Ach eine Fanfare, doch nicht an Fleisches Mund
Ich überlege so hin und her - soll wohl auch so sein: daß man hin und her überlegt.
"Eure Choräle, Arpeggios, Dankchoral ..." (Benn).
Ich fang beim Schluß an: "eine absolution" - die empfängt der beichtende Katholik am Ende seiner Beichte.
Die verschiedenen Gesänge sind keine Beichten.
Angenommen, sie sind die Sünden selbst, dann müßten sie erst als solche erkannt, bereut und gebüßt werden, sonst gibts keine Absolution. Sie müßten gebeichtet werden.
Wem? Dem nichtreligiösen Besserwisser, der sie als Sünden beurteilt und entsprechende Strafen verordnet, für die die Gewissensreinheit eingekauft werden kann.
Nett.
Angenommen, in den möglichen Sinndimensionen der "absolution" greift der Leser sich eine andere Bedeutung, etwa das wörtliche "Ablösen, Abgelöstwerden, Loslösung" - wovon sollen die Sänger der Gesänge abgelöst, losgelöst werden?
Vielleicht von dem, was die Religion in ihren Gesängen ausmacht, und das wäre: die hingebungsvolle Verehrung? Also Befreiung von der Ehrfurcht, der Hingabe, dem ästhetischen Reiz des rein geistigen Bezugs auf reinen Geist?
Aber was löst den Menschen von solch einer Geist-Hingabe ab? Vielleicht ein bißchen Spott? oder Verachtung?
Ich finde es ganz interessant, wie viel Mathematik in den Religionen steckt. Symmetrien. Logik, Philosophie.
Und auch Poesie. Nicht nur in den Texten, sondern auch in der geistigen Bezugnahme auf Geistiges, Nicht-sinnlich-Gegebenes, Schönheit ohne Begierde, Erkenntnis ohne Geschäfte, Suche ohne Besitz. Genau so wie bei einer unerfüllten Liebe.
Und wer will einem unglücklich Verliebten die Absolution erteilen?
Nicht doch - -
"[blue]Ach eine Fanfare[/blue]" - singt Benn seinen Kokabim zu -
"[blue]doch nicht an Fleisches Mund
daß ich erfahre
wo aller Töne Grund[/blue]"