Trayka Nero
Mitglied
Die grellen Discoleuchten strahlten über sie alle hinweg. Es war Samstag und sechs Mitglieder des Sportvereins „Auf der Heide“ waren auf dem Polterabend ihres Vereinskollegen anwesend.
Einer von ihnen saß bierselig an einem Tisch und flirtete heftigst mit einem weiblichen Subjekt, das ihm nur durch den Alkoholschleier wirklich gefallen konnte. Jedoch unternahm keiner seiner Kollegen den Versuch, ihn davon abzubringen oder ihn wenigstens zu warnen.
Ihre vollständige Aufmerksamkeit galt jemandem anderes.
Verächtliche Blicke streiften den ältlichen Trainer, der einsam mit einem halbleeren Cola-Glas in der Hand am Nebentisch saß. Niemand interessierte sich für den Mann, der gut zwanzig Jahre älter als die anderen war und seine Leute nur im Notfall manchmal im Griff hatte. Im Gegensatz zu seinen Vereinskollegen war er nicht zum Spaß, sondern aus reinem Pflichtgefühl anwesend. Mit gläsernem, melancholischem Blick sah er auf die Tanzfläche, die schönen Frauen mit ihren Männern, die fröhlich lachten und eng umschlungen tanzten.
Das zentrale Gesprächsthema der kleinen Gruppe war jedoch ein anderes Mitglied ihres Vereins. Es handelte sich um ein junges Mädchen, etwa sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Trotz der verschiedenfarbigen Beleuchtung hatte ihr Haar einen dauerhaften goldenen Schimmer. Das Oberteil, das sie trug, betonte ihre sanft abgerundeten Schultern und ihre kräftige, wenngleich schlanke Figur. Ihren stählernen Augen schien nichts zu entgehen, obgleich sie fast bewegungslos, jedoch aufrecht und stolz, da saß, wagte es niemand, sich ihr zu nähern.
„Meinst du, man sollte sie auffordern?“ „Schön wärs, aber sie will sicher nicht.“ „Sie ist dabei doch nicht arrogant.“ „Findest du? Ich weiß nicht. Sie ist zu fett zum Tanzen.“ „Zu fett? Niemals, schau sie dir doch an!“ „Ich würd sofort was mit der anfangen!“ „Jau! Der da sicher auch!“ Mit einem Kopfnicken wurde wieder auf den alten Trainer gedeutet. „Wenn meine Freundin so häßlich wäre wie seine, würd ich mich ja nicht mehr unter Leute trauen.“ „So wie der aussieht, kriegt der doch auch keine andere ab.“
Ein verhaltenes Kichern war von den Sportlern zu hören, das jedoch prompt erstarb, als der Trainer etwas steif aufstand und die junge Sportlerin mit bleigrauem Blick fixierte. Mit unbewegter Miene, als gingen die Beleidigungen und spitzen Kommentare seiner Vereinskollegen an ihm vorbei, näherte sich ihr und streckte ihr zitternd seine zerfurchte, schwere Arbeit gewöhnte Hand entgegen.
Sie blickte auf. In ihren eisblauen Augen funkelte es leicht. Die anderen Sportler hielten voll Anspannung die Luft an. Alles schien stillzustehen, als sich die Gesichtszüge des Mädchens entspannten und ein entwaffnendes Lächeln freigaben. Mit einer nahezu raubtierhaften Geste ergriff sie die ihr angebotene Hand, eben rechtzeitig zum nächsten Lied. Es handelte sich um die Filmmusik des Films „Titanic“. Der Blick des Mädchen schien nun nicht länger alles zu kontrollieren, als vielmehr den Trainer in einen sanften Bann zu ziehen.
Mit einem warmen Lächeln ließ sie es zu, daß er sie nah an sich zog und erwiderte die enge Umarmung. Beide Tänzer schienen von der Außenwelt abgeschnitten. Langsam begannen sie, zu tanzen. Wenig später schon glitten sie in perfekter Einheit, wie ein einziger großer, katzenhaft anmutiger Tänzer über die Tanzfläche. Wie einst die Titanic ließen sie sich auf den Wellen der Musik über die Tanzfläche tragen. Sie umschlangen einander fest, als wollten sie den anderen vor der Kälte des Wassers und des atlantischen Windes schützen. Die Zeit flog an ihnen vorbei wie ein Schleier. Als die letzten Takte des Liedes erklangen, lockerten sie die Umarmung und sie blickte ihm tief in die alten, schmalen Augen, seine Hände noch in ihren.
Der Aufprall auf den Eisberg folgte nur Sekunden später. Grölendes Gelächter und anzügliche, sowie beleidigende Zurufe schallte den beiden vom Rand der Tanzfläche entgegen.
Sie jedoch lächelte ihn weiter mit ihrer unerschütterlichen Selbstsicherheit an und drückte vorsichtig seine Hände. „Alles nur Neid!“, formte sie mit ihren Lippen und er verstand.
In diesem Moment sah sie etwas, das sie nie für möglich gehalten hätte, nie gesehen hatte, ein Wunder der sieben Weltmeere: Glücklich funkelnde Augen und ein Lächeln auf seinem Gesicht.
Waren auch einst 1503 Seelen verloren gegangen, an diesem Abend war wenigstens eine gerettet worden.
Einer von ihnen saß bierselig an einem Tisch und flirtete heftigst mit einem weiblichen Subjekt, das ihm nur durch den Alkoholschleier wirklich gefallen konnte. Jedoch unternahm keiner seiner Kollegen den Versuch, ihn davon abzubringen oder ihn wenigstens zu warnen.
Ihre vollständige Aufmerksamkeit galt jemandem anderes.
Verächtliche Blicke streiften den ältlichen Trainer, der einsam mit einem halbleeren Cola-Glas in der Hand am Nebentisch saß. Niemand interessierte sich für den Mann, der gut zwanzig Jahre älter als die anderen war und seine Leute nur im Notfall manchmal im Griff hatte. Im Gegensatz zu seinen Vereinskollegen war er nicht zum Spaß, sondern aus reinem Pflichtgefühl anwesend. Mit gläsernem, melancholischem Blick sah er auf die Tanzfläche, die schönen Frauen mit ihren Männern, die fröhlich lachten und eng umschlungen tanzten.
Das zentrale Gesprächsthema der kleinen Gruppe war jedoch ein anderes Mitglied ihres Vereins. Es handelte sich um ein junges Mädchen, etwa sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Trotz der verschiedenfarbigen Beleuchtung hatte ihr Haar einen dauerhaften goldenen Schimmer. Das Oberteil, das sie trug, betonte ihre sanft abgerundeten Schultern und ihre kräftige, wenngleich schlanke Figur. Ihren stählernen Augen schien nichts zu entgehen, obgleich sie fast bewegungslos, jedoch aufrecht und stolz, da saß, wagte es niemand, sich ihr zu nähern.
„Meinst du, man sollte sie auffordern?“ „Schön wärs, aber sie will sicher nicht.“ „Sie ist dabei doch nicht arrogant.“ „Findest du? Ich weiß nicht. Sie ist zu fett zum Tanzen.“ „Zu fett? Niemals, schau sie dir doch an!“ „Ich würd sofort was mit der anfangen!“ „Jau! Der da sicher auch!“ Mit einem Kopfnicken wurde wieder auf den alten Trainer gedeutet. „Wenn meine Freundin so häßlich wäre wie seine, würd ich mich ja nicht mehr unter Leute trauen.“ „So wie der aussieht, kriegt der doch auch keine andere ab.“
Ein verhaltenes Kichern war von den Sportlern zu hören, das jedoch prompt erstarb, als der Trainer etwas steif aufstand und die junge Sportlerin mit bleigrauem Blick fixierte. Mit unbewegter Miene, als gingen die Beleidigungen und spitzen Kommentare seiner Vereinskollegen an ihm vorbei, näherte sich ihr und streckte ihr zitternd seine zerfurchte, schwere Arbeit gewöhnte Hand entgegen.
Sie blickte auf. In ihren eisblauen Augen funkelte es leicht. Die anderen Sportler hielten voll Anspannung die Luft an. Alles schien stillzustehen, als sich die Gesichtszüge des Mädchens entspannten und ein entwaffnendes Lächeln freigaben. Mit einer nahezu raubtierhaften Geste ergriff sie die ihr angebotene Hand, eben rechtzeitig zum nächsten Lied. Es handelte sich um die Filmmusik des Films „Titanic“. Der Blick des Mädchen schien nun nicht länger alles zu kontrollieren, als vielmehr den Trainer in einen sanften Bann zu ziehen.
Mit einem warmen Lächeln ließ sie es zu, daß er sie nah an sich zog und erwiderte die enge Umarmung. Beide Tänzer schienen von der Außenwelt abgeschnitten. Langsam begannen sie, zu tanzen. Wenig später schon glitten sie in perfekter Einheit, wie ein einziger großer, katzenhaft anmutiger Tänzer über die Tanzfläche. Wie einst die Titanic ließen sie sich auf den Wellen der Musik über die Tanzfläche tragen. Sie umschlangen einander fest, als wollten sie den anderen vor der Kälte des Wassers und des atlantischen Windes schützen. Die Zeit flog an ihnen vorbei wie ein Schleier. Als die letzten Takte des Liedes erklangen, lockerten sie die Umarmung und sie blickte ihm tief in die alten, schmalen Augen, seine Hände noch in ihren.
Der Aufprall auf den Eisberg folgte nur Sekunden später. Grölendes Gelächter und anzügliche, sowie beleidigende Zurufe schallte den beiden vom Rand der Tanzfläche entgegen.
Sie jedoch lächelte ihn weiter mit ihrer unerschütterlichen Selbstsicherheit an und drückte vorsichtig seine Hände. „Alles nur Neid!“, formte sie mit ihren Lippen und er verstand.
In diesem Moment sah sie etwas, das sie nie für möglich gehalten hätte, nie gesehen hatte, ein Wunder der sieben Weltmeere: Glücklich funkelnde Augen und ein Lächeln auf seinem Gesicht.
Waren auch einst 1503 Seelen verloren gegangen, an diesem Abend war wenigstens eine gerettet worden.