tiger

mortisha

Mitglied
tiger du duftest nach herbst
der urwald schaut aus deinen augen
und dein kuß schmeckt salzig wie die steppe
deine augen sind tief wie der dschungel
und dunkel wie die regenzeit
mit feinen fingern malst du
dein fell auf meinen rücken
deine schwarzen streifen
deine feinen haare

tiger du bist rauh wie ein baum
dein biß ist zart wie der zitternde
flügel eines nachtfalters
deine stimme ist
das schwarzsamtene fell des panthers
mit deinen händen spielst du
deine melodie auf meiner haut
deine leichte gegenwart
dein schweres fernweh

tiger du bist der nebel
der verschwindet am morgen
wenn die sonne zu heiß wird
sich unmerklich zwischen den gräsern auflöst
aufsteigt und sich in die himmel verteilt
ein feuchter glanz auf meiner haut bist du
ein duft, wo du noch eben schlafen konntest
ich schließe diesen morgen ein in mir
du wirst mir nicht verloren gehen

mit meinen nachtaugen suche ich die deinen
meine stimme fragt nach deinem wahren namen
wenn ich dich finde unter den agavenschatten
liegend im geschmolzenen sand
schaust du mich traurig an
auch wenn du mich erkennst
du bist der, der mir nicht folgen kann

tiger es duftet nach herbst
ich schließe die augen und sehe dich
dir gehört der duft und die stimme
dir gehört die berührung der mitte
dir gehört das versprechen zu bleiben
und dir gehört das alleinsein
 
C

carter

Gast
assoziationen

wirklich gut.
ich weiß nicht, irgendwie erinnert mich das gedicht an den atlantik... wie gesgat: ich weiß nicht genau, warum.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Mortisha,

ich habe das Gedicht erst heute gelesen, es gefällt mir ausgezeichnet.

Grüße von Bernd
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
William Blake

Hallo, ich schicke mal ein Gedicht von William Blake zum Vergleich.

Deins und seins sind faszinierend. Leider ist die deutsche Fassung nicht ganz so schön.
Ich werde vielleicht versuchen, mich auch mal daran zu schaffen.



The Tiger
by William Blake


Tiger! Tiger! burning bright
In the forests of the night,
What immortal hand or eye
Could frame thy fearful symmetry?

In what distant deeps or skies
Burnt the fire of thine eyes?
On what wings dare he aspire?
What the hand dare seize the fire?

And what shoulder, and what art,
Could twist the sinews of thy heart?
And when thy heart began to beat,
What dread hand? and what dread feet?

What the hammer? what the chain?
In what furnace was thy brain?
What the anvil? what dread grasp
Dare its deadly terrors clasp?

When the stars threw down their spears,
And watered heaven with their tears,
Did he smile his work to see?
Did he who made the Lamb make thee?

Tiger! Tiger! burning bright
In the forests of the night,
What immortal hand or eye
Dare frame thy fearful symmetry?


DER TIGER


von William Blake

Tyger! Tyger! Brennst voll Macht
In den Wäldern der Nacht,
Welch' unsterblich' Hand, welch' Blick
Könnt' rahmen Dein Ebenmaß so fürchterlich?

In welch' fernen Tiefen oder Höhn
Brannte Deiner Augen Glühn?
Welche Schwingen warn ihm teuer?
Welche Hand wagts es, zu greifen dies Feuer?

Und welche Schulter, welch' Geschicke
Vermocht zu formen Deines Herzens Stricke?
Und als dies Herz begann zu pochen,
Welch' fürchterlich' Hand formte da Deine Knochen?

Welcher Hammer? Welches Erz?
In welcher Esse war Dein Herz?
Welcher Amboß? Und welch' Recken
Wagt' zu packen seine Todesschrecken?

Als die Sterne herabwarfen ihre Speere
Und die Himmel wässerten Tränenmeere,
Sah er da lächelnd sein Werk vor sich?
Schuf der das Lamm erschuf auch Dich?

Tyger! Tyger! Brennst voll Macht
In den Wäldern der Nacht,
Welch' unsterblich' Hand, welch' Blick
Wagts zu rahmen Dein Ebenmaß so fürchterlich?

http://www.otoeu.org/library/german/various/tyger.d.html
(Übersetzer unbekannt)
 

mortisha

Mitglied
sprachlos bin ich

wow!...
Blake, welche Ehre wird mir zuteil, mit ihm in einem Atemzug genannt zu werden!!
:)
danke schön.
gibts von dem noch mehr im netz?
mort*
 



 
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