Tierheim In den Tropen

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Milja Lajoie

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Ich weiß nicht, ob Costa Rica wirklich das Paradies ist. Ich glaube das Paradies sind nur die Anderen. Und wir selbst.
Ich werde mich an das schelmische Lächeln erinnern, wenn man vom sprudelnden Regen erwischt wurde und tropfend Unterschlupf fand. „I think it‘s raining“, verkündeten die Trockenen. Ich denke an Dylan und Mac. An Marc und Caroline. Ich denke an Vorurteile, von denen ich Abschied genommen, und neue Perspektiven, die ich begrüßt habe. Ausgerechnet das Püppchen beweist hier Willensstärke und Tapferkeit, gerade der Hallodri zeichnet sich durch Expertise und Güte aus. Jeder war, wie er eben war und so durften wir sein, wie wir sind. Fehlerhaft und nachdenklich, in uns ruhend und erfindungsreich. Wir hatten tiefe Gespräche zwischen uns und innige Momente mit den Affen.
Nachmittag war, wenn sich die Regenwolken über die Gebirgskette schoben, die Papageien Nina riefen und das Affenweibchen umgehend ihr Erdnussbuttersandwich verlangte.
Wir kämpften uns mit der Machete durch den Dschungel, verschönerten Käfige, erfanden Bananenflöten und genossen am Abend unseren Schreibtisch im Freien. Und frisches Quellwasser. Ich denke an geteilte Momente, die zu gemeinsamen Erinnerungen wurden. An die zahlreichen Schnittwunden, Stiche und Bisse, an von Pflanzen verätzte Hautstellen und von Fruchtsaft versiegelte Hände. An die klebrige Hitze, die unser ständiger Begleiter war und unseren Gang so untypisch deutsch verlangsamte. An Donna, Camelio, Hugo und Don Pedro. An das Gefühl, Teil von etwas Größerem gewesen zu sein und an die kollektive Freude über Eiscreme. „What goes in a green glass bottle? Matthias can go in, but Edina can’t.“
Ich bin dankbar, Einsicht erhalten zu haben in eine Arbeit, die Schweiß und Mühen jenen widmet, die nicht selbst für ihre Rechte einstehen können. Ich habe es als erfüllend empfunden, den Tieren so nah zu kommen und durch die Beobachtung Verständnis für ihre Bedürfnisse und Beweggründe zu erlangen.
Unser letzter Abend führt uns mit einer Rummelone an den Pool und die letzte Schicht des Tages übernimmt wie immer der Hund. Am nächsten Morgen ist er weg. Und wir auch.

Auf der Fahrt zum Flughafen weine ich bitterlich. Vielleicht, weil dieses Tierheim der erste Ort war, an dem wir uns um Andere bemüht haben. Vielleicht, weil wir nach all der Zeit des Reisens das erste Mal keine Touristen mehr waren. Weil wir Freunde gefunden haben. Oder, weil die spanische Lebensart hier so fühlbar in Erscheinung tritt, dass es mir weh tut, mich von ihr zu entfernen.
Ich schaue aus dem Fenster und, obgleich ich müde bin, halte ich meine Augen offen, um nichts von der eindrucksvollen Landschaft zu verpassen, die so schnell an mir vorüberzieht wie die Gedanken in meinem Kopf rotieren. Ich werde das alles nie wieder sehen. Diese Gewissheit schmerzt und hallt nach, bis ich im Flugzeug sitze auf dem Weg ins unbekannte Ecuador.

Unablässig verharre ich bei den Eindrücken der letzten Woche und stolpere dabei über eine Begegnung mit dem Totenkopfäffchen Skittles. Da sie von klein auf als Haustier gehalten wurde, wies sie bei ihrer Ankunft im Tierheim gewisse menschliche Züge auf, die sie augenscheinlich bei den Kindern der Familie abgeguckt hatte. Eine Auswilderung war unmöglich. Skittles hatte sich so sehr an den engen Kontakt gewöhnt, dass sie fiebrig nach menschlicher Aufmerksamkeit verlangte. Näherte man sich ihrem Käfig, saugte sie am Daumen und begann, sich mit der anderen Hand selbst zu umarmen. Während man bei den anderen Tieren im Heim den Grundsatz verfolgte, menschliche Zuwendung durch die von Artgenossen zu ersetzen, machte man bei Skittles eine Ausnahme. Die Weichen waren wohl unumkehrbar gestellt und so stand ich oft vor ihrem Käfig und ließ meine Finger von winzig kleinen Affenhänden drücken. Hätte man einen Wolf gelehrt, Architekt zu sein und unter Menschen zu leben und ihn dann aus Artgerechtigkeit zu einem Rudel Wölfe gebracht, wäre wohl auch der Wolf nicht begeistert gewesen.

Beim Abschied sagte Dylan, dass viele der freiwilligen Helfer nur kämen, um die Tiere zu sehen und für ihn mehr Arbeit als Unterstützung bedeuteten. Aber er könne das verstehen. Empathie für die Bedürfnisse der reichen Touristen von Übersee. So viel Einfühlungsgabe ist erstaunlich. Selbst für Menschen, die bereit sind, ihre Zeit zu opfern, um ein paar kranken Tieren zu helfen. Auch bei Mac ist dieser Charakterzug offenkundig spürbar. Mehr Verständnis und Hilfsbereitschaft hätten uns wohl kaum entgegengebracht werden können und, obwohl mir der Abschied schwer fällt, denke ich gleichzeitig daran, wie schwer es den Menschen hier fallen muss, immer wieder Abschied zu nehmen, um immer wieder neue Gesichter zu begrüßen.

Während ich mental noch in Costa Rica bin, ist unsere Maschine bereits gelandet und es ist an der Zeit, neue Eindrücke in Empfang zu nehmen.
 

revilo

Mitglied
Dieser Text ist für einen Außenstehenden schwer lesbar, weil du - aus einer Retroperspektive schreibend - dem Leser zu wenig Hintergrundinformationen gibst. Ein Dylan und ein Mac verstehen ihn sofort, weil sie offensichtlich Insider sind. Der Leser - zumindest ich - kommt da nicht so genau hinter. Und genau das ist die Schwäche. Damit will ich nicht sagen, dass Deine Ausfühungen schlecht sind. Sie sind einfach nur ein wenig fade. Nimm doch den Leser mehr mit. LG revilo
 

Milja Lajoie

Mitglied
@revilo Ich fand, dass es dem Text einen gewissen Reiz gibt so fragmentarisch zurückgelassen zu werden. Ich hatte aber auch überlegt, die Charaktere kurz einzuführen. Ich werde ihn nochmal umschreiben, sobald ich die Zeit finde. Danke für die Kritik!
 



 
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