Terror und Steuerfahndung - Folge 14 - Püttmann...

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Terror und Steuerfahndung

Mit einem Schlag war ich bekannt wie n bunten Hund. Meine medienwirksamen Auftritte bei die Bestattungen vonne historischen Eichen und dem Gorilla wirkten sich natürlich auch gesellschaftlich aus!
Im Herner Rathaus wurden Berta und ich zu Ehrenbürgern ernannt. Außerdem erhielt Berta auch noch dat Naturschutzehrenkreuz 1. Klasse mit Eichenlaub und Schwertern am moosgrünen Bande. Berta lief von morgens bis abends wie ne stolze Glucke mit dem Orden rum. Sie trug dat Ehrenkreuz sogar inne Badewanne, und abends stoppte sie sich dat Dingen unter ihr Nachthemd. Zweimal hatte ich bei som kleinen Annäherungsversuch dat piksige Scheißdingen inne Hand.
Wir Püttmanns wurden seit die Ehrenbürgerschaft auf jeder Party vonne Herner Heifideleti eingeladen. Du wars mit einem Mal umzingelt von sogenannten Freunden.
„Berta, kuck ma, ich als einfachen Bergmann hab die Stufe zum Olympus erklommen. Wir sind jetz wer. Einladungen bis inne höchsten Kreise rein, jedet Wochenende lecker am Buffet wat aufe Gabel und herrlich wat zu süffeln, dat könnte ich mein Leben lang so aushalten.“
Berta schaute nich gerade glücklich ausse Wäsche und bemerkte :
„Willi, ich hoffe, dat du weiss, dat die Herrschaften, die uns jetz einladen tun, keine richtigen Freunde sind. Der Pelzheini, der Egon Kowallek, der hat letzte Woche vor seinen Gästen wie ein Idiot mit uns gestrunzt, dat war mir schon richtig peinlich.“
„Berta, lasse doch, wenn se dat mit uns Promis nötig haben, mich stört dat nich. Als dat damals mit die Einladerei losging, hasse dich doch darin gesuhlt.“
„Willi, dat stimmt, aber so langsam gehen mir die Leute aufn Senkel. Weisse, warum die uns einladen? Die wollen schon zu Lebzeiten für lau ne Grabrede von dir geschrieben haben. Die wollen schon heute wissen, wat son Ehrenbürger-Grabredner über sie am Grab schwätzen tut!“
„Berta, für lau? Nee, dat stimmt nich, Bergwerksdirektor Kurti Koksklau hat mir letzte Woche schon ne Anzahlung von fünfhundert DM für seine persönliche Grabrede inne Hand gedrückt, ohne Quittung. Die Leute stinken vor Geld, die bezahlen, die wollen nix für lau, glaub mir dat.“
„Ja, wenn dat so iss, Willi, dann iss dat von mir akzeptiert. Die Einladungen haben ja auch n verdammt großet Loch in dat Schwattgeld gehauen.
Du hass dir ne neue Krawatte kaufen müssen, ich acht Kleider und neun Paar Schuhe. Die Blagen konnten auch nich mehr in alten Klamotten rumlaufen. Geschenke für die feinen Pinkels kosten auch ne Menge Schotter.“

„Berta, dat hab ich dir noch gar nich erzählt: Gestern rief son Verleger aus Hamburg an, ich sollte bei ihm n Exklusivvertrag für n weltbekanntet Schmutzblatt unterschreiben. Ich sollte für die Brüder meine Biologie oder so wat, also mein Leben aufschreiben und sollte dann einfach jede Menge Trauerreden schreiben, dat sich die Leser inne Hose schissen, egal ob aus Trauer oder vor Lachen. Ich hab ihm gesacht, er wär n selten dummet Arschloch, und hab aufgelegt.“
„Willi, bisse krank? Hasse den Typ nich ma gefragt, wat dabei rausspringen tut?“
„Nee, Berta, ich hab noch Ehre im Leib. Verleger kennen keine Pietät, nur ihren Reibach, die Kerle gehen über Leichen. Aber wenn der Mensch noch ma anruft, kannze ja ma so hintenrum nach der Kohle fragen.“

Seit ich nur eine Grabrede pro Woche hielt, verbesserte sich auch mein Gesundheitszustand. Et lief allet gut, zu gut.
Ja, wie dat so iss, wenne im Rampenlicht stehen tuss, hasse auch Neidhammels, und meine Reden gegen die Baumafia und militanten Naturschutzchaoten waren auch noch nich vergessen.

Fünf Tage nach meiner Krankenhausentlassung erhielten wir n gemeinen Drohbrief. Man wollte unsere Blagen entführen und kaltmachen, mich aufhängen, Berta vergewaltigen und so wat allet. Ohne Strafe käm ich für meine dreckigen Hetzreden nich davon.
Kaum hatte ich dat Schreiben meiner Berta vorgelesen, zertrümmerte ein Ziegelstein unser Küchenfenster, flog um Millimeterbreite an Bertas Kopp vorbei und landete inne Bratkartoffeln.
Berta blieb fast dat Herz stehen. Ich riss dat kaputte Küchenfenster auf und sah, wie jemand in schwatten Lederklamotten auf nem Motorrad davonbrauste.
Jetz war aber Sabbat.
Ich rief den Polizeipräsidenten Dr. Brutus Eisenfaust an, mit dem ich am Wochenende noch schwer einen gezaubert hatte: „Hömma, Brutus, höchste Alarmstufe! Du muss uns Personenschutz geben, sonst werden wir kaltgemacht!“
Ich erzählte ihm, wat passiert war, und er versprach sofort Hilfe. Dann nahm ich mein zitterndet Bertaken in den Arm und tröstete sie. Dat war nich einfach, sie stand noch immer unter Schock.
„Berta, ich hol jetz die Blagen ausse Schule.“
Ich raste mit dem Fahrrad inne Schule rein, hoffentlich lebten die Kinder noch! Ich berichtete dem Schulleiter von der anstehenden Entführung und brachte die Jungs schnell nach Hause.
Um 22 Uhr begann Telefonterror der übelsten Art. Die ganze Palette der zurzeit gängigen Verbrechen wurde uns angedroht und inne Ohren geschleudert.
Zwei Schupos und vier Kripobeamte bewachten jetzt rund um die Uhr unser Haus, brachten die Kinder zur Schule und holten sie auch wieder ab. Dat Telefon wurde abgehört und ne Fangschaltung installiert.

Zwei Tage später schellte um sechs Uhr morgens jemand Sturm. Ich machte im Nachthemd die Tür auf, da stürmten sechs Kerle dat Haus und stellten allet auffen Kopp. Die Wachpolizisten zuckten resignierend die Schultern. Steuerfahndung!
Der Oberschnüffler hielt mir nen Wisch unter die Nase und meinte: „Herr Püttmann, es liegt eine anonyme Anzeige wegen Steuerhinterziehung gegen Sie vor. Hier ist der Durchsuchungsbeschluss. Sie haben nach unseren Recherchen jede Menge Geld für Grabreden kassiert und es nicht für nötig befunden, ne Steuererklärung abzugeben.“ Außerdem hätte ich bei der Gorilla-Beerdigung eine Kollegin, die Steuerinspektorin Ketelsinski, verbal angegriffen, weil sie gegen Willkür bei Tierbestattungen protestierte. Aha, daher blies der Orkan!
Berta schrie ausse Küche: „Willi, kuck ma, wat die Saubande da im Garten macht, die graben die ganzen Rabatten um.“ Der Vorgarten sah aus, als hätten tausend Maulwürfe da ne Fete veranstaltet. Auch den Holzfußboden im Wohnzimmer rissen die Schnüffler raus. Et sah bei uns aus wie nach nem Bombenangriff. Berta heulte vor Wut.
„Berta, ganz ruhig, mein Schätzken, die finden nix. Du weiß doch, dat du n pfiffiget Kerlchen gegen den Willen deiner Mutter geheiratet hass, oder?“
Keiner von den Steuerheinis wollte mir glauben, dat ich entweder nix oder nur n kleinet, freiwilliget Trinkgeld für ne Grabrede inne Tasche geschoben bekam.
Ich war dat arme Opfer einer gezielten Aktion von staatlichen Organen, die nur darauf aus waren, mich nervlich zu vernichten. Die Lumpen wussten mit Sicherheit, dat ich gesundheitlich schon son bissken morsch war. Die Hetzjagd war einfach schikanös.

Am Monatsende gab et auch keine Stütze mehr. Ich kriegte n Schreiben, dat ich ein Sozialbetrüger sei und noch mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätte. Aha, dachte ich, die Amtsschimmel hatten sich gegenseitig Hinweise zugespielt.
Ich mach et kurz. Die Maulwürfe fanden nix. Dat Verfahren gegen mich wurde eingestellt.
Die letzten Ereignisse machten mich schwer nachdenklich.
Einen Tag später erhielt ich n Wisch vom Arbeitsamt. Man bot mir zum ersten Mal nach zwei Jahren ne Umschulung an. Ich grübelte über dat Angebot bis zum späten Abend.
Im Bett erklärte ich Berta: „Hömma, Bertalein, ich muss mich entscheiden. Entweder mach ich mich als freien Grabredner selbstständig, oder ich schul um. Ich verdiene dann meine Brötchen als Handwerker, mach meinen Meister und leb
in Frieden – ohne die vielen Toten. Du muss mir bei die Entscheidung helfen.“
„Willi, ich wollte dir dat schon lange sagen: Du kannz mit die Grabreden nich so weitermachen, du gehss mir dabei über die Wupper. Dat iss auf Dauer kein Beruf für dich. So ab und zu kannze ja noch ma nen guten Bekannten, der dringend inne Erde muss, mit ner Rede beglücken, aber ich denke, et sollte langsam Schluss damit sein.“
„Berta, wenne meinen tuss, dann soll dat auch geschehen. Mein Dornröschen, vielleicht legsse heute ausnahmsweise ma dat Ehrenkreuz ab, oder willze lieber schlafen?“
 

NicoD

Mitglied
Mein Kompliment, die Mundart ist Dir sehr gut gelungen und wirkt auf mich sehr authentisch!


Viele Grüße,

Nico
 



 
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