bringst die große Wende,
mit einem Armageddon erster Wahl,
und so den blöden Streit im Nu zu Ende.

Was in Verträgen stand, wird nun egal.
Das Ziel ist längst erreicht, nur für den Frieden
schreibst du die Regeln um, mit Blut und Stahl.

Wer dich entwarf, hat ganz bewusst vermieden,
dir irgendeine Emotion gepaart
mit Logik einzupflanzen. So entschieden,

hat man sich deine Durchschlagskraft bewahrt.
Doch setzten sie auf einen effizienten
Autopiloten für die Himmelsfahrt,

und tarnten dich dazu als Präsidenten.
 

Scal

Mitglied
Lieber Tula,

möglicherweise wäre ich in Russland schon verhört worden - ich weiß es nicht - weil ich was dagegen hab, dass ...

Andererseits: dein hervorragend geflochtenes Gedicht (lyrischer Applaus) empfinde ich wie eines dieser zahlreichen Zeigerfingergebete in der Antiputinkirche, die inmitten des ohnehin schon unerträglichen Orgelgedröhns emporsprießen. Immerhin - zwischen dem grellen Kunststoffblumengeschrei der Gazetten ein vergleichsweise erholsamer Anblick.

Lieben Gruß
Scal
 

Tula

Mitglied
Hallo Scal
Ich weiß, nach einem Jahr heißer Debatten ist der Text keine große literarische Neuigjeit, unabhängig von der Form. Er ist auch nicht ganz neu, zwei Wettbewerbe haben sein Erscheinen hier etwas verzögert ...

Nichtsdestotrotz, ein verdichteter Hinweis, dass der Diktator selbst, nicht selten als eine Art Alleinherrscher und Despot missverstanden, auch 'nur' eine Waffe und Werkzeug anderer ist. Er ist dort an seinem Platz, weil andere ihn dort wollten und noch immer wollen. Wenn sich die Waffe irgendwann abgenutzt hat bzw. unbequem wird, wird ihm die Elite einen Brutus schicken oder anderweitig entfernen. Hitler war kein historischer Zufall, ohne ihn hätte es einen anderen gegeben. Bei Putin sehe ich das genauso. Das schließt nicht aus, dass ein anderer an seiner Stelle die endgültige Entscheidung hinsichtlich des Überfalls auf die Ukraine nicht getroffen hätte bzw. zu einem anderen Zeitpunkt und/oder auf andere Weise.
Putin bleibt dennoch ein Produkt seiner Zeit und Gesellschaft, die sich bis heute nicht vom imperialistischen Traum russischer Prägung getrennt hat. Kein Zufall oder Missgeschick der Geschichte, sondern eher eine mehr oder weniger logische Konsequenz, eben genau das, eine Wunderwaffe für nicht wenige.

LG
Tula
 

Scal

Mitglied
Hallo Tula,

Waffe und Werkzeug anderer …
Er ist dort an seinem Platz, weil andere ihn dort wollten …
ein Produkt seiner Zeit und Gesellschaft …


Die Frage bleibt, ob es genügt, diese „stimmige“ Sichtweise in eine gegenwärtige politische Gestalt hineinzupressen. Da habe ich wahrlich erhebliche Zweifel, und es beschleicht mich das unwohle Gefühl, dass pharisäerhafte, gewehrdenkerische Werkzeugdirigenten sich täglich eifrigst darum bemühen, dieses dämonische Ikonenbildnis mittels eines Schürhakens in die öffentliche Dämmerung zu tosen, weil sie für sich ….

Wohin freilich, meinem Eindruck nach, alle diesbezügliche Diskussionen in der Regel führen, kann ich nur indirekt zu skizzieren versuchen:

Sie trafen sich am Parkplatz vor dem Gasthof Krone, begrüßten sich und wandten sich dem ausgetretenen Wiesenpfad neben den Weiden und Erlen am Bachufer zu. Jeder der beiden hatte ein Bündel Papiere unter den Arm geklemmt: handbeschriebene Zettel, bedruckte A4-Blätter, Zeitungen, Zeitschriften. Nach der beinahe zweistündigen Wanderung einigten sie sich darauf, den Rückweg anzutreten. Auch am Weg zurück lasen sie sich weiterhin gegenseitig, mitunter heftig gestikulierend, aus den mitgebrachten Papieren vor. Es erklangen 43000 Bedeutungssätze.
Als sie wieder beim Gasthof angekommen waren, erfolgte eine zweite Einigung. Jeder nahm seine Papiere von seiner rechten in die linke Hand, um jene, zuinnerst stets freundlich gestimmte, für einen Händedruck frei zu bekommen. Sie verabschiedeten sich und jeder steuerte seinem Wagen zu.
Dort dachten sie, den Autoschlüssel in der Hand und einig mit sich selbst: „Ich habe meine Papiere nicht aus der Hand gegeben. Sie sind und bleiben mein Eigentum. Auch unsere nächste gemeinsame Wanderung wird daran nichts ändern.“

Lieben Gruß
Scal
 

Tula

Mitglied
Hallo Scal
Über das 'Gewicht' des Individuums in der Geschichte streiten sich die Gelehrten bis heute. Es gibt bzgl. Hitler selbst diese extreme Personifizierung, so als hätte es ohne ihn kein drittes Reich gegeben. Dem widerspricht von vornherein der Vormarsch des Faschismus in vielen Ländern in jener Epoche, so wie auch die gegenwärtige Krise der in der Nachkriegszeit geborenen 'modernen Demokratie' ein weltweites Phänomen ist. Der erste markant populistische Regierungschef war nicht Trump, sondern Berlusconi.

Sicher gibt es ein mehr oder weniger komplexes Spiel der Kräfte zwischen dem Regierenden und den Regierten. Putin ist Produkt typischer russischer Machtstrukturen, hat sich andererseits sicher auch verselbstständigt. So wie es eigentlich jeder Tyrann seit der Antike macht.

Ich bin jedenfalls nicht so naiv zu glauben, dass sich mit dem Verschwinden Putins, auf welche Art auch immer, das imperialistische Bestreben Russlands radikal ändern wird. Nach Stalins Schreckensherrschaft kamen andere, die den Kommunismus in einer etwas milderen Variante weiterführten, ohne dass sich irgendetwas am System grundlegend geändert hätte. Mit Putins Nachfolger könnte es sehr ähnlich kommen. Das grundsätzliche Problem ist nicht die Person Putin. Es ist die Kraft jener, nicht die russische Mehrheit wohlvermerkt, die sich einen Putin wünschen und ihn wie einen Heiland verehren.

LG
Tula
 

sufnus

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Hi Tula,

schnell eine Minianmerkung hinter mich bringen, vor dem Kerngeschäft weiterführender Überlegungen: Wäre "großen Streit" statt dem verniedlich-flappsifizierenden "blöden Streit" nicht passender zum Gesamttonfall der Zeilen? Natürlich führte dann eins zum anderen, weil die "große Wende" dann eine unschöne groß-Doppelung mit sich brächte. Ggf. dann hier: "... bringst die Zeitenwende"?

Ansonsten gibt es hier ja zur großartigen terzinösen Form, zum ebenso gruseligen wie gekonnt gebannten Inhalt, nichts zu meckern.
Daher zwei andere Sachen:

Deine Zeilen machen mir große Lust, auch einmal eine Terzine zu schreiben... zufälligerweise habe ich bei Krolow in den letzten Tagen drei (ganz andersthematische) Terzinen gelesen, die jetzt formal mit Deiner in Wechselwirkung treten und diese Lust noch weiter anfachen. Ich habe für diese Form seit Schülertagen, als ich Hofmannsthals als Ballade getarnte Terzine (... des äußeren Lebens) las, ein große Vorliebe. Und das ist doch eine komische Sache... man kann über die schlimmsten Dinge in Form einer Terzine schreiben, irgendwie bedingt die schöne Form eine gewisse Antithese zu einer etwaig besungenen Hässlichkeit. So auch hier. Der Effekt dieser schönen Form ist m. E. viel stärker als beim Sonett. Man sollte also wohl mehr Terzinen schreiben. Gerade heute. (die nachgeschobene Affirmation ist natürlich zeitlos)

Und dann: Der Titel. Ich hab irgendwie schon immer eine kyrillische Entzifferungssperre (anders als beim griechischen Alphabet). Das muss irgendwie damit zu tun haben, dass die Buchstaben teilweise "vertauscht" sind (wie das C oder das H), jedenfalls muss ich immer Übersetzungshilfe in Anspruch nehmen, wenn ich nicht ewig lang rumknobeln will. So auch hier. Und das war eigentlich viel schöner, so als unerwarteter Aha-Effekt, als wenn ich's hätte flüssig lesen können. Mit Arnolds Alter Ego hätt ich hier jedenfalls nicht gerechnet. Cooler Effekt (eben genau weil ich nachschauen musste).
Und jetzt noch mein Gegrübel hierzu: Wie liest man so ein Gedicht eigentlich vor? Die Antwort ist natürlich, dass das nicht geht (bzw. der kyrillische Kniff beim Vorlesen halt verloren geht). Soviel zu der Idee, Lyrik wäre in erster Linie eine orale Literatur. Das stimmt so natürlich schon lange nicht mehr. Das hier ist ein sehr schönes Beispiel dafür.

Das wars (auch schon ;) ).

LG!

S.
 

Tula

Mitglied
Hallo sufnus
Danke für deinen mini-Kommentar ;) und Sternchen.
Ja, die Terzinen sind eine unterhaltsame Herausforderung, so etwas wie ein lyrisches Sudoku, zumindest hier auf Foren-Ebene, wobei ich echt erstaunt war, ausgerechnet im Jahrbuch der Lyrik eine zu finden. Übrigens diese auch hier:
Axel sanjose terzine
Sehr witzig.
Ich schrieb schon einige, gewiss weniger gekonnt. Diese hier musste irgendwann sein.
Da ich in der DDR seit der 3. Klasse Russisch hatte (natürlich habe ich fast alles wieder vergessen), bereitet mir die kyrillische Schrift keine sonderlichen Probleme. Sollte irgendwann woanders ein durchgeknallter Erster Mann im Staat einen Krieg vom Zaun brechen, bleibt das Gedicht ohne diesen extra-Trick dennoch zeitgemäß.
Zum Vorschlag: ich finde ehrlich den 'blöden' Streit ironischer, weil kein Streit so groß sein kann, um solch einen Krieg zu beginnen. Ansichtssache.

Dankend lieben Gruß
Tula
 
Hallo Tula,
Ich finde dein Gedicht auch meisterlich geflochten und um sicherzustellen, dass es nicht im Lupanum wegen fortgesetztem Politisieren landet, (is ja leider Standard hier) schreibe ich keine inhaltliche Bewertung.
Also Daumen hoch.
Beislgrüße
 

Tula

Mitglied
Moin Hans
Ich werde dann auch nichts Politisierendes hinzufügen ;)
Dankend lieben Gruß
Tula
 

sufnus

Mitglied
Hi Tula,
vielen Dank noch für den Signaturenlink! :) Ich les da auch immer gerne... nach dem Fixpoetry-Aus eine der letzten Online-Bastionen für zeitgenössische Lyrik. :) Und Axel Sanjosé mag ich eh gerne (also seine Gedichte - persönlich kenn ich ihn nicht ;) ).
Seine Terzinen über den kulinarisch begründeten Todesaufschub sind wirklich von wunderbar lässiger A-logigk und anrührender Zugewandtheit geprägt. Wir brauchen mehr Terzinen! :)
LG!
S.
 

Tula

Mitglied
Hallo sufnus
Danke auch für deinen letzten Kommentar. Wir sind uns einig: wir brauchen mehr Terzinen! :)

LG
Tula
 

petrasmiles

Mitglied
Hitler war kein historischer Zufall, ohne ihn hätte es einen anderen gegeben.
Lieber Tula,

die Historikerin in mir jault da gerade mächtig auf. Wenn man das wirklich so sagen könnte, dann bräuchte der Mensch sich gar nicht mehr anstrengen. Das ist nicht Fatalismus, das ist Verdrehung der Tatsachen; es waren reale Personen und ihre Handlungen, die das möglich gemacht haben, was Du als austauschbar bezeichnest. Natürlich gab es 'Strömungen' und vermehrt auftauchende Phänomene, aber das ist viel zu komplex, um es in so eine Schablone zu pressen.
Simplifizierung hilft nicht beim Begreifen von historischen Zusammenhängen - und bei politischen auch nicht.

Liebe Grüße
Petra
 

Tula

Mitglied
Hallo Petra
Ein historischer Zufall war Hitler ganz gewiss nicht. Aber davon abgesehen geht es im Kern der Aussage darum, dass sich der 'Herrscher' selbst auf andere stützt, er selbst zur Waffe wird. Ich denke, das trifft auch auf harmlosere politische Strömungen zu. Zeit und Umstände bringen ihre Führer und anderweitig bedeutende Persönlichkeiten hervor, nicht umgekehrt.

Natürlich ist das stets eine Wechselbeziehung. Ultra-Nationalisten sind in nicht wenigen Teilen der Welt sowohl Instrument politischer Abenteurer als eben auch umgekehrt, denn letztere suchen und finden ihre politischen Generäle.

Was ich einräume: ein anderer Putin hätte unter Umständen nicht den Befehl zur Invasion gegeben, oder nicht jetzt oder mit anderen Zielen. Wer weiß. Dennoch bleibt für das 'moderne' Russland ein nächster Konflikt so wahrscheinlich wie ein neuer Krieg in den Zeiten des alten Roms. Eine Frage der Zeit, solange sich das gesellschaftliche System insgesamt nicht wandelt.

Meine persönliche Sicht auf die Dinge. Ein Gedicht ist kein Essay und regt an, nicht mehr ...

LG
Tula
 

petrasmiles

Mitglied
Aber davon abgesehen geht es im Kern der Aussage darum, dass sich der 'Herrscher' selbst auf andere stützt, er selbst zur Waffe wird.
Damit verbinde ich eher Computerspiele und die Phantasie derer, die sie entwerfen.
Das ist kein Erklärungsversuch, sondern das sind Abwege. Schade um die Zeit, eine Zukunft gedanklich herbeizuspintisieren, anstatt die Gegenwart zu betrachten und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Ich kann mich nur selbst zitieren: Simplifizierung hilft nicht beim Begreifen von historischen Zusammenhängen - und bei politischen auch nicht.

Die Dämonisierung Putins ist nicht Teil der Lösung und Dein Text unter Berücksichtigung der Kräfte, die gerade wirken, ein hilfloser Versuch, dem Ganzen ein Gesicht zu geben - oder vielmehr: es darauf zu reduzieren.
Das löst Dein Gedicht bei mir aus.

LG Petra
 

Tula

Mitglied
Hallo Petra
Das Gedicht ist ein Gedicht und nicht mehr und beinhaltet natürlich meine Sicht auf die Persönlichkeit selbst, die gewiss stellvertretend für einige andere Persönlichkeiten desselben Kalibers zu verstehen ist.
Das Verhältnis zwischen historischer Persönlichkeit und der breiten Masse, Anhängerschaft und Gegner eingeschlossen, ist eine andere, weitergreifende Debatte, die mit Sicherheit sehr interessant ist bzw. sein könnte. Denn auch die Personifizierung des Dritten Reiches mit Hitler als den großen Verführer des Volkes halte ich für grundlegend verkehrt und eine Form des geschichtlichen Händewaschens.

Natürlich muss dem nicht jeder zustimmen. Bei einem heiklen Thema der Gegenwart wäre das auch nicht zu erwarten.

LG
Tula
 



 
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