Timbuktu

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Klaus K.

Mitglied
Timbuktu-Tours

Der verdammte Jeep. Sie saßen fest. Der verdammte Sand. Die Räder drehten durch, fraßen sich immer tiefer in das ewig gleiche und enervierende Hindernis.
Die beiden Frauen stiegen aus. Sie schaufelten die Räder wieder frei, so gut es eben ging. Dann legten sie die Metallschienen unter die Reifen. Allradtechnik. Klingt gut, aber ist wohl maximal nur dafür vorgesehen, auf Sylt mal nachts durch die immer offiziell gesperrten Dünen zu brettern. Normalerweise also absoluter Nonsens für den täglichen Einsatz. Und jetzt hier eine Technik, die bei den aktuellen Bedingungen dann auch noch versagte.

Sie stiegen wieder ein. Die Mühe vorher wurde jetzt belohnt, es ging weiter, Gott sei Dank!

"Abenteuer für Individualisten. Erleben Sie das Besondere, erkunden Sie Destinationen, die Ihre Freunde nur vom Hörensagen her kennen!".

So lautete die Werbung ihrer Agentur. Die Zielgruppe: Büromenschen und Paare, junge Paare. Leute mit Khakihemden und Tropenhelm. Die beiden Frauen waren jetzt auf der Vorreise im Auftrag ihres Chefs. Ziel war Timbuktu.
Noch 432 km laut GPS. Es wurde dunkel.
Und es wurde kalt. Nachts in der Wüste wird es kalt.
Sehr kalt, und tagsüber sehr heiß.
Die beiden Frauen waren bestens ausgerüstet. Ihr Zelt stand in ein paar Minuten stabil verankert auf dem Boden, der Spirituskocher wärmte die Doseninhalte auf. Tee gab es in allen Varianten.
Sie waren beide Ende dreissig, schlank, attraktiv, unverheiratet, gebildet und mehrsprachig. Denn zumindest Französisch war hier ja Bedingung für eine Verständigung. Sie krochen in ihre Schlafsäcke, der Wind rüttelte am Zelt, er wurde immer stärker. Aber da war auf einmal noch etwas. Stimmen. Männerstimmen, draußen.
Sie waren beide noch hellwach. Sie schauten sich an, wortlos. Die etwas größere von ihnen griff dann nach hinten, unter ihren Rucksack, der ihr als Kopfkissen gedient hatte. Dort lag der kleine Revolver, geladen mit sechs Patronen, immer gut versteckt und immer unentdeckt. Sie hatte ihn von ihrem Bruder bekommen, für alle Fälle. Sie zog den Reißverschluss des Zelteingangs nach unten. Die rechte Hand mit dem Revolver hielt sie hinter ihrem Rücken.
Draußen standen drei Männer. Jüngere Männer, grinsend.
Weiter hinten stand ihr Pick-up.

Sie sprachen miteinander. Eine unbekannte Sprache, dazu ein Dialekt, vermutlich. Auf jeden Fall völlig unverständlich für die beiden Frauen, die jetzt vor ihrem Zelt standen.

"Was wollen Sie?"
lautete die Frage auf französisch,
gestellt von der kleineren der beiden Frauen.

"Euch!"
kam als Antwort zurück, ebenfalls auch auf französisch.

Die Männer waren alle ungefähr dreissig Jahre alt.
Lüsterne Blicke und Messer. Alle drei hatten jetzt ein Messer in der Hand. Häme in ihren Gesichtern.

"Rein ins Zelt!"
befahl der Sprecher, der bereits davor geantwortet hatte.

Sie zog ihre Hand mit dem Revolver nach vorne und hielt den ausgetreckten Arm der Reihe nach auf alle drei Männer, von links nach rechts, von rechts nach links.

"Haut' sofort ab!"

Der Sprecher lachte laut auf und kam mit dem Messer in der Hand direkt auf sie zu. Die anderen beiden Männer schlossen sich ihm an, grinsend, ihre Messer drohend hochhaltend.

"Halt's Maul - und da rein mit euch!"

Der Sprecher machte Ernst, vollführte mit seinem Messer jetzt eine "Kopf ab" - Geste.
Sie drückte ab. Ein Loch war plötzlich auf seiner Stirn, er fiel sofort hintenüber. Die beiden anderen standen wie versteinert da, die erhobenen Messer noch in der Hand. Sie drückte erneut ab. Die Kugel drang diesmal erst durch die Wange und dann in den oberen Kopf. Tot, aber der Mann stand noch eine Sekunde, bevor er umfiel. Der Dritte wollte jetzt mit einem Sprung noch zustossen, der Schuss traf ihn seitlich in die Brust. Er röchelte noch kurz.
Dann war es still. Ganz still.

"Wir begraben sie. Mit unseren Spaten und dem Sand kennen wir uns ja aus. Ihren Pick-up nehmen wir mit, so
50 km sollten reichen, ich fahre ihn und wische dann hinterher das Lenkrad und alles andere ab."

"Wir dürfen die exakten GPS-Daten hier nicht vergessen - sonst war alles umsonst. Hast Du übrigens gut gemacht - sonst würden wir jetzt da liegen..."

"Ja, es ist genau so eingetreten, wie wir es geahnt hatten.
Sensationell, aber unvermeidbar. Und man muß unbedingt die Nerven behalten...."

Ein Jahr später. Eine Reisegruppe von 14 Personen in Jeeps, dazu zwei Reiseleiterinnen, beide um die vierzig.

"So, liebe Teilnehmer, heute hier etwas ganz Besonderes.
Timbuktu-Tours hat eine exklusive Information vorliegen, dass sich hier...Moment, noch ein paar Meter laut GPS...so...also, dass sich hier ein Drama abgespielt haben muß. Hier sollen drei Männer kaltblütig erschossen worden sein, die Leichen wurden dann angeblich nur oberflächlich verscharrt.
Also, wer hat Mut? Hier gibt's die Spaten...!"
 



 
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