Thomas Mann: Gott der Schriftsteller?

gladiator

Mitglied
Ich gebe zu, ein bißchen provokant formuliert, die Überschrift. Aber gerade habe ich die "Buddenbrooks" (zum dritten Mal) durchgelesen und es war wieder mal eine Offenbarung. Metaphorik und Sprache sind einfach jenseits von Gut und Böse. Wem gehts auch so beim Lesen von Thomas Mann? Spielt er für die Gegenwartsliteratur heute noch eine Rolle? Wer fühlt sich hier in seinen Versuchen, Literatur zu schaffen, von ihm beeinflußt?

Ich warte gespannt auf Antworten. :)

Gladiator
 

Andrea

Mitglied
Ich habe die Buddenbrooks erst einmal gelesen, aber die Offenbarung kann ich nicht mit dir teilen. Es ist zweifellos ein gutes Buch, aber auch Mann macht Fehler.
Damit meine ich nicht, daß es ihm gelungen ist, mir gleich zwei Figuren (Tony und Christian), in die ich am Anfang meine ganzen Hoffnungen setzte, zu verleiden - nein, das macht er richtig gut - auch wenn ich Tony das Familienbuch am liebsten um die Ohren hauen würde.. ;)

Aber ich wollte ja auf die Fehler zu sprechen kommen. Ich finde, Mann übertreibt es ganz gewaltig mit seinen Vorzeichen. Nicht Hannos Strich, nein, dieses ewige Beschreiben der Zähne und der bläulichen Adern usw. usf. - wenn man einem Menschen den Verfall so von den Händen und aus dem Gesicht ablesen kann, weshalb macht er sich dann die Mühe, das Seelenleben aufzuzeichnen?

Mann hat mich gewiß nicht inspiriert zu schreiben, aber seine Buddenbrooks haben mich zumindest neugierig gemacht, mehr von ihm zu lesen.
 
C

Casper Jacob

Gast
Die Zauberbrooks

Hi folks,

ich geb's zu: wenn mich jemand fragen würde, wer mein Lieblingsschriftsteller sei, ich würde wohl Thomas Mann sagen. Jawohl. Und, obgleich ich die Buddenbrooks sehr schätze, so ist mein Liebling "Der Zauberberg".
Ach und der Tod in Venedig. Da lieb ich auch das Filmchen von Visconti, mit der Musik von Gustav Mahler.

Klar hatte/machte Mann Fehler, aber dies betrifft wohl eher sein Leben, als seine Werke.

Oder?

mit freakigen Grüßen

CJ
 
W

willow

Gast
Mann Mann Mann

Hallo,

Thomas Mann versucht in seinen Büchern seine eigene Identität aufzuarbeiten. Ob Hanno oder Tonio, sie alle verkörpern etwas für mich, mit dem ich mich schon beim ersten Lesen gut identifizieren konnte.

Die Mann Familie hat mir eine "Kleinigkeit" gezeigt, nämlich dass Schreiben echte Arbeit ist (So stand wohl Vater Mann acht Stunden täglich am Stehpult und schrieb.)

Da sag noch mal einer, dass Talent nicht vererbbar sei. Selbst Golo Mann, der eigentlich mehr Historiker als Schriftsteller ist, schreibt in einem Stil, den man wirklich fast schon als göttlich bezeichnen würde.

Inspirieren kann mich Thomas Mann allerdings nicht - und ich würde es als äußerst vermessen empfinden, ihn mein großes schriftstellerisches Vorbild zu nennen.

LG,

Willow
 
A

Anne Poettgen

Gast
Thomas Mann

Titel kann ich voll unterschreiben. Habe im Laufe eines längeren Lebens viel von ihm gelesen, bewundere ihn immer mehr. Zuletzt Joseph und seine Brüder. Diese Einfühlung in ganz fremde Gedankenwelten! Den Teil über Echnaton habe ich mehrfach gelesen. Freue mich, dass ich mit meiner Begeisterun nicht allein stehe.
tschüss Anne Poettgen
 
E

ElsaLaska

Gast
der gott der schriftsteller

ist natürlich reich-ranicki, nicht mann.
erstmal grüsse in die runde.
da eines meiner lieblingsthemen der verfall ist, mag ich die buddenbrooks natürlich ebenfalls.
anne poettgen, den joseph hab ich noch nicht gelesen, aber gerade das echnaton-kapitel darin (oder sind es mehrere?) interessieren mich schon längst. kommt auf die liste, danke für deine "auffrischung".
also nachahmen könnte und würde ich ihn auch nicht gerade. er hat eine literarische strömung "zu ende gebracht" , hat eine ganze ära beschlossen. jeder versuch, ihn zu imitieren, wäre nur noch epigonal.
schöne diskussion, interessantes thema, bin gespannt, was noch an beiträgen dazu kommt.
beste grüsse
elsa
 

gladiator

Mitglied
Mit meinem Beitrag...

...wollte ich auch nicht sagen, daß ich Thomas Mann versuche, in irgend einer Form nachahmen oder ihm nacheifern möchte. Wie Du ganz richtig sagt, Elsa, hat er eine literarische Epoche abgeschlossen, sowohl thematisch als auch literarisch.

Andererseits: Seine Gründlichkeit in der Beschreibung und vor allem in der Sprache sind ja vielleicht doch nachahmenswert. Ich weiß es nicht...

Gruß,
Gladiator

P.S.: Marcel Reich-Ranicki geht mir ziemlich gegen den Strich :D
 
A

Anne Poettgen

Gast
Thomas Mann

Für ElsaLaska:
Es ist das dritte Hauptstück im vierten Band - Die kretische Laube. Fischer TB.Aber man muss den Roman ganz lesen, klar. Ich interessiere mich für die sumerische Geschichte und habe auch darum den Roman gelesen. Zusätzlich interessant Thomas Mann, Selbstkommentare: Joseph und seine Brüder. Die lange Entstehungsgeschichte.
Ich bewundere an Th.M., dass er, obwohl er natürlich seinen Stil hat,doch den Stil der jeweiligen Zeit einfließen läßt. Auch ganz deutlich in "Der Erwählte" (Mittelalter). Freu mich sehr über die Diskussion, und das gleich an meinem ersten Tag.
tschüss Anne
 

Marc Mx

Mitglied
Also zu meinen Lieblingsautoren zählt Mann bestimmt nicht und beeindruckt hat er mich auch irgendwie nicht...
Durch "Tod in Venedig" habe ich mich durchgequält, weil ich dachte, ich muß doch auch mal was von Mann gelesen haben. "Buddenbrooks" habe ich in die Ecke geschmissen, weil mich die langen Beschreibungen genervt haben.

ABER

den "Tonio Kröger" finde ich spitze. Ich habe mir sogar die Hörkassetten gekauft, um es mir manchmal vorlesen zu lassen. Besonders die Szene, wo Tonio mit seiner Freundin über Kunst diskutiert finde ich einfach total gut!

Ja, und da gibt es noch so ein paar (längere) Kurzgeschichten von Mann, die ich sehr lesenswert finde...

Gruß
MarcPlanet.de
 
R

Rote Socke

Gast
Interessantes Thema!!!

Buddenbrocks habe ich verschlungen und somit Thomas Mann schätzen gelernt. Habe mir zufälligerweise auch in diesen Tagen "Der Zauberberg" gekauft für die Urlaubslektüre im August.
Vorab: Thomas Mann ist begnadet, aber zu hoch spielen will ich ihn auch nicht, weil es zum Glück noch viele andere begnadete Schriftsteller gibt; Inländische und Ausländische.

Wenn ich z.B. Böll, Grass und S. Zweig lese möchte ich mich manchmal auch auf den Boden werfen und sagen: Mein Gott sind die begnadet oder auch Hemingway usw.

Ich denke es kommt darau an wie a) die Schreibe auf einen wirkt und b) natürlich der Inhalt.
T.Mann ist auf jeden Fall ein lesenswerter Stoff und gute Lektüre für den eigenen Schreibstil zu erforschen.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Dekadenz

Dekadent, war mein erstes Urteil über Thomas Mann.
Sicher trennte ich zu Unrecht Werk und Autor nicht, aber die Buddenbrooks konnten einem so richtig das Leben vermiesen.
Gegen Ende hab ich den fortschreitenden Zerfall nicht mehr ausgehalten und das Buch beiseite gelegt.
Zwei Stunden Cure schaffen das auch.
Später kam dann "Mario und der Zauberer", der mir zumindest die Chance gab, Mann zu mögen. Aber ich denke, so vorbelastet ist es kein Wunder, das ich Dirk Bogarde im "Tod in Venedig", die Kompetenz zuschreibe, besser "geschrieben" zu haben, als Mann.
Und ich denke, das in diesem Film mehr von Thomas Mann überleben wird, als in einem seiner Bücher. Er ist out und zeitverhaftet, wie zum Beispiel Fontane.
 



 
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