Rhondaly DaCosta
Mitglied
out.back
„Fahren Sie rechts in den Feldweg hinein“, befiehlt Leutnant Collins. Ben Wolfe fährt rechts ab.
Laut Übungsplan sollten sie geradeaus bis Alice Springs fahren. Dort sollten sie die dritte Division treffen.
Die Übung mit den australischen Truppen ist Teil eines groß angelegten Manövers in den Outbacks.
Ben Wolfe und Jack Collins werden formell als Mitglieder einer Erkundungs-Kompanie aufgeführt.
Auf der Schotterpiste nimmt Ben keine Spuren von Vorgängern wahr.
Sie kommen in dichter bewaldetes Gebiet.
Vor sich sieht Ben nun einen kleinen See, den er umfährt. Am gegenüber liegenden Ufer erblickt er einen Wasserfall, der von einer üppigen Vegetation umgeben ist.
Über sich bemerkt Ben nun einen Colibri. Buntschillernd, in allen Farben des Regenbogens leuchtend, fliegt der Vogel nahezu parallel zum Jeep. Ben richtet sein Augenmerk wieder auf die Strecke.
Doch dann veranlasst ihn eine unerklärliche Neugier, den Vogel erneut zu beobachten
„Naja, hoffentlich lässt der Piepmatz nicht ausgerechnet jetzt ein Häufchen fallen“, schmunzelt Ben in sich hinein.
„Und wenn schon, dann bitte nicht auf die Windschutzscheibe“, denkt er amüsiert weiter.
Und da ist es auch schon passiert! Der Vogel lässt ein Stück Kot abtropfen; dieses trifft den Kotflügel.
Ben erschrickt kurz, er muss das Steuerrad bewusst geradeaus halten, so sehr nimmt ihn dieser Vorgang gefangen.
„Dies ist ja ein Vorgang wie beim Doppelspalten-Experiment“, fällt es ihm instant ein; so, als ob seine Beobachtung das beobachtete Ereignis beeinflusst hätte.
Der Colonel hat von alldem nichts bemerkt. Er ist in das Studium seiner Unterlagen vertieft.
Ben betrachtet nun den See. Die Wasseroberfläche kräuselt sich in einer fantastischen Farbmischung von Kobaltblau und einem lavierenden Türkis. Die Wellen schwappen leicht hin und her, und hin und her … immer im gleichen Rhythmus, so erscheint es dem Beobachter. Für Ben wirkt die Bewegung des Wassers wie eine gut gemachte Computeranimation.
Ben wischt seine dummen Gedanken fort. Er konzentriert sich auf den Fahrweg. Der Untergrund hat von der Schotterpiste auf einen tiefen, dunkelgrünen Waldboden gewechselt.
Ben wirft ein kurzer Blick in den Rückspiegel und staunt - es sind keine Reifenspuren hinter dem Fahrzeug im Waldboden zu sehen! Es sieht so aus, als ob die Gräser sich gleich hinter dem Fahrzeug wieder aufstellen würden.
Sie erreichen nun den Wasserfall.
„Fahren Sie hindurch“, befiehlt ihm Leutnant Collins. Ben fährt durch den Wasserfall hindurch.
Sie sind in eine geräumige Höhle eingefahren, die etwa zehn Meter hoch ist und vielleicht sechs oder sieben Meter im Durchmesser misst.
Ihre Uniformen sind trocken. Leutnant Collins schaut Ben triumphierend an. Mit seinen Augen leitet er Bens Blicke nach oben.
Ben schaut sich um und entdeckt im oberen Innenbereich des Höhleneingangs Apparaturen wie in einer gut ausgestatteten Disco. Laserstrahlen - das Militär hat vor der Höhle einen künstlichen Wasservorhang simuliert. Ben schürzt die Lippen und schaut seine Vorgesetzten anerkennend an.
„Der junge Mann ist wirklich sehr abgeklärt“, denkt sich Collins. „Cool, wie man so sagt. Außergewöhnlich cool ...“.
Leutnant Collins hat keine Zeit, sich weitere Gedanken um Bens Nervenstärke zu machen. Die Zeit drängt.
„Fahren Sie den Wagen zur gegenüberliegenden Wand“, weist er ihn an.
Ben gehorcht. Er parkt er das Fahrzeug vor der Wand.
Leutnant Collins steigt aus und legt sein Gesicht auf einen Vorsprung in der Wand – ganz nahe daran.
In der Wand nebenan schiebt sich ein Einlass geräuschlos zur Seite.
Collins steigt wieder ein und gibt Ben ein Zeichen hindurch zu fahren.
Hinter der Öffnung erstreckt sich ein Gang, der mit einem glatten, metallisch erscheinenden Material ausgelegt ist. Nach etwa zehn Metern erreicht das Fahrzeug einen weiteren Wandeinlass.
Colonel Collins wiederholt die Iris-Erkennungs-Prozedur.
Es öffnet sich die Tür eines geräumigen Liftes. Ben fährt den Wagen hinein.
Die Aufzugtür schließt sich hinter ihnen. Die Anlage setzt sich automatisch in Bewegung. Es scheint abwärts zu gehen, endlos.
Schließlich setzt der Lift auf. Eine Tür öffnet sich.
Ben fährt den Geländewagen heraus. Er hält das Fahrzeug an und schaut sich um.
Der sich öffnende Raum erscheint ihm riesengroß. Auf einer Fläche von mehreren hundert Quadratmetern bewegen sich zahlreiche Militärpersonen. Am oberen Ende ist hinter einer gebogenen Glasfront eine Art Leitstand eingelassen. Ben sieht einige Männer und Frauen in Zivil, die offensichtlich an Bedienerpulten arbeiten.
inside.out
Ein Uniformierter kommt auf sie zu. Ben erkennt an seinen Abzeichen einen Oberst.„Ich bin Oberst Redford. Willkommen, Leutnant Collins“, begrüßt der Oberst den Vorgesetzten. Collins grüßt zurück und stellt seinen Begleiter vor. Man salutiert.
Der Oberst zieht Collins etwas zur Seite, sodass Ben ihr Gespräch nicht mithören kann. Sie unterhalten sich etwa zehn Minuten lang.
Aus den Augenwinkeln beobachtet Ben den Obersten. Dieser ist ein Mann von beachtlicher Statur. Ben schätzt seine Körpergröße auf fast 190 cm.
Die ganze Erscheinung des Offiziers wirkt kräftig, austrainiert. Von einem Schmerbauch kann Ben selbst ansatzweise nichts bemerken. Dieser Mann scheint körperlich sehr stark zu sein. Mens fortis in corpore …?
Bens Blick kehrt noch einmal zum Kopf des Mannes zurück. Oberst Redford hat rotblondes Haar, das an der Stirn schon etwas schütter wirkt. Auch die Gesichtshaut wirkt rötlich, und dabei fest.
Da, hinter dem linken Ohr, hat Ben eine Ausbuchtung bemerkt. Er schaut, so unauffällig wie möglich, noch einmal zu dieser Stelle hin. Nein, dies ist keine Beule und kein Geschwulst. Die Ausbuchtung wirkt kreisrund, etwa so dick wie zwei Zehn Cent Stücke. Ben tippt bei dieser Erhebung auf ein elektronisches Implantat.
Ben fragt sich, was … da kommen die beiden Männer wieder auf Ben zu.
„Kommen wir nun zur Sache. Das Zeitfenster öffnet sich in wenigen Minuten. Bitte folgen Sie mir“ erklärt der Oberst bestimmt.
Fred Collins und Ben Wolfe folgen ihm zu einer undurchsichtigen, milchglasähnlichen Wand.
Vor dem Durchgang verabschieden sie sich Ben und der Leutnant ordnungsgemäß von dem Oberst. Dieser wirft beim Abschied einen kurzen Blick auf den Siegelring an Bens rechter Hand. Er blickt Ben noch kurz an, nickt ihm kaum merklich zu, und verschwindet dann wortlos.
Die beiden Militärs treten durch eine Luftschleuse in einen Vorraum.
Sie legen dort aufgehängte Raumanzüge an.
Hinter der Luftschleuse treten sie in einen kreisförmigen Bereich, der vollkommen aus glasähnlichen Spiegelwänden zu bestehen scheint.
In der Mitte des Raumes steht – ein Moon Rover.
Leutnant Collins beobachtet Bens Reaktion. Ben wirkt nicht überrascht.
Das Militär hat Ben seit über einem Jahr im Raumfahrtzentrum in Pasadena in der Steuerung von Rovern ausgebildet. Die Teilnahme an einem Manöver in den Outbacks ist für ihn sicherlich nicht außergewöhnlich. Er hat bereits zahlreiche Testfahrten in allen möglichen Landformationen absolviert.
An diesem Ort konnte er allerdings eher damit rechnen, dass er wieder eine virtuelle Rover Einheit, in einem geheimen Kontrollzentrum, steuern würde. Nun steht ein Fahrsystem live vor ihm – allerdings tief unter der Erde.
Leutnant Collins und Ben Wolfe nehmen in dem Vehikel Platz.
„Wir gehen live“, erklärt Collins seinem Fahrer. „Machen Sie alles so, wie sie es gelernt haben“, befiehlt er.
„Oder wollen Sie noch aussteigen?“, fragt Collis in seiner direkten Art.
„Nein“, antwortet Ben lapidar.
„Hier sind die Anweisungen. Ich musste diese Ihnen gegenüber strikt geheim halten. Wir sind das Risiko eingegangen, dass Sie auch in letzter Sekunde abspringen könnten“, beginnt Collins seine Ausführung.
„Wir machen eine Zeitreise. Nur Sie und ich“, erklärt Collins weiter.
Ben schweigt. Science fiction und real science sind für Ben ineinander greifende Denkmodelle. In den Meetings, zu denen er zugelassen war, sind tausendundeine Möglichkeiten zu Landungen auf anderen Planeten vorgestellt und diskutiert worden. Von der Landefähre über Weltraumlifte bis zu … eben außergewöhnlichen Denkansätzen.
Er traut dieser Institution, für die er arbeitet, technisch so ziemlich alles zu. Und er hat Vertrauen – aus gutem Grund.
„Haben Sie Angst?“ fragt Collins ihn lächelnd.
„Ich habe keine Angst, Herr Leutnant“, antwortet Ben mit unbewegtem Gesicht.
Dies ist das Abenteuer seines Lebens; dies wird der auf keinen Fall durch das geringste Anzeichen von Angst torpedieren. Er überlegt kurz, ob sie einen Ersatzmann für ihn bereitgestellt haben; für den Fall aller Fälle. Dann verdrängt er diesen Gedanken.
Ben spürt in sich hinein. Er fühlt tatsächlich keine Angst. Er gibt sich auch Mühe, seine Neugier zu zügeln. Neugier lenkt ab.
Mit voller Konzentration überprüft er die Kontrollinstrumente im Rover. Alle Funktionen sind so angeordnet, wie er sie in seinen Trainings gelernt hat.
Das zweisitzige Modell entspricht einem der Testfahrzeuge, das er bereits früher gefahren hat. Nur der Kontrollschirm in der Mittelkonsole wirkt leicht verändert. Er will das Panel einschalten, doch Collins fällt ihm in den Arm.
„Noch nicht“, erklärt dieser.
Im Raum erfährt Ben nun ein seltsames Vibrieren. Er schaut sich um.
Die Wände ringsum fluoreszieren; in ihnen werden Verbindungselemente sichtbar. Diese sehen wie Schaltkreise auf einer Computer-Platine aus.
Das vibrierende Geräusch wird stärker. Die Schaltkreise nehmen nun die Gestalt von ineinander übergehenden Modulen wahr.
Fraktale Strukturen und gitterartige Verzweigungen scheinen quer durch den Raum weißliche Energie-Fäden miteinander auszutauschen. Das Szenario erinnert Ben an Bilder, die er in Büchern über den Erfinder Tesla gesehen hat.
„Sie fühlen sich also elektromagnetischen Resonanzen im Raum an“, fährt es ihm durch den Kopf.
Nun ergreift ihn doch noch der `horror vacui`.
„Hoffen wir, dass eine weiße Quelle am anderen Ende des Tunnels uns tatsächlich emittiert“, denkt er noch.
Ben fühlt plötzlich, wie er stürzt, immer tiefer, immer weiter … dann wird alles schwarz um ihn.
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